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Mai16
on 16. Mai 2019
Veröffentlicht in: Harry Popow

Harry Popow

MUTTERS „SALON“

Buchtipp: „Die Heimat der Krieg und der Goldene Westen von Wolfgang Bittner
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Harry Popow

Bei einem fröhlichen Gartenfest mit Kindern, Enkeln und guten Bekannten sitzt Großvater Michel etwas abseits im großen Sessel, ganz Ohr für die lustigen Reden und Witze, leise lächelnd. Auf seinem Schoß ein soeben zu Ende gelesenes Buch, denn er ist nach wie vor eine Leseratte. Der Titel: „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“. Gerne würde er, der die letzten Kriegsjahre als Junge – ebenso wie der Autor – noch miterlebt hat, diese Lektüre mal anderen zeigen, aber er will die fröhliche Runde nicht stören. Weiß er doch aus Erfahrung, politische Bücher sind nicht jedermanns Ding. Und wenn, dann nähert man sich ihnen nur mit sehr spitzen Fingern und mit bedeutungsvollem Schweigen. Also sitzt er still und bescheiden, noch tief ins Gelesene versunken.

Buchcover von „Die Heimat der Krieg und der Goldene Westen“ von – Wolfgang Bittner – Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Großvater Michel, sonst ein mäßig politisch interessierter Bürger, ist sehr angetan von diesem Buch. Da berichtet der Autor Wolfgang Bittner von einem Knaben, der in Schlesien, genauer in Gleiwitz, aufgewachsen ist, der den Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR, den Krieg und die Vertreibung aus Schlesien – ohne zu begreifen was da geschieht – miterleben muss. Großvater Michel sieht sich selbst als kleiner Junge, wenn Eltern und Verwandte vom verfluchten Krieg tuschelten, einige vom bald endgültigen Sieg über die Bolschewiken. Und wie das kleine Kind, das der Romanautor nach der Umsiedlung in den Goldenen Westen Junge nennt, so ganz langsam zu begreifen beginnt, was da geschehen war und sich für Politik zu interessieren beginnt: Er, der Junge, kommt später zu der Meinung, „…dass die Kleinstädter nur daran interessiert sind, sich gemütlich einzurichten, ihren Geschäften nachzugehen, und von der überregionalen Politik nichts wissen wollen“. Das schreibt der Autor auf Seite 348. Großvater Michel des Jahres 2019 nickt. So ist es. Kein Wunder, man gibt vor, die Vergangenheit sei bewältigt. Man ruft auf zum Spaß haben, zur Toleranz, zur Freiheit, zur freien Selbstverwirklichung des ICHS. Man sei offen und eben „anders“. Entpolitisierung sei das Stichwort.

Um es vorweg zu sagen: Das Buch des Autors Wolfgang Bittner ist ein Knaller. Es ähnelt wenig einer reinen Autobiografie, sondern eher einem Protokoll mit gründlich recherchierten historischen Details über die Zeit von 1942 bis in die 50ziger Jahre. Man könnte annehmen, diese Zeitspanne sei abgearbeitet und die Folgen überwunden, umso mehr beschleicht den Leser das Gefühl und die Erkenntnis, dass doch noch nicht alles erledigt ist und die Deutschen vom Regen in die Traufe gekommen sind.

Das Dokumentarische des Autors, das sich von Anfang des Buches bis zu Ende nahezu lückenlos hindurchzieht, bildet den Hintergrund für die Geschichte eines kleinen Kindes und seiner Eltern und Verwandten: Die Gräueltaten der Wehrmacht an der Ostfront, der Goebbels-Ausruf, es gehe um den Kampf gegen den Bolschewismus, das Potsdamer Abkommen, die Umsiedlung der schlesischen Bevölkerung von Ost nach West, die Gründung der Bundesrepublik und die beginnende Remilitarisierung.

Besonders interessant: Der Autor führt das Beziehungsgeflecht der Verwandten so gekonnt vor, dass durch deren persönliche Motive, Aussagen und Dialoge die Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse sowohl unter der Nazidiktatur als auch unter den Bedingungen der freien Marktwirtschaft klar hervortreten. Immer in Abhängigkeit der jeweils herrschenden Macht über das Volk. Durch die Identifizierung mit oder auch durch die Distanzierung zu einzelnen Romanfiguren stellen sich ganz neue Sichten auf die Geschichte und auf die Manipulierungsmethoden der Machthaber und damit ein enormer Gewinn an Erkenntnissen über das Problem Krieg und Frieden her. Eine literarische Vorgehensweise, die mich als Rezensent stark beeindruckt hat.

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Hinter vorgehaltener Hand

Was ist zum Beispiel zu tun, wenn es heißt, Führer, wir folgen dir? Wenn Goebbels zum Kampf gegen den Bolschewismus aufruft und 14.000 Stimmen ihr Ja brüllen. Wenn Soldaten lachend in den Krieg ziehen. Wenn vom Feind, vom Endsieg, vom zu erringenden Lebensraum im Radio getrommelt wird? Wenn die Gestapo aufrechte Deutsche verhaftet, die Flugblätter mit der Aufschrift verteilen, Hitler sei ein Verbrecher? Wenn man nur hinter der vorgehaltenen Hand etwas gegen Hitler sagen darf? Da fragt die Großmutter des Kindes, warum die Leute immer Krieg führen. Worauf der Großvater entgegnet: „Die Leute nicht, die werden nur aufgehetzt. Die meisten wollen eigentlich in Frieden leben…“ (Seite 47/48) Und beim Kaffeetrinken ergänzt er: „Stell dir vor, die Industriellen sollen Hitler an die Macht gebracht haben. (…) Die verdienen sogar am Krieg.“ Und gleich darauf kommt der Großvater auf die eigene Mitschuld zu sprechen: „Vielleicht hätten wir Hitler nicht wählen dürfen.“ Und dreht das Hitlerbild in seiner Gaststätte bei wichtigen Besuchen wieder für alle sichtbar nach vorne.

