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Feb.17
on 17. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein

Efstathios Tassikas

Mythos Dresden – Bombenangriff auf Dresden 1945

Efstathios Tassikas

Der Umgang mit den Ereignissen in Dresden während des zweiten Weltkriegs sowie die Zahl der Opfer, die bei den britischen und amerikanischen Bombenangriffen auf die Stadt Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 ums Leben kamen, sorgt auch noch 75 Jahre später für Ungereimtheiten und aufgeheizte Stimmung. In der öffentlichen Debatte ist von verschiedenen Zahlen die Rede: 1) 135.000, 2) „weit mehr als 100.000“ sowie 3) 25.000.

Zur ersten Zahl: Nach der Bombardierung von Dresden durch die Alliierten haben die Nationalsozialisten und ihr Propagandaminister Joseph Goebbels sofort begonnen, die Opferzahlen von Dresden hochzurechnen. Die Rede war von 250.000 Toten (Schütz 2020). Dies gilt als Ursprungszahl, aus der die anderen hervorgingen. Die Zahl von 135.000 stammt vom umstrittenen britischen Journalist David Irving. Irving selbst musste schon 1966 in einem Lesebrief an die Londoner „Times“ diese Zahl als zu hoch zurücknehmen (Mayr 1992:61). Von „etwa 100.000“ Toten wird dann AfD-Chef Tino Chrupalla im Spiegel zitiert (Wiegrefe 2020) und zum Schluss die Zahl von ca. 25.000.

Dresden nach den alliierten Bombenangriffen. Bild: Bundesarchiv

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Letztere ist das Ergebnis des Abschlussberichts der Historikerkommission zu den Luftangriffen auf Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 der Stadt Dresden, die von Rolf-Dieter Müller geleitet wurde. Selbstverständlich ist eine hundertprozentig-genaue Zahl nicht möglich. Das Ergebnis der Kommission ist jedoch die einzige durch Quellen belegte, wissenschaftlich anerkannte Zahl. Bis zur Veröffentlichung galt die Zahl von 35.000 als bewiesen (Mayr, 1992:61). Diese musste jedoch nach Erkenntnissen der Kommission korrigiert werden: „Wir sind allen Argumenten nachgegangen und haben am Ende überprüfbare Beweise dafür vorgelegt, dass es nicht mehr als 25.000 Opfer gegeben hat“ (Müller/Wiegrefe 2020).

Dies sind nur einige Beispiele unter vielen anderen für die in der Öffentlichkeit angegeben Zahlen, um die Realität dieser Nacht in Dresden zu skizzieren. Die Historikerkommission recherchierte unter anderem auch auf Basis der Ergebnisse von 1977, die Götz Bergander in seiner wissenschaftlich fundierten und durch neues Quellenmaterial gesicherten Dokumentation „Dresden im Luftkrieg“ herausarbeitete.

Das Ziel war es dieser andauernden Zahlenlegendenbildung der rechten Geschichtsrevisionist:innen den Nährboden zu entziehen. Die Tradierung der Zahlen von beispielsweise „mehr als 100.000“ ist nichts weiter als Göbbels-Propaganda und der geschichtsrevisionistische Versuch die deutsche Kriegsschuld zu relativieren, in dem man den Fokus auf die Opfer auf deutscher Seite legt. Dies bestätigen auch Rolf-Dieter Müller: „Dass jetzt wieder versucht wird, das Totengedenken für die politischen Zwecke der Gegenwart zu missbrauchen, finde ich unerträglich“ und auch Johannes Schütz: „Die AfD versucht nun, die alte Erzählung von weit höheren Opferzahlen wieder aufzuwärmen und den Opfer-Mythos wieder zu beleben. […] wer den Blick weg lenken will von den Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg, nutzt dafür nicht selten das Gedenken an die deutschen Opfer. Genau darum bemüht sich nun die AfD, wenn sie die Diskussionen um Opferzahlen und Verantwortung wieder aufrollt“ in ihren Interviews.

Dresden nach den alliierten Bombenangriffen. Bild: Bundesarchiv

Es geht nicht um eine Bagatellisierung der Opferzahlen und Verluste durch die Bombenangriffe der Alliierten, wenn die mehrstelligen Opferzahlen, die noch im Krieg von Göbbels zu Propagandazwecken in Umlauf gesetzt worden und später aufgrund mangelnder Beweise und wissenschaftlicher Erkenntnisse auf 25.000 korrigiert werden mussten. Vielmehr, so Mayr, geht es dabei um „ernsthafte und glaubwürdige Geschichtsschreibung, die in diesem Fall auch ohne Mammutzahlen grausam genug ist“ (Mayr 1992).

Abschließen möchte ich mit dem Schlussabsatz der Dresdner Historikerkommission (S. 70), der alles noch einmal gut zusammenfasst:

„In der Konsequenz des von Deutschland ausgegangenen Krieges wurde Dresden im letzten Kriegsjahr durch alliierte Luftangriffe schwer zerstört. Innerhalb weniger Stunden starben viele Tausend Menschen – Zivilisten und Militärangehörige, Dresdner und Flüchtlinge, aber auch Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene. Für die wenigen noch nicht ermordeten jüdischen Mitbürger bedeuteten die Luftangriffe Gefahr und Rettung vor Deportation gleichermaßen. Ein verantwortliches Erinnern an das Schicksal aller dieser Menschen setzt ein ernsthaftes und andauerndes Bemühen um die Korrektheit der geschichtlichen Darstellung voraus.“
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Quellen- und Literaturverzeichnis:

  • Hoffmann, Moritz: Dresden: Ein Anhang. In: Moritz.Hoffman.de, Link: https://www.moritz-hoffmann.de/2017/01/21/dresden-anhang/, abgerufen: 15.02.20.
  • Fiedler, Maria: 75 Jahre Dresdner Bombennacht. In: Der Tagesspiegel, Link:
    https://amp.tagesspiegel.de/politik/75-jahre-dresdner-bombennacht-die-afd-versucht-den-opfer-mythos-wiederzubeleben/25539616.html?__twitter_impression=true, abgerufen am 15.02.20.
  • Landeshauptstadt Dresden: Abschlussbericht der Historikerkommission zu den Luftangriffen auf Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945, S. 15ff. Link: https://www.dresden.de/media/pdf/infoblaetter/Historikerkommission_Dresden1945_Abschlussbericht_V1_14a.pdf, abgerufen: 15.02.20.
  • Lühmann, Michael: Dresden – Stadt mit schwieriger Geschichte. In: Neues Deutschland, Link: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1132764.dresden-stadt-mit-schwieriger-geschichte.html, abgerufen am 15.02.20.
  • Mayr, Monika: Dresden, in: Legenden, Lügen, Vorurteile – Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte, hg. Wolfgang Benz, München 1992, S.61-62.
  • Wiegrefe, Klaus: „Goebbels war damit erstaunlich erfolgreich„, Interview mit Rolf-Dieter Müller. In: Spiegel Panorama, Link: https://www.spiegel.de/panorama/bombenangriff-auf-dresden-1945-historiker-widerspricht-afd-chef-tino-chrupalla-a-456cb726-5ddb-4ee7-b858-34b54181e2f8, abgerufen am: 15.02.20.

Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors.
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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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Feb.16
on 16. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein

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Zentralorgan der Kommunistischen
Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF)
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Libyen: In Berlin ging es um die Aufteilung

In unserer Ausgabe (La Forge) vom Januar betonten wir die Verwicklung der Türkei und Russlands in den Krieg zwischen dem Sarraj-Clan, der offiziell als Repräsentant Libyens anerkannt ist, und (General) Haftar, der im April 2019 mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Saudi-Arabien, Russland und Frankreich eine Offensive gestartet hat. „Man ist dabei, in Libyen Boden unter den Füßen zu verlieren“ regte sich kürzlich ein EU-Verantwortlicher auf, und wies auf die Tatsache hin, dass sich Russland und die Türkei immer mehr die Kontrolle über dieses vom Krieg verwüstete Land teilten, das jedoch große Erdöl- und Grundwasser-Vorkommen besitzt, ganz zu schweigen von der geostrategischen Lage. Die Chefs der EU fürchten besonders, dass die Türkei und Russland über die „Regulierung“ der Migrationsbewegungen der vielen Migranten in Libyen Druck ausüben.
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Conférence sur la Libye : accord pour un cessez-le-feu. Foto: La Forge

Die Zahl der Migranten variiert zwischen 55.000 nach UNHCR und 600.000, die alle unter immer unsichereren Bedingungen in den Gebieten leben, die zwischen den zwei libyschen Gegenparteien umkämpft sind. Eilig wurde am 19.1. in Berlin eine internationale Konferenz von 11 Ländern, darunter mehrere EU-Länder, Russland, Türkei, USA, UNO, afrikanische Union und arabische Liga, organisiert. Davor hatten sich Erdogan und Putin getroffen, um die Arbeiten für eine Gaspipeline (TurkStream), welche Russland mit der Türkei verbindet, einzufädeln. Die Tatsache, dass jeder im Libyenkrieg ein anderes Lager unterstützt (Erdogan unterstützt Sarraj, Putin Haftar), ist kein Hindernis für ihre Beziehungen, da jeder dabei „auf seine Rechnung kommt“, auf Kosten der europäischen Mächte. Das ist die gleiche Art von Beziehungen, wie sie diese beiden Staaten mit einer Aufteilung der Einflusszonen in Syrien unterhalten.

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Die Konferenz von Berlin war eine Schaubühne der Heuchelei und der Lügen. Unter dem Vorsitz von Merkel und dem Generalsekretär der UNO wurden Zusagen gemacht, das Waffenembargo gegen die zwei Kriegsparteien einzuhalten, Zusagen über die Einhaltung eines Waffenstillstands, der vorab von Putin und Erdogan vereinbart worden war, Zusagen über die Notwendigkeit einer „politischen Lösung“… Rein formelle Zusagen, die keiner der Akteure einhält. In Wirklichkeit hat diese Versammlung vor allem dazu gedient, die Aufteilung Libyens zu bestätigen, indem die Staaten der EU mit Russland, der Türkei und den USA, auch wenn diese mehr mit der Lage im Mittleren Osten beschäftigt sind, an einen Tisch gebracht wurden.

Das ist sicher einer der Gründe, die Macron dazu veranlassten, während des Gipfels und auch danach auf die Frage des Kampfes gegen den Terrorismus auf dem afrikanischen Kontinent zu sprechen zu kommen. Während die anderen Staatschefs der EU, besonders Deutschlands, in dem Gipfel und den gefassten Beschlüssen einen „kleinen positiven Schritt“ sehen wollten, brachte Macron wieder den Kampf gegen die „dschihadistische Gefahr“ aufs Tapet, die seiner Meinung nach nicht genügend berücksichtigt worden war. Konkret prangerte er die Entsendung von Söldnern aus Syrien durch die Türkei und die Lieferung türkischer Waffen an das Sarraj-Regime an, das er allenfalls für unfähig hält, den dschihadistischen Gruppen in Libyen entgegenzutreten, eher noch, Komplize ihrer starken Vermehrung zu sein. Er preist tatsächlich als „Lösung“ Haftar an, den er für den einzigen glaubwürdigen Schutz gegen die bewaffneten Gruppen, die in Libyen agieren, ansieht. Macron nimmt die gleiche Haltung als Verteidiger der EU gegen die dschihadistische Bedrohung ein, wie er es beim Nato-Gipfel gemacht hat oder als er die Staatschefs der G5 Sahel zusammenrief und er einen Aufruf an andere afrikanische Staatschefs, besonders den der Elfenbeinküste, richtete, sich an diesem Kampf zu beteiligen.

