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Nov.25
on 25. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Trump destabilisiert den Nahen Osten weiter –
„Israelische Siedlungen im Westjordanland sind legal“

Rui Filipe Gutschmidt

Das Weiße Haus hat wieder einmal der pro-israelischen Lobby Schützenhilfe geleistet. So hat die Trump-Administration erklärt, dass die israelischen Siedlungen im Westjordanland nicht, wie vom Großteil der internationalen Gemeinschaft betrachtet, illegal seien. Die UNO betrachtet die Besiedelung dieser palästinensischen Gebiete seit dem Sechstagekrieg 1967 als illegale Besatzung. Ein weiterer Alleingang der USA, der das Völkerrecht bricht.

„Nach Prüfung der Argumente in der juristischen Debatte gelangte die Trump-Administration zu dem Schluss, dass die Errichtung israelischer ziviler Siedlungen im Westjordanland nicht gegen das Völkerrecht verstößt“, sagte Außenminister Mike Pompeo am Montag und torpedierte erneut den Friedensprozess im israelisch-arabischen Konflikt. Die Ankündigung unterwandert die Position derjenigen, die einen Konsens zwischen Israel und Palästina anstreben.

Pro USA Plakate – Bild von Ana Bárbara Pedrosa Jerusalém, janeiro de 2018 – Mit freundlicher Genehmigumg des Bloco Esquerda – BE

Die Vereinten Nationen, sowie ein große Teil der internationalen Gemeinschaft die die Besetzung dieser palästinensischen Gebiete für illegal erklärt haben, gaben jedoch bekannt, dass diese Position völkerrechtlich nichts ändern wird. So sagte Federica Mogherini, die oberste außenpolitische Vertreterin der Europäischen Union, dass die Erklärung der Trump-Regierung „eine Lösung zwischen den beiden Staaten“ gefährde. Ein Sprecher des palästinensischen Ratsvorsitzes erklärte, Washington sei „nicht qualifiziert oder befugt, die Bestimmungen des Völkerrechts aufzuheben“.

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Netanjahu begrüßte bereits Trumps Aussage über die besetzten Gebiete und erklärte, dass diese Regierung „einen historischen Fehler korrigiert habe, der durch Wahrheit und Gerechtigkeit gestützt sei“. Netanjahu dankte Trump und Mike Pompeo und sagte, der Tag dieser Erklärung sei „ein großer Tag für den Staat Israel und eine Errungenschaft, die Jahrzehnte andauern wird“.

Anfang dieses Jahres erklärte Trump bereits, dass er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt und verlegte die US-Botschaft in diese Stadt. Darüber hinaus hat er die Souveränität der Israelis über die Golanhöhen anerkannt, ein Gebiet, dass ebenfalls im Sechstagekrieg von Syrien de Facto annektiert wurde und dessen Rückgabe durch die Kriegswirren in dem geschundenen Land in nächster Zeit unwahrscheinlicher geworden ist.

Doch das gibt weder Israel das Recht diese Gebiete – über 50 Jahre nach ihrer Besetzung – zu annektieren oder Siedlungen zu bauen, als wäre das Westjordanland eine Kolonie. Noch viel weniger hat Präsident Trump und seine Regierung irgendwas zu sagen, insbesondere in dieser höchst konfliktreichen Region.

Somit ist wieder einmal bewiesen, dass Donald Trump nur zu einem fähig ist: Konflikte schüren, weiter anheizen, im Wespennestern stochern. Ein Brandstifter der Weltpolitik, ein Elefant im Porzellanladen der Diplomatie, ein Kriegstreiber erster Klasse an der Spitze eines Landes, das sich über seine Kriege und „militärische Interventionen“ definiert und das die Interessen ihrer Wirtschaftsbosse mit allen Mitteln durchsetzt. Unbequeme Regierungen werden diskreditiert und Putschisten werden unterstützt, während „befreundete Nationen“ mit starken finanziellen Beziehungen zum US-Amerikanischen Geldadel – wie Israel – werden beschützt gestärkt und als „stabile Demokratie“ eingestuft. Israel wurde von früheren Regierungen zumindest offiziell kritisiert, aber seit dem Donald Trump an der Regierung ist, hat die israelische rechtspopulistische Regierungskoalition (mit starkem Einfluss der ultrareligiösen und faschistischen Parteien in der Knesset) unter Benjamin Netanjahu, die uneingeschränkte Rückendeckung aus Washington. Eine größere Gefahr für den Frieden hat es in diesem Jahrhundert in Nahost noch nicht gegeben.


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└ Schlagwörter: AmericanRebel, Arbeit Zukunft, Benjamin Netanyahu, Brandstifter, Donald Trump, Gefahr für den Frieden, Golanhöhen, Israel, Knesset, Kriegstreiber, Nahost, Netanjahu, Pompeo, Putschisten, Siedlungen, Syrien, Trump-Regierung, UNO, US-Amerikanischer Geldadel, US-Präsident Trump, USA, Weltpolitik, Westjordanland
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Nov.25
on 25. November 2019
Veröffentlicht in: Harry Popow

Harry Popow

Soldaten für den Frieden (Teil siebenundzwanzig)

Leseprobe aus „Ausbruch aus der Stille…“ von Harry Popow
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Harry Popow

Hier nun die siebenundzwanzigste Leseprobe aus meinem neuen Buch »Ausbruch Aus Der Stille – Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten«, das im Februar dieses Jahres auf den Markt gekommen ist. Bitte benutzt auch die Kommentarfunktion für Eure Kritiken und Einschätzungen.

Der „Gorbi-Hilf-Irrtum“

Der 6.10.89 – Gorbatschow kommt nach Berlin zu den Festlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der DDR. Wie üblich soll Spalier gestanden werden. Diesmal gehen die Bürger freiwillig zu Hunderttausenden mit Herzensfreude und großer Hoffnung auf die Straße. Den Fernsehmitarbeitern wurde ein Stellplatz in Schöneweide, in der Nähe des S-Bahnhofs, zugewiesen. Kurz bevor „Gorbi“ kommt trägt ein Jugendlicher ein Schild mit der Forderung nach einer Perestroika auch in der DDR. Er wird festgehalten, von der Straße gezerrt, auf dem Bürgersteig von Sicherheitsleuten umringt, befragt, abgeführt. Ein Kollege seiner Abteilung packt ebenfalls dienstbeflissen zu. Henry ist schockiert. Er schämt sich für seinen Genossen. Es ist um ihn herum eine fremde, eisige Welt geworden, und auch er steht ja bereits am Pranger. Was soll bloß werden?

Der letzte Nationalfeiertag der DDR, der 7.10.1989. Schulze-Boysen-Straße. Die Luft brennt. Wenige hängen die rote Fahne und die DDR-Fahne noch hinaus. Am späten Nachmittag sitzen Cleo und Henry im Restaurant „Zu den Historischen Weinstuben“ im Nikolaiviertel. An Nebentischen Westjournalisten im lebhaften Disput verwickelt. Auf dem Alex muss es heute Prügelszenen seitens der Polizei gegeben haben. Es brodelt, man sitzt wie auf Kohlen, schließlich sind auch die Kinder der Popows unterwegs. Es ist heute alles anders wie sonst. Statt Feierlichkeit – Umbruchstimmung, Aufbruch, aber wohin?

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Erich Honecker muss von allen Ämtern zurücktreten. Statt seiner übernimmt Egon Krenz die Führung. Große Erleichterung. Wird nun vieles besser? Wird der Regenbogen wieder für alle sichtbar strahlen? Auch Henry hofft es. Doch um seine Parteistrafe kommt er nicht herum. Die alte Garde zieht ihre Fäden, wie gehabt. Versammelt hat sich die Grundorganisation der SED der Führung des Fernsehens. Vier Tage nach der Machtübernahme durch Krenz. Eine klare politische Haltung wird von ihm erwartet – zur Flucht seiner Tochter. Die hat er: Henry versteht diese als eine Abkehr von der DDR, vom Sozialismus. Aber was ist aus dem humanistischen Anliegen geworden? Fehlkalkulationen! Erstarrungen im System! Gerade deshalb begreift er die Gründe, weshalb es so viele junge Menschen hinaustreibt aus der Republik. Abgesehen davon, dass Tochter Patricia nur deshalb mit ihrem Freund wegging, weil sie ihn liebt. Das sagt er seinen Genossen. Konkret und selbstbewusst. Punktum und Schluss. Schweigen in der Runde. Die Parteisekretärin bricht es als erste: Der Genosse Popow sei arrogant, keine Reue, keine innere Einkehr zeige er. Ein Mitarbeiter der Beratergruppe springt für Henry in die Bresche: Er sei stets klassenbewusst, leiste eine gute politische und fachliche Arbeit. Einige seiner unmittelbaren Mitstreiter sowie Brigitte, die gute Seele der Beratergruppe – sie verstehen ihn – das spürt er, aber sie stehen zwischen angeblicher Pflicht und Kür, zwischen Baum und Borke. Wieder Schweigen. Plötzlich ein Angriff aus der hintersten Reihe von einem Mann, den er nur vom Sehen her kennt: Ob es denn in der Popow-Familie genügend Nestwärme für die abgehauene Tochter gegeben hätte …? Henry lächelt still in sich hinein, nimmt es dem anderen nicht übel, der kennt doch seine Familie gar nicht … Da gibt es nur eines, links liegen lassen, nicht reagieren. Parieren musste er allerdings folgenden Hieb: Es ging um den Briefverkehr mit der geflüchteten Patricia. Leider klare Sache für den Vater – er darf als Mitarbeiter einer militärischen Beratergruppe keine Westkontakte haben. Doch seiner Frau und den Geschwistern – denen könne er diese nicht verbieten. Empörte Gegenfrage: Ob ihm denn nichts an seiner weiteren Karriere liege? Henry kontert: Nein, seine Familie liege ihm mehr am Herzen als eine „Karriere“, die er als Fünfzigjähriger ohnehin nicht mehr anpeile, niemals angepeilt habe… Indessen heben sich nach der „Aussprache“ die Hände: Eine Rüge für Popow! Doch das sollte noch nicht das letzte Wort sein …

Etwa vier Wochen später. Die gesellschaftlichen und politischen Turbulenzen überstürzen sich im Lande. Nichts geht mehr. Von der Opposition „abgestraft“ wird die einstige Führungsriege. Was ist da schon ein „Vergehen“ von Henry Popow gegen die Machenschaften des Politbüros! Das Volk ist zutiefst verletzt und empört. Akten werden vernichtet, Lebensläufe vom politischen Beiwerk befreit. Grotesk: Henrys Parteistrafe wird gelöscht. Wieder heben nahezu alle Genossen ihre Hände – eine Gegenstimme!

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Zum Inhalt

Ausgangssituation ist Schweden und in Erinnerung das Haus in Berlin Schöneberg, in dem die Ziebells 1945 noch wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.

Buch-Cover Ausbruch aus der Stille von Harry Popow – Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er seine spätere Frau kennenlernte.

Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.

Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.

Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlussfolgerungen zieht.

Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.

Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender, auch nach der Rückkehr im Jahre 2005 nach Deutschland. Als Rentner, Blogger, Rezensent undund Autor!

 

zum 1. Teil zum 6. Teil zum 11. Teil zum 16. Teil zum 21. Teil zum 26. Teil zum 31. Teil
zum 2. Teil zum 7. Teil zum 12. Teil zum 17. Teil zum 22. Teil zum 27. Teil
zum 3. Teil zum 8. Teil zum 13. Teil zum 18. Teil zum 23. Teil zum 28. Teil
zum 4. Teil zum 9. Teil zum 14. Teil zum 19. Teil zum 24. Teil zum 29. Teil
zum 5. Teil zum 10. Teil zum 15. Teil zum 20. Teil zum 25. Teil zum 30. Teil

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Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro.

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Über den Autor: Geboren 1936 in Berlin Tegel, erlebte Harry Popow (alias Henry) in seinem Buch „Ausbruch aus der Stille“) noch die letzten Kriegsjahre und Tage. Ab 1953 war er Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier. Eigentlich wollte er Geologe werden, und so begann Harry Popow ab September 1954 eine Arbeit als Kollektor in der Außenstelle der Staatlichen Geologischen Kommission der DDR in Schwerin. Unter dem Versprechen, Militärgeologie studieren zu können, warb man ihn für eine Offizierslaufbahn in der KVP/NVA. Doch mit Geologie hatte das alles nur bedingt zu tun… In den bewaffneten Kräften diente er zunächst als Ausbilder und danach 22 Jahre als Reporter und Redakteur in der Wochenzeitung „Volksarmee“. Den Titel Diplomjournalist erwarb der junge Offizier im fünfjährigen Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach Beendigung der fast 32-jährigen Dienstzeit arbeitete er bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. Von 1996 bis 2005 lebte der Autor mit seiner Frau in Schweden. Beide kehrten 2005 nach Deutschland zurück. Sie sind seit 1961 sehr glücklich verheiratet und haben drei Kinder, zwei Enkel und zwei Enkelinnen.