So trifft man beim Lesen sowohl auf Charaktere, die von vornherein auf den verdammten Krieg schimpfen und dem Hitler die alleinige Schuld geben, als auch auf jene, die noch immer auf den Endsieg hoffen und glauben, der „Führer werde es schon richten, wenn nur schnell die versprochene neue Bombe zum Einsatz käme“. Dabei kommt es zwischen den verschiedenen Romanfiguren lediglich zu kleinen Auseinandersetzungen, die den Zusammenhalt trotz Drohung der Verhaftung nicht gefährden. Geht es doch darum, zu überleben und die Angst vor der nahenden Front durch die Russen zu überwinden.
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Unter der Diktatur des Geldes

Ganz anders verhält es sich mit dem Denken und Fühlen nach der Umsiedlung in den Westen, als nach dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess die Bundesrepublik gegründet und die Wiederbewaffnung Westdeutschlands sowie mit der Währungsunion die Spaltung Deutschlands ihren Anfang nimmt. In der sogenannten freien Welt darf jeder seine Meinung äußern, man sei ja in der Demokratie angekommen. Was also tun unter den Bedingungen des Marktes, der Ausbeutung und des Hasses gegen die Vertriebenen aus dem Osten, diesen „Schmarotzern und Rucksackgesindel“? Was tun, wenn wieder von der Gefahr aus dem Osten geredet wird, wenn in Schulklassen noch 1947 wieder der Rohrstock unter dem typisch deutsch-bürgerlichem Motto „Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Fleiß, keine Widerrede, keine Lügen, Ehrlichkeit“ das Sagen hat? Was also tun, wenn der alte Spuk der Hochindustriellen mit Hilfe der USA wieder das Kriegszepter schwingt, Deutschland wieder nach größerer ökonomischer und militärischer Macht strebt? Was tun, wenn die Romanfiguren, stets auf der Suche nach Arbeit und Brot, auch nach wirtschaftlicher Selbstständigkeit als Unternehmer suchen, nach Titeln und Geld streben statt nach politischen Alternativen? Was tun, zu den Ursachen der Aufrüstung, des erneut aufflammenden Antikommunismus, der Spaltung Deutschlands und des neuerlichen Russenhasses das große politische Schweigen herrscht? Von BILD und anderen bürgerlichen Medien gibt es keine Antworten. Sie lügen um der Machterhaltung willen. Die erneute Verdummung nimmt ihren Lauf.

Da hat der Autor, sagen wir mal besser die Mutter des Jungen, eine grandiose Idee. Sie gründet in der Küche der Barackenwohnung einen „Salon“. Sie hat das Lyzeum besucht, arbeitete als Sekretärin einst bei der Reichsbahn, sie sei politisch unbedarft aber nicht uninteressiert, so der Autor. Sie genieße die Diskussionen über Politik und Kultur, „die ihr ermöglichen, zu eigenen Beurteilungen zu kommen“. (S. 242) Man spricht über Thomas Mann, Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger, über die Frage, „ob ein erneuter Krieg verhindert werden könne“, über die Gründung der NATO, die eindeutig gegen die Sowjetunion gerichtet sei. (S. 263) Ein Herr Major befürwortet dies, denn „dass von den Russen eine Gefahr ausgeht“, sei nicht von der Hand zu weisen. Er glaube nicht daran, entgegnet ein Herr Kaderabeck, befürchtet die Festlegung auf eine von den Siegermächten verordnete Lebensform, „insbesondere auf das westliche Wirtschaftssystem mit der Garantie des Privateigentums an Produktionsmitteln“.

Auf den Seiten 264/265 lässt der Autor eine Frau Weber zu Wort kommen. Sie habe ein Flugblatt der CDU mitgebracht mit dem „Ahlener Programm“: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“ Inhalt und Ziel der sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung „kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein“. Darauf Herr Kreuderitz: „Was sind das für Schlagworte? ´Kapitalistisches System´ – das hört sich fast schon kommunistisch an.“ Herr Kaderabeck hält dies für ein Täuschungsmanöver, um die Arbeiterschaft „auf ihre Seite zu ziehen“. Herr Hoffmann schwört auf die Privatinitiative, die sei die treibende Kraft und Baron von Kreuderitz meint gar, einem Tüchtigen stünden alle Türen offen. (S. 278)

Weiter lässt der Autor seine Charaktere vieles aussprechen, was unter der sogenannten Meinungsfreiheit bis heute im Jahre 2019 zwar nicht verboten ist, aber von bürgerlichen Medien mit Hohn und Spott oder gar mit Schweigen übergangen wird. So die Häme zur Gründung der DDR. So die Warnung des Großvaters des Jungen vor einem neuen Krieg gegen Russland. So die Meinung eines Kameraden des Vaters, der auf das Profitstreben aufmerksam macht und feststellt, dass wieder Nazis in der Regierung ihr Unwesen treiben und die BRD mit dem Marshallplan unter der Fuchtel der USA stehen. Der sei reinster Etikettenschwindel. „Die USA gewähren uns Kredite und verpflichten die deutsche Wirtschaft, Produkte aus ihrer Überproduktion zu kaufen.“ Diese enorme Reklame mache den Marshallplan zum Wunder, das „uns vor Aufständen bewahrt und gegen die Sowjets einnimmt“. (S. 332) Und der inzwischen größer gewordene Junge hört noch, wie der Großvater fluchend schimpfte: „Sehr viel hat sich nicht geändert, „Banausen und Spießbürger, wohin man blickt.“ Was ist aus uns geworden?

Dem Autor Wolfgang Bittner ist zu danken. Er hält jenen den Spiegel vors Gesicht, die immer noch unter dem kapitalistischen Wachstum den Springquell auch des persönlichen Glücks sehen und denen es relativ gut geht. Seine Sprache ist klar, die Argumente sind treffsicher ausgewählt und emotional beeindruckend seine Berichte über die Geschichte, wie auch seine Beschreibungen von Natur und Örtlichkeiten. Die Aktualität dieses Buches wird leider nahezu täglich mit immer neuen Horrormeldungen unterstrichen. So schleuderten Medien folgende Meldung am 21. April 2019 in den Äther: Mit 6,5 Milliarden Euro sollen EU Straßen panzerfähig gemacht werden, „um schweres militärisches Gerät schneller Richtung Russland bewegen zu können“.