Aus Sicht des französischen Imperialismus wird die dschihadistische Bedrohung benutzt, um zu versuchen, die anderen imperialistischen Mächte hinter sich zu scharen und um seine Herrschaft in Afrika beizubehalten.

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Aus „La Forge„, Februar 2020. Veröffentlichung mit freindlicher Genehmigung der PCOF. Übersetzung: Siegfried None. Karrikaturen und Bilder wurden von der Redaktion „AmericanRebel“ teilweise oder ganz hinzu gefügt. Erstveröffentlichung in deutscher Sprache: www.Arbeit-Zukunft.de

 

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Feb.16
on 16. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein, Siegfried None

Siegfried None

Rüstungsindustrie: „Schub aus Berlin“ und Belegschafts-“Vertretung“

Siegfried None

Unter dem Titel „Schub aus Berlin“ berichtet die „Augsburger Allgemeine“ am 13. Februar über den gemeinsam von Deutschland und Frankreich entwickelten europäischen Kampfjet FCAS. Anlass dafür war die Genehmigung der zweiten Stufe des milliardenschweren Großprojekts durch den Bundestag. Damit sind 155 Millionen Euro, von denen Deutschland 77,5 Millionen beisteuert, für Forschungs- und Technologieaktivitäten freigegeben. Nur für Forschung und Entwicklung für diesen Kampfjet, der ab 2040 einsatzfähig sein soll, 77,5 Millionen Euro – dafür könnte man etliche Schulen, Kindergärten und Sozialbau-Wohnungen bauen!

Beschrieben wird das Kampfflugzeug wie folgt: „…ein bemanntes Mehrzweckkampfflugzeug, das von einem Drohnenschwarm begleitet wird, sogenannten „remote carriers“. Sogar Satelliten kann FCAS steuern. Wichtiges Element des gesamten Systems ist eine „Air Combat Cloud“, die mit künstlicher Intelligenz sehr viele Daten sehr schnell verarbeiten kann. Ein künftiger Missionskommandeur bekommt dabei alle Informationen in Echtzeit zur Verfügung gestellt.“ Also ein echter „Schub aus Berlin“ für mehr und bessere Waffen, mehr Militarisierung und mehr Kriegsvorbereitung!
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Modell des FCAS in Le Bourges, Foto: wikipedia, CC-Lizenz, John Newton8

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Die Freude beim Journalisten S. Küpper scheint groß, dass von dem Rüstungsprojekt ein hübscher Anteil auf den Standort Manching des Rüstungskonzerns Airbus-Defence-&-Space fällt, wo bisher schon unter anderem der Eurofighter endmontiert wird. Das Werk Manching bei Ingolstadt ist bereits heute das „europäische Zentrum für die militärische Kampfflugzeug- und Drohnenentwicklung“, wie das Unternehmen angibt. Es gibt hier auch schon ein FCAS-Team und jetzt sollen für die anlaufende „Demophase“ 100 weitere Stellen geschaffen werden. In den Folgejahren könnte, so Küpper, diese Zahl aber „signifikant“ steigen. Auch die Zuliefer-Industrie und in der Folge z.B. IT-Dienstleister würden profitieren. Insgesamt könnten in den nächsten zehn Jahren durch FCAS mehrere tausend Stellen entstehen. Diese wunderbare Stellenvermehrung im Rüstungskonzern – das ist mit dem „Schub aus Berlin“ in erster Linie gemeint.

Mehr Geld und Jobs für Rüstung, während auf der anderen Seite gerade in der Metall- und Autoindustrie massenweise Stellen gestrichen werden! Den Gesamtbetriebsrat von Airbus-Defence-&-Space ficht das nicht an. Im Zeitungsbericht heißt es: „Auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende … Thomas Pretzl begrüßte im Gespräch mit unserer Redaktion den „Startschuss“. Die Entscheidung sei „enorm wichtig“ für Manching.“ und „Für uns aber ist sehr bedeutsam, dass die Parlamentarier nun entschieden haben, dass deutsche Steuergelder an deutschen Standorten zur Technologieförderung eingesetzt werden.“

„Technologieförderung“ – ein schönes Wort für die Entwicklung und den Bau von Hightech-Tötungsmaschinen!

Und wo die Entscheidung aus Berlin beim Konzern und der Belegschafts-“Vertretung“ solchen Jubel auslöst, dürfen auch die Politiker nicht fehlen. Zitiert wird der „mit dem Projekt vertraute“ CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl aus Ingolstadt, Mitglied im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestags: „Das ist ein Riesenschritt für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Manching. Es geht bei diesem Auftrag um die Entwicklung eines komplett neuen Systems, das im besten Fall dort in den nächsten 40 Jahren Beschäftigung sichert.“

Rundum anscheinend eitel Freude, denn auch Autor Küpper stellt fest: „Gute Nachrichten also, die Airbus-Defence-&-Space in schwierigen Zeiten erreichen.“ Und warum die Zeiten „schwierig“ sind? Der Konzern will in der Rüstungssparte massiv einsparen. Aus dem Mund von Dirk Hoke, dem Chef von Airbus-Defence-&-Space klingt das so: „Wir haben heute den Dialog mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen, um mögliche Schritte zur Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und künftigen Positionierung der Division zu erörtern.“ Gut, er hat es nicht gesagt, die Beschäftigten bekamen es schriftlich mitgeteilt. Gründe für den Sparkurs gäbe es einige, unter anderem mangelnder Auftragseingang, verzögerte Bestellungen aus europäischen Ländern, verzögerte Exportaufträge und nicht zuletzt „Auswirkungen des Ausfuhrverbots nach Saudi-Arabien“.

In Manching arbeiten zur Zeit 5.500 Angestellte. „Mit Spannung“, so heißt es, warten sie und Betriebsrats-Chef Pretzl auf die Bilanz-Pressekonferenz des Airbus-Konzerns in Toulouse (der inzwischen stattgefunden hat). Pretzl erhoffe sich neue Informationen zum Sparkurs. Darüber gibt sich der Konzern bedeckt. „Ein Unternehmenssprecher von Airbus wollte sich auf Anfrage nicht zum Sparplan äußern.“

Jetzt könnte nur noch helfen – wieder blickt man hoffnungsvoll auf Berlin – dass der Bundestag entscheiden würde, künftig 80 Bundeswehr-Tornados durch Eurofighter zu ersetzen, die ja auch in Manching endmontiert werden. Wieder „gute Nachrichten aus Berlin“.

Wir wollen keine Hightech-Angriffswaffen für imperialistische Kriege – und keine Belegschafts-“Vertreter“, die mit der Standortlogik den Rüstungs-Bossen in die Hände arbeiten!
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Erstveröffentlichung heute oder vor wenigen Tagen in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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Feb.16
on 16. Februar 2020
Veröffentlicht in: Alev Bahadir

Alev Bahadir

Zusammenstehen – Stimme erheben – Rechte erkämpfen!

Alev Bahadir

Der 8. März steht vor der Tür. Wir haben uns mit Ceyda Tutan, Vorsitzende des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland, über den Weltfrauentag, die Frauenbewegung in Deutschland und ihre neue Kampagne unterhalten.

In den vergangenen Jahren hat die Frauenbewegung wieder an Aufwind gewonnen. Proteste gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen, gegen die Wahl von Donald Trump in den USA, gegen Frauenmorde in Lateinamerika oder in der Türkei. Wie steht es um die Situation der Frau und die Frauenbewegung in Deutschland?

Es ist sicherlich viel erreicht worden in den vergangenen Jahren, aber von einer geschlechtergerechten Gesellschaft sind wir immer noch weit entfernt, auch hier in Deutschland. So erhalten Frauen immer noch durchschnittlich 21 Prozent weniger Gehalt, bei gleicher Arbeit. Sie übernehmen nach wie vor den größten Teil der Haushalts-, Pflege- und Sorgearbeit, welche weder wertgeschätzt noch entlohnt wird. Insbesondere Migrantinnen sind in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und werden schlechter bezahlt. Das Risiko der Altersarmut ist bei Frauen erheblich höher und wenn wir uns die Zahlen des BKA ansehen, so werden Frauen immer mehr Opfer häuslicher Gewalt. Im Jahr 2018 sind in Deutschland 122 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden. Insgesamt wurden mehr als 114.000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, Bedrohungen oder Nötigungen durch ihre Ehemänner, Partner oder Ex-Partner. Gezählt werden können nur die Taten, die angezeigt werden, die Dunkelziffer liegt noch viel höher.
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Ceyda Tutan, Vorsitzende des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland. Archivbild, frei

Wenn wir uns das letzte Jahr anschauen, dann war der Frauenkampftag sicherlich seit langem ein 8. März, an dem sich so viele Frauen beteiligt haben. Gerade in den großen Städten, wie Berlin, Frankfurt und Hamburg haben zigtausende Frauen für ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes Leben demonstriert. Sie haben ihre Forderungen kreativ und lautstark auf die Straßen getragen.

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Die politischen Entwicklungen, der erstarkende Rassismus, die immer größer werdende soziale Ungleichheit und die Unterdrückung, die in allen Lebensbereichen immer spürbarer werden, macht den Frauen bewusst, dass sie sich bewegen müssen.

Und so waren immer wieder, auch neben dem 8. März, Protestaktionen das ganze Jahr über, so z.B. für die Streichung von Schwangerschaftsabbrüchen aus den Strafgesetzbüchern, gegen die Paragraphen 218 und 219. Aber auch bei anderen sozialen Bewegungen und Demonstrationen sind immer mehr Frauen anzutreffen, wie z.B. beim Klimastreik. Und auch die weltweite Solidarität unter den Frauen hat zugenommen.
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Im vergangenen Jahr lief der 8. März unter dem Motto #frauenstreik. Anders als in anderen Ländern wurde hier die Arbeit in den meisten Fällen nicht niedergelegt. Können wir dieses Jahr mit einem Streik rechnen?

Auch dieses Jahr organisieren sich wieder in vielen Städten Gruppen von Frauen und bereiten sich für den 8. März vor. Aktionen und Kundgebungen sind geplant.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob die Gewerkschaften mit dazu aufrufen, die Arbeit niederzulegen, so wie es letztes Jahr in der Schweiz der Fall war. In Deutschland wurden die Proteste und Aktionen der Frauen von Gewerkschaften zwar unterstützt, allerdings sind politische Streiks im Sinne des Arbeitsrechts nicht erlaubt. Auch wir finden es passender diesen Tag als einen „Frauenkampftag“ zu bezeichnen statt Frauenstreiktag.
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In Berlin ist der 8. März bereits ein Feiertag. Wie kam es dazu und was müssen wir tun, damit das auch bundesweit passiert?

Das rot-rot-grün regierte Berlin gehört zu den Bundesländern mit den wenigsten Feiertagen. Aktuell sind es  9, in Bayern dagegen 13 Feiertage. Die Hauptstadt ist nun das erste Bundesland, das den 8. März als arbeitsfreien Tag eingeführt hat. Im internationalen Vergleich sieht es schlecht für den Frauen-Feiertag aus. Denn auch wenn er weltweit gefeiert wird – frei haben die Menschen nur in 27 Ländern. Meist sind es ehemalige Sowjetrepubliken, aber auch einige afrikanische Länder. So haben auch wir im letzten Jahr den 8. März als bundesweiten Feiertag gefordert und auch andere Frauengruppen diskutieren derzeit diese Forderung.
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Wenn wir uns die Frauenbewegung anschauen, sehen wir, dass die Diskussionen vor allem im Umfeld von Universitäten bzw. Akademikerinnen geführt werden. Ihr sprecht vor allem Arbeiterfrauen an. Wie gelingt es uns Frauen aus der Arbeiterklasse stärker für die Frauenkämpfe zu gewinnen?