Frühere Artikel von Harry Popow

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 Comment 
Nov.25
on 25. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Häusliche Gewalt in Portugal – Wenn der Ehezwist zum Mord führt

Rui Filipe Gutschmidt

Die portugiesische Tageszeitung JN – Jornal de Noticias, hat heute (22. November 2019) die neuesten Statistiken in Sachen häusliche Gewalt in Portugal veröffentlicht. Die Zahlen stammen von der Frauenschutzorganisation UMAR und zeichnen ein erschreckendes Bild einer Gesellschaft, die sich nur langsam wandelt.

Eine der oben genannten Zahlen sind die durchschnittlich fünf Frauen die pro Monat Opfer extremer Gewalt werden, wobei drei dieser Frauen durch die Hand ihrerer Peiniger sterben. Die Zahlen wurden diesen Freitag 22. Nov 2019 von der Beobachtungsstelle für ermordete Frauen, eine Abteilung der UMAR (Union der Frauen für Alternativen and Antworten) bekannt gegeben. Laut der Agentur, die Statistiken aus in den Informationen die in Portugals Medien enthalten sind erstellt, wurden zwischen dem 1. Januar und dem 12. November dieses Jahres 28 Frauen im Zusammenhang mit familiären und intimen Beziehungen ermordet. Im gleichen Zeitraum wurden zwei weitere Frauen getötet (jedoch nicht im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt) und 27 Femizidversuche (Frauenmordversuche) wurden gezählt.

Protest gegen Frauenmorde - Carol Crisosto Flickr.com CC BY-SA 2.0

Protest gegen Frauenmorde – Carol Crisosto Flickr.com CC BY-SA 2.0

Diese nun veröffentlichten Zahlen (bei aller Sterilität der kalten Statistik sollte man die menschlichen Schicksale nicht vergessen, die hinter der Statistik stehen!), haben eine Liste erweitert, die seit 2004 bereits 531 ermordete Frauen und 618, Mordversuche umfasst. 21 Prozent der Opfer wurden von ihrem im Vorfeld verlassenen Lebensgefährten ermordet.

Die diesjährigen Daten zeigen, dass 53 Prozent der „ermordeten Frauen eine intime Beziehung zu ihrem Mörder hatten, während 21 Prozent bereits versucht hatten, diese Beziehung zu beenden (vorherige / vergangene Intimität durch de facto Trennung, Scheidung, …) „. Das heißt, 74 Prozent der Opfer hatten zu irgendeinem Zeitpunkt eine enge Beziehung zu ihrem Mörder.

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Nach Angaben der Informationsstelle war die Mehrheit der ermordeten Frauen zwischen 36 und 50 Jahre alt (43 Prozent) und befand sich auf dem Arbeitsmarkt (50 Prozent). Auch die Täter sind meist Männer im Alter von 36-50 Jahren (32 Prozent) und erwerbstätig (57 Prozent).

Der Januar 2019 war mit sieben Todesfällen der blutigste Monat in einem Jahr, seit dem die UMAR diese Fälle aufzeichnet. Die Ausnahme ist vorerst dieser Monat (November 2019), bei dem es noch keinen Frauenmord gab. „Wir kommen daher zu dem Schluss, dass von der Gesamtzahl der Femizide, die vom OMA im Zeitraum vom 1. Januar bis 12. November 2019 registriert wurden, der monatliche Durchschnitt der Frauenmorde in intimen und familiären Beziehungen zwischen 2 und 3 Frauen liegt“, soweit die veröffentlichte Studie.

Portugals Gesellschaft ist seit der Nelkenrevolution 1974, dem Beitritt zur EU 1985 und seit den Umwandlungen der „Digitalen Revolution“ in einem gesellschaftlichem Wandlungsprozess. Das Land hinkte zur Zeit der Diktatur um mindestens 50 Jahre hinterher, hatte Gesetze bei denen Frauen nur Bürger zweiter Klasse waren und der Einfluss der Katholischen Kirche gab den Ehemännern das Recht über das Leben ihrer Frauen und Kinder zu bestimmen. Bis heute hält sich eine „Machomentalität“ bei der sich die Männer herausnehmen über das Leben ihrer Lebenspartnerin zu bestimmen.

Besonders in ländlichen Gebieten ist diese Steinzeitmentalität noch immer nicht verschwunden und Gewalt in der (Ehe)Partnerschaft ist noch immer an der Tagesordnung. Es wäre unfair bei Gewalttaten ausschließlich von der gegen Frauen gerichteten Gewalt zu reden. Auch Männer sind oftmals Opfer ihrer Frauen und auch hier gibt es Mordfälle und extreme Brutalität. Da diese oft versteckt ist und sich die männlichen Opfer auf Grund derselben Mentalität schämen (noch mehr als es bei den weiblichen Opfern sowieso schon der Fall ist), ist die Dunkelziffer in diesen Fällen sehr hoch. Statistiken gibt es dazu noch keine. Aber wir brauchen auch keine Statistik, sondern Taten! Die Gesellschaft muss klarer die Gewalt jeglicher Art verurteilen und Morde verhindern. Dazu muss es auch soziale Veränderungen geben, die jedem Menschen finanzielle Unabhängigkeit garantiert. Nur so kann eine Frau eine Partnerschaft beenden bevor es zu spät ist.


Ebenfalls passend zum Thema:

Richter zitiert Bibel und Gesetz von 1886 um Gewalt gegen „Ehebrecherin“ zu rechtfertigen!
„Mutti, wie war das Leben der Frauen in Portugal vor der Nelkenrevolution?“
Gewalt gegen Frauen und Machismus in Lateinamerika
Internationaler Frauentag weltweit mit Streiks und Demos begangen
Spaniens Frauen treten in den Generalstreik – Proteste in vielen Städten am internationalen Frauentag
Sexuelle Belästigung ist kein normales Verhalten

 

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 Comment 
Nov.24
on 24. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Franz Poeschel

Der Hype ist vorbei! –
Die Ruhe bei der Bewegung „Aufstehen“?

Sascha Iwanow

Nun verlässt Sahra Wagenknecht die politische Bühne und gibt ihren Fraktionsvorsitz der Partei Die Linke (PdL) ab. Bleibt die Frage: Was ist aus der, von ihr und Oskar Lafontaines, gegründete Initiative „Aufstehen“ geworden?

Ich habe als Marxist-Leninist nie viel von dieser Bewegung gehalten. Sie war Augenwischerei und diente nur dazu den „kleinen Mann“ weiter zu verdummen und zu verwirren. Wenn ich an die Zeit zurückdenke und an die Kritik, die mir entgegenschlug, kann ich nur feststellen, dass viel diesem sozialdemokratischen Blödsinn aufgesessen sind.

Vor fast einem Jahr ist eine marxistisch-leninistische Analyse dieser Bewegung, erschienen und wurde in Offen-siv, veröffentlicht. Beim nochmaligen Lesen fiel mir auf, wie viel von dieser Analyse richtig ist. Ein gutes Beispiel dafür, – wenn man eine marxistisch-leninistische Überzeugung hat, – wie die Praxis mit der Theorie analysieren wird.

Vor allen Dingen die letzten Sätze haben mich stark beeindruckt:

„Es kann und wird keine Verbesserungen für die Arbeiterklasse im Staat der Bourgeoisie geben ohne die unabhängige klassenorientierte Organisierung als Teil einer revolutionären Strategie. Das heißt auch: keine Verbesserungen ohne den konsequenten Bruch mit der Sozialdemokratie in all ihren Formen.

Ihre „Demokratie“ ist unsere Unterdrückung. Ihr Pluralismus ist unsere Vernebelung.

Ihre Sammelbewegungen sind unsere Integration – in ihr faulendes System. Schluss damit, schaffen wir erneut eine starke, revolutionäre Arbeiterbewegung – schaffen wir die kommunistische Partei.“

Wie recht ich doch hatte, diesen Artikel zu veröffentlichen.

Sascha Iwanow
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Vor über einem Jahr startete die von Sahra Wagenknecht ins Leben gerufene Sammlungsbewegung “Aufstehen” mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Die politische Bilanz ist ein Desaster: Prominente Unterstützer verließen frustriert das Bündnis, Linke in SPD und bei den Grünen blieben auf Distanz. Übrig sind lokale Aktionsgrüppchen die einen orientierungslosen Aktivismus betreiben. Bild: YouTube screenshot 

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Viele Autoren/-innen und Volkskorrespondenten/-innen versuchen 2018 und 2019 Hintergründe und die Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit dieser Initiative, im Bezug auf den Kampf für eine friedliche und soziale Gesellschaftsordnung, zu beleuchten. Ihre Argumente sollten helfen die richtige Entscheidung zu treffen.

Autor
Titel und Link
zum Artikel
ersch. Inhalt (Auszug)

A. Holberg
A. Holberg zu: „Gleis, Statt ‚Aufstehen‘
nur quergelegen
25.o3
2019
In der Tat deutet Vieles, wenn nicht gar Alles, darauf hin, dass „Aufstehen‘ ein Rohrkrepierer war und ist. Der Optimismus der Tat hat hier den Pessimismus der Ratio überholt.
Die Initiative war sicher angesichts der Stagnation der PdL notwendig aber auf jeden Fall angesichts des wirklich niedrigen Niveaus von Klassen- oder überhaupt sozialen – Kämpfen zumindest verfrüht.

„Aufstehen“ verliert das Zugpferd 15.o3
2019
Wie ein Paukenschlag schlug die Meldung der bürgerlichen Presse (FAZ) bei den Aktivisten von „aufstehen“ (auch als „Wagenknecht-Bewegung“ bekannt) ein, daß sich Sahra Wagenknecht aus der Spitze dieser Bewegung zurückzieht.
Viele sind sauer darüber, daß man als sogenannte basisdemokratische Organisation dies aus der Presse erfahren mußte. Sahra Wagenknecht gibt auch als Grund Krankheit und beruflichen Stress an und sicher war der Spagat zwischen „aufstehen“ und Partei Die Linke sehr schwierig und kräftezehrend.
Sie will auch den Fraktionsvorsitz der Partei Die Linke aufgeben.

Heinz Michael Vilsmeier

Petry bietet Wagenknecht eine
Zusammenarbeit an

 

21.09.
2018
Sahra Wagenknecht und ihre Sammlungsbewegung könnten für die AfD eine echte Bedrohung werden. – Ist das nicht toll!?
In der Auseinandersetzung um die Migrations- und Flüchtlingspolitik stellen sich immer mehr Mitglieder der Partei DIE LINKE. auf die Seite der Rechten.
Verantwortlich dafür sind Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, die sich die Argumentation der Rechten zueigen gemacht haben. Ihre Begründungen für die Ablehnung des Merkel’schen Kurses in der Migrations- und Flüchtlingspolitik unterscheiden sich lediglich in der Wortwahl.

Daniel Kerekeš
& Julius Jamal
Aufstehen –
Das Problem
ist, was nicht
gesagt wird

05.09.
2018
Am 04. September ist der Aufruf zu #aufstehen online gegangen. Um es deutlich zu sagen: In dem Aufruf steht viel Richtiges drin, doch entscheidend ist, was der Aufruf nicht erwähnt, nämlich der konsequente Kampf gegen Rassismus und Rechtsruck. Ein Kommentar.
Die Bundespressekonferenz begann mit der richtigen Feststellung fast aller Teilnehmenden: In Deutschland existiert eine Repräsentationskrise der Demokratie. 40 Prozent der Menschen besitzen heute real weniger als vor 20 Jahren, Grüne und SPD haben sich nach rechts entwickelt und machen keine soziale Politik. So weit so gut. Doch was folgte auf die Allgemeinplätze? Wir finden recht wenig, leider.

#aufstehen –
aber wofür
und wohin?

05.09.
2018
Nun ist sie da, die lange angekündigte Bewegung #aufstehen. Mehrere Zehntausend sollen bereits erklärt haben, dass sie mitmachen. Das scheint ein toller Anfang für eine linke Bewegung zu sein, an der sich auch SPDler und Grüne beteiligen.
Sarah Wagenknecht umreißt die Ziele dieser Bewegung: „Um eine andere Politik in Deutschland machen zu können, braucht es andere Mehrheiten. Um diese wieder zu erreichen, muss es eine linke Sammlungsbewegung geben, die den Mut hat, sich mit den mächtigen Akteuren anzulegen. Die Grundlage einer solchen Bewegung ist die klassisch sozialdemokratische Tradition dass sich Politik um die materiellen Lebensbedingungen kümmert und dafür Sorge trägt, dass sie für alle Menschen gut und die Chancen gleich verteilt sind…“

Klaus Meier

Jetzt geht es los oder doch nicht?


05.09.
2018
Man hat auf den 4. September gehofft und gewartet, denn es sollte endlich aufgestanden werden. Mit viel TamTam und Halleluja wurde das Programm von #aufstehen erwartet, geworden ist es nur eine Veröffentlichung des Gründungsaufrufs.