Worauf man den Großvater des Jungen im Roman schon in den 50ziger Jahren fragen hört, ob es denn schon wieder soweit sei. Und die Mutter (Seite 294) fragt vorwurfsvoll, ob man denn aus der Vergangenheit nichts gelernt habe. Mutters „Salon“ bleibt nicht ohne Wirkung.

Wolfgang Bittner

Wolfgang Bittner lebt als Schriftsteller und Publizist in Göttingen. Der promovierte Jurist schreibt Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder Er erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen und ist Mitglied im PEN. Von 1996 bis 1998 gehörte er dem Rundfunkrat des WDR an, von 1997 bis 2001 dem Bundesvorstand des Verbandes deutscher Schriftsteller. Ausgedehnte Reisen führten ihn nach Vorderasien, Mexiko, Kanada und Neuseeland, Gastprofessuren 2004 und 2006 nach Polen. Wolfgang Bittner war freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen und hat mehr als 60 Bücher veröffentlicht, darunter die Romane „Der Aufsteiger“, „Niemandsland“ und „Hellers allmähliche Heimkehr“.

Wolfgang Bittner: „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“, Roman, Verlag zeitgeist Print & Online, Höhr-Grenzhausen 2019, 352 Seiten, geb., 21,90 Euro, ISBN 978-3-943007-21-3

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Frühere Artikel von Harry Popow

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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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└ Schlagwörter: Autobiografie, Buchtipp, der Krieg und der Goldene Westen, Die Heimat, Diktatur des Geldes, Harry Popow, Leseratte, Roman, Vertreibung aus Schlesien
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Mai16
on 16. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Saschas Welt

Sascha

Die unsterbliche Luftbrücken-Lüge

Sascha

Immer wieder tauchen in Medien scheinbar „unsterbliche Lügen“ auf, von denen jeder normal gebildete Bürger eigentlich wissen müßte, daß es sich um US-amerikanische Propaganda handelt, der man nicht ein einiziges Wort glauben kann. Die DDR-Bürger wußten das schon lange. Die amerikanische Presse stellte die sinnlose und kostspielige „Luftbrücke“ als eine herrliche und heldenmütige Rettungsaktion hin. Sie kostete vielen Fliegern das Leben — aber sie war eine Rettung für die Wallstreet und eine Bürde für die Bevölkerung Berlins. Und sie kostete der Bevölkerung Westdeutschlands eine riesige Summe. Das Salzburger Tagblatt vom 11. August 1948 berichtet:

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Ich komme eben aus Berlin

B. Stein, ein Freund unseres Blattes aus Berlin, der sich aus privaten Gründen für kurze Zeit in Wien aufhielt, hat uns die folgenden Ausführungen über die gegenwärtige Situation in der deutschen Hauptstadt überlassen. Wie er sagt, will er den Wienern auf Grund seines eigenen Erlebens ein wahres Bild vermitteln, nachdem er schon binnen kurzem feststellen konnte, daß der Großteil der Presse in Österreich nur absichtlich entstellte und falsche Berichte über Berlin veröffentlicht. Hier also der Tatsachenbericht.
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Tatsachenbericht eines Berliners

Soeben aus Berlin in Wien angekommen, bleiben bei meinem ersten Spaziergang über den Stephansplatz meine Augen auf einer am Zeitungskiosk ausgehängten Nummer eines Nachmittagsblattes haften, deren Balkenüberschrift vom geschäftstüchtigen Kioskinhaber mit Rotstift umrändert lautet: „Hungerunruhen in Ostdeutschland!“ Ich kann mich unwillkürlich, eines Lächelns nicht erwehren, daß ich erst nach Wien kommen muß, um zu erfahren, was in meiner Heimat vor sich geht. Ich frage mich: Was ist größer, die Skrupellosigkeit einer solchen Presse oder, vorsichtig gesagt, die Leichtgläubigkeit des lesenden Publikums?

Solche und andere Meldungen in der Wiener Presse geben mir den Ansporn, den Wienern etwas über die Lage in Berlin zu sagen, wie sie der Durchschnittsberliner, der sogenannte Mann auf der Straße, tagtäglich erlebt.
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Was war die Ursache für die Auseinandersetzungen?

Ich arbeite im russischen Sektor Berlins. Meine Wohnung befindet sich in einem zur russischen Zone gehörenden südwestlichen Vorort von Berlin. Mein Weg von und zur Arbeitsstelle führt mich daher täglich durch den amerikanischen und englischen Sektor Berlins. Schon daraus ergibt sich zunächst, daß jeder Einwohner Berlins vollkommen unbehindert von einem Sektor zum anderen gehen kann, genau so wie in Wien.

Die Ursache für die jetzt in Berlin ausgetragenen Auseinandersetzungen liegt doch zweifellos in der Tatsache, daß die Westmächte unter Bruch des Potsdamer Abkommens die Russen bei der Entscheidung über alle westdeutschen Fragen ausgeschaltet, dort eine selbständige Regierung geschaffen und — was den Becher zum Überlaufen gebracht hat — eine eigene westdeutsche Währung eingeführt haben. Das waren die Ursachen, die die Russen zu Abwehrmaßnahmen zwangen. Denn um solche Maßnahmen handelt es sich ausschließlich, und wie berechtigt und notwendig sie waren, beweist gerade die heutige Situation.
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Die Lügen der amerikanischen Presse

Luftbrücke. Bild Bundesarchiv

Es muß daran erinnert werden, daß die sowjetischen Behörden seinerzeit sofort darauf hinwiesen, daß die Einführung der Westwährung in Berlin zu schweren wirtschaftlichen Schäden; für Berlin führen muß, denn Berlin liegt nun einmal in der Ostzone Deutschlands und ist daher ernährungsmäßig und wirtschaftlich aufs engste mit der Ostzone verbunden. Der Versuch, entgegen allen Gesetzen der Logik und Vernunft Berlin künstlich aus dieser Verbundenheit herauszreißen, ist genau so zum Scheitern verurteilt wie das Experiment, auf operative Weise den Magen zuerst aus dem menschlichen Körper zu entfernen und ihn dann, losgelöst von seinem Organismus, künstlich am Leben zu erhalten.