Wir versuchen mit unserem breiten Angebot an kulturellen, sozialen und politischen Veranstaltungen und Aktionen so viele Frauen wie möglich zu erreichen. In unseren Vereinen und Ortsgruppen bieten wir Migrantinnen eine Plattform sich mitzuteilen, in einem geschützten Raum spezifische Probleme der Migrantinnen zu kommunizieren und selbst aktiv zu werden. In den Stadtteilen vor Ort, überall wo Frauen und Migrantinnen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen, knüpfen wir Kontakt mit den Frauen, um eine erfolgreiche Arbeit umsetzen zu können. Mit Informationsveranstaltungen und Gesprächsrunden oder auch Frauencafés haben wir die Chance Wissen zu vermitteln, uns auszutauschen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Insbesondere Migrantinnen für die Frauenkämpfe zu gewinnen, in einer Zeit, in der die politische Stimmung immer rauer wird, in der die Gesellschaft sich immer mehr spaltet, ist zwar eine Herausforderung, aber dennoch umso wichtiger.
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Wie sehen eure konkreten Vorbereitungen für den 8. März 2020 aus?

Wir laden alle Frauen ein an unseren Veranstaltungen teilzunehmen und rufen alle Frauen auf am 8. März unter dem Motto Zusammenstehen – Stimme erheben – Rechte erkämpfen! für die Gleichberechtigung in der Gesellschaft, gegen die patriarchalische Unterdrückung, gegen Spaltung und Rassismus auf die Straßen zu gehen!
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Erstveröffentlichung in „NeuesLeben/YeniHayat“ vor ein paar Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

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Lest dazu auch:

– 8. März


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└ Schlagwörter: 8. März – Weltfrauentag, Altersarmut, AmericanRebel, Arbeit Zukunft, Berlin, Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland, Ceyda Tutan, Donald Trump, Dunkelziffer, Ex Partner, Frankfurt, Frauen Opfer, Frauenstreik, Gewalt, Hamburg, Krieg, Lateinamerika, Migrantinnen, Polen, Schwangerschaftsabbrüche, USA
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Feb.14
on 14. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein, Flo Osrainik

Flo Osrainik

Blaublütige Arroganz

Noch immer versucht der Hohenzollern-Clan, sich auf Kosten der Arbeitenden zu bereichern.

Flo Osrainik

In vielen Teilen Europas wurde der Adelsstand im 19. und 20. Jahrhundert abgeschafft. Daran denkt man in Deutschland allerdings noch immer nicht. Begünstigt durch eine nach wie vor erstaunlich devote Haltung seitens vieler Politiker und Presseorgane, setzt der Hohenzollern-Clan seit einigen Jahren unnachgiebig zur maximalen Plünderung an.

Das Adelsgeschlecht, das sich speziell mit seinem Exponenten Wilhelm II. nicht gerade mit historischem Ruhm bekleckert hat, will Entschädigung für diverse „Enteignungen“, die nach 1945 stattgefunden haben sollen. Dabei wird unterschlagen, dass das ganze bewegliche und unbewegliche Vermögen des Edel-Geschlechts auf Enteignung beruht — nämlich auf der illegitimen Aneignung der Arbeitserträge von Bauern und Werktätigen. Politik und Gesellschaft sollten dem neofeudalen Gehabe der Blaublüter jetzt eine klare Grenze setzen.

Foto: Masson/Shutterstock.com

„Als Adam grub und Eva spann, wer war da der Edelmann?“ — Niemand, so lautet die glasklare Antwort. Es gab zwar eine Schlange, aber gewiss keinen Edelmann. Jedenfalls nicht im biblischen Schöpfungsbericht mit Adam und Eva und auch sonst nirgendwo in der Natur. Der Edelmann von Gottes Gnaden: eine von Macht und Gier getriebene Erfindung. Eine doppelte Fantasterei der Menschheit, die auch noch in das Tierreich projiziert wird. Sogar den Löwen, ein Raubtier, möchte der Mensch zum König über alle anderen Tiere gekrönt sehen.

Doch während der Löwe weder Kronen noch Schlösser oder sonstige Privilegien benötigt, raubte sein „Artgenosse“ (manch Wappen zeugt von gleicher Linie), der aufrecht gehende, europäische Edelmann fein organisiert und samt dem Segen der Kirche, kreuz und quer durch die Jahrhunderte und über alle Kontinente, in „heiliger“ Dreieinigkeit aus Mafia, Macht und Vatikan.

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Das heißt: Man ließ die Räubereien zur Finanzierung von Hofstaat, Glanz und Gloria von Schlägertrupps durchführen, die mit einer ordentlichen Fahne auf der Brust durch die Länder und über die Meere ziehen durften, nein sollten.

Das Ganze kann man dann als Tyrannei, Despotie oder Willkürherrschaft bezeichnen — mag sie auch hin und wieder mal eine ganz milde gewesen sein. Und dieser bitterernste Firlefanz, der sich wie ein reißender Strom aus Blut durch die Vergangenheit zieht, ist hierzulande noch immer nicht im Museum menschlicher Irr- und Abwege gelandet. Sei’s vorerst drum.

Wenn jeder sein eigener König ist, braucht niemand der König eines anderen sein

Der Spruch mit dem Edelmann stammt übrigens von einem gewissen John Ball, einem rebellierenden Priester, der für soziale Gleichheit aller Menschen eintrat und die Aufhebung der Standesgrenzen forderte. In England erhoben sich im Jahre 1381 Bauern in einer Revolte gegen den Adel und dessen erdrückende Steuern. Mit von der Partie war — besser gesagt, stand an der Spitze der Rebellen — damals auch jener Ball, der dem Protest mit seinem bekannt gewordenen Ausspruch etwas mehr Nachdruck verlieh. Ball wurde noch im selben Jahr auf grausamste Weise — nämlich durch „Hängen, Ausweiden und Vierteln“ (dieses Strafmaß bestand formal sogar noch bis ins Jahr 1870) — und im Beisein von Richard II., zu seiner Zeit in der Rolle des Königs, hingerichtet.

Nun wurden die Räuber durch diverse Rebellionen und Revolutionen im Laufe der Zeit hier und da vom Thron verjagt. Doch seit 2014 wird wieder zurückgeschlagen. Allerdings erst noch im Geheimen und von einem Nachkömmling eben jener Verjagten.

Jüngst wurde bekannt: Ein gewisser Georg Friedrich Ferdinand (Prinz von) Preußen setzt als Rädelsführer aus dem Häuschen Hohenzollern — und stellvertretend für die Edelmänner — bereits seit fünf Jahren gegen das Land Brandenburg, gegen Berlin und gegen „den Bund“ der ganzen föderalen Bundesrepublik zum späten Nachschlag an.

Zwar haben die heutigen Preußen-Erben — anders als Ball — keine aufständischen Bauern auf ihrer Seite, dafür aber die BILD-Zeitung. Und die kann man bei seinem kleinen aber feinen Aufbegehren durchaus als eine abstrakte Weiterentwicklung der Schleuder, einer historischen Fernwaffe, bezeichnen. Wie könnte es auch anders sein?

Preußen-Bier und großer Reibach

Dieser Erbe und heutige Bierfabrikant G. F. F. Preußen, der übrigens auch im Vorstand des deutsch-amerikanischen Clubs sitzt und unter anderem die Prinzeninsel in Plön sein Eigen nennen darf, fordert doch nun ernsthaft auch noch ein Wohnrecht für seine Familienmitglieder im frisch sanierten Potsdamer Schloss Cecilienhof, nebst Herausgabe unzähliger Kunst- und Sammlungsgegenstände, Archivalien, Memorabilien und weiterer Immobilien. Man wäre alternativ aber auch zufrieden mit einem Wohnrecht am Rande von Sanssouci, etwa im Schloss Lindstedt oder gar in der Villa Leignitz.

Außerdem erwartet man dann doch noch diverse Entschädigungszahlungen für nach 1945 „enteignete“ Liegenschaften in Höhe von 1,2 Millionen Euro, zuzüglich aufgelaufener Zinsen, versteht sich. Seine Forderungen sind in Geldwerten schwer zu fassen, geht es doch um mehrere zehntausend Objekte.

Jahrhundertlange Enteignungen durch die Herrschaft(en) der Hohenzollern und ihresgleichen, gegen die schon Ball und die Bauern so früh und doch erfolglos leidenschaftlich rebellierten, werden da in bescheidener Selbstgefälligkeit auf der einen Seite — und womöglich in serviler Restergebenheit auf der anderen Seite — erst gar nicht angedacht, anstatt den jungen Preußen mit seinen rotzfrechen Forderungen in die Schranken zu verweisen. Mit wessen Geld wurden die ganzen Schlösschen und Liebhabereien also errichtet, saniert, entstaubt und bis heute gepflegt? Und wer soll zukünftig für die weitere Pflege aufkommen?

Das Volk hat sich der räuberischen Despotie der Monarchisten doch schon vor hundert Jahren entledigt. „Ihre Entmachtung 1918 und hernach zweimalige Enteignung war rechtens. Bei der ersten, nach dem Volksbegehren 1926, erhielten sie (schlimm genug) Entschädigung für Güter, die sie nie selbst bestellt hatten; bei der zweiten, nach dem zweiten mörderischen Weltkrieg, den sie mittrugen, wurden sie in Ostdeutschland (recht so) entschädigungslos davongejagt, ihre Schlösser zu Kinderheimen, Kliniken, Kunsttempeln“, liest man dazu im Neuen Deutschland.

Schon die Beerdigung des „Alten Fritz“ im Jahr 1991 in Sanssouci wäre ein Affront gegenüber Demokraten, die geheimen Verhandlungen mit den Erben eine Attacke auf die Demokratie. Handelt es sich in diesem Fall gar nur um Schmarotzertum, gegen das die Springer-Presse ach so gern nach unten tritt und doch immer wieder begierig munter nach oben dienert?

Wollte der „Königlich Preußische Biermanufacturer“ doch angeblich nur, dass seine Familie auch als Institution — als wäre das nicht schon bizarr genug — wahrgenommen wird, so dürften seine mittlerweile öffentlich gewordenen Maximalforderungen zur Plünderung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums auch dem konservativsten Fass den Boden ausschlagen.

Und dabei soll die Verwaltung der Hohenzollern ohnehin nicht so ganz auf der Höhe ordentlicher Buchführung sein. So wurde das Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ vom Clan im Jahre 1983 für 15 Millionen Mark an die damals West-Berliner Museen verkauft, obwohl man das Bild in den Zwanzigern schon einmal an Preußen verkauft haben soll, wie Dokumente nahelegen.

Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär, die BILD, die gäb es nimmer mehr!

Gegen den Aufstand des Bierbrauers, Erben und Rädelsführer macht sich — nachdem der Verhandlungsskandal aufflog — nun Empörung breit. So möchte der Landesverband der Partei Die Linke in Brandenburg mit der Volksinitiative „Keine Geschenke des Volkes an die Erben der Hohenzollern-Dynastie“ dem gierigen Gefeilsche durch ein Aufbegehren der Bevölkerung von Brandenburg ein für alle Mal ein Ende setzen lassen.