Thies Gleiss

Links ist nicht links und rechts ist nicht rechts…


04.09.
2018
Die Pressekonferenz zum Start der Initiative „Aufstehen“ hat auch noch einmal versucht, das zentrale Problem dieser Initiative aufzuknacken.
 Die Ausgangsthesen, in Deutschland gibt es einerseits eine breite Mehrheit für linke Politik, aber andererseits auch einen breiten Rechtsruck, dem eine gemeinsame politische Front aller fortschrittlichen Kräfte entgegenstellt werden muss, passen ja irgendwie nicht zusammen.
 Und das ist die Lösung:
 Rechts ist gar nicht rechts, sondern unverstandenes Volk, dass eigentlich gegen den Kapitalismus protestieren möchte. Man müsste beim rechten Pöbel also ein wenig in die Köpfe und hinter die Fassade schauen, dann kämen sie zur Bewegung.
 Gleichzeitig ist links nicht links.

Heinz Michael Vilsmeier

 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht,
Frau Dr. Wagenknecht!


03.09.
2018
Sahra Wagenknecht hat in der Asyldebatte von Anfang an deutlich gemacht, dass ihr das Grundgesetz genauso wurscht ist, wie denen, die jetzt in Chemnitz auf Straßen und Plätzen randalieren.
Mit ihrem demagogischen Ausspruch: „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht eben auch verwirkt“, hat sie wesentlich dazu beigetragen, die Flüchtlingsdebatte in Deutschland in eine Richtung zu lenken, die von Pegida und der AfD ohnehin forciert wird.

Thies Gleiss

Zweidimen-
sionalität


26.08.
2018
Oskar Lafontaine nimmt die von ihm mit initiierte Internetaktion #aufstehen gegen Kritiker*innen in Schutz. 
Er sagt, sie hätte sehr wohl ein Programm und listet dann einen Katalog von Forderungen aus dem Programm der LINKEN auf. 
Also hätte er gerechterweise sagen sollen:
#aufstehen hat ein Programm geklaut. (…)


Georg Fülberth

„Aufstehen“ –
wofür?


24.08.
2018
(…) Die Stimmenverluste der SPD und im Osten der Linkspartei nicht nur durch Abwanderung zur AfD, sondern auch durch Wahlenthaltung könnten tatsächlich Ausdruck solcher Unzufriedenheit sein. Dass die „Alternative für Deutschland“ eine marktliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt, spricht nicht unbedingt dagegen. Sie erhält dennoch Stimmen auch von Benachteiligten, die keine Programme lesen und schlechte Laune haben.
„Aufstehen“ will Druck auf SPD und Linkspartei ausüben, damit diese ihre bisherige Politik revidieren. Dafür sind die Aussichten schlecht. (…)
 


Paul Oehlke

„Auferstehung“
einer neuen Sammlungsinitiative


23.08.
2018
(…) Entsprechend dürfte es zu einem gravierenden Problem der Sammlungsbewegung werden, wenn sie sich nicht an den Aktivitäten gegen den aufkommenden Rassismus und das Sterben auf dem Mittelmeer beteiligt. Die anwachsenden Demonstrationen gegen die unterlassenen und kriminalisierten Hilfeleistungen stellen einen ebenso moralischen wie politischen Knotenpunkt zivilgesellschaftlichen Widerstands dar, bei dem linke Kräfte existenziell herausgefordert werden. Mit ihrer Abstinenz von diesen realen Aktivitäten positioniert sich die Sammlungsinitiative als elitäres Konstrukt eines recht überschaubaren Personenkreises um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine – ein bedauerlicher Anfangszustand, der im Zuge ihrer zum Scheitern verurteilten Fixierung auf möglicherweise nach rechts abwandernde Wähler rasch überwunden werden sollte. (…)

Bastian Reichardt

Kommunitarischer Sozialismus


22.08.
2018
Das deutsche Parteiensystem weist eine Lücke auf. Und #aufstehen ist der Versuch, diese Lücke zu füllen.
In die Lücke fallen diejenigen, die eine sogenannte kosmopolitische Politik ablehnen – etwas genauer: dieenigen, die aufgrund einer vermeintlich notwendigen Verbindung von Nationalstaat und Sozialstaat einer verstärkten Migration skeptisch begegnen. Einer der intellektuellen Köpfe hinter der »Bewegung«, Andreas Nölke, fasst das dann so zusammen: »Da die bestehenden Parteien derzeit nicht in der Lage sind, die links-kommunitaristische Ecke des Parteienspektrums auszufüllen, liegt es nahe, hier eine neue politische Position zu formulieren.« (…)

Susan Bonath

Contra „Aufstehen“:
Die Illusion vom
guten Kapitalismus

20.08.
2018
(…) Wagenknecht und Lafontaine reden gern von Ursachen, benennen aber tatsächlich Symptome, wie Krieg und Ausbeutung der „dritten Welt“. Damit verweigern auch sie sich dem politischen Diskurs über die kapitalistische Produktionsweise, die auf genau solches Wirtschaften ausgelegt ist, wie wir es erleben. Und beide sprechen ebenso gern im Konjunktiv: Man müsste vor Ort helfen. Was sie nicht sagen: Wer nicht über die wirtschaftliche Macht verfügt, hat nicht die Mittel dazu, um Aufbauhilfe zu leisten, genug Lebensmittel zu transportieren und letztlich die plündernden Konzerne aus den Herkunftsländern zu jagen. (…)

Heinz Michael Vilsmeier

Die Pervertierung
linker Ziele im Zuge nationalistischer Selbstfindung

19.08.
2018
(…) In der Vergangenheit waren es Nazis und Neonazis, die links und rechts in der Zielsetzung ihrer faschistisch-völkischen Ideologie für obsolet erklärten. Von 2014 an wurde die These, es gebe weder links noch rechts, vor allem in Kreisen der sog. #Mahnwachen für den Frieden vertreten, die reklamierten, in der Tradition der #Montagsmahnwachen der DDR („Wir sind das Volk!“) zu stehen. – Gegenwärtig ist das Statement, es gebe weder links noch rechts in der Wagenknecht’schen „Bewegung“ Aufstehen erneut zu vernehmen. (…

Autor Fiete Jensen

Fiete Jensen

Die Ziele der linken Sammlungsbewegung #Aufstehen


18.08.
2018
(…) Seit einigen Tagen liegt nun ein Papier vor das die offenen Fragen beantworten könnte. Unter dem Betreff: „Die Ziele der linken Sammelbewegung #Aufstehen -Inoffiziell-“ erhielt ein Journalist einen Text von einem Mitglied der Partei DIE LINKE, der auch bei der NLB (Neue Linken Bewegung) mitmacht. Das Papier besteht aus zwei Teilen, einem Gründungsaufruf und einer Auflistung der Ziele. Es wurde Zwischenzeitlich auf der Internetz-Zeitung und in der NDR- Satiere-TV-Sendung extra 3 – Der Irrsinn der Woche  vom 15. August, veröffentlicht, bzw. angesprochen. (…)

Stefan Schneider

#aufstehen: Eine Sammlungsbewe-
gung, die spaltet


16.08.
2018
(…) Das Offensichtliche zuerst: Mit ihrer Argumentation akzeptiert #aufstehen die soziale Spaltung, die der Kapitalismus der Arbeiter*innenklasse und den Massen in immer wieder neuen Formen auferlegt, als unüberwindbar. Weil es nicht möglich sei, die Forderungen der Mehrheit der Klasse und die Forderungen von Geflüchteten gleichermaßen zu erfüllen – in einem der reichsten Länder der Erde! –, müsse die Zuwanderung eben eingeschränkt werden. Mit dieser kruden Vorstellung davon, wie Klassenkampf funktioniert, werden die demokratischen – und sozialen! – Fragen der Geflüchteten und aller Migrant*innen in diesem Land einfach aus der Rechnung ausgespart. (…)

Thomas Goes

Sammlung „Auf-
stehen“ – Gute Idee, schlecht gemacht


15.08.
2018
Wie diese „Bewegung“ genau aussehen wird, darüber kann man bisher nur mutmaßen. Es deutet sich aber an, dass eine gute Idee schlecht verwirklicht werden wird. Denn Hand aufs Herz: Es wäre sinnvoll, eine breitere Bewegung zu schaffen, die über das Milieu der LINKEN, von Sozialbewegungsaktiven und radikalen Linken hinausgreifen würde. Dabei ließe sich auch von linkspopulistischen Kampagnen lernen. Sich erneuern und zu einer führenden Kraft jedenfalls kann die gesellschaftliche Linke nur werden, wenn sie die Öffentlichkeit politisiert, Unzufriedene ermächtigt, ihnen Angebote macht und Türen öffnet, von und mit ihnen lernt – und zeigt, wie konkrete Erfolge erkämpfbar sind. (…)

Kiki Rebell

PV Die Linke
distanziert sich von #aufstehen


14.08.
2018
Der geschäftsfohrende Parteivorstand der Partei Die Linke distanzierte sich am Montag in einem Schreiben von der sog. „Sammlungsbewegung #aufstehen“. Die Erklärung wurde an alle Kreisverbände verschickt, bitte lest sie und bildet Euch selber eine Meinung. (…)

Bastian Reichardt

Autoritär und ohne dialektischen
Anspruch

13.08.
2018
(…) Die »Bewegung«, die seit wenigen Tagen unter dem Titel #aufstehen in den sozialen Medien und in den Zeitungen diskutiert wird, ist im Vergleich zu anderen Bewegungen untypisch. Sie wurde am Reißbrett von einer Handvoll politischer Akteure entworfen, medial gestaltet und nun in die Öffentlichkeit gebracht. In diesem Sinne ist #aufstehen autoritär. Die »Bewegung« vollzieht sich von oben nach unten – von den Funktionärsbüros auf die Straße. Ob der Schritt vom Engagement der Parlamentarier auf die Straße nachhaltig klappt, muss sich zeigen. Eine gewisse Skepsis ist jedoch angebracht. Denn: Jede autoritäre Politik spielt insofern mit dem Feuer als sie sich als Stimme einer »schweigenden Mehrheit« inszeniert. (…)

„Aufstehen“ und
die AfD haben viel Gemeinsam

13.08.
2018
(…) Wagenknecht hat für eine Obergrenze für Flüchtlinge plädiert und die Schuld für den Anschlag am Breitscheidtplatz Merkels Politik zugeschoben. Dafür wurde sie von AfD-Chef Gauland gelobt. Compact, selbst von dem ehemals „linken“ zur Pro-Putin Rechten gewechselten Jürgen Elsässer, lobt Wagenknechts Bewegung. Wenn es nach Wagenknecht ginge, wäre die LINKE eine Partei, die sich gegen offene Grenzen ausspricht. Die Bewegung wird keine Brücken für Rot-Rot-Grün bauen, sondern Wagenknechts eigenes Konzept eines ökonomischen Nationalismus und kulturellen Konservativismus ausbauen. (…)

Autor Fiete Jensen

Fiete Jensen

‚#aufstehen‘ – Wagenknechts
Irrweg,
ist nichts Neues

13.08.
2018
(…) Was sich da als angebliches „Gegengewicht“ zum gegenwärtigen Rechtsruck durch AfD und anderem rechten Gesindel, sowie zur Politik der Partei „Die Linke“ formiert, ist nicht anderes als „aufgewärmter Kaffee“. Wie so eine Querfront zwischen Links und Rechts funktioniert, konnte man bereits vor vier Jahren auf zahlreichen Plätzen in deutschen Städten beobachten. Die sogenannten „Montagsmahnwachen für den Frieden“ waren für jeden Beobachter schnell als neurechtes Querfront-Projekt zu erkennen, dessen Strukturen in den Händen von politisch mehr als dubiosen Typen lag. (…)

Kalle Schulze

Kritische Menschen
nicht wie Pilze oder
Brom- beeren ein-
sammeln

12.08.
2018
In den bisher veröffentlichten Meinungen gibt es zum „Aufstehen“ viel positive als auch negativ-kritische Äusserungen. Ich äusserte mich auch kritisch weil man Menschen mit grundsätzlicher Kritik nicht wie Pilze oder Brombeeren einsammeln kann. Jedoch sollten wir nicht den alten Fehler wiederholen und die Fürsprecher grundsätzlich verprellen. (…)

Wolfgang Huste

Reale gesellschaftliche Veränderungen ge-
schehen nicht nicht
im Internet

11.08.
2018
(…) Nie vergessen: Reale gesellschaftliche Veränderungen geschehen nicht nicht im Internet, nicht durch irgendwelche „Kopfgeburten“- sondern nur im realen Leben, auf den Straßen und Plätzen! Dort sollten wir massenhaft präsent sein! (…)

Nico Jühe

Kommentar zur Sammlungsbewegung “#aufstehen” von Wagenknecht & Co

10.08.
2018
(…) Was die Reaktionen vor allem gezeigt haben, ist, dass es ein großes Bedürfnis nach Veränderung gibt. Ein Wunsch nach Veränderung, der sich insbesondere aus den inneren Widersprüchen des Imperialismus, und seines ideologischen Schwertes, dem Neoliberalismus speist. Die grundlegende Frage, die ich mir dabei immer wieder stelle, ist: Was müssen und was können die Anforderungen an eine linke Bewegung in der BRD sein? „Können“ und „Müssen“ sind dabei zwei kategoriale Unterschiede: „Müssen“, also Notwendigkeit, ist für mich, wenn eine linke Bewegung ihren Namen überhaupt verdient, die Absage an das kapitalistische Wirtschaftssystem, d.h. Bekenntnis zum gesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln, ferner, die Bekenntnis zur Klassenpolitik und zur Klassenfrage. (…)