Dabei scheut sich die amerikahörige Presse nicht, die elementaren Gesetze der Objektivität auf den Kopf zu stellen. So wurde zunächst der Umstand, daß in Abwehr gegen die überaschend eingeführte Westwährung die sowjetische Besatzungsmacht gezwungen war, provisorische Zahlungsmittel schnellstens herzustellen, um die Überflutung der sowjetischen Besatzungszone und Berlins mit den im Westen wertlos gewordenen Riesenmengen an alten Geldscheinen zu verhindern, benutzt, um dieses provisorische Geld zu diskreditieren.
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Über die wahre Lage der Berliner Bevölkerung

Die westlich lizenzierte Presse Berlins versucht, den realen Wert dieses Geldes zu zerstören, indem sie frei erfundene Kurse bis zu 20:1 nannte. Daß die Ostmark sich trotz diesen Pressemanövern nicht nur behauptet hat, sondern heute schon zu der führenden Währung Berlins geworden ist, während die Westmark nur das Spekulationsobjekt für Schwarzhändler ist, beweist ihren inneren Wert.

Was die Lebensmittellage Berlins anlangt, mußte es jedem nüchternen Menschen von vornherein klar sein, daß eine Industriestadt mit zweieinhalb Millionen Menschen nicht auf dem Luftwege mit Lebensmitteln, Brennstoff und industriellen Rohstoffen versorgt werden kann. Wenn schon eine Tagesleistung von 3600 Tonnen, per Luftweg als Rekord gemeldet wird, so ist das tatsächlich das Eingeständnis des Fiaskos. 3600 Tonnen täglich bedeuten zirka 100.000 Tonnen im Monat, während normaler weise mit der Eisenbahn, auf den Land- und Wasserwegen etwa 250.000 Tonnen Güter monatlich nach Berlin befördert wurden, die zur Versorgung Berlins erforderlich sind.

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Wie verhielten sich die sowjetischen Besatzungsbehörden?

Wenn also von gewisser Seite jetzt von einem „Verbrechen an der Menschheit“ gesprochen und erklärt wird, „man darf eine Stadt nicht aushungern“‘, so ist die sowjetische Besatzungsmaeht die falsche Adresse für diesen Vorwurf. Denn die Westmächte mußten wissen, daß sie nicht in der Lage sind, auf dem Luftwege Berlin zu versorgen. Sie sind für die von ihnen provozierte Notlage in Berlin verantwortlich.

Anstatt nun die Bereitwilligkeit der sowjetischen Besatzungsbehörden die Versorgung ganz Berlins zu übernehmen, zu begrüßen, erfinden die Preisfechter der Westmächte eine neue Form von „Heroismus“, indem, sie die Berliner auffordern, das Angebot der Russen nicht anzunehmen, „um die übrige Bevölkerung der Ostzone Deutschlands nicht zu berauben“, wie es scheinheilig heißt. Aber es ist eine Tatsache, daß 100.000 Tonnen Getreide, Riesenmengen von heurigen Erdäpfeln und sonstigen Lebensmitteln mit russischen Schiffen in den Ostseehäfen Deutschlands eintreffen oder in langen Güterzügen aus der Tschechoslowakei und anderen südosteuropäischen Ländern anrollen, also gar nicht aus deutschen Beständen stammen.
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Versorgung der West-Berliner Bevölkerung durch die Sowjetunion

Um die West-Berliner Bevölkerung ebensowenig wie in der Lebensmittelversorgung auch auf dem Gebiete der Erhaltung des Arbeitsplatzes unter den von den Westmächten gewissenlos provozierten Verhältnissen leiden zu lassen, haben die sowjetischen Besatzungsbehörden eine eigene Organisation, die Handelsgesellschaft Groß-Berlin, ins Leben gerufen, die die Versorgung der West-Berliner Betriebe mit Kohle, Strom, und Rohmaterialien sowie den Absatz der Produktion dieser Betriebe über nimmt. Aber auch dieser begrüßenswerte Schritt wird von der westlich lizenzierten Presse Berlins diskreditiert, und der in seiner Mehrheit aus amerikahörigen Machthabern zusammengesetzte Magistrat von Berlin verbietet sogar den durch Betriebsstillegungen in den westlichen Sektoren arbeitslos gewordenen Arbeitern, ihrem Beruf entsprechende Arbeit im Ostsektor Berlins anzunehmen. Man zwingt sie, statt dessen für eine schäbige Arbeitslosenunterstützung Schutt wegzuräumen.
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Die Plünderungen der US-Amerikaner

Wem es danach noch nicht klar ist, was in Berlin und mit den Berlinern gespielt wird, dem möchte ich empfehlen, sich in Berlin selbst umzusehen. Auf einem meiner Wege zur Arbeitsstelle beobachtete ich in der Spanischen Allee in Berlin-Schlachtensee in der amerikanischen Zone, wie ein Lastwagen von Haus zu Haus fuhr und aus den requirierten Wohnungen die Klaviere auflud. Fünf Klaviere verschiedener Farbe, Marke und Alters standen bereits auf dem Wagen. Sie stammten aus Wohnungen, die von den Amerikanern, requiriert sind. Aber nicht nur die requirierten Wohnungen werden ausgeplündert.
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Was war der wahre Sinn und Zweck der Luftbrückr?

Der eigentliche Zweck der „Luftbrücke“ ist die industrielle Ausplünderung Berlins. Denn kein Flugzeug kehrt leer aus Berlin nach dem Westen zurück. Es ist ein einfaches Rechenexempel, wer dabei draufzahlt wenn ein Flugzeug, das ein paar Tonnen Kohle bringt, mit zum Beispiel wertvollem Radiomaterial zurückfliegt. Man könnte sagen, daß die ganze Luftbrücke nur ein teuflisch geklügeltes Manöver ist, um die Ausplünderung Berlins zu tarnen. Beispiele dafür ließen sich in beliebiger Zahl anführen. Die Berliner Werktätigen sind sich klar darüber, wer ihr wahrer Freund ist. Sie stehen nicht auf der Seite der Kriegsgewinner Amerika. Sie stehen vielmehr auf jener, die den Krieg gewonnen haben, nämlich der Sowjetunion. Und sie wissen, daß sie mit Hilfe der Sowjetunion auch den Frieden gewinnen werden.

Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480811&seite=1&zoom=43
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480811&seite=2&zoom=43
(Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)

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„Salzburger Tagblatt“ vom 5.8.1948

Warum leidet Westberlin Mangel?

BERLIN: Bekanntlich versorgt die sowjetische Militärverwaltung seit dem 1. August ganz Berlin mit Lebensmitteln. Die Lebensmittelgeschälte des Sowjetsektors verfügen über ausreichende Vorräte, die an die Bevölkerung aller Sektoren auf Karten abgegeben werden;

In den Westsektoren Berlins wird die Versorgung täglich schlechter. Allein in den letzten Tagen mußten 300 Bäckereien in West-Berlin wegen Kohlenmangels sperren.
Die Sowjetbehörden haben den westlichen Militärregierungen angeboten, Kohle, Strom und Rohstoffe für die Westsektoren zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck wurde die „Handelsgesellschaft Groß-Berlin“ ins Leben gerufen. Die Westmächte haben jedoch allen Handel zwischen West-Berlin und der Sowjetzone verboten, — zum Schaden der Bevölkerung der Westsektoren.

Die Leitung der vereinigten freien deutschen Gewerkschaften Groß-Berlins hat eine Resolution angenommen, in der die Einbeziehung Berlins in den wirtschaftlichen Zweijahresplan der Sowjetzone gefordert wird. Die Gewerkschaften betonen besonders die Notwendigkeit einer einheitlichen Währung für Groß-Berlin und die Sowjetzone.

Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480805&seite=1&zoom=33

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Salzburger Tagblatt 12.8.1948

Westmächte verhängen Handelssperre

Die Kommandanten der westlichen Sektoren von Berlin haben der Stadtverwaltung befohIen, alle Bankkonten in ostdeuscher Währung bei den Banken der Westsektoren zu sperren. Damit wird der Handelsverkehr zwischen Westberlin und der Sowjetzone so gut wie unmöglich gemacht.

Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480812&seite=3&zoom=41

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Salzburger Tagblatt 14.8.1948

Westmächte schmuggeln ungültiges Geld nach Berlin

BERLIN. — Das Organ der Sowjetarmee in Berlin, die „Tägliche Rundschau“, meldete gestern, daß englische und amerikanische Piloten große Mengen von Scheidemünzen aus den Westzonen nach Berlin bringen, die nur noch in der Sowjetzone und im Sowjetsektor Berlins gültig sind. „Diese enormen Summen“, schreibt das Blatt, „überschwemmen Berlin und die Sowjetzone. Zuständige Kreise erklären, dieser illegale Geldschmuggel werde das Wirtschaftsleben Berlins und der Sowjetzone gefährden, wenn nicht schnellstens eine wirkungsvolle Abhilfe geschaffen wird.“ Die amerikanische Militärregierung hat gestern sämtliche Vorratslager an Rohmaterialien und Verbrauchsgütern beschlagnahmt. In Zukunft sind nur die Amerikaner berechtigt, über die Verwendung dieser Güter zu entscheiden.

Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480814&seite=3&zoom=42

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Salzburger Tagblatt 25.8.1948

Arbeiter aus West-Berlin suchen Arbeit in der Sowjetzone

BERLIN. — Die Arbeitsabteilung der sowjetischen Stadtkommandantur erhält täglich eine große Anzahl von Briefen und Anfragen von Arbeitern und Angestellten aus den Berliner Westsektoren, die im Sowjetsektor Berlins und in der Sowjetzone Arbeit suchen. Bekanntlich wurden alle Vorschläge der Sowjetbehörden zur Verbesserung der Versorgung der Berliner Westsektoren von den Westmächten abgelehnt. Die Behörden von West-Berlin versuchen auch nach Kräften die Beschäftigung von Arbeitslosen Westberlinern in Betrieben des Sowjetsektors und der Sowjetzone zu verhindern. Die Sowjetkommandantur wird jedoch alles tun, um den Berliner Arbeitslosen Arbeit zu verschaffen. Gegenwärtig können noch 25.000 Arbeiter verschiedener Berufe im Sowjetsektor Berlins Arbeit erhalten. Die übrige Sowjetzone kann eine unbegrenzte Zahl von Facharbeitern aufnehmen.

Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sbt&datum=19480825&seite=3&zoom=42

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Siehe auch:

Der Betrug mit der Luftbrücke
For Eyes Only (Streng geheim)
Der antikommunistische Feldzug der USA nach 1945

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Erstveröffentlichung am 16. Mai 2019 in Sascha‘s Welt
. Bilder hinzugefügt von der Redaktion AmericanRebel
Weitere Artikel von Sascha

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Lest auch:

70 (71!) Jahre Luftbrücken-Lügen / 70 Jahre Grundgesetz jetzt mit großen Lücken

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Mai16
on 16. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Portugal – Über 300.000 Gläubige pilgerten
unter hohen Sicherheitsmaßnahmen nach Fatima

Rui Filipe Gutschmidt

Der 13. Mai ist zwar kein Feiertag in Portugal, aber gläubige Katholiken feiern an diesem Tag die Marienerscheinung in der Nähe des kleinen Städtchens Fatima. Drei Hirtenkindern erschien am 13. Mai 1917 die Jungfrau Maria und in der Folge bezeugten Tausende „Erscheinungen und Wunder“. Der Glaube ist frei, egal was man davon hält, doch niemand darf anderen seinen Glauben und seine Überzeugungen aufzwingen. Die Anschläge auf Christen, Juden oder Muslime verbreiten Furcht. Doch der Terror hält die Pilger nicht von ihren Traditionen ab.

Jedes Jahr pilgern Hunderttausende am 13. Mai (und auch vier weiteren Tagen) ins zentral-portugiesische Fatima. Auch gestern kamen über 300.000 Gläubige in den Ort, an dem drei Hirtenkinder 1917 von ihrer Begegnung mit der Jungfrau Maria berichtet haben. Es ist ein tief verwurzelter Glaube, der die Menschen auch in Zeiten von Terrorismus und Intoleranz nicht davon abhält, ihre Gelübde zu erfüllen.