Doch so viel Basisdemokratie geht der mit einer original WW2-US-Siegerlizenz und einem groben Missverständnis von Journalismus ausgestatteten Bild-Zeitung gegen den Strich. Das Hofblättchen erklärte also in vorauseilendem Gehorsam und gewohnt kurz, knapp, griffig und verbildend, worum es denn beim „Preußen-Poker“ so geht:

„Das ist schnell erklärt: Adelige wollen Besitztümer zurück, die vom Adel gebaut und nach dem Ende der Monarchie vom Volk in Besitz genommen wurden.“

Na, so ein böses Völkchen aber auch! Ja klar, von wem sollten sie es auch sonst nehmen? Von den Steinmetzen, Zimmerleuten oder Baumeistern womöglich? Nicht bei der BILD-Zeitung, über die schon die Medienwissenschaftler und Publizisten Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz urteilten, dass es sich bei der BILD-Zeitung um kein journalistisches Produkt handelt, denn dafür müsste das Blatt nicht nur journalistisch arbeiten, sondern überhaupt erst einmal den Vorsatz haben, die Leserschaft informieren zu wollen. Der fehlende Wahrheitsanspruch und die mangelnde Übereinstimmung mit der Realität bilden nun mal die Säulen der BILD-Strategie. Und was der eigenen Meinung widerstrebt, wird eben ignoriert.

Ansonsten, so die BILD-Zeitung, gibt es ja „Tausende Familien, nicht nur Adelige, die Vermögen über Generationen halten“. Da brauche man gar nicht — wie der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse von der SPD — einen auf Moral machen: „Woher kommen denn die Reichtümer der Hohenzollern? Von den Untertanen!“, so Thierse, ein Mann aus dem Osten. Da würde man ja gleich wieder in der DDR landen.

Kleine Anmerkung:

Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF), der sich die neoliberale Ideologie groß auf die Fahnen geschrieben hat, analysierte, dass große Familienunternehmen in Deutschland für die enorme und weiter wachsende Einkommensungleichheit verantwortlich wären, da sich der Reichtum des Landes in den Händen von lediglich recht Wenigen befindet.

Tja, in einer wohlgelenkten, repräsentativen Demokratie bestimmt dann doch am liebsten immer noch die Springer-Presse, was ein Rechtsstaat zu nennen sei. Denn — so die einleuchtend simple Erklärung der BILD-Schreiber zur Verteidigung des Angriffs der Hohenzollern — „Eigentum wird immer irgendwie erschaffen“. Und wer tapfer weiterliest, muss feststellen, dass man bei der BILD den nimmersatten Spross der Hohenzollern-Dynastie und seine Frau noch ungeniert schleimend ein „Konjunktiv-Kaiserpaar“ nennt, da dieser „heute Kaiser wäre, wenn 1918 die Monarchie nicht abgeschafft worden wäre“. Und wer war gleich noch der Edelmann, als Adam grub und Eva spann?

Die Hohenzollernerben mit ihrem Fahnenträger G. F. F. Preußen fordern also tatsächlich „Entschädigungen vom Staat, Kunstwerke, ein Wohnrecht im Schloss Cecilienhof“ und so weiter und so fort. „Damit ist eine rote Linie überschritten, die Maßlosigkeit der Forderungen des ehemaligen Königshauses und seiner Sachwalter sind inakzeptabel“, so Brandenburgs Linke (1).

Man wolle erreichen, „dass hier ein für alle Mal ein Zeichen gesetzt wird: Wir lassen uns unsere Museen nicht ausräumen“. Ein Wohnrecht für die Familie der Hohenzollern in einem der Schlösser Brandenburgs, die heute als Volksschlösser allen gehören, sei nicht akzeptabel.

„Wir werden keine Verfälschung der historischen Realität zulassen und bleiben bei der Ablehnung von Entschädigungen aufgrund der unwiderlegbaren Verstrickung der Hohenzollern mit dem Naziregime.“

Mit dem Naziregime also auch noch? Wie schon so einige hoch angesehene Familiendynastien, etwa die Quandts oder ganze Konzerne, sagen wir IBM, gar staatliche Dienste, wie die Organisation Gehlen (Pardon der BND vielleicht?) … Und dafür muss man jetzt was? Buße tun?

Da kommt mir Diogenes von Sinope, der „exzentrische Zivilisationsspötter“ und Autoritätsverächter, in den Sinn. Geißelte er doch die Sklaverei, proklamierte Brüderschaft mit allen Lebewesen, erklärte sich zum ersten Weltbürger und wollte doch nicht besser als ein Hund leben. So tauchte vor dem Fass, welches er bewohnte, der mächtige Feldherr Alexander auf. Dieser bot dem berühmten Philosophen an, sich zu wünschen, was immer er wolle. Diogenes‘ Wunsch: Alexander möge ihm doch bitte aus der Sonne gehen.

Immerhin wurde der Adel in vielen europäischen Ländern — besonders in Süd- und Osteuropa und gerade auch in Frankreich — schließlich durch die Aufklärung und Entwicklung hin zu Republiken abgeschafft, durch einst demokratische, anarchistische, sozialistische und (ojemine) gar kommunistische Ideen und Veränderungen, und zwar noch vor der braunen (und weiter östlich roten) Terrorherrschaft.

In Österreich verbot man mit dem sogenannten Adelsaufhebungsgesetz, einem österreichischen Verfassungsgesetz, im Jahr 1919 das Führen von: Adelszeichen, Prädikaten, adeligen Beinamen und Standesbezeichnungen sowie von Wappennamen, Familienwappen, mit einem Adelsvorzug verbundenen und diversen weiteren Titeln oder Würden. Auch in Russland oder China gibt es keinen Adel mehr, und die Italiener wissen schließlich ganz genau:

„Wenn das Spiel zu Ende ist, kommen König und Bauer wieder zurück in die gleiche Schachtel.“

Wie blödsinnig jetzt noch?

Die Existenz, der Herrschaftsanspruch des Adels, der sich ja immerhin und völlig humorfrei als ein edles Geschlecht versteht (ist das Rassismus?), geht übrigens auf die Abstammung, die Erziehung sowie eine dem Ganzen unterstellte „göttliche Absicht“ zurück. In einigen Ländern bildet der Adel bis heute eine geschlossene soziale Schicht mit Standesethos und ist überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen und hohen Ämtern vertreten. Meist dort, wohin man nicht „demokratisch“ gewählt wird, bei den Bilderberg-Konferenzen etwa.

Aber wie meinte der deutsche Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg: „Von dem Ruhm der berühmtesten Menschen gehört immer etwas der Blödsinnigkeit der Bewunderer zu.“

Na mal sehen, wie blödsinnig sich einige Damen und Herren zu Berlin, Brandenburg und vom „Bund“ bei der Belagerung durch den Hohenzollern-Clan in Zukunft noch anstellen wollen, damit’s nicht heißt: Und wenn sie nicht gestorben sind, verhandeln sie noch heute.


Quellen und Anmerkungen:

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst am 17.08.2019 auf RT Deutsch.

(1) Diese Passage des Beitrags wurde vom Autor nachträglich für diesen Buchauszug verändert.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch von Flo Osrainik: Im Namen der Russen. Tabulos gegen den Strich des Mainstreams; Taschenbuch: Independently published 2019, 200 Seiten, ISBN: 978-1705360729, http://floosrainik.net/buecher

Über den Autor: Flo Osrainik ist ein freier Publizist & Medienaktivist. Er ist in München geboren und aufgewachsen. Der Deutsch-Österreicher lebt und arbeitet in München und Istanbul. Er hat unter anderem Beiträge für RT Deutsch, junge Welt, Telepolis, amerika21, Hintergrund sowie das Weblog NEOPresse verfasst. Außerdem ist er Vorstandsmitglied von acTVism Munich und Mitglied bei Freischreiber e. V., einem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten. Weitere Informationen auf seinem Blog www.floosrainik.net.

Dieser Artikel erschien vor Kurzem auch auf www.Rubicon. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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Feb.12
on 12. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein, Julius Jamal

Julius Jamal

Linksruck in Irland – Rechtspopulisten scheitern

Julius Jamal

Die irischen Wahlen haben das Ende des Zwei-Parteien-Systems eingeläutet. Mit Sinn Fein hat eine Partei die Wahl gewonnen, die von den beiden etablierten Parteien gemieden und ausgegrenzt wurde, insgesamt gab es einen deutlichen Linksruck.

Sinn Féin

Fine Gael („Familie der Iren“) verlor und sank von 25.5% auf 20.9% und Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“) 24,3 auf 22,2 Prozent. Sinn Fein gewann fast 11 Prozentpunkte hinzu, die Grünen konnten sich mehr als verdoppeln und holten 7.1% statt 2,7% wie beim letzten mal. Bezogen auf das Ergebnis hätte Sinn Fein sogar noch mehr Sitze holen können, da sie aber in jedem Wahlkreis der 42 Wahlkreis nur eine Kandidatin oder Kandidaten aufstellt, durch das Ergebnis aber mehr als einen gewonnen hätte, gingen die Stimmen dann an andere Parteien. Die revolutionäre Linke, die in dem Bündnis Solidarity-People Before Profit (S-PBP) angetreten war verlor leicht und kam statt auf 6 Sitze wie bisher auf nun 5 Sitze. Die drei rechten Parteien, die rechtspopulistische Irish Freedom, die rechtskonservative Renua und die neofaschistische National Party konnten zusammen nicht mal 1% der Stimmen auf sich vereinen.

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Anders als in den deutschen und internationalen Medien suggeriert, war es nicht Frage des Brexits, die die Wahlen dominierte, sondern die Fragen von „Gesundheit“ (für 32 Prozent der Befragten war es das wichtigste Thema) und „Wohnen/Obdachlosigkeit“ (26 Prozent).

Linksregierung nach der Wahl?

Nach der Wahl gibt es weder eine Mehrheit für die bisherige Fine-gael Fianna Fail-Regierung als auch für eine Regierung aus Parteien Links der Mitte. Zusammen mit den meist linksstehenden Unabhängigen könnte es allerdings die Chance für eine solche Regierung geben, an der Mary Lou McDonald, Vorsitzende von Sinn Féin, schon arbeitet. Sie hat angekündigt zusammen mit den Grünen, den Sozialdemokraten, der Labour Party, Solidarity-People Before Profit und unabhängigen Abgeordneten über eine solche Regierung zu diskutieren.

Richard Boyd-Barret von People Before Profit erklärte warum es zu einem solchen Linksruck kam: „Von Beginn des Wahlkampfs an hat People Before Profit gesagt, dass wir den Kreislauf von FF und FG durchbrechen wollen. Diese Botschaft ist angekommen. Es ist ein politisches Erdbeben. Viele Menschen sind nach links zu Sinn Féin gewandert.“

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Erstveröffentlichung am 12. Februar 2020 in „Die Freiheitsliebe“. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors.
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Über die Autoren/-innen:
Julius Jamal hat 2009 aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, wo es keine Grenzen gibt zwischen Menschen, den Blog „Die Freiheitsliebe“ gegründet. Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung. Als Autor dieser Webseite streitet er für eine Gesellschaft, in der nicht mehr die Mehrheit der Menschen das Umsetzen muss, was nur dem Wohlstand einiger Weniger dient.
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Weitere Artikel von Julius Jamal

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Feb.10
on 10. Februar 2020
Veröffentlicht in: Harry Popow

Harry Popow

Sturmreif

Buchtipp von Harry Popow
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Harry Popow

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) im Faust, der Tragödie erster Teil, 1808. Und im Jahr 1834 formulierte der Medizinstudent Georg Büchner in seinem Pamphlet „Der Hessische Landbote“: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“
Er prangerte die Verschwendungssucht der Reichen und Mächtigen an – und rief die arme Landbevölkerung zum Umsturz auf. Im Jahr 2020: Wiederholt sind die Menschen und der Planet Erde trotz der Lehren aus zwei Weltkriegen in großer Gefahr. Es droht die Selbstzerstörung.