Jürgen Meyer

„#aufstehen“ wird als rechts und allenfalls
als lascher neoli-
beraler SPD-Aufguss diffamiert

09.08.
2018
(…) Eine linke Sammlungsbewegung kann nur als Basisbewegung von unten tragfähig sein und sie kann nicht von oben dirigiert werden. Deshalb vertsteht sich #aufstehen auch nur als Dachorganisation. Es bestehen schon linke Sammlungsbewegungen wie die NLB der Linken und die PSP von Sozialdemokraten. Sie müssen in einem programmatischen Findungsprozess sich auch auf der Plattform #aufstehen daran beteiligen. (…)

Thies Gleiss

Sammelergebnis

08.08. 2018 (…) Es gibt im inneren Zirkel der Sammlungsbewegungs-Oberaufsteher*innen eine Arbeitsteilung, dass Sahra W. den rechten und Fabio D. den linken Stammtisch bedienen soll. Letzterer äußert sich wie folgt:
„Und deswegen geht es eben darum, die vielen Tausende anständige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die nicht mit dem Kurs sagen wir von Olaf Scholz oder Andrea Nahles einverstanden sind, dass die eine Möglichkeit haben, sich gemeinsam mit Mitgliedern der Linken, mit Mitgliedern von Grünen, aber auch Parteilosen in einer Bewegung zu engagieren, bei der es nicht darum geht, ob man jetzt einen Schriftführer wählt in einem verrauchten Hinterzimmer einer Kneipe, sondern in der man sich für Themen engagiert.“ (…)

Katrin Vogler

Aufstehen
und weitergehen

08.08. 2018 (…) Ersetzen kann #aufstehen DIE LINKE jedoch nicht. Die bisher bekannten Forderungen spielen vor allem mit Ideen aus dem sozialdemokratischen Satzbaukasten: Ein starker Sozialstaat, eine Re-Regulierung des Arbeitsmarkts und eine Rückkehr zur Außenpolitik Willy Brandts, sind berechtigte, aber doch eher defensive Forderungen. Ein echter Aufstand ist das noch lange nicht. Und die Anlage des ganzen Projekts dürfte in die Geschichte sozialer Bewegungen in der Bundesrepublik als einmalig eingehen: eine Bewegung, die in einem absolut geschlossenen Zirkel am Reißbrett konzipiert und dann zu einem Stichtag ausgerufen wurde, das hat es so noch nicht gegeben. (…)

Sascha Stanicić

Weder Bewegung,
noch wirklich links

08.08.
2018
(…) So ganz ist die Katze immer noch nicht aus dem Sack. Aber mit dem im Mai an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf eines Selbstverständnistextes der Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht und der Ankündigung des SPD-Veteranen Rudolf Dressler, das Projekt zu unterstützen, gibt es nun eine greifbarere Vorstellung, wohin die Reise gehen soll. DIE LINKE sollte sich nicht auf diesen Weg begeben – aus vielen Gründen. (…)

Leander Sukov

Zahlenspiel 08.08.
2018
Ich habe mir die Seite aufstehen.de angesehen und bin ratlos. Auf der Seite sind nur Videos und Bilder von Leuten die sagen, was jeder durchschnittliche Linke so sagt. Sonst nichts. Keine Idee über die Entwicklung von Programmatik, kein Fingerzeig auf Einfluss in SPD, Gewerkschaften, Grüne, kein einziger Beitrag mit Zielen, kein Hinweis, weshalb man bei der Bullenhitze aufstehen soll.
Ich verstehe das nicht. Wo soll da der Sinn sein? (…)

Thies Gleiss

Digital aufgeführter Rückschritt vom Bestehenden

07.08.
2018
(…) Die inhaltlichen Fundamente von #aufstehen werden offiziell am 4. September verkündet. Die bisher bekannt gewordenen Konturen lassen aber ein klares Urteil zu: Es wird eine windelweiche Kritik am gegenwärtigen Kapitalismus geben. Die Frage des Eigentums an Produktionsmitteln wird kaum eine Rolle spielen und die Krise des Kapitalismus wird als Versagen, als Ausrutscher, als Ergebnis falscher Regierungspolitik dargestellt, aber nicht als Produkt einer antagonistisch in Klassen gespaltenen Gesellschaft. (…)

Merle Lindemann

Es gefällt mir nicht

07.08.
2018
Offensichtlich wird einem gerade mal wieder ein Bekenntnis abverlangt – und zwar zur vielzitierten linken Sammlungsbewegung #Aufstehen …
Ich werde das Projekt weder lächerlich, noch verächtlich machen und ich werde mir auch nicht irgendwelche Urteile aus dem Hintern ziehen, bevor diese Bewegung überhaupt real in Erscheinung getreten ist. Dennoch ist meine spontane Haltung dazu: Es gefällt mir nicht! (…)

Wolfgang Paff

Will Wagenknecht Parteien „erpressen“?

05.08.
2018
(…) Eines bleibt indes klar – das Ziel der „Sammelbewegung“ bleibt jenes, dass viele Kritikerinnen und Kritiker von Anfang an befürchteten: eine angestrebte „Machtbasis“ für Politikerinnen und Politiker, die in ihren Parteien keine Mehrheiten besitzen. Damit sie auf Grundlage einer solchen Organisation den „Mutterparteien“ ihren Willen aufzwingen können. Sahra Wagenknecht formulierte es gegenüber dem Spiegel indes nicht so drastisch. Doch zwischen den Zeilen könnte man die Absicht herauslesen
„Wenn der Druck groß genug ist, werden die Parteien, auch im Eigeninteresse, ihre Listen für unsere Ideen und Mitstreiter öffnen.“ (…)

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Anhang der Redaktion:
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Ausschnitt aus der NDR Satire-Sendung
extra 3 – Der Irrsinn der Woche vom 15. August

└ Schlagwörter: AmericanRebel, Arbeit Zukunft, Arbeiterbewegung, Aufstehen, Augenwischerei, Volkskorrespondenten/-innen
18 Kommentare
Nov.24
on 24. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Franz Poeschel
Vor 101 Jahren gärte es in ganz Deutschland. Soldaten verweigerten den Dienst und wendeten sich gegen ihre Offiziere, Arbeiter streikten zu Hunderttausenden, Frauen gingen gegen den Hunger auf die Straße. Das war der Beginn der deutschen Novemberrevolution.
Während im Vorjahr die bürgerliche- und linke Presse, aufgrund des 100-jährigen Jahrestages der Novemberrevolution umfangreich berichtete, blieben in diesem Jahr die Artikel, Dokumentarfilme und Gedenkfeiern aus. Doch gerade die Lehren aus der Novemberrevolution und den Verrat der SPD machen die Kenntnisse über diese Ereignisse so wichtig für den Kampf für eine bessere Gesellschaftsordnung.
Aus diesem Grunde veröffentlichen wir an dieser Stelle den Artikel »Die Novemberrevolution 1918 und die Schande der SPD«, die 2018 im Roten Morgen erschien.

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Franz Pöschl

Die Novemberrevolution 1918 und die Schande der SPD

Die Novemberrevolution 1918 hat weder zu einer proletarischen Räterepublik noch zu einer rein bürgerlichen Republik wie etwa in Frankreich geführt. Daran trägt die Politik der SPD einen großen Anteil. Nach dem Tode Bismarcks hat die von ihm eingeführte Sozialversicherung einen ganz entscheidenden Anteil gehabt, die systemkritische Distanz der organisierten Arbeiterschaft aufzuweichen und ihre Staatsloyalität zu gewinnen.

Im Jahr 1910 waren von ca. 720 000 Parteimitgliedern fast 100 000 in Verwaltungs- und Vertretungskörperschaften der Arbeiterversicherung, der kommunalen Arbeitsnachweise und der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte vertreten, hinzu kamen 11 000 Gemeindevertreter. Diese Sozialdemokraten waren die Hauptträger der fortschreitenden „Verpreußung“ der SPD, des Hineinwachsens in den Obrigkeitsstaat. Sie bildeten zusammen mit der Gewerkschaftsbürokratie die soziale Kernbasis für die allmähliche Umformung der Sozialdemokratie zu einer preußischen Arbeiterpartei.

Das Erfurter Programm von 1891 traf weder eine Aussage zur Reichsgründung noch zur historischen Entwicklung der bürgerlichen Revolution in Deutschland, enthielt keine Analyse der Klassen und Herrschaftsverhältnisse im Kaiserreich und schwieg sich über die Machtverteilung zwischen Junkertum und Bourgeoisie aus. Am Schluß gab es eine Ansammlung einzelner politischer und Arbeitsschutzforderungen, aber die Forderung nach Durchsetzung der Parlamentsherrschaft in Deutschland suchte man vergebens. 

Diese nichtssagende Programm bestand im Warten auf den politökonomisch vorhergesagten Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft, in dessen Gefolge irgendwie der Sozialismus siegen würde. Insbesondere der Parteivorsitzende Bebel verkündigte regelmäßig den bevorstehenden „Kladderadatsch“ der bürgerlichen Gesellschaft und pries den daraus hervorgehenden Zukunftsstaat. Hinter derlei substanzlosen Prophezeiungen vollzog sich umso geräuschloser die allmähliche Anpassung der Arbeiterbewegung an den realexistierenden Staat.

hier geht es weiter »

Nach dem Tode Engel war es Bernstein, der die schleichende Verpreußung der SPD angriff. Die SPD müsse „sich rückhaltlos, auch in der Doktrin, auf den Boden des allgemeinen Wahlrechts, der Demokratie“ stellen, „mit allen sich daraus für ihre Taktik ergebenden Konsequenzen“. Im Zentrum der von ihm propagierten Aufgabenstellung sah er die Durchsetzung der parlamentarischen Herrschaft durch den Reichstag sowie die Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Wegen dessen Bedeutung für die fortdauernde Vorherrschaft des Junkertums gehörte er mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu den entschiedensten Befürwortern des politischen Massenstreiks, um eine Wahlrechtsreform in Preußen zu erzwingen.

Karl Marx hatte Ende 1846 in einem Brief an Pawel W. Annenkow darauf hingewiesen, daß „das Kleinbürgertum ein integrierender Bestandteil aller sich vorbereitenden sozialen Revolutionen sein wird“ (MEW 4:557;vgl. MEW 18:633). Wenn man diese Feststellung ernst nahm – was folgte daraus für das Revolutionskonzept?

Die Antworten, die Bernstein selber gab, waren für eine revolutionäre Arbeiterpartei untauglich. In seinen Überlegungen wurde die Demokratie zum Selbstzweck statt zu einer Etappe auf dem Weg zum Sozialismus, und es ging unter, daß die Vollendung der bürgerlichen Revolution nur möglich war, wenn das Proletariat im Bündnis mit dem Kleinbürgertum die Führung übernahm. Außerdem propagierte er die demokratische Umgestaltung der Gesellschaft durch friedliche Reformen und negierte, daß das junkerlich-schwerindustrielle Herrschaftskartell sich mit allen Mitteln gegen seine Entmachtung zur Wehr setzen würde.
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Bebel für die Übernahme des „Junkerstaats“

Die zunehmende Integration der Arbeiterpartei in die Militärmonarchie wurde insbesondere durch den Parteivorsitzenden Bebel verkörpert. Er formulierte auch die Schlußfolgerungen, die sich daraus für die Staatsfrage ergaben. Gegen die süddeutschen Reformisten gerichtet, führte er auf dem Magdeburger Parteitag der SPD 1910 aus:“Es gibt keinen zweiten, dem preußischen ähnlichen Staat, aber wenn wir einmal diesen Staat in der Gewalt haben, haben wir alles.(…) im Süden versteht man nicht diesen Junkerstaat in seiner ganzen Schönheit.“ (Parteitagsprotokoll 1910:250). Im gleichen Atemzug wies er darauf hin, daß er ähnliche Aussagen schon mehrfach getätigt habe.

Die Betonung der Einzigartigkeit des preußischen Junkerstaats verweist darauf, daß dieser Staat, anders als der bürgerliche Staat in Frankreich oder Großbritannien, nicht von der Bourgeoisie beherrscht war und der industriellen Arbeiterschaft deshalb in höherem Maße entgegenkommen konnte, wie das die Sozialversicherungen unter Beweis stellten. Davon abgesehen verfocht Bebel mit diesen Worten eine Position zur Staatsfrage, die im Gegensatz zum revolutionären Sozialismus stand.

Marx hatte aus den Erfahrungen der Pariser Kommune von 1870/71 die Schlußfolgerung gezogen, daß die Arbeiterklasse die vorhandene Staatsmaschinerie nach einem Sieg nicht einfach übernehmen könne, sondern sie zerschlagen und eine neue aufbauen müsse.
Engels hatte diese Position in seiner Kritik des Erfurter Programms bekräftigt, indem er die sich ausbreitende Vorstellung vom friedlichen Hineinwachsen der Gesellschaft mit der Frage konterte, ob diese damit nicht „ebenso notwendig aus ihrer alten Gesellschaftsverfassung hinauswachse und diese alte Hülle ebenso gewaltsam sprengen müsse wie der Krebs die seine“ (MEW 22:234).