Das Heiligtum von Fatima, Portugal – CC 0 Public Domain

In den letzten 100 Jahren wurde der Ort der Marienerscheinung zu einem Heiligtum ausgebaut. Der Wallfahrtsort wurde vom Vatikan anerkannt und die Kinder selig gesprochen. 1981 kam Papst Johannes Paul II nach Fatima und wurde bei einem Attentat verletzt. Schon damals verstärkten die Portugiesen ihre Sicherheitsmaßnahmen um den Schutz von Pilgern und Touristen zu gewährleisten.

Die Christen, die immer wieder mal nach Fatima pilgern, haben keine Angst vor Terroristen. „Portugal ist sicher“, so nicht nur die Aussage der zuständigen Behörden, sondern auch die allgemeine Auffassung der Bevölkerung. Die Sicherheitsmaßnahmen waren dieses mal auch wegen der Anschläge von Sri Lanka auf einem besonders hohem Niveau. Betonsperren, Videoüberwachung, Polizeibeamte in Zivilkleidung und Antiterroreinheiten sorgten für eine relative Sicherheit, während die Anwesenheit von Uniformierten das Sicherheitsgefühl der Pilger stärkte. Unterstützung bekam die GNR (Guarda Nacional Republicana) von ihren spanischen (Guardia Civil) und italienischen (Carabinieri) Amtskollegen.

Dabei ist es mir schleierhaft, wie die katholische Kirche all ihre Widersprüche und Gegensätze einfach unter den Teppich kehrt. Unter dem Vorsitz des Philippinischen Erzbischof D. Luis Antonio Tagle von Manila sind dieses Jahr viele Asiaten nach Fatima gekommen. Aber die asiatische Präsenz ist schon vor Ort: „Made in China“ ist in den Andenkenläden rund um das Heiligtum allgegenwärtig und der Kommerz nimmt unerträgliche Ausmaße an. Die Händler haben auch keine Angst vor Terroristen. Sie verdienen an einem Tag mehr, wie ein normaler Arbeiter in einem Jahr. Was würde Jesus dazu sagen? Oder Maria?

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Erstveröffentlichung am 13. Mai in unserer Partnerzeitung INFO-WELT. Bild und Bildunterschrift teilweise oder ganz hinzugefügt von der Redaktion
AmericanRebel
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Weitere Artikel von Rui Filipe Gutschmidt

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└ Schlagwörter: AmericanRebel, Ausland
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Mai16
on 16. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein

Ein Europa für Alle

Deine Stimme gegen Nationalismus

Sonntag, 19. Mai 2019, Großdemos in den Städten Europas

Die Europawahl am 26. Mai 2019 ist eine Richtungsentscheidung über die Zukunft der Europäischen Union. Nationalisten und Rechtsextreme wollen mit ihr das Ende der EU einläuten und Nationalismus wieder groß schreiben. Ihr Ziel: Mit weit mehr Abgeordneten als bisher ins Europaparlament einzuziehen. Wir alle sind gefragt, den Vormarsch der Nationalisten zu verhindern!

Wir halten dagegen, wenn Menschenverachtung und Rassismus gesellschaftsfähig gemacht werden sollen. Wir appellieren an alle Bürger/innen Europas: Geht am 26. Mai wählen – tretet ein gegen Nationalismus und für ein demokratisches, friedliches und solidarisches Europa!

Gemeinsam sagen wir: Die EU muss sich ändern, wenn sie eine Zukunft haben will. Wir streiten für unsere Vision eines anderen Europas. Unser Europa der Zukunft verteidigt Humanität und Menschenrechte; steht für Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit; garantiert soziale Gerechtigkeit und treibt einen grundlegenden ökologischen Wandel und die Lösung der Klimakrise voran.

Sei mit dabei, wenn wir am 19. Mai europaweit mit zehntausenden Menschen gleichzeitig auf die Straße gehen! Für die Zukunft Europas, gegen Nationalismus!

  • BERLIN12 Uhr Alexanderplatz
  • FRANKFURT12 Uhr Opernplatz
  • HAMBURG12 Uhr Rathausmarkt
  • KÖLN12 Uhr Deutzer Werft
  • LEIPZIG12 Uhr Wilhelm-Leuschner-Platz
  • MÜNCHEN12 Uhr Odeonsplatz
  • STUTTGART13 Uhr Arnulf-Klett-Platz
  • EUROPA

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Lest dazu auch:

– Keine Illusionen – die EU-Wahlen dienen nur dem Kapital!

Zur EU-Parlamentswahl: EU in der Krise

 Comment 
Mai15
on 15. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Julius Jamal

Julius Jamal

Südafrika vor der Wahl: Landreform, Wirtschaft, Migration, „State Capture“

Julius Jamal

Am 8. Mai 2019 fanden in Südafrika die fünften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit der Überwindung der Apartheid statt. Der ANC hat gewonnen – zumindest auf der nationalen Ebene. In einzelnen Provinzen ist von einem knapperen Ergebnis und sogar der Möglichkeit von Koalitionen zu sprechen. Die vorliegende Analyse will jedoch weniger auf den personenbasierten Wahlkampf, das prognostizierte Abschneiden der einzelnen Parteien oder die möglichen Konsequenzen bestimmter Wahlergebnisse eingehen, sondern explizit die Wahlprogramme der drei Parteien ANC, EFF und DA vergleichen und bewerten.