Neben unzähligen aufrechten gesellschaftskritischen Schriften mahnt der Autor Günter Rexilius in seinem Sachbuch „Das (r)evolutionäre Subjekt“ zur Gegenwehr gegen ein „global tödliches kapitalistisches System“ – „zur Schaffung einer lebenswerten Welt“.
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Sturmreif

Der Ausgangspunkt seiner tiefgründigen Erkenntnisse – das sieht man bereits auf dem Cover mit der Wortfügung (r)evolutionär sowie an der Grafik – steht der Mensch mit seinem Denken, Fühlen und Wollen. Mit seiner gewordenen Größe. Die Inhaltsangabe weist uns dabei den Weg – u.a. zu solchen Begriffen wie Menschenbild, Erkenntnisprozess, Phylogenese, Axiom, Anthropologische Konstanten, Dialektik, Tätigkeit, Psychisches, Gefühl, Motiv, Interessen usw.. Für interessierte und auch für nicht wissenschaftlich gebildete Leser bietet sich das unter D bezeichnete Kapitel an, in dem es um gesellschaftliche und individuelle Rahmenbedingungen gesellschaftlicher Verhältnisse geht. Im Kapitel F richtet der Autor den Blick nach vorne und bietet bedenkenswerte Lösungen an.

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Das Subjekt auf´s Podest



Der Autor sieht den größten Nutzen des subjektpsychologischen Projektes darin, „wenn es dazu ermuntern könnte, die Trennung zwischen Persönlichem und Politischem ganz selbstverständlich aufzuheben, sie aber zugleich als Quelle von Kraft und Entschlossenheit zu bewahren – also wirklich Subjekt zu sein.“ (S. 11) Es gehe darum, Pfähle und Zäune zwischen „dem evolutionären Subjekt am Anfang der Menschwerdung“ (…) „und dem revolutionären Subjekt hier und heute“ einzureißen, „wenn es noch den Hauch einer Chance haben will, den Erdball auch künftig zu bevölkern“. (S. 14) Das Buch will aufrütteln und anstoßen. Subjekte können selbst ihr Leben und ihre Lebensverhältnisse gestalten, aber sie müssen davon wissen. (S.23) Erkennen bedeutet, „sich in das wirkliche Leben, in das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft, einzufädeln, sich hineinzudrängen“. (S. 57) Letztendlich will das Buch in der „Tradition kritischer, aufrührerischer Wissenschaft… Grenzbefestigungen im Denken und Handeln überwinden“. (S.272) Um dem Nachdruck zu verleihen, wagt der Autor “eine anthropologische Vermessung des menschlichen Lebens, um sein Subjekt möglichst genau verorten zu können.“ (S. 313)
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Das Subjekt in der Sackgasse

Bereits im Vorwort bringt es Günter Rexilius auf den Punkt: Es gehe um den Kampf „gegen kapitalistisch-neoliberale Vernichtungsstrategien“, gegen Wachstumswahn, imperiale Lebensweise, Extraktivismus, Externalisierung – wie aktuelle soziologische Begriffe lauten. In Fragen der Bildung greift er (S. 20/21) das reduzierte Dasein der Menschen an, die fachidiotische Verschulung der meisten Studiengänge, die „schmalspurigen Zugänge zu Erkenntnissen über das eigene Leben“. Die Dramatik bestehe darin, dass die Menschen diese Sachlagen zwar spüren, ihnen die Gründe „aber nicht bewusst sind“. So bekomme man keine Impulse „für veränderndes Handeln“. Auf Seite 227 richtet er sein Augenmerk auf die Inbesitznahme emotionaler und kognitiver Landschaften durch die Computerisierung des Alltags. „Die Entfaltung persönlicher Ressourcen wird eingeschränkt, weil sie selbst sich immer vollständiger der Warenform anpassen müssen, und soziale Beziehungen verkümmern, Sprach- und Beziehungslosigkeit verbreiten sich, weil auch das menschliche Miteinander die Form von Waren enthält oder sich an käuflichen Vorgaben und Modellen“ – verstärkt durch die Medien – orientiert. „Auf Jahrtausende zurück geblickt“, so schreibt der Autor, „hat sich die kollektive Bindung der Menschen untereinander (…) immer weiter in das sich abschottende Ich zurückgezogen.“ (S. 299)
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Das Subjekt an der Leine



Es sind keine Neuigkeiten: Das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse hält jede Menge Werkzeuge in der Hand, um seine Untertanen im Zaum zu halten. Dazu zählen der Staat, die Familie, die Institutionen, die Wissenschaft, die Justiz, die Ökonomie, Politik und Ideologie, die Polizei, das Militär. Nicht zu vergessen die Medien. So wird die BRD für viele „unmittelbar als Sozialstaat erfahrbar“. (S. 249) Siehe Arbeitslosen- und Krankenversicherungen, Kindergeld und Kindergärten, ärztliche und psychotherapeutische Versorgung. Doch im Zuge der Verunsicherung, sprich auch Zukunftslosigkeit der kapitalistischen Grundlagen, politischer Unruhen oder Proteste „entwickelt sich der Staat zum Sicherheitsstaat“. (S. 242) Mehr Kontrolle, mehr Überwachung und Disziplinierung, mehr Gewalt. Es geht um die Sicherstellung der Macht, der Privilegien, des Reichtums.

Den Menschen erscheint dies als Naturzustand, als unveränderbar. Auf Seite 228 bezeichnet der Autor zum Beispiel das Fernsehen, Computer und soziale Medien als Transportmittel mit banalen und beiläufigen Inhalten zur intellektuellen Verarmung und psychischen Abstumpfung. Nicht nur dies: An die Stelle des möglichen Wissens über gesellschaftliche Zusammenhänge – so auf Seite 237 – trete eine tiefe Gläubigkeit. Der Bazillus: Alles sei naturgegeben, Gottgewolltes, das So-Sein. Wenn die Menschen dem „Glauben an die Natürlichkeit von gesellschaftlichen Verhältnissen auf den Leim gehen“, berauben sie sich ihrer subjektiven Kräfte. (S. 238)

Dass Vollstrecker der Macht, wie die Intelligenz und die Mittelschichten nicht in die “unzumutbar und würdelos erkannten Lebensbedingungen eingreifen wollen“, sei verständlich, denn da überschreiten sie Grenzen „und begehen möglicherweise Regelverletzungen, die nicht nur ihre gesellschaftliche Rolle infrage stellen, sondern auch Irritationen und Unsicherheiten in ihre individuelle Existenz tragen…“. Ihnen fehlt in letzter Konsequenz der „lange Atem“. (S. 330) Schließlich sei es nicht förderlich – so auf Seite 268 – zu laut zu bellen oder gar zu beißen, wenn man „irgendwie dazugehören will“. Seiten 269/270: Erst der Blick über den Zaun des akademischen Gettos ermögliche (…) Einblicke in die „gesellschaftlich-alltägliche Ferne“. Um die Flucht aus der Wirklichkeit, um Selbstbetrug geht es, wenn Menschen durch Selbsterfahrung, Therapie, Meditation versuchen, zu „aufmerksamen und empfindsameren emotionalen Reaktionen“ zu kommen. Allerdings münden sie nicht „in soziale oder kollektive Projekte oder Aktivitäten, die über ökonomische und politische Einschränkungen hinausführen“. (S.345)

Nicht nur Macht erhaltend – so der Autor – wirke die NATO. Mehr und mehr sei sie zuständig „für die Absicherung von Märkten und Rohstoffquellen und für kriegerische Drohungen gegen Konkurrenten auf dem Weltmarkt oder hegemoniale Ansprüche. Der demokratischen Kontrolle entzogen seien nicht nur das Militär, sondern auch die Geheimdienste. (S.233)
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Das kenntnisreiche Subjekt



Man stelle sich einen Menschen am Rande eines großen Sees vor, der da um Hilfe ruft: „Hallo, wer hört mich, ich stehe hier und weiß nicht weiter.“ Zum Handeln, zu jeglicher Tätigkeit gehören nicht nur Erfahrungen sondern auch Wissen, Bildung, Orientierung. Diesem Problem widmet sich der Autor, warnt allerdings davor, über unüberbrückbare Brücken zu gehen, die von wahren Erkenntnissen ablenken wollen. Meditation, Yoga, Sehnsucht nach Mystik seien Versuche – für´s persönliche Wohlbefinden zwar nützlichen -, „Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, wo sie unterdrückt sind“. Wenn der gegenständliche Bezug geleugnet wird, erweisen sie sich als Sackgassen. (S. 306)

Als Hindernisse für die Erkenntnisfähigkeit stellen sich auch Fakten und gesammelte Daten als Chiffren der Wirklichkeit dar, „die zumeist nicht mit historischen und gesellschaftlichen Hintergründen abgeglichen werden“. (S. 58) Dagegen bedeute der Prozess des Erkennens – so Günter Rexilius auf Seite 57 – „sich in das wirkliche Leben, in das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft, einzufädeln, sich hineinzudrängen“. In diesem Zusammenhang richtet der Autor (Seite 197) bewusst auf die weltbekannte Feststellung von Karl Marx, „nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein“. Das besage: aus dem Prozess der Menschwerdung gehen Denken und Bewusstsein hervor. Die Substanz der kapitalistischen Produktionsweise – so lesen wir auf Seite 31 – habe die Mechanismen ihrer umfassenden gesellschaftlichen Durchsetzung und die in ihnen angelegten menschenzerstörenden Folgen überdauert, „sie sind verfeinert worden, raffinierter, bedenkenloser und in ihren Auswirkungen auf das alltägliche Leben in einem Ausmaß horrender, das dem Vorstellungsvermögen immer wieder davonläuft“.

Deshalb gilt dieser Grundsatz der erkenntnistheoretischen subjektiven Psychologie – so der Autor auf Seite 223: „Das Wesentliche am Menschen, also auch an seinem psychischen Geschehen, ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse…“ Er schlussfolgert, marxistisch fundierte Analyse und Kritik haben eine bemerkenswerte Aktualität. Das psychoanalytische Wissen und die Geschichte des Marxismus seien unverzichtbar, „um ökonomische Entwicklung, politischen Alltag und ihre Folgen für die Menschen zu verstehen“. (S. 25) Für den Erkenntnisprozess sei es bedeutsam, dass sich die ökonomischen Strukturen, die gesellschaftliche Macht „in einer Klassengesellschaft ereignen“. (S. 229) Hier bildet das Privateigentum an Produktionsmitteln „die definitive Demarkationslinie zwischen den Klassen“. (S. 230) Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, wenn der Auror (Seite 219) davor warnt, „das individuelle vom gesellschaftlichen Sein abzukoppeln, was ja tagtäglich geschieht. Dann machen sich Unlust und Erstarrung breit, psychotische Zustände, bedrohliche oder verkrüppelnde äußere Bedingungen, die im Individuum Unheil anrichten können. (S. 219) Auf Seite 293 lesen wir den so grundlegenden Satz: Der „Konflikt zwischen Profiteuren und Profitopfern ist weder nebensächlich noch ist er gelassen auszuhalten, kein Kompromiss hilft ihn lösen: Er ist antagonistisch.
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Das Subjekt im Aufbruch



Jeder aufmerksame Leser wird nunmehr Lösungswege erwarten, wie „die Wurzeln von Zuständen und Verhältnissen ausgrabende theoretischen Kenntnisse“ in die Köpfe transportiert wird. Der Autor schreibt von der notwendigen schöpferischen Widerspiegelung der objektiven Welt (S. 113), vom analytischen Zugriff auf die Wirklichkeit (S. 143), von bewussten Menschen, die ihre eigenen Lebensumstände verändern (S. 198), von der Überwindung des falschen, des begriffslosen Bewusstseins (S.203), von der radikalen Umwälzung der ökonomischen und politischen Verhältnisse, die die Menschen ausbeuten und sie unterdrücken (S. 271), von der Überwindung der Grenzen für individuelle Teilhabe am anthropologischen Potenzial (S.328), vom Begreifen des Einzelnen, „dass in seinem subjektiven Bewegungsprofil die Freiheit und der Reichtum des Daseins angelegt sind“. (S.346)

Niemand wird bezweifeln, so oder ähnliche aufmunternde aber oft belanglose Wortbildungen schon gelesen oder gehört zu haben. Im schlimmsten Fall dieses von Politikern oft geprägte Wort vom notwendigen Zusammenhalt der Gesellschaft, davon, einer müsse für den anderen stehen und alle für einen. Das geht einem sozusagen am A vorbei.