Bebel vertrat einen anderen Standpunkt. Ihm ging es nicht um die Ersetzung des obrigkeitlichen Junkerstaats durch einen neuen, demokratischen Staat, sondern darum, ihn als scheinbar neutrale Instanz unter sozialdemokratischer Regierung fortzuführen, denn dann „haben wir alles“, wie er diese Position auf den Punkt brachte..
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Bebel und das Militär

Auf der einen Seite kritisierte Bebel den Militarismus, wandte sich gegen sinnlosen Drill und Rekrutenschinderei, Übergriffe und Mißhandlungen in den Kasernen und forderte die Verkürzung der dreijährigen Militärzeit. Auf der anderen Seite richtete sich seine Kritik nicht gegen das preußisch-deutsche Militär als solches, sondern zielte darauf, das Heerwesen durch konstruktive Reformvorschläge zweckmäßiger zu gestalten. Bei den Beratungen des Militäretats im Reichstag übte er regelmäßig zunächst eine Generalkritik, um dann praktische Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Diese Haltung hatte einen konkreten politischen Hintergrund. Bebel hielt zeit seines Lebens daran fest, daß Deutschland mit einem russischen Angriff rechnen und sich deshalb auf einen Verteidigungskrieg vorbereiten müsse. Deshalb trat er für den Ausbau eines zeitgemäßen, modernen und kriegstauglichen Militärwesens ein.

Diese Haltung hatte seine Berechtigung in der nachnapoleonischen Ära, nach dem Wiener Kongreß als Rußland der Hort der Reaktion gegen jegliche demokratische Entwicklung in Europa war. Jedoch beim Krimkrieg 1853 – 1856 zeigte sich die Schwäche Rußlands und die Stärke des britischen und französischen Imperialismus.

Spätestens nach der russischen Revolution 1905 hätte Bebel und die SPD die alte Position revidieren müssen, da Rußland jetzt als potentiell zur Revolution bereites Land in Erscheinung getreten war. So war das bewußte Hineintreten der SPD in den Weltkrieg 1914 eben kein „Verrat“ oder „Umfallen“ ,sondern die logische Konsequenz am starren Festklammern an eine überholte Position.

Der gern zitierte Satz des alten Wilhelm Liebknecht „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“ schien eine grundsätzliche Gegnerschaft gegen den Militärstaat zu dokumentieren. In Teilen der Arbeiterbewegung war diese Gegnerschaft auch vorhanden, doch insgesamt verdeckten die wohlklingenden Worte die Tatsache, daß die SPD in der parlamentarischen Praxis ganz andere Wege ging und sich immer mehr an den bestehenden Staat annäherte..
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1907: Bebel verteidigt Noske gegen Liebknecht

Als die SPD bei der Reichstagswahl 1907 eine Niederlage erlitt, rückte sie noch mehr nach rechts.

Bei den Beratungen des neuen Reichstags über den Rüstungsetat wies Bebel den im Wahlkampf erhobenen Vorwurf der „vaterlandslosen Gesellen“ scharf zurück und versicherte zum wiederholten Male, daß die Sozialdemokraten in einem Krieg mit Rußland „selbstverständlich die Flinte auf den Buckel nehmen“ würden.

Anschließend vertiefte Gustav Noske als rüstungspolitischer Sprecher der Fraktion Bebels Ausführungen. Er identifizierte sich mit den vorher gemachten Aussagen des preußischen Kriegsministers über Angriffskriege auf Deutschland, betonte, daß die Sozialdemokraten in einem solchen Fall „begeistert ihr Vaterland verteidigen“ würden, und erklärte es zu einer Selbstverständlichkeit, dafür zu sorgen,“daß das deutsche Volk nicht etwa von irgend einem anderen Volk an die Wand gedrückt wird“. Als er wegen seiner Aussagen auf dem anschließenden Essener Parteitag kritisiert wurde, stellte sich Bebel vor ihn und pries seine Reichstagsrede als „gute Rede“, die seine „Zustimmung und Anerkennung“ gefunden habe (Parteitagsprotokoll 1907:254).

Im selben Jahr legte Liebknecht eine Schrift über „Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung“ vor, worin er den Militarismus mit scharfen Worten geißelte und zu einer Verstärkung der antimilitaristischen Propaganda aufrief. Bebel distanzierte sich öffentlich von Liebknechts Schrift und verhinderte, daß sie im Parteiverlag der SPD erscheinen konnte.

Als die preußische Militärführung im April 1913 auf einer nichtöffentlichen Sitzung des Haushaltsausschusses die Notwendigkeit der Nachrüstung mit Kriegsvorbereitungen durch Rußland und Frankreich begründete und zugleich darlegte, daß Deutschland im Kriegsfall zuerst Frankreich angreifen müsse (inklusive Durchmarsch durch Belgien), um sich anschließend dem Gegner im Osten zuzuwenden, nahmen die anwesenden SPD-Vertreter mit Bebel an der Spitze die vorgestellte Kriegsplanung einschließlich des angekündigten Einmarsch in das neutrale Belgien ohne Protest zur Kenntnis (Sitzungsbericht in Bley 2014:258ff.).

Nach der Sitzung verfasste Bebel eine Stellungnahme zur Aufrüstung, die der Parteivorstand im Mai 1913 als Flugschrift in ganz Deutschland verbreiten ließ. Unter dem Titel „Ein ernstes Wort in ernster Zeit. Militärvorlage und internationale Rüstungsindustrie“ hieß es darin, daß „wir in Deutschland mit der Möglichkeit eines Angriffskrieges von außen einstweilen noch rechnen (müssen), namentlich von Osten her.“ Weil dann aber „unser Vaterland vielleicht vor die Frage von Sein oder Nichtsein“ gestellt würde, wäre „die Vorbereitung einer starken Schutzwehr notwendig“. Damit wiederholte die Flugschrift die Vorgaben der Militärs als Position der Parteiführung, befürwortete die deutsche Aufrüstung und stellte die Kriegsunterstützung durch die Arbeiterbewegung in Aussicht.
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1914: Die SPD verschmilzt mit dem Militäradel

Mitte 1914 war es soweit. Die SPD setzte ihre Versprechungen in die Tat um und stimmte den Kriegskrediten zu. Zwar traten keine Sozialdemokraten als Minister in die Regierung ein, aber maßgebliche Parteimitglieder nahmen intensive Kontakte zur Obersten Heeresleitung (OHL) auf, an der Spitze Eduard David, der mit Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann seit April 1917 dem engsten Führungszirkel der Partei angehörte.

Ende 1916 wurde in Kooperation mit Gewerkschaften und Sozialdemokraten das Vaterländische Hilfsdienstgesetz erarbeitet, das alle Männer zwischen siebzehn und sechzig der Arbeitspflicht unterwarf und die freie Wahl des Arbeitsplatzes aufhob, um kriegswichtigen Betrieben die notwendigen Arbeitskräfte zu verschaffen. Zur Umsetzung dieses Gesetzes mußten in allen Betrieben ab fünfzig Beschäftigten Arbeiter- und Angestelltenausschüsse gebildet werden, die bei Arbeitskonflikten zusammen mit Vertretern der Betriebsleitung für die Schlichtung zu sorgen hatten. Außerdem wurde zur Koordinierung der Rüstungsanstrengungen ein Oberstes Kriegsamt eingerichtet, als dessen Leiter General Wilhelm Groener fungierte, der sein Amt in enger Absprache mit den Gewerkschaften führte und im November 1918 als Co-Chef der Obersten Heeresleitung mit Ebert das Vorgehen gegen die Novemberrevolution abstimmte..
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1917: Die SPD für die Verlängerung des Weltkrieges

Der deutsche Reichskanzler Bethmann Hollweg, der seit dem Fehlschlag der Verdun-Offensive 1916 an den Siegesaussichten der Mittelmächte zweifelte, unternahm in dieser Situation einen Versuch, um unter Vermittlung des Vatikans mit den Gegnern einen „Remisfrieden“ unter gegenseitigen Verzicht auf Eroberungen und Entschädigungen zu schließen. Er sagte in den geheimen Vorgesprächen u.a. die vollständige Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens zu (für London der Hauptkriegsgrund) und erklärte sich zu Grenzkorrekturen in Elsaß-Lothringen bereit.

Doch die Führungen von Zentrum und SPD setzten ebenso wie die OHL auf einen deutschen Sieg, denn sie erwarteten ein baldiges Ausscheiden des revolutionsgeschüttelten Rußlands aus dem Krieg und danach den Endsieg im Westen. Hinter den Kulissen organisierten sie daher im geheimen Zusammenwirken mit der OHL den Sturz des friedensbereiten Kanzlers, um den Krieg mit einem neuen Kanzler bis zum Sieg fortzusetzen. Als sichergestellt war, daß Bethmann Hollweg vom Reichstag keine Unterstützung erhalten würde, verlangte die OHL vom Kaiser seine Entlassung, und da bis auf die politisch einflußlosen Linksliberalen sämtliche Reichstagsparteien sich gegen ihn aussprachen, mußte er zurücktreten. Anschließend konnte der Krieg mit Georg Michaelis als neuem Kriegskanzler, auch dank der SPD, wie geplant weitergeführt werden; die Friedensgespräche mit dem Vatikan ließ der neue Regierungschef im Sande verlaufen.

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1918 Der Kampf der SPD gegen die Novemberrevolution

Als 1918 die militärische Niederlage Deutschlands trotz des Ausscheidens Rußlands aus dem Krieg unausweichlich wurde, leitete die OHL die Parlamentarisierung des Reichs ein, um den US-Präsidenten Wilson als Friedensvermittler zu gewinnen. Der unvorbelastete Max von Baden wurde zum Kanzler gemacht, und im Oktober 1918 verabschiedete der Reichstag die Verfassungsänderungen,die dem Reichstag die zuvor verwehrten Parlamentsrechte gewährten; ebenso fiel nun das preußische Dreiklassenwahlrecht. Jetzt traten auch zwei Sozialdemokraten in die Regierung ein, was die SPD bis dahin abgelehnt hatte, um nicht mit einer Kriegsregierung identifiziert zu werden.

Die seit langem brodelnde revolutionäre Flut ließ sich jedoch nicht aufhalten. Als sie Anfang November losbrach, wurde das Heer binnen weniger Tage von Soldatenräten beherrscht, stürzten die Fürstenthrone einer nach dem anderen und übernahmen in allen größeren Städten Arbeiter- und Soldatenräte die Macht. In einem letzten Versuch, die Monarchie zu retten, trat der sozialdemokratische Parteivorsitzende Ebert am Mittag, des 9. November 1918 als Reichskanzler an die Stelle Max von Badens, in der Hoffnung, die revolutionären Massen dadurch zu beruhigen. Seine erste Aktion war ein Aufruf an alle Behörden und Beamten, auf ihren Posten zu bleiben, desgleichen ließ er die bisherigen Staatssekretäre (Minister) sowie die Militärführung im Amt.

Die Führer der Mehrheitssozialdemokraten hatten sich mit der Oktoberreform des Kanzler Max von Baden am Ziel ihrer Wünsche gesehen. In ihren Augen war der Novemberumsturz ebenso überflüssig wie schädlich. Die Parlamentarisierung der Monarchie ermöglichte es ihnen, als stärkste Reichstagspartei die Regierung zu übernehmen und den „Junkerstaat“, wie von Bebel erhofft, in die Hand zu bekommen; die Kanzlerschaft Eberts realisierte diese Zielsetzung. Die Parteiführung hatte also jeden Grund, die Revolution zu bekämpfen – in den bekannten Worten Eberts: „ich hasse sie wie die Sünde“, komprimierte sich die Position der SPD-Spitze, deren jahrelang verfolgtes Machtkonzept mit einem Mal durch die Revolution bedroht wurde..
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Die SPD sabotiert die Rätebewegung

Die sozialdemokratische Regierungsübernahme hatte nicht die erhoffte beruhigende Wirkung, außerdem rief Scheidemann am Nachmittag des 9. November gegen den Willen der Parteiführung die Republik aus, um der Ausrufung einer sozialistischen Republik durch Liebknecht zuvor zu kommen. Eberts Kanzlerschaft endete also nach wenigen Stunden und die Parteiführung mußte sich auf eine neue Lage einstellen. Als erstes mußte sie akzeptieren, daß die USPD inzwischen fast gleichstark war wie sie selber und insbesondere die aktivsten Teile der Rätebewegung darin ihre Vertretung sahen. Auf Vorschlag der SPD wurde deshalb eine gemeinsame Revolutionsregierung aus je drei Vertretern von SPD und USPD gebildet, der „Rat der Volksbeauftragten“. Da die USPDler in sich zerstritten und ohne politische Konzeption waren, fiel es nicht schwer, sie an die Wand zu spielen; Ende 1918 verließen sie den Rat, der von da an nur noch aus SPD-Mitgliedern bestand.