Südafrika Wahl – Bilder: Rosa Luxemburg Stiftung Südafrika

Knapp fünf Jahre sind seit den letzten allgemeinen Wahlen in Südafrika vergangen. Damals gewann, wie stets seit dem Ende der Apartheid, die von dem ANC (African National Congress) angeführte Tripartite Alliance mit dem Gewerkschaftsbund COSATU (Congress of South African Trade Unions) und der kommunistischen Partei SACP (South African Communist Party) die absolute Mehrheit. Allerdings verlor sie im Verhältnis zur Wahl 2009 fast 4 Prozent und landete bei 62,15 Prozent, während die liberale DA (Democratic Alliance) etwa 5 Prozent hinzugewann und die neugegründeten linken Economic Freedom Fighters (EFF) aus dem Stand 6,35 Prozent erreichten. Mit Ausnahme der Provinz Western Cape gelang es dem ANC in allen Provinzen, die Mehrheit zu erreichen. Bei den Kommunalwahlen 2016 büßte der ANC jedoch deutlich an Stimmen ein. In den wichtigsten Großstädten wie Johannesburg und Pretoria bildeten sich vom EFF geduldete Koalitionen unter DA Führung, ohne ANC Beteiligung. Da DA und ANC bisher eine politische Zusammenarbeit ausschließen, kommt den EFF eine zunehmende wichtige Rolle als Impulsgeber und „Königsmacherin“ zu. Die EFF wurden von dem ehemaligen Vorsitzenden des ANC-Jugendverbands, Julius Malema, gegründet, der den ANC vor allem wegen einer zu liberale Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie auch für einen mangelnden Einsatz für die arme schwarze Bevölkerung kritisierte. Seit der Wahl 2014 hat sich in Südafrika allerdings einiges verändert. 2015 und 2016 wurde das Land von einer Studierendenbewegung erschüttert, die sich an der Statue des Kolonialisten Cecil Rhodes entzündete, dann aber schnell umschwang in einen Kampf für ein anderes Bildungssystem. Im Zentrum stand dabei das Ende der Studiengebühren („Fees must fall“), eine Dekolonisierung der immer noch stark vom Apartheidsystem geprägten Bildungsinhalte, eine stärkere Förderung von schwarzen Lehrkräften und bessere Arbeitsbedingungen für prekär beschäftigte Reinigungs- und Sicherheitskräfte in den Universitäten. Die Bewegung konnte dabei Teilerfolge erzielen. So wurden Studiengebühren gesenkt und die Bedingungen für arme Studierende verbessert.

Infolge eines nie gekannten Ausmaßes von systematisierter Korruption im Kabinett, in Ministerien und staatlichen Unternehmen („State Capture“) wurde die Auseinandersetzung um die Nachfolge von Präsident Jacob Zuma im Parteivorsitz als Richtungsauseinandersetzung mit dem Ziel seiner unmittelbaren Amtsenthebung auch aus dem Staatsamt geführt: Dabei standen sich Cyril Ramaphosa, der für eine größere Nähe zu den weißen privatwirtschaftlichen Eliten und für eine Bekämpfung von State Capture steht, und Zumas Ex-Frau, Nkosazana Dlamini-Zuma, die dem Zuma Flügel zugerechnet wird, gegenüber. Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und Multimillionär Ramaphosa gewann die Abstimmung. Wenige Monate später kündige die Parlamentsfraktion des ANC einen Misstrauensantrag gegen Zuma an, woraufhin dieser sein Präsidentschaftsamt niederlegte und Ramaphosa, zunächst übergangsweise, zum Präsidenten gewählt wurde.Alle drei Parteien kommen nicht umhin, ihre Programme mit plakativen Slogans zu betiteln. Der ANC wirbt mit „Let’s grow South Africa together“ und der EFF fordert “Our Land and Jobs Now!”. Beide legen dazu einen “People’s Plan for a better life for all” (ANC) und “A Peoples’ Manifesto and a plan of action” (EFF) vor. Die DA deklariert mit ihrem “Manifesto for change” ein “One South Africa for all“. Wörter sind ähnlich, was aber sind die Inhalte? Zu besseren Einordnung geben wir im Folgenden einen Überblick über die Positionierungen der drei großen Parteien ANC, DA und EFF zu den in den letzten Wochen medial und politisch am intensivsten diskutierten Themen.

Investitionen und Arbeitsplätze

President Cyril Ramaphosa

Südafrika ist aktuell das Land mit der höchsten Einkommensungleichheit weltweit. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 27 Prozent, real liegt sie deutlich höher. Das Wirtschaftswachstum pendelte in der jüngsten Zeit zwischen null und einem Prozent. Entsprechend nimmt die Diskussion um Arbeitsplätze und Investitionen bei allen drei Parteien einen breiten Raum ein. Der ANC verspricht in seinem Wahlprogramm eine „wachsende Wirtschaft für Alle“. Dazu wird ein sozialpartnerschaftlicher Ansatz verfolgt. Das Programm bezieht sich auf die Ergebnisse eines kürzlich veranstalteten Job-Summits, mit VertreterInnen von Privatwirtschaft, Gewerkschaften und Gemeinschaften. Auf dem Summit wurden 275.000 neue Jobs pro Jahr versprochen. Als zweite zentrale Maßnahme sticht der Plan heraus, einen Fonds einzurichten, der massiv in Straßenbau, Zugverkehr, Krankenhäuser, Schulen, Wasserdämme und andere zentrale Infrastrukturpunkte investieren soll. In den nächsten vier Jahren sollen die gesamten (privaten und öffentlichen) Investitionen auf 1,2 Billionen Rand (dies entspricht etwa 75 Milliarden Euro) wachsen. Zugleich verspricht der ANC, Monopole zu entflechten und Missbrauch von extremer Marktmacht durch Großkonzerne zu regulieren sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) zu stärken. Beispielsweise sollen 30 Prozent der öffentlichen Beschaffung an KMUs gehen. Grundsätzlich durchziehen das Wahlprogramm und die Reden Ramaphosas zwei zentrale Herausforderungen: Die Investitionsrate im Industriesektor hat in den letzten Jahren stark abgenommen und muss um jeden Preis erhöht werden. Nicht explizit im Wahlprogramm formuliert, aber in Ramaphosas Reden im In- und Ausland deutlich vernehmbar ist der besondere Fokus auf ausländische Direktinvestitionen. Die zweite zentral benannte Herausforderung ist die Kluft zwischen gestiegenen Anforderungen an Qualifizierung (beispielsweise durch die Digitalisierung) und das jetzige öffentliche Bildungssystem. Der ANC will massiv in Bildung investieren, um eine „skills revolution“ herbeizuführen, ohne jedoch genauere Zahlen zu nennen.