Wo bleibt jedoch die Vorstellungskraft für tätiges Mittun in einer von Grund auf veränderten Gesellschaft? Mit Appellen und Sprüchen allein erregt man kaum Aufmerksamkeit, geschweige denn Erkenntnisgewinn – den Mensch als freies Subjekt, bewusst handelnd und zugleich kritisch?

Der Autor Günter Rexilius ist mutig genug, dem geistigen und physischen Treiben gegen die untergegangene DDR, dem großartigen Beispiel für die Entmachtung des Kapitals und für Frieden und Völkerverständigung auf deutschem Boden, einen gewaltigen Schuss vor den Bug zu setzen. Seit 1789 seien lebenswerte Alternativen „zur geld- und marktkonformen individuellen Selbstaufgabe“ versucht worden und auf europäischem Boden längst gewachsen. (S. 350) „Wer sich der Mühe unterzieht, DDR-Geschichte in ihrer Vielfalt und Lebendigkeit aufzuarbeiten, findet nicht zuletzt in der jüngsten Geschichte Impulse, die festhalten sollten: Wird der Schutt von Stasi, SED-Funktionärskadern und westlicher Propaganda beiseite geräumt, stößt man auf Menschen, die mit Phantasie, mit Überzeugung an einer sozialistischen Gesellschaft gebaut haben, weil sie um den Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus einerseits, von den Energien, die ein gerechtes, solidarisches Miteinander freisetzt, andererseits, wussten.“ (S. 351)

Ein Buch der Bücher

Im Klartext: Dieses Sachbuch mit seinen 370 Seiten ist ein geistig aufrüttelnder Wecker. Es legt den Finger auf die Wunden unserer Gegenwart in dieser westlichen so genannten Wertegemeinschaft. Mehr noch: Es zeigt mit den Begriffen wie „anthropologisch-existenzielle Basis“ und „das subjektpsychologische Projekt“ (Seite 9) die Zielrichtung an, worum es dem Autor – geboren 1943, seit 1970 in den Fächern Psychologie, Sozialpsychologie und Sozialpsychiatrie unterrichtend und heute als Psychotherapeut in eigener Praxis arbeitend – geht: Der Mensch als Subjekt in seiner Bindung an Kollektive und an äußere Lebensverhältnisse. Also in seiner Eigenschaft als die Gesellschaft veränderbares und revolutionäres Wesen. Die philosophische Anthropologie sucht vom einzelnen Menschen zu abstrahieren und zielt auf Allgemeingültigkeit.

Es ist ein außerordentlich geistreiches, psychologisches und gesellschaftskritisches Buch, das in dieser angrifflustigen Stärke seines Gleichen sucht. Nicht nur, dass der Autor mutig gewollt und in hervorragender Weise die Klassiker des Marxismus aus der Versenkung holt, sondern mit nachdrücklicher Liebe zum Leben und Wirken der Menschen, seiner Individualität, auf das sehr menschliche und bisher gestörte Miteinander verweist und auf die Folgen auch für den Planeten Erde. Er setzt alles Denken, Fühlen und Tun in die einzig richtige Beziehung zu gesellschaftlichen Verhältnissen, von denen alles abhängt. Womit eindeutig gesagt ist, sie müssen in Richtung korrigiertem Sozialismus/Kommunismus durch das erkennende und bewusste Subjekt verändert werden, radikal und ohne Wenn und Aber. Wenn der wissenschaftliche Text beim ersten Lesen auch Mühe macht, so hätte ein Wortregister gute Dienste leisten müssen – nichts läuft ohne Anstrengung. Ist es das einzigartige Leben auf dieser Erde nicht wert, zum Sturm auf die Festung Kapitalherrschaft anzusetzen? Die Zeit ist reif dazu – sturmreif. Dann erst wird das um Wahrheit ringende Subjekt im gesellschaftlichen Gefüge tätig aktiv mitwirkend und kritisch von sich sagen können: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
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Günter Rexilius: „Das (r)evolutionäre Subjekt. Eine meta-psychologische Studie über Aufklärung, Agitation, Aufbruch“, Broschiert: 370 Seiten, Verlag: Nora; Auflage: 1 (2. Oktober 2019), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3865574769, ISBN-13: 978-3865574763, Euro: 24.90

Den Spuren von Günter Rexilius versuche ich auch in meinem Satirebuch „OPERATION AFFEN-DROHNE, DER NEUE-MAUER-FALL“ zu folgen.

Frühere Artikel von Harry Popow

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Feb.10
on 10. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein

Hans Neumann

Für eine Klassenpolitik in der Umweltbewegung!

Warum eine Klassenanalyse von Bedeutung für die Linke ist
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Hans Neumann

Die Massenproteste gegen den Klimawandel bringen Schüler*innen, Studierende, abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Rentner*innen, aber auch Selbständige und Unternehmer*innen auf die Straße. Außer der AfD spricht sich niemand dagegen aus, dass der Kampf gegen den Klimawandel ganz oben auf der Prioritätenliste stehen muss. So viel Einigkeit über politische und soziale Grenzen hinweg, freut viele, die in der Bewegung aktiv sind. Sozialist*innen sollten verstehen, dass diese scheinbare Stärke der Bewegung zum Verhängnis werden kann. Eine genauere Analyse über die Rolle von Klassen in Gesellschaft und sozialen Bewegungen ist angebracht.

Foto: CC BY-NC 2.0 , https://www.flickr.com/photos/campact/33370938458

Wenn Sozialist*innen die Gesellschaft erklären wollen, kommen sie nicht daran vorbei, sie mit Blick auf ihre materielle Grundlage zu verstehen. Im Gegensatz zum Idealismus ist es für den Marxismus zweitrangig, welchen Gruppen sich Menschen gedanklich zuordnen und welche Vorstellungen voneinander unterscheidbar sind. Wenn vegane Katholik*innen nichts mit anarchistischen Tierbefreiungsaktivist*innen zu tun haben wollen, mag das im Einzelfall wichtig sein. Für das Verständnis unseres Zusammenlebens in einer Klassengesellschaft ist es aber weniger interessant. Hier ist es vor allem von Relevanz, welche Rolle Menschen im Produktionsprozess spielen und ob sie sich dessen bewusst sind. Mit Marx gesehen ist hierbei entscheidend, wer die Mittel zur Produktion besitzt und wer nicht – also ob einem die Maschinen, Rohstoffe, Gebäude oder Ähnliches gehören, die zur Herstellung von verkaufbaren Produkten benötigt werden oder ob man in dieser Wirtschaft im Grunde nichts anderes als seine Arbeitskraft verkaufen kann. Alle, die in letztere Kategorie fallen, bilden für Marx die Arbeiter*innenklasse, die rein zahlenmäßig den überwiegenden Teil der Gesellschaft ausmacht und von der Konjunktur der Wirtschaft und der Willkür der Eigentümer an den Produktionsmitteln, den Kapitalisten, abhängig ist. Werden Jobs schlecht bezahlt, bleibt weniger zum Leben. Gibt es nicht genug Jobs, bleibt in der Regel nur das bisschen Brotkrumen an Arbeitslosengeld oder anderen staatlichen Leistungen, um zu überleben. Ganz anders ergeht es ihrem Gegenpart, der Kapitalist*innenklasse (oder „Bürgertum“). Deren Mitglieder können sich ein schönes Leben machen, weil sie weder von ihrer Arbeitskraft abhängig sind, noch genau genommen selbst arbeiten: im Produktionsprozess schaffen nämlich nur die beschäftigten Arbeiter*innen neuen Wert – den Mehrwert –, der zum Teil wieder in das Unternehmen investiert wird, zum Teil ausgezahlt, zum anderen Teil von den Kapitalist*innen in die eigene Tasche gesteckt wird.

Deshalb ist z.B. Aloys Wobben nicht wegen seines großartigen Umweltbewusstseins oder Fleißes unter den 20 reichsten Deutschen. Sein Vermögen von mehr als sieben Milliarden Euro ergibt sich einzig und allein aufgrund seines Eigentums an der Firma Enercon GmbH (Windanlangenproduktion), d.h. seiner Stellung im Produktionsprozess und damit vor allem durch die Ausbeutung seiner Beschäftigten.

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Wenn es um Arbeitskämpfe geht, forderten die Arbeiter*innen bei Enercon in der Vergangenheit einen höheren Lohn, kürzere Arbeitszeiten oder Verzicht auf Stellenstreichungen – was insgesamt hieß, einen größeren Teil des von ihnen produzierten Werts an die Beschäftigten abzugeben. Das Unternehmen setzte in diesen Fällen aber alles daran, ein möglichst kleines „Stück vom Kuchen“ abgeben zu müssen. Das Interesse der vielen Arbeiter*innen und der wenigen Kapitalist*innen steht einander direkt gegensätzlich, unversöhnlich diametral gegenüber.

Außerhalb solcher Lohn- oder Arbeitskämpfe ist das Klassenverhältnis vielen Beschäftigten oft nicht bewusst und dennoch – unabhängig wie die einzelnen Menschen dazu stehen, wie sie es wahrnehmen oder was sie empfinden – gibt es diese Klassen an sich und auch diese Klassengesellschaft. Dass sich Arbeiter*innen bewusst als Klasse für sich zusammenschließen und organisiert Gegenmacht aufbauen, ist allerdings ein Prozess, der durch Erfahrungen mit Ausbeutung und vor allem mit Klassenkämpfen voran getrieben wird. Es ist die Aufgabe von Sozialist*innen, diesen Prozess durch Propaganda und Organisierung voran zu treiben und Ihre Stellung im Produktionsprozess aufzuzeigen – gerade weil die Kapitalist*innenklasse als Klasse für sich schon organisiert ist: Mit ihren prokapitalistischen Parteien, ihren Gesetzen und vor allem mit ihrem Staat.
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Klassen und ihre Schichten

Wenn Marxist*innen also zwischen dem grundlegenden Klassenunterschied (Eigentum an Produktionsmitteln: ja/nein) und der bewussten Zuordnung zu einer Klasse unterscheiden, vergessen sie dabei aber auch nicht die jeweiligen Spezifika unterschiedlicher Schichten in den Klassen: In der Arbeiter*innenklasse ist es z.B. beachtenswert, ob man sich in der Ausbildung befindet oder bereits lange Jahre arbeitete; ob man in einer Zeitarbeitsfirma knechtet, oder einen unbefristeten Vertrag hat; ob man aufgrund seines Geschlechts zusätzliche Unterdrückung erfährt oder nicht; ob man in einer Fabrik für Solaranlagen arbeitet oder in der Pflege usw. All diese Unterschiede sind wichtig. Sie prägen die Bedürfnisse der Menschen und beeinflussen ihr Denken von sich und der Welt. Innerhalb der gesamten Arbeiter*innenklasse haben diese Schichten aber auch gemeinsame Interessen – Klasseninteressen. Je bewusster sich die aktiven Teile der Arbeiter*innenklasse über ihre Klasseninteressen sind, desto mehr werden sie danach streben Kämpfe und Bewegungen zu einzelnen Fragen (Lohnhöhe, Umweltschutz etc.) zu politischen Bewegungen/Kämpfen zu machen, die die Klassenherrschaft des Bürgertums und die im Kapitalismus bestehenden Eigentumsverhältnisse in Frage stellen.
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Die Rolle des Kleinbürgertums

Das alles mag als theoretisches Gefasel wahrgenommen werden. Mit Blick auf die gegenwärtigen Kämpfe zum Thema Umwelt sind diese Ausführungen aber nicht unwichtig: Denn oft vergessen linksdenkende Menschen, dass auch auf einer Demonstration zum Thema Umwelt eine Zusammensetzung von Akteur*innen unterschiedlicher Klassen und Klassenschichten gegeben ist und oft sogar eine bestimmte in Forderungen und Ideen dominieren kann. Im Falle der gegenwärtigen Umweltbewegung sind es vor allem kleinbürgerliche Schichten, die den politischen Charakter der Proteste bestimmen.