Die zweite, entscheidende Herausforderung war die Rätebewegung. Sie verfügte über die reale Macht im Staat und der Rat der Volksbeauftragten konnte nur in dem von ihr gesteckten Rahmen agieren. Vom 16. bis 20. Dezember 1918 tagte in Berlin der Zentrale Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands, um die künftige Gestaltung Deutschlands festzulegen. Weniger als ein Viertel der Delegierten sprach sich für ein Rätesystem als Grundlage der Verfassung aus, die große Mehrheit entschied sich für ein parlamentarisches Regierungssystem und für den 19. Januar 1919 als Termin für die Wahl zur Nationalversammlung.

Gleichzeitig beschloß der Kongreß eine Reihe von Maßnahmen, die die Umwälzung des preußisch-deutschen Obrigkeitsstaats zum Gegenstand hatten – sofern sie umgesetzt wurden. Dazu gehörte die „Zertrümmerung des Militarismus“, die Schaffung einer Volkswehr anstelle eines stehenden Heeres sowie die Sozialisierung „aller hierfür reifen Industrien“. In diesen Forderungen wurde umrißhaft ein ‚Programm‘ sichtbar, für das es in der breiten Massenbewegung dieser Wochen einen breiten Konsens gab: ‚Demokratisierung‘ vor allem des Heeres, der Verwaltung und der Wirtschaft. Dazu kam noch die Forderung nach einer Landreform, sprich nach Zerschlagung des junkerlichen Grundbesitzes, die zwar vom Rätekongreß nicht explizit beschlossen wurde, aber einem breiten Konsens entsprach.
Bis auf die Sozialisierung der Schwerindustrie gehörten diese Forderungen bereits zum Programm der Revolution von 1848/49. Wäre die SPD in der Vorkriegszeit wenigstens eine bürgerlich-reformistische Arbeiterpartei geworden, hätte sie zumindest einen maßgeblichen Teil davon umgesetzt und so der bürgerlichen Revolution zum Durchbruch verholfen. Jedoch standen die Beschlüsse des Rätekongreßes zum Konzept der SPD-Führung in eindeutigem Widerspruch, und diese setzte alles daran, sie zu unterlaufen. Das fiel ihr umso leichter, weil keine revolutionäre Organisation existierte, um das vom Rätekongreß formulierte 
Programm aufzugreifen.
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Das unzureichende Programm von Spartakus/KPD

Während die USPD, zwischen gegensätzlichen Richtungen zerrissen, unfähig zu einer stringenten Politik überhaupt war, verfügte Spartakus/KPD über ein eigenes Revolutionskonzept, das sogenannte „Oktoberprogramm“. Dieses Programm sah jedoch eine proletarische Alleinrevolution zur Errichtung einer Diktatur des Proletariats vor und war angesichts der sozialen und politischen Verhältnisse in Deutschland zum Scheitern verurteilt. In Rußland hatte Lenin, um den Sieg der Oktoberrevolution zu sichern, das jahrelang verfochtene Agrarprogramm der SDAPR über Bord geworfen, das Programm der Sozialrevolutionäre übernommen und so die Unterstützung der Bauern für die Regierungsübernahme durch die Bolschewiki erhalten. Luxemburg hielt diese Wende Lenins für falsch, sie dachte nicht daran, ihre Sozialismusstrategie für Deutschland umzustoßen.

Unter diesen Umständen hatte die SPD leichtes Spiel, im Unterschied zu den anderen Kräften besaß sie mit der Wiederherstellung des preußische-deutschen Beamtenstaats ein realistisches politisches Konzept. Zwar hatte es einen formalen Staatswechsel gegeben, aber die gesellschaftlichen Strukturen der bisherigen Ordnung waren unangetastet geblieben, so daß es nur darauf ankam, den alten Staatsapparat wieder in seine Rechte einzusetzen. Diesem Ziel gemäß agierte sie in den kommenden Wochen und Monaten..
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Die Konterrevolution unter Führung der SPD

Statt den Militarismus zu zertrümmern, wie vom Rätekongreß gefordert, setzte sie das im Krieg zustande gekommen Bündnis mit dem Militäradel fort (Ebert-Groener-Pakt), garantierte die Fortexistenz des preußisch-deutschen Offizierskorps und setzte die vorhandene bewaffnete Macht aus konterrevolutionären Heereseinheiten und neu gebildeten Freikorps ein, um die revolutionär-demokratische Bewegung zu zerschlagen und die eigene Regierungsmacht zu sichern.

Mit dem Stinnes-Legien-Abkommen zwischen Schwerindustrie und Gewerkschaftsführung wendete sie die Sozialisierung der Zechen und Stahlwerke gegen eine Reihe sozialpolitischer Zugeständnisse ab. Statt eine Landreform durchzuführen, setzte sie bewaffnete Kräfte ein, um die ostelbischen Gutsbesitzer gegen aufbegehrende Landarbeiter zu schützen.

Die Räte, die allerorten die Demokratisierung von Verwaltung und Polizei eingeleitet hatten, wurden von ihr entmachtet, das alte Justizwesen wieder in Gang gebracht, Staat und Kirche nicht voneinander getrennt. Als die Weimarer Verfassung Mitte 1919 die „wohlerworbenen Rechte“ des Berufsbeamtentums in Verfassungsrang erhob, war die Restauration des obrigkeitlichen Staatsapparats abgeschlossen. Damit korrespondierte der Aufbau der Reichswehr als Staat im Staat in den 1920er Jahren.

Barrikade im Berliner Zeitungsviertel Anfang 1919 – gegen die reaktionären Noske-Truppen

Bei ihrer Zusammenarbeit mit den Vertretern der alten Ordnung handelten die Sozialdemokraten in der Überzeugung, daß sie diese dauerhaft mit Hilfe des Parlamentarismus beherrschen könnten. Deshalb wandten sie sich auch gegen die überfällige Zerschlagung des Landes Preußen, da sie hier bei Landtagswahlen mit stabilen Mehrheiten rechnen konnten, während im Süden das Zentrum stark war. Sollten sie daher auf Reichsebene die Regierungsgewalt verlieren, würde Preußen ihnen weiterhin als Machtbastion dienen. Der von Paul von Hindenburg befohlene und von der Reichswehr exekutierte „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932 zerstörte diese Illusion gründlich.

Wie die Revolution von 1848/49 blieb auch der Novemberumsturz von 1918 auf diese Weise eine unvollendete bürgerliche Revolution. Im ersten Anlauf scheinbar siegreich, vermochte er es nicht, seinen Sieg zu festigen, so daß den von der Sozialdemokratie angeführten reaktionären Kräften ein roll back gelingen konnte.

Der daraus hervorgehende Staat von Weimar war seinem Wesen nach kein neuer Staat, sondern die Fortsetzung der alten Ordnung vor 1918 im Gewand der Republik – das Produkt nicht einer siegreichen Revolution, sondern einer von der SPD organisierten Konterrevolution. Entsprechend kurzlebig war er und endete 1933 mit der Machtergreifung Hitlers.

Erstveröffentlichung in ROTER MORGEN vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

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Nov.22
on 22. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Franz Poeschel

Franz Pöschl

G7 planen Weltwährung Libra

Franz Pöschl

Ursprünglich war die globale Digitalwährung Libra eine Idee von Mark Zuckerberg (Facebook).
 Inzwischen hat jedoch die von den USA angeführte G7-Gruppe dazu eine Verlautbarung herausgegeben. 


Bei Lichte besehen, von der Diplomatensprache in normale Sprache übersetzt, steht in der G7-Verlautbarung:
• Daß Libra grünes Licht bekommen soll, wenn die Betreiber dafür sorgen können, daß Vorschriften zur Identifizierung der Sender und Empfänger von Finanztransaktionen eingehalten werden. Das ist eine Anforderung, die gut in die Pläne von Facebook paßt.
• Daß die G7 die größere G20-Gruppe, die eigentlich für Finanzregulierung zuständig sein sollte, in Sachen Libra entmachtet hat.
• Daß US-dominierte internationale Regulierergremien wie der Finanzstabilitätsrat (FSB) die Vorentscheidung treffen sollen, welche Bedingungen die Libra Association erfüllen muß, um loslegen zu dürfen.

LIBRA: Illustration by William Joel / The Verge. Quelle YouTube screnshot

Mitglied der G7 sind die USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Seit der großen Finanzkrise ist die G7 stark in den Hintergrund getreten. Dafür wurde auf Initiative der USA die G20 zum Richtungsgeber für die internationale Finanzregulierung aufgebaut. Es war regelmäßig die G20, die den internationalen Standardsetzergruppen die (informellen) Arbeitsaufträge gab.

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Zu den G20 gehören neben den G7 die wichtigsten Schwellenländer, darunter China, Indien und Rußland. Offenbar ist es den USA in diesem Rahmen nicht gelungen, eine Beschlußfassung herbeizuführen, die den Standardsetzern den Auftrag gibt, ein passendes regulatorisches Umfeld für Libra zu schaffen. Deshalb hat die G7 das mit einer Arbeitsgruppe zu „Stablecoins“ an sich gezogen.

Libra ist so eine „Stablecoin“, eine Kryptowährung, deren Wert gegenüber einem wichtigen Wertmaßstab – in diesem Fall einem Korb der großen Währungen – stabil gehalten werden soll. Wenn die G7 „Stablecoin“ schreibt, meint sie Libra.

Hier die wichtigsten Aussagen aus dem Bericht der G7-Arbeitsgruppe: „Stablecoins könnten zur Entwicklung globaler Zahlungsverkehrsarrangements beitragen, die schneller, billiger und inklusiver sind als die gegenwärtigen.“

Da es sich bei Facebook und der Libra-Association um private Organisationen handelt, die in ein traditionelles Zuständigkeitsgebiet von Regierungen eindringen wollen, ist das weder selbstverständlich, noch aus diplomatischen Gründen gefordert. Es geht direkt weiter mit: „Die G7 glaubt, daß kein globales Stablecoin-Projekt starten sollte, bis die rechtlichen regulatorischen und Aufsichtsherausforderungen und -risiken angemessen bearbeitet (addressed) sind, durch angemessene Ausgestaltung und durch Einhaltung von Regeln, die klar und proportional zu den Risiken sind.“

Die Formulierung „nicht starten sollte, bevor“, kann man auch übersetzen mit „starten darf, sobald…“ Im Ausdruck „Regeln die klar und proportional zu den Risiken sind“ versteckt sich ein Auftrag an die Regulierer, Libra nicht mit zu strengen Regeln zu behindern, und die Regeln so klar zu fassen, daß die Libra Association sich darauf verlassen kann, die Genehmigung zu bekommen, wenn sie umsetzt, was verlangt wird. Gleichzeitig wird vorbereitet, daß kritische Regierungen später unter Druck gesetzt werden können, die in den Standardsetzergremien vereinbarten Regeln so – und nicht strenger – anzuwenden.

Das wird dann auch noch ausdrücklicher und im Befehlston so formuliert: „Öffentliche Stellen müssen sich über Behörden, Sektoren und Gebietskörperschaften hinweg koordinieren, um verantwortungsvolle Innovation im Zahlungsverkehr zu unterstützen und gleichzeitig eine global konsistente Antwort zur Risikominimierung sicherzustellen. Behörden sollten darauf abzielen, daß ihre Regulierung diese Prinzipien und Standards beachtet und diese Regulierungen auf Stablecoins anwenden. Sie sollten einen technologieneutralen, funktionsbasierten Regulierungsansatz verfolgen. Sie sollten die Auswirkungen globaler Stablecoins untersuchen und dabei darauf achten, daß schädliche Regulierungsarbitrage vermieden wird und ein ebenes Spielfeld (level playing field) sicherstellen, das Wettbewerb ermutigt.“

Das sind alles Prinzipien, die darauf hinauslaufen, daß keine Regirung von den global vereinbarten „innovationsfördernden“ Regeln abweichen darf, auch und vor allem nicht, um seinen Zahlungsverkehr vor der Dominanz amerikanischer Großkonzerne zu schützen. Das würde als wettbewerbswidrig gelten (level playing field) und den Grundsätzen der Technologieneutralität und Funktionsbasiertheit widersprechen. Es soll nur darauf ankommen, welche Funktionen erfüllt werden, nicht wer das mit welcher Technologie tut. Die Regierungen dürfen sich demnach auch nicht mehr auf den Standpunkt stellen – wie das z.B. der französische Finanzminister getan hat – daß private Unternehmen keine Währung emittieren dürfen sollen, weil das Sache der Staaten sei. Das wäre nicht „funktionsbasiert“.