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EFF skizziert in seinem Wahlprogramm einen Plan zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Stärkung der heimischen Wirtschaft und setzt dabei insbesondere auf staatliche Lenkung. „Infant industries“, also Wirtschaftszweige mit Potential für Wachstum und zur Schaffung von Jobs, sollen nach außen geschützt werden. 80 Prozent der öffentlichen Beschaffung durch den Staat und durch staatliche Unternehmen soll von der heimischen Wirtschaft kommen. EFF will in sämtlichen Provinzen jeweils mehrere Sonderwirtschaftszonen einrichten, die jedem Unternehmen, das mindestens 2000 Jobs schafft und Mindestlöhne bezahlt, Steuerfreiheit erlaubt. Ein Fokus soll auf KMUs gelegt werden. Zugleich sollen insbesondere Townshipgebiete gestärkt werden. Auch hier wird Unternehmen, die 2000 und mehr Jobs im Mindestlohnbereich schaffen, Steuerfreiheit versprochen. Mindestlöhne sollen angehoben werden. Von den jetzt 3.500 Rand monatlich auf 4.500 Rand, und in einigen Wirtschaftssektoren deutlich höher. EFF beantwortet in seinem Wahlprogramm dabei die zentrale Frage nicht, wie existenzsichernde Löhne für den großen Teil der Arbeitenden gesichert werden sollen, die deutlich unter 40 Stunden in der Woche arbeiten. Daneben setzt EFF darauf den informellen Sektor zu stärken, die Rechte von KleinhändlerInnen sollen geschützt werden. In jeder Munizipalität sollen staatlich gesteuerte „Einzelhandelsplattformen“ entstehen, offenbar um den informellen Handel weiter zu stärken.

Die DA legt ihren Fokus insbesondere darauf, stärkere Anreize für ausländische Investoren zu schaffen. Einerseits sollen beispielsweise über vermehrte Bilaterale Investitionsabkommen mit anderen Staaten die Rahmenbedingungen für transnationale Konzerne erleichtert werden. Andererseits schlägt die DA einen „Jobs-Act“ vor, der „einen Arbeitsplatz in jedem Haushalt“ anvisiert. Unternehmen, die investieren und dabei nachweislich Arbeitsplätze schaffen, sollen die Möglichkeit haben, ihre Profite leichter außer Landes zu schaffen, und über eine „market flexbility exemption clause“ leichter die Möglichkeit haben, Arbeitende einzustellen und zu entlassen. Als problematischen Akteure nimmt die DA Gewerkschaften ins Visier. Deren Streikrecht soll eingeschränkt werden und Gewerkschaften sollen stärker in Haftung genommen werden, wenn es bei Protesten zu Sachbeschädigung kommt. Zugleich schlägt die DA einen Plan für ein „breitenwirksames Empowerment“ vor: Einerseits sollen Unternehmen an zusätzliches staatliches Kapital kommen, wenn sie ihren Angestellten einen Teil der Eigentumsanteile überschreiben. Andererseits sollen Unternehmen vom Staat direkte finanzielle Anreize erhalten, wenn sie zusätzliche Jobs schaffen, in die Ausbildung ihrer Angestellten zu investieren und speziell junge schwarze UnternehmerInnen auszubilden. Auch die DA benennt die Notwendigkeit, durch ein stärkeres Wettbewerbsrecht bestehende Monopole aufzubrechen und KMU zu stärken.
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Enteignung und Landreform

Ein dominierendes Thema der politischen Debatte in den letzten Monaten war die Frage der Landreform. Ursache ist die extrem ungleiche Verteilung von (Farm-) Landbesitz in Südafrika, die sich seit dem Ende der Apartheid kaum geändert hat. Über drei Viertel des Landes sind in der Hand von ca. 35.000, überwiegend weißen, FarmerInnen. Dem stehen ca. 3 Millionen Landlose und landarme Menschen im ländlichen Raum gegenüber. Dies widerspricht dem Versprechen, welches der ANC nach dem Sieg der ersten demokratischen Wahlen im Jahre 1994 gab. Dort wurde angekündigt, in der ersten Legislaturperiode 30 Prozent des Landes umzuverteilen. Heute, 25 Jahre nach dem Versprechen, wurde nur ungefähr 10 Prozent des Landes über das „willing buyer, willing seller“ Prinzip umverteilt, das heißt der Staat kaufte Land auf. Im Zentrum der Debatte steht dabei nicht nur die Frage, wieviel Land umverteilt werden soll, sondern auch unter welchen rechtlichen Bedingungen. Insgesamt wird die Debatte jedoch weniger hysterisch geführt als in den meisten europäischen Medien.
Ein zentraler Punkt der Debatte ist die Frage einer Ergänzung in dem Paragraph 25 der südafrikanischen Verfassung. Auf Antrag von EFF und mit Unterstützung des ANC wurde eine Kommission im Parlament eingesetzt, die die Möglichkeiten ausloten soll, explizit die entschädigungslose Enteignung von Land zu ermöglichen. Die DA lehnt diese Weiterentwicklung des Paragraphen ab und fordert eine „Landreform“ über Marktmechanismen – also wie bisher. Doch auch ANC und EFF weisen unterschiedliche Haltungen in der Frage der Änderung des Paragraphen auf. So schlägt der ANC in seinem Wahlprogramm eine Formulierung vor, die „die wirtschaftliche Entwicklung, die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit fördert“. Der EFF stellt dagegen die „gleichmäßige Nutzung und Umverteilung“ in den Mittelpunkt. Zudem soll ausländischer Besitz von Farmland verboten werden und das Land enteignet und unter staatliche Verwahrung gestellt werden, um die Umverteilung an die Bevölkerung zu gewährleisten. Dies soll durch die Etablierung von staatlichen Ombudspersonen geschehen.
Im Fokus des DA steht neben der Ablehnung der umverteilenden Landreform vor allem eine Absage an die Korruption und den Klientelismus des ANC. So fordert sie neben Transparenz bei der Umverteilung des Landes auch, dass dies nicht an die Amtsinhaber einer Partei gehen darf. Im Zentrum stehen neben freiwilligen Umverteilungsmaßnahmen die Möglichkeiten brach liegendes Land im Staatsbesitz umzuverteilen und