Als unterster Teil der besitzenden Klasse teilt sie mit dem Großbürgertum die wesentlichen Gesamtinteressen der Kapitalist*innenklasse, droht aber durch starke Konkurrenz des großen Kapitals immer wieder, in die Arbeiter*innenklasse abzusteigen. Die ihr Angehörigen besitzen Produktionsmittel und können im kleinen Rahmen ihre Existenz auch auf die Ausbeutung anderer Arbeitskräfte stützen, bleiben aber selbst darauf angewiesen, von ihrer eigenen Arbeit zu leben. Mit kleinem Kapital ist ihr Wettbewerb in der Regel auf lokaler Ebene begrenzt, während das Großkapital in viel breiteren Kontexten agieren kann. Das Großkapital benötigt Einfluss auf die Gesetzgebung des Staates und seiner Außenpolitik, während das Kleinbürgertum sich auf individuellen Einfluss begrenzt und oft in eher lokaler Politik mitmischt. Es ist insofern privilegiert, als dass es sich die Früchte seiner Arbeit direkt auszahlen kann, während Arbeiter*innen ausgebeutet werden und nur einen Teil des von ihnen produzierten Werts als Arbeitslohn erhalten. Durch den Konkurrenzdruck der großen Kapitale ist das Hinabsteigen in die Arbeiter*innenklasse jedoch immerzu eine reelle Gefahr. Insofern wird es ideologisch zwischen die Stühle gesetzt: Der Sozialismus wird als Bedrohung betrachtet, weil er das Privateigentum an Produktionsmitteln in Frage stellt, der Kapitalismus wird als Bedrohung betrachtet, weil er durch den Konzentrationsprozess des Kapitals das Kleineigentum an Produktionsmitteln tendenziell zerstört. Es ist kein Zufall, dass Teile des Kleinbürgertums in der Geschichte für reaktionäre Ideen, einschließlich dem Faschismus, besonders anfällig waren.

Zum Großbürgertum kann immerhin potentiell aufgestiegen werden, was durchaus mit einer positiven Bezugnahme auf das privilegierte Leben der Eliten einhergehen kann. Gleichzeitig kann dieses Verhältnis aber auch Neid und Missgunst hervorrufen, da die Klasse des Kleinbürgertums im Vergleich zum Großbürgertum in ihrer Masse eine benachteiligte Klasse bleibt. Wer zugleich aber immer der Gefahr ausgesetzt ist, ins „einfache Volk“ (Arbeiter*innenklasse) hinabzustürzen, kann Ihnen gegenüber ebenfalls ambivalent sein: Etwa mitempfindend, wenn das Leid unverblühmt wahrgeommen wird, aber distanziert und chauvinistisch, wenn man sich abgrenzt und als besser wahrnimmt. Nicht imstande, zur herrschenden Klasse aufzusteigen, ordnete sich das Kleinbürgertum außerhalb von Krisenzeiten historisch immer dem Großbürgertum unter. Teile des Kleinbürgertums schlossen sich jedoch auch der Arbeiter*innenklasse an, wenn diese selbstbewusst Kämpfe führte und als fähig angesehen wurde, eine bessere Gesellschaft zu erstreiten.
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Was hat das mit dem Thema Umwelt zu tun?

Wer soziale Bewegungen in einer Klassengesellschaft verstehen will, darf sich nicht damit begnügen, wie sich Akteure selbst zuordnen. Ob man sich als Öko, Autonome*r, Vegane*r oder Kiffer*in definiert, ist für Marxist*innen zweitrangig. Wichtig ist in erster Linie die Stellung im Produktionsprozess und ob sich diese im Bewusstsein der Akteur*innen niederschlägt. Hieraus ergibt sich das revolutionäre Potential der arbeitenden Bevölkerung, wenn sie damit beginnt, sich als gemeinsame Klasse wahrzunehmen und den Kampf für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft aufnimmt. Dann kann sie auch Teile des Kleinbürgertums hinter sich sammeln, die erkennen, dass eine sozialistische Gesellschaft ihnen eine bessere Zukunftsperspektive bieten kann als der Kapitalismus. Vollkommen diametral dazu stehen auch in diesem Beispiel die Interessen des Großbürgertums, das auch hier die Aufrechterhaltung der Produktions- und Eigentumsverhältnisse vor Naturschutz, Menschenleben und Rationalität gestellt wird. Und auch die Sonderrolle des Kleinbürgertums wird relevant: Denn gerade an der Umweltfrage ist das Konfliktpotential zwischen Groß- und Kleinkapital hoch.

Während das große Kapital für seinen Profit zum Beispiel ganze Landstriche niederreißt, wird damit die Existenzgrundlage lokaler Handwerker, Händler*innen, Bäuer*innen und des kleinen Gast- und Tourismusgewerbe zerstört. Ein Programm, das das verhindert, kann auch ein Anknüpfungspunkt für das Kleinbürgertum sein, um seine Unterstützung für ein sozialistisches Programm zu gewinnen. Geschieht das nicht, können sich eine politische Führung des Kleinbürgertums oder von ihren Ideen geprägte Akteur*innen zu einer mäßigenden, abwartenden, bremsenden Rolle entwickeln bzw. der Bewegung eine falsche Richtung geben und sich schließlich auch den prokapitalistischen Forderungen des Großbürgertums anschließen.

Für Fridays for Future heißt diese Klassenzusammensetzung z.B., dass sich auch Unternehmer*innen mit „Entrepreneurs for Future“ an den Klimaprotesten beteiligt haben und das Verkehrsunternehmen Flixmobility GmbH kostenlose Busfahrten zu den Demos anbietet. Es bedeutet auch, dass sich viele kleinbürgerliche Kräfte v.a. aus dem Dienstleistungssektor bei „Unternehmen für Fridays for Future“ sammeln. Obwohl das Klein- oder Großbürgertum rein quantitativ oft nur schwach in der Bewegung vertreten sein mag, kann sich ihre Ideologie in Führung und Ideen der Bewegung niederschlagen. Oft sind es z.B. Kinder dieser Klassenangehörigen, die stellvertretend für diese Klasse individualistische und idealistische Lösungsangebote vertreten. Auch wenn in der Bewegung die Arbeiter*innenklasse in der Überzahl ist, besteht in Führung und Ideen gegenwärtig eine Dominanz des Groß- und v.a. des Kleinbürgertums – nicht zuletzt weil die Arbeiter*innen als Individuen an den Protesten teilnehmen und nicht kollektiv, was die Gewerkschaften erreichen könnten, deren Führungen aber auch in dieser Frage versagen.

Dieser Einfluss sollte nicht unterschätzt werden: Viele Fridays for Future-Aktivist*innen übernehmen unkritisch die Forderung nach einer noch viel höheren CO2-Steuer, die v.a. die Arbeiter*innenklasse zur Kasse bittet. Arbeiter*innen würden nach Meinung vieler Aktivist*innen selbst eine wesentliche Schuld an der Misere tragen, weil sie als Konsument*innen die gleiche Rolle im zerstörerischen System spielen würden wie Kapitalist*innen. Appeliert wird so etwa ans Bewusstsein der Konsument*innen, z.B. durch die Propagierung von Fleischverzicht und dem Verbot von Flügen unter tausend Kilometer Länge. Sorgen vor Arbeitsplatzabbau in umweltschädlichem Gewerbe werden in der Regel ignoriert, statt Forderungen nach Lohn- und Beschäftigungsgarantie ggf. in alternativen Branchen aufzustellen. Statt dadurch Beschäftigte in umweltschädlichen Industrien für die Umweltproteste zu gewinnen, werden Arbeiter*innen direkt oder indirekt aufgefordert, ihre unmittelbaren ökonomischen Interessen doch bitte zurückzustellen. Das wird für die Umweltbewegung ein noch viel größeres Problem werden, wenn die wirtschaftlichen Probleme und Zukunftsängste größerer Teile der Arbeiter*innenklasse im Zuge der drohenden Wirtschaftskrise zunehmen. Dann wird die heute in Teilen bestehende Akzeptanz einer „Kostenbeteiligung“ am Kampf gegen den Klimawandel, zum Beispiel durch CO2-Steuer, wieder abnehmen.

Die Folge dieser Konstellation ist zwar eine positive Resonanz bei bürgerlichen Medien, aber eine Spaltung, statt breite Mobilisierung der (gesamten!) Arbeiter*innenklasse. Klar wird auch, dass viele kleinbürgerliche Kräfte mit „System Change“ nicht einen wirklichen Systemwechsel, hin zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft, meinen.
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Die klassenbewusste Alternative

Wer lieber davon redet, individuelles Verhalten zu sühnen, statt große Unternehmen, ihre Lobbygruppen und den Kapitalismus als ökonomisches System zu verurteilen, nimmt die Hauptschuldigen aus dem Visier. 71% der globalen Treibhausgasemission stammt von nur 100 Unternehmen. Seit dem Jahr 1751 lassen sich 63% der globalen Emission auf nur 90 Unternehmen herleiten und alleine 30% der gesamten Emission auf lediglich 20 Unternehmen!
Konkrete Maßnahmen gegen konkrete Unternehmen sind notwendig und nur eine demokratisch geplante Wirtschaft kann diese Aufgaben angehen. Das geht nicht ohne eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft und einer globalen Bewegung für Klima, Arbeit und Wohlfahrt auf Basis einer sozialistischen Programmatik.

Sozialist*innen sollten deshalb auch in der Umweltbewegung einen Klassenstandpunkt einnehmen. Das bedeutet unter anderem: die Verantwortlichen am Klimawandel klar benennen, keine Forderungen unterstützen, die die Arbeiter*innenklasse für den Kampf gegen den Klimawandel bezahlen lassen würden, sondern Übergangsforderungen aufstellen, die deutlich machen, dass die Kapitalist*innenklasse nicht nur für die notwendigen Maßnahmen zahlen soll, sondern auch, dass es nötig ist Privateigentum an Produktionsmitteln und kapitalistische Profitwirtschaft zu überwinden.

Eine Linke kann ein solches notwendiges Programm nur aufstellen, wenn sie selbst eine Klassenpolitik betreibt, also die Arbeiter*innenklasse als die entscheidende, potenziell revolutionäre Kraft wahrnimmt wird und nach einer möglichst breiten Vereinigung zur Klasse für sich strebt.

Kämpfende Arbeiter*innen und Menschen, die ideologisch auf der Seite der Arbeiter*innenklasse stehen, finden sich zu Hauf bei den gegenwärtigen Umweltprotesten. Es wäre Aufgabe von Sozialist*innen, diese Menschen anzusprechen und die Klassendifferenzen in der Bewegung aufzuzeigen. Erst aus einer klassenbezogenen Selbstverortung entsteht die Möglichkeit, sich Klasseninteressen bewusst zu machen und daraus schließlich auch politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Statt die Klassenunterschiede in der Umweltbewegung ignorierend Umweltharmonie zu predigen und „die“ Umweltbewegung als Ganze unkritisch abzufeiern, gilt es für Sozialist*innen aufzuzeigen, dass es im unmittelbaren Interesse der Arbeiter*innen liegt, mit der Profitgier dieses Systems, mit dem Raubbau an der Natur, mit diesem Staat als Institution der herrschenden Klassen und damit auch mit den prokapitalistischen Kräften in der Bewegung ein für alle mal zu brechen.