Dann wird bestimmt, welche informelle Guppe als Haupt-Standardsetzer für Stablecoins fungieren soll: es ist der Finanzstabilitätsrat (FSB). Und dieser bekommt ein sehr konstruktives (für Facebook) Mandat: „Der FSB und (andere) Standardsetzer intensivieren ihre Anstrengungen, zu beurteilen, wie ihre bestehenden Prinzipien und Standards aus Stablecoins angewendet werden sollten, und/oder neue Politikempfehlungen für Stablecoin-Arrangements in einer global konsistenten Weise zu entwickeln.“

Die 25 Länder, die bein FSB mitmachen dürfen und jeweils einen Notenbankvertreter und einen Vertreter des Finanzministeriums entsenden, überschneiden sich stark mit den G20. Allerdings hat bei der Umsetzung des Libra-freundlichen Arbeitsauftrags von den G7 der Vorsitzende des FSB eine herausragende Rolle. Denn der Rat tagt in der Regel nur zweimal im Jahr. Dazwischen treiben Sekretariat oder Arbeitsgruppen unter Ägide des Vorsitzenden die Arbeit voran. Vorsitzender ist der US-Amerikaner Randal Quarles von der US-Notenbank Federal Reserve.

Im Kommunique, mit dem die G7-Präsidentschaft den Bericht der G7-Arbeitsgruppe begrüßt, wird in diplomatischer Sprache, aber doch deutlich klargestellt, daß die G7 sich selbst um die Herstellung von Rechtssicherheit für Libra kümmern werden und die G20-Länder wieder ins Glied zu treten und das umzusetzen haben, was am Tisch der G7 beschlossen wird: „We welcome G20 cooperation (Wir freuen uns über Kooperation der G20)“

Nach Verweis auf die Arbeit der Standardsetzer FSB und Financial Action Task Force on Money Laundering and Terrorism Finance (FATF) wird dann ganz klar gesagt, daß jetzt wieder die G7 sagt, wo es lang geht. „Wir betonen die Bedeutung der globalen Koordination über Grenzen hinweg, auch mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Die G7 werden eine Führungsrolle dabei einnehmen, die FATF-Standards in Bezug auf neue Technologien, einschließlich solcher in Bezug auf Stablecoins, schnell und effektiv umzusetzen.“

Mit anderen Worten: Wenn FSB und FATF (unter US-Führung) die Regeln formuliert haben, soll es in den G7-Ländern losgehen mit Libra. Die Länder, die nicht (mehr) mit am Tisch der Mächtigen sitzen dürfen, sollen diesem Beispiel dann gefälligst folgen.

Daß der Libra-freundliche Arbeitsauftrag von den G7 auf die US-Regierung zurückgeht, scheint klar. Das Magazin Politico erfuhr aus Kreisen der G7, daß verschiedene europäische Regierungen auf eine sehr restriktive Haltung, bis hin zu einem Verbot von Libra gedrängt hätten. Die sei jedoch am Widerstand von US-Finanzminister Steven Mnuchin gescheitert. Auch die EU-Kommission, die traditionell auf amerikanischen Druck so standfest reagiert wie ein Kartenhaus auf Wind, stellte sich Politico zufolge gegen Verbotsbestrebungen, um nicht technologiefeindlich und unkooperativ zu erscheinen.

Die G20 fügten sich brav und wiederholten in einem eigenen Kommunique die Formulierungen der G7. Außerdem kündigten sie an, sich nicht selbst mit dem Thema befassen zu wollen, bevor FSB und FATF Mitte nächsten Jahres ihre Empfehlungen abgegeben haben.

Traditionell werden die Empfehlungen dieser Gruppen von den G20 einfach abgenickt und dann von den Regulierern der Mitgliedsländer umgesetzt, meist ohne ernsthafte Beteiligung der nationalen Parlamente. Das mag in diesem Fall wegen der Interessensgegensätze nicht ganz so reibungslos gehen. Aber es in diese Richtung voranzutreiben, ist erkennbar die Strategie der US-Regierung.

Allein auf guten Willen ist sie dabei nicht angewiesen, denn sie hat auch einen bestimmenden Einfluß auf den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank. Und diese beiden Organisationen nutzen alle Druckmittel, die sie haben, um Schwellen- und Entwicklungsländer zu nötigen, die „unverbindlichen“ Finanzstandards getreulich umzusetzen, die von den „informellen“ Gremien im internationalen Schattenreich der Standardsetzer ausgekungelt werden. Tun sie es nicht, bekommen sie zum Beispiel schlechte Bewertungen für ihr Finanzsystem, was mögliche Investoren und Kreditgeber abschreckt.
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Die Briten machen mit

Der Gouverneur der Bank von England, Mark Carney, ein früherer Goldman-Sachs-Banker, sagte bereits im Juni, kurz nach Bekanntgabe der Facebook-Pläne, daß man bei der Bank von England daran denke, Technologieunternehmen (gemeint war Libra) Zugang zu Zentralbankliquidität zu geben, die bisher Banken vorbehalten ist. Wenn die Libra Association von den Zentralbanken wie eine Bank behandelt würde, könnte sie den Vorbehalt entkräften, die Einführung von Libra könnte die Zentralbanken entmachten. Zumindest die führenden G7-Zentralbanken, von denen sich die Libra Association Liquidität besorgen würde, bekämen darüber eine Informations- und Einwirkungsmöglichkeit.

Der Hauptpunkt jedoch ist die Geldwäschegefahr, die Libra nachgesagt wird, weil ja jeder ein Facebook- oder Whatsapp-Konto unter falschem Namen anlegen und damit Geldgeschäfte tätigen könnte. Hier ist vor allem die FATF mit ihren Anti-Geldwäscheregeln zuständig.

Die Libra Association hat allerdings in ihrem Weißbuch bereits angekündigt, daß sie plant, einen „offenen Identitätsstandard“ zu entwickeln und zu fördern. Die Sätze dazu im Weißbuch: „Ein zusätzliches Ziel ist die Entwicklung und Förderung eines offenen Identitätsstandards. Wir glauben, daß eine dezentralisierte und portable digitale Indentität eine Voraussetzung für finanzielle Inklusion und Wettbewerb ist.“

Daß ausgerrechnet die Datenkrake Facebook mit ihren vielen Datenmißbrauchs-Skandalen so etwas wie einen globalen digitalen Personalausweis entwickeln und durchsetzen will, hat viele Kommentatoren entsetzt. Aber die Gefahr ist groß, daß es so kommt, wie das abschreckende Beispiel China zeigt. Dort hat die auf Totalüberwachung versessene Regierung es Internet-Plattformen und Telekommunikationsunternehmen zur Pflicht gemacht, ihre Dienste nur von registrierten und identifizierten Nutzern in Anspruch nehmen zu lassen. Das betrifft auch die sehr stark verbreiteten Bezahlfunktionen WeChat und Alipay.

Man wird sich kaum der Illusion hingeben dürfen, daß die US-Regierung und die FATF so etwas nicht auch toll finden würden. Passender Weise ist der gegenwärtige FATF-Präsident ein Chinese. Wichtiger für die inhaltliche Arbeit ist allerdings der Exekutive Secretary, der Brite David Lewis. China und Großbritannien sind die beiden Länder mit der weltweit höchsten Dichte an Überwachungskameras je Einwohner.

Facebook kann also hoffen, den globalen Indentitätsstandard für das Internet, den es ohnehin etablieren will, von der FATF als Bedingung diktiert zu bekommen, damit Libra starten darf. Seit dem 18. Oktober und noch bis Ende November hat die Libra Association Zeit, ihre Vorstellungen dazu an die FATF zu übermitteln. Bis dahin läuft eine öffentliche Konsultation zu einem Richtlinienentwurf der FATF zur digitalen Identität. Die Pläne der Libra Association für einen globalen Identitätsstandard könnten also bereits in die anstehende Richtlinie der FATF einfließen.

Wenn das klappen würde, könnten sich die französische und andere Regierungen auf die Hinterbeine stellen. Es würde kaum noch eine Rolle spielen.
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Stärkung der US-Sanktionsmacht

Warum die US-Regierung sich so anstrengt, Libra gegen alle Widerstände den Weg zur Verwirklichung zu ebnen, soll hier in aller Kürze ein Zitat von Facebooks Libra-Verantwortlichem David Marcus von Ende Oktober auf der Konferenz Money 20/20 genügen. (AML steht für Maßnahmen gegen Geldwäsche): „AML ist etwas, worum wir uns kümmern müssen, und ich will sagen, daß die Wirksamkeit der Durchsetzung von Sanktionen auf Libra viel besser sein kann als auf anderen Zahlungssystemen. Digital zu digital ist besser nachverfolgbar als wenn Bargeld involviert ist und es ist sicherer, weil es auf Real-Time Systemem läuft … Die offene Buchführung – die Blockchain – mach es den Regulierern möglich, selbst zu überprüfen, was passiert und zu identifizieren, wo das Risiko sitzt, ohne auf Meldungen angewiesen zu sein.“

Mit anderen Worten: Die US-Regierung und ihre Geheimdienste sollen direkten Live-Zugang zum Libra-Zahlungsverkehrssystem und seinen Daten haben und ihr Sanktionsregime dank Libra stark ausweiten und verfeinern können. Welcher Regierung und welchem Geheimdienst würde da nicht das Wasser im Mund zusammenlaufen.

(Dieser Artikel basiert auf den Arbeiten desWirtschaftsjournalisten Norbert Häring, veröffentlicht u. a. auf www.linkezeitung.de) 

Erstveröffentlichung in ROTER MORGEN vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden ganz oder zum Teil von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

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Nov.22
on 22. November 2019
Veröffentlicht in: Andrej Konstantin Hunko

Andrej Konstantin Hunko

It’s a Coup, stupid!

Andrej Konstantin Hunko

In Lateinamerika findet kein rechter Putsch mehr ohne Beifall der Bundesregierung statt. Während des langen doch bislang erfolglosen Umsturzversuches in Venezuela musste sich das Auswärtige Amt noch von der Realität belehren lassen.

Mit seiner Einschätzung, dass die völkerrechtswidrige Anerkennung des Putschisten Juan Guaidó nur von kurzer Dauer sein würde, lag es gründlich daneben. Auch ein knappes Jahr nach dessen Selbstausrufung bleibt Präsident Maduro im Amt. Die von der Bundesregierung unterstützte Strategie der USA, die Wirtschaft vollends zu erdrosseln, ist noch nicht aufgegangen.


In Bolivien hingegen lief alles schneller. Nach der weiterhin unbelegten Behauptung umfassender Wahlmanipulationen durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zwangen Militär und Polizei den 2014 mit über 60 Prozent der Stimmen gewählten Präsidenten zum Rücktritt. Er beugte sich nach eigenen Aussagen dem Druck, um Blutvergießen zu verhindern. Mit dem Vizepräsidenten und den Präsidenten der beiden Kammern des Parlaments nahmen auch alle verfassungsmäßigen Nachfolger auf Druck der Putschisten ihren Hut. Sie beklagten teilweise, dass ihre Häuser angezündet und ihre Familien bedroht worden seien. Der Präsident der Abgeordnetenkammer rief im Zuge seiner Rücktrittserklärung gar zur Freilassung seines entführten Bruders auf.

All dies hielt Regierungssprecher Seibert nicht davon ab, den Rücktritt Morales‘ als „wichtigen Schritt hin zu einer friedlichen Lösung“ zu begrüßen und Lügen über das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zu verbreiten.

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Im zweiten Akt des Putsches tagte der Senat ohne die MAS-Abgeordneten, die in der Parlamentskammer die Mehrheit stellen. Diese „boykottierten“ jedoch nicht die Sitzung, wie uns quer durch die meisten Medien vermittelt wird, sondern nahmen aus Sorge um ihre Sicherheit nicht teil. Sie wurden ausgesperrt. Ohne notwendiges Quorum und ohne wie von der Verfassung vorgeschrieben die Rücktrittsersuchen von Präsident und Vizepräsident anzunehmen, erklärte sich dann die Vizepräsidentin des Senats selbst zur Interimspräsidentin Boliviens. Die evangelikale Rechtsaußen-Politikerin Jeanine Añez, die in der Vergangenheit durch rassistische Aussagen gegenüber der indigenen Mehrheit aufgefallen war, ist damit De-facto-Präsidentin Boliviens.

Seitdem tobt in Bolivien der rechte Mob. Der neue Präsidialamtsminister rief als erstes zur „Jagd“ auf seinen Vorgänger auf, der ein „Tier“ sei. Proteste der indigenen Mehrheit gegen den Putsch wird mit Gewalt begegnet und die Wiphala, die Fahne der indigenen Nationen der Anden, medienwirksam verbrannt. Die nun erneut an die Macht strebende weiße Elite bemüht sich nach den ersten Exzessen nur zögerlich, ihren Rassismus zu verstecken. So sind alle von der Putsch-Präsidentin eingesetzten Minister weiß, obwohl die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung indigene Wurzeln hat.

Und die Bundesregierung? Ohne ein kritisches Wort „begrüßt“ sie die Ankündigung der „Interimspräsidentin von Bolivien“, innerhalb von drei Monaten freie und faire Wahlen anzusetzen. Ob diese tatsächlich stattfinden werden oder Añez versucht, sich mit Hilfe des Militärs an der Macht zu halten, bleibt abzuwarten.

Wenig überraschend standen auch die Grünen ohne Zögern Gewehr bei Fuß und begrüßten den rechten Putsch als „historischen Moment“. Omid Nouripour, Der außenpolitische Sprecher ihrer Fraktion im Bundestag bescheinigte dem Militär kurz nach dem erzwungenen Rücktritt Morales‘, „die richtige Entscheidung getroffen“ zu haben. Dass aber auch bis weit in die Linke hinein während eines laufenden Putsches darüber diskutiert wird, ob die gestürzte Regierung nicht doch selbst Schuld ist, ist einfach nur beschämend.

Hier zeigt sich, wie sehr die Regime-Change-Strategien wirken. Immer wird im Vorfeld derartiger Umstürze der Boden bereitet, indem reale Fehltritte der Regierungen mit Übertreibungen und schlichten Lügen vermengt werden. Dadurch werden bis weit in progressive Teile der Bevölkerung hinein Zweifel und Unsicherheit gesät, die dann im Falle der Konfrontation zu einer Entsolidarisierung führen.

Selbstverständlich gibt es reichlich Dinge, die man an der Politik von Evo Morales kritisieren kann. Diese im konkreten Fall eines Putsches aber in den Vordergrund zu stellen, zeugt im besten Fall von politischer Naivität. Aufgabe der Linken ist in einer solchen Situation, den Putsch klar zu benennen und zu verurteilen und die medial verbreiteten Narrative kritisch zu hinterfragen. Denn wie im Krieg gilt auch in diesen Momenten: Die Wahrheit ist das erste Opfer.


Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

Über den Autor: Andrej Hunko ist Sprecher für Europapolitik der Partei DIE LINKE im Bundestag.

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Nov.21
on 21. November 2019
Veröffentlicht in: Diethard Möller

Diethard Möller

Dafür ist immer Geld da: 50 Milliarden für Bundeswehr!

Diethard Möller

2020 will die Bundesregierung 50 Milliarden Euro für die Bundeswehr, also für mehr Rüstung und Krieg, ausgeben. 2014 betrug der Bundeswehretat 32,4 Milliarden Euro, 2017 bereits 37 und 2019 bereits 43,2 Milliarden.

Mit 50 Milliarden werden innerhalb eines Jahres fast 16% Steigerung erreicht, seit 2014 über 54%! Kein Ausgabeposten steigt derzeit schneller. Dabei sind in diesem Etatposten viele Ausgaben für das Militär nicht erfasst wie Soldatenpensionen und -renten, Gesundheitskosten, Kosten für Tote und Verwundete. Das wird alles im Sozialetat versteckt, gehört aber zu den militärischen Ausgaben.

Auf seiner Internetseite bejubelt das Kriegsministerium die „steigenden Ressourcen für Rüstungsinvestitionen“.

Bei dem Grundrentenbeschluss der Bundesregierung, der nur einer kleinen Gruppe Rentner/innen hilft, ging es um 1,5 Milliarden Euro. Da haben Arbeitgeberverbände geklagt, dass könne man sich nicht leisten. Aber 50 Milliarden für die Bundeswehr sieben Milliarden im nächsten Jahr mehr – da hört man nichts. Denn es verspricht satte Profite, wenn die Rüstungsinvestitionen so extrem steigen. Für die Rüstungsindustrie ist das ein Bombengeschäft!

Für die Menschen in diesem Land ist das eine Katastrophe! Denn das Geld fehlt bei der Gesundheit, bei der Bildung, bei den Renten, beim Umweltschutz, bei den Arbeitslosen!

Wir fordern:
Keine Erhöhung des Rüstungshaushaltes!

Erstveröffentlichung vor wenigen Tagen in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
Bilder und Bildunterschriften wurden komplett oder zum Teil von der Redaktion AmericanRebel hinzu gefügt.
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Nov.19
on 19. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Franz Poeschel

Franz Pöschl

Bolivien

Die bittere Frucht der Halbherzigkeit
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Franz Pöschl

Bolivien galt lange als das ärmste Land Lateinamerikas. Über 50 Prozent der Bevölkerung, also die Mehrheit sind Indios und zugleich der ärmste Teil der Bevölkerung. Die ganzen Jahrhunderte vor Evo Morales herrschten die weißen Großgrundbesitzer und Militärs,die Nachfahren der spanischen Eroberer.

Mit Evo Morales wurde zum ersten Mal ein Indio ein Präsident. Er führte eine sozialere Politik als seine Vorgänger durch, verstaatlichte Rohstoffunternehmen, aber nur teilweise. So konnte er den Lebensstandard seines Volkes leicht anheben und darin, z. B. Paraguay, überholen.

Wasser auf die Mühlen der Konterrevolution leitete er mit seiner Wiederkandidatur , die ja nach der Verfassung nicht vorgesehen war und auch nicht notwendig gewesen wäre. Da nützte auch die Bereitschaft seiner Partei MAS, des Wahlsiegers zu Neuwahlen nichts mehr.

Ein handfester Grund für die Machtergreifung der alten „Eliten“ ist der Rohstoff Lithium, der Rohstoff des Smartphone- und Elektroauto-Zeitalters des 21. Jahrhunderts, um den die amerikanischen, deutschen und chinesischen Imperialisten gierig und erbittert kämpfen. Nicht umsonst anerkannte die Bundesregierung Deutschlands so schnell die neue Regierung. Symbolisch verbrannte die Konterrevolution nach dem Sturz der Regierung Evo Morales die Wiphala, die indigene Flagge, entfernte sie von den Amtsgebäuden Boliviens und präsentierte sich der nationalen und internationalen Öffentlichkeit mit der Bibel in der Hand.

Ein weiterer Grund ist der rassistische Haß der alten weißen Oberschicht. Für sie ist es auch nach mehr als einem Jahrzehnt des Wandels weiterhin inakzeptabel, daß Evo Morales der indigenen Mehrheit nicht nur kulturelle Würde gab, sondern sie ewas an der politischen Entscheidungsmacht in den staatlichen Institutionen beteiligte. Kein Wunder also, daß die ewigen Ultrarechten aus der Riege der Großgrundbesitzer der östlichen Departments Santa Cruz, Beni und Pando um Luis Fernando Camacho das Zepter der Konterrevolution führen. In den US-amerikanischen Falken der Trump Administration – im Kalten Krieg sozialisierteImperialisten, die in Evo einen „Chavez-Castro Kommunisten“ sehen – fanden sie Gleichdenkende für eine ideologisch getriebene Konterrevolution, die nun mit aller Härte des kulturellen Revanchismus durchgeführt wird.

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Der Widerstand hat jedoch begonnen. Bergarbeiter der COB, die Bauern des Chapare, die Aymaras von El Alto: Boliviens soziale Bewegung kann auf eine der kämpferischstenTraditionen des Kontinents zählen.

Warum mußte Evo Morales so schnell nach Mexiko fliehen, obwohl er zumindest die Hälfteder Bevölkerung hinter sich hat? Er hat denselben Fehler gemacht wie die deutsche Sozialdemokratie im November 1918. Er hat versäumt, die alte Oligarchie zurechtzustutzenund zu entmachten.

Die Zahl der vom Militär ermotrdeten bei den Protesten in Boöovien steigt täglich. Bild: YouTube screenshot

Lassen wir dazu Felipe Quispe Huanca, den früheren Generalsekretär der Vereinigung der Bolivianischen Landarbeiter CSUTB, der wichtigsten indigenen Campesino-Organisation, deren Aufstände zwischen 2000 und 2005 drei Regierungen stürzten und schließlich die Wahl Evo Morales ermöglichten, sprechen. Präsident Evo Morales ist aus Sicht Quispes ein „angepaßter Indio“, seine Regierung vertrete nur unzureichend indigene Interessen: „Hätten wir wirklich die Macht übernommen, hätten wir jetzt Minister und Botschafter, die Aymara oder Quechua sprechen. Der Armeechef und der Polizeichef hätten Nachnamen wie Mamani oder Condori, das wäre ein echter Wandel gewesen. Aber die aktuelle Regierung ist Schuldner der Nichtregierungsorganisationen (NRO) und anderer Länder, und alle diese Leute präsentieren jetzt ihre Rechnungen, die beglichen werden wollen. Der Energieminister Carlos Villegas arbeitete vorher für NRO, die Ministerien für Minenwirtschaft und Arbeit sind von einstigen Vertretern der traditionellen Parteien besetzt, und die wenigen Indios, die in der Regierung waren, wie der ehemalige Bildungsminister Felix Patzi oder der Wasserminister Abel Mamani, wurden ausgewechselt. Der einzige Indioim Regierungspalast ist der Außenminister David Choquehuanca.

Ich denke, daß Evo viel eher ein Püppchen der traditionellen Linken ist, und die ist in Bolivien oligarchisch. Ich sehe nicht, daß sie sich auf dem Weg hin zu einem radikalen Wandel des Landes befindet. Das sind eben die Söhne der Landbesitzer und Unternehmer, einige sagen sie seien ‚rechts‘, andere sagen sie seien ‚links‘, und manchmal streiten sie sich untereinander, doch in der Praxis existiert diese Unterscheidung in Bolivien nicht.“

Was hier Felipe Quispe Huanca fordert ist nicht einmal Sozialismus, sondern die konsequente Durchsetzung der Demokratie, die Beteiligung der Ureinwohner, der Indios, die die Mehrheit stellen, an der Macht. Aber auch und besonders in Lateinamerika gilt: Die politische Macht beruht auf den Gewehrläufen.

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Bolivien – Putsch wurde mit Wahl einer neuen Präsidentin konsolidiert während USA, Brasilien und Russland die Putschisten anerkannt haben

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Nov.18
on 18. November 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Inge Möller

Inge Möller

NS-Akteure und »Volksgemeinschaft«
gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern

Buchbesprechung: „Ausgrenzung – Raub – Vernichtung“
von Heinz Högerle, Peter Müller und Martin Ulmer (Herausg.)
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Inge Möller

„Neue Forschungsergebnisse zur Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern“NS-Akteure und »Volksgemeinschaft« gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern

29 Autoren aus der Gedenkstättenarbeit und von den Stuttgarter Stolpersteinen haben wichtige Beiträge zur Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern geleistet. Es wird dargestellt, wie die Juden aus ihren Berufen, ihren Wohnungen verdrängt, ihres Eigentums beraubt und schließlich vernichtet wurden. Herausgegeben wurde der umfangreiche Band von Heinz Högerle, Dr. Martin Ulmer und Dr. Müller vom Landesarchiv Baden-Württemberg. Die zahlreichen Illustrationen und Dokumente geben ein Bild von der Hetze und Propaganda der Nazis gegen die Juden und den Verordnungen, Erlassen sowie Gesetzen, die diese immer mehr einschränkten und ihnen die Lebensgrundlage entzogen. Sie geben uns auch mit Biographien der Opfer und Täter eine Vorstellung von den betroffenen Familien und der Beute, die die Nazis ihnen geraubt haben. Am Ende blieben den Betroffenen nur Flucht oder gerieten in die mörderischen Mühlen des NS-Staates, wurden deportiert und systematisch ermordet.

Das preiswerte und umfangreiche Buch ist nicht nur für Fachleute interessant. Es macht deutlich, wie der Staat, aber auch Privatleute von der Ausplünderung der Juden profitiert haben und ist eine Warnung für heute angesichts des wiederkehrenden Rassismus und Antisemitismus.

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INHALT

  • Vorwort
  • Einführung und Dank
  • Martin Burkhardt – Zur Wirtschafts- und Berufssituation der Juden in Württemberg und Hohenzollern vor 1933 – ein Überblick
  • Teil I – Von 1933 bis zum Vorabend der Nürnberger Gesetze: Die ersten Angriffe im NS-Staat
  • Teil II – Von den Nürnberger Gesetzen 1935 bis zum Novemberpogroms 1938: Wirtschaftliche Totalerfassung und Beschleunigung der Zwangsverkäufe
  • Teil III – Vom Novemberpogrom 1938 bis zur Vorbereitung der Deportationen 1941: Pogromterror, Sondersteuern, endgültige Berufsverbote
  • Teil IV- November 1941 bis Mai 1945: Die Durchführung der Deportationen und der finale Raub
  • Teil V – Nach dem Kriegsende: Die zweite Schuld in der Demokratie
  • Anhang

AUSFÜHRLICHES INHALTSVERZEICHNISS (PDF)
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Heinz Högerle, Peter Müller und Martin Ulmer,
im Auftrag Gedenkstättenverbundes Gäu-Neckar-Alb e. V., Landesarchivs Baden-Württemberg
und der LpB BW, Stuttgart 2019,
Preis: 18,00 €

Martin Ulmer (von links), Heinz Högerle und Peter Müller mit ihrem Werk zum Nationalsozialismus Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote, Qielle: YouTube screenshot

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Erstveröffentlichung heute oder vor wenigen Tagen in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
Bilder und Bildunterschriften wurden komplett oder zum Teil von der Redaktion AmericanRebel hinzu gefügt.
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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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└ Schlagwörter: Allgemeines, Judenverfolgung, Kultur, NS-Zeit, Politik und Gesellschaft, Raub, Vermögen von Juden, Vernichtung, Zur Diskussion Ausgrenzung
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