Sollte die Arbeiter*innenklasse als eigenständige Kraft auftreten, könnte ihre rein quantitative Überlegenheit in der Bewegung auch eine neue politische Führung entstehen lassen, die der Umweltbewegung einen proletarischen, statt kleinbürgerlichen Charakter verleiht und die kleinbürgerlichen Schichten in ihren Sog mitzieht.

Dafür reicht es aber nicht, sich allein am Thema Umwelt abzuarbeiten, sondern auch die anderen Hauptanliegen von Arbeiter*innen, z.B. das Thema Wohnen oder konkrete Lohnkämpfe in den Blick zu nehmen und vor allem verschiedene Kämpfe der Arbeiter*innenklasse zu vereinigen, um wirklich schlagkräftig zu werden.

Dazu gehört eine Orientierung darauf, die Gewerkschaften auch in soziale Bewegungen wie die Umweltproteste einzubeziehen und Agitation auch in den Betrieben zu leisten. Vor allem sollten solche kämpferischen und antikapitalistische Kräfte in den Gewerkschaften unterstützt werden, die sich dem systemtragenden Kurs der Gewerkschaftsspitzen in den Weg stellen.

Und es heißt für die Partei DIE LINKE, hier mutig voranzuschreiten, Vorschläge zu entwickeln und an die Umweltkämpfe mit einem klaren sozialistischen Programm heranzutreten!


Erstveröffentlichung am 6. Februar in »solidarität-info« mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden zum Teil von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

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Feb.07
on 7. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein, Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Die Türkei weitet den Krieg in Nordsyrien weiter aus

Rui Filipe Gutschmidt

Türkische und syrische Truppen sind in der Region um Idlib (Nord-/Westsyrien) blutig aneinander geraten. Ohne näher auf die Kämpfe mit den von Russland unterstützen syrischen Regierungstruppen einzugehen, „versprach“ der türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Einnahme von Idlib durch die syrischen Regierungstruppen auf jeden Fall zu verhindern. Man hat den Eindruck als ob in Syrien jede Kriegspartei für sich selber kämpft.

Laut Erdogan werde die türkische Armee die Regierungstruppen von Präsident Bashar Al-Assad daran hindern, in die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens vorzudringen. „Das Regime versucht, in Idlib Fuß zu fassen, indem es unschuldige Menschen an unsere Grenze vertreibt. Wir werden dem Regime keine Chance geben, Territorium zu gewinnen, weil dies unsere Verantwortungslast erhöhen würde„, sagte Erdogan der türkischen Presse an Bord eines Flugzeugs nach seinem Besuch in der Ukraine. Seine Aussagen müssen im Licht der schweren Kämpfe zwischen der türkischen Armee und den Streitkräften der Regierung von Baschar al-Assad in der Provinz Idlib gesehen werden. Bei den Kämpfen waren auf beiden Seiten mehr als 20 Tote zu beklagen.

„Ich glaube, dass unsere Operation ihnen eine gute Lektion erteilt hat, aber wir werden nicht aufhören. Wir werden mit der gleichen Entschlossenheit weitermachen„, sagte Erdogan der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu und meint mit „Operation“ den blutigen Überfall auf die Streitkräfte der Regierung von Baschar al-Assad.

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Der syrische Angriff auf türkische Streitkräfte sei eine „Verletzung“ des russisch-türkischen Waffenstillstandsabkommens in Idlib, sagte Erdogan weiter, und er warnte davor, „dass es Konsequenzen für das Regime haben werde“.

Der türkische Präsident tadelte Moskau, den Verbündeten von Al-Assad, dafür, dass sie „ihre Verantwortung nicht wahrnehmen“. Inzwischen hat Ankara seine Aussage relativiert, um die Spannungen mit Russland nicht zu verschärfen.

„Im Moment besteht keine Notwendigkeit, einen Streit oder einen größeren Konflikt mit Russland zu beginnen. Wir haben mehrere strategische Initiativen“, sagte Erdogan und bezog sich auf die russisch-türkischen Beziehungen in verschiedenen Bereichen, von Energie über Tourismus bis hin zur Verteidigung.

Da Russland ein Verbündeter von Präsident Bashar Al-Assad ist, begibt sich Erdogan hier auf dünnem Eis, auch wenn er betont, dass die Aggression von Damaskus ausgeht. Russland und die Türkei unterstützen gegnerische Parteien in dem Konflikt, der Syrien seit 2011 heimgesucht hat. Dabei ist die Strategie der Türkei eher unklar für den Außenstehenden. Erdogan verfolgt seine expansionistische Politik mit dem Ziel einer Kontrolle der in ganz Nordsyrien und im „Mosulgebiet“ im Norden des Irak (seit 1926 an den Irak abgetreten).

Die umkämpfte Region ging nach dem 1. Weltkrieg 1918 – bis dahin Teil des Osmanischen Reiches, Kriegsverlierer auf Seiten der Mittelmächte – als Völkerbundsmandate an Frankreich (Syrien, Libanon, Latakia) und Großbritannien (Irak, Jordanien, Palästina). Nach dem „Befreiungskrieg“ gegen Griechen, Entente Truppen und den neugegründeten Staat Armenien (dessen Genozid in der Türkei bis heute leugnet wird), durch Mustafa Kemal Pascha, alias „Atatürk“ wurde die moderne Türkei begründet, die sämtliche Autonomiebewegungen der Kurden schon im Keim zu ersticken sucht. Die Erdölfelder des Mosulgebiets im Nordirak wurden 1926 den Irakern zugesprochen. Diese Beschlüsse, die das Reich der Osmanen dem Sultan Mehmed VI. Vahdettin wegnahmen und über sechs Jahrhunderte türkischer Dominanz in der Region beendeten, werden jetzt von Präsident Erdogan in Frage gestellt.

Ankara stellt sich daher gegen eine groß angelegte Offensive der syrischen Regierungstruppen in Idlib. Offiziell geht es dem „neuen Sultan“ darum, eine neue Flüchtlingswelle in die Türkei zu verhindern, in der bereits mehr als 3,6 Millionen Syrer ihr leben fristen. Diese Flüchtlinge werden von „Erdowahn“ immer wieder als Druckmittel missbraucht, um die EU zu erpressen, oder um Geld für die Flüchtlingslager aus Brüsseler Kassen zu quetschen, dass dann größerenteils in dunklen Kanälen verschwindet.

Kein „Krieg mit Russland“ ist jetzt die Devise, die Erdogan anscheinend zu beherzigen versucht. Aber wie lange kann das noch gut gehen? Syrien hat die „Rückgewinnung der Kontrolle über ganz Syrien“ zum Ziel. Das „beißt sich“ mit den Zielen der USA, der Kurden, der Rebellen (von gemäßigt bis radikal islamistisch) und schließlich auch der Türken! Wie Russland reagiert, wenn NATO-Mitglied Türkei neben den Syrern auch russische Soldaten tötet oder verletzt. Hier spielen unverantwortliche Profit-und Herrschaftsinteressen, wie die von Erdogan die Geige. Bleibt zu hoffen, dass die Menschei in aller Welt ihren Regierungen das Führen von imperialistischen Kriegen verbieten.


Changing frontlines of the Turkish offensive in Rojava, 2019 – Nate Hooper -wikimedia CC BY-SA 4.0

Erstveröffentlichung ham 16 Februar 2020 in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.

Weitere Artikel von Rui Filipe Gutschmidt
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Anhang der Red. AmericanRebel
Hintergrundwissen:

– Afrin Newsticker – HPG veröffentlichen Bilanz zu Militäroperation am Cûdî

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Feb.05
on 5. Februar 2020
Veröffentlicht in: Allgemein, Diethard Möller

Diethard Möller

»Stuttgart 21«: 500. Montagsdemo mit überwältigender Beteiligung

Diethard Möller

Wo hat es dann sonst schon einmal in der Bundesrepublik gegeben, dass Menschen über zehn Jahre lang, 500mal Woche für Woche, auf die Straße gehen, um gegen ein Immobilienprojekt und Milliardenloch zu protestieren. Die Ausdauer und Energie in Stuttgart ist bewunderns- und nachahmenswert.

Am gestrigen Montag, den 3. Februar kamen über 4.000 Menschen zur 500. Protestkundgebung gegen das Bauprojekt »Stuttgart 21« direkt vor den Hauptbahnhof. Massenhaft wurde das Plakat „S21 – Weg mit der Flasche!“ gezeigt. Damit wurde darauf angespielt, dass Stuttgart 21 mit zukünftig 8 statt bisher 16 Gleisen ein Flaschenhals für den Bahnverkehr wird. Zugleich sollte damit ausgedrückt werden, dass nur „Flaschen“ auf so eine Idee kommen können.

03.02.20: Über 4.000 Menschen protestieren gegen den »Flaschenhals Stuttgart 21«. Bild: Arbeit-Zukunft

Prof. Hermann Knoflacher, Verkehrswissenschaftler aus der Schweiz legte noch einmal gründlich dar, wie Stuttgart 21 den gesamten Bahnverkehr ausbremst und hier Geld verschleudert wird, das an anderer Stelle dringend für eine ernst zunehmende Sanierung der Bahn gebraucht würde.

Prof. Heiner Monheim, ebenfalls Verkehrswissenschaftler würdigte die Bedeutung dieses nicht enden wollenden Widerstandes. Er ging darauf ein, dass hinter solchen Wahnsinnsprojekten Profitinteressen stecken und damit die Bahn regelrecht zerstört wurde.

3.02.20: Über 4.000 Menschen protestieren gegen den »Flaschenhals Stuttgart 21«.
Bild: Arbeit-Zukunft

Der Journalist Joe Bauer griff scharf „dieses als Verkehrsprojekt getarnte Profit-Unternehmen“ an. Er griff an, dass die mit immer weiter verschärften Polizeigesetzen immer mehr demokratische Rechte abgebaut werden. Er prangerte an, dass zu einer solchen Gesellschaft des Profits auch die „nationalen Esel“ gehören, wie Tucholsky sie nannte. Man müsse sich gegen den rechten Terror wehren.

Kulturell umrahmt wurde die Protestkundgebung von Timo Brunke Wortkünstler, Konzertpoet und dem Lenkungskreis Jazz mit fetziger Musik.

„Landesvater“ Kretschmann von den Grünen hatte im Vorfeld verkündet, der Konflikt um Stuttgart 21 sei mit der Volksabstimmung befriedet. Die Demonstration am 3. Februar bewies das Gegenteil! Zudem weiß inzwischen jeder, dass diese Volksabstimmung mit einem Haufen Lügen manipuliert und gewonnen wurde. So wurde anfangs behauptet, Stuttgart 21 würde nur 2,8 Milliarden Euro kosten. Doch mehrere Kostendeckel, die angeblich „endgültig“ waren, wurden gesprengt. Heute liegen die offiziellen Kosten bei 8,2 Milliarden. Fachleute und der Bundesrechnungshof erklären aber schon länger, dass das nicht reicht. Am Ende werden über 10 Milliarden fällig sein.

Nach Umfragen ist in Stuttgart die Zustimmung zu dem Projekt beständig gesunken und befindet sich mittlerweile weit unten. Eine Mehrheit lehnt das Projekt ab.

hier geht es weiter »

Erstveröffentlichung 3. Februar 20120 in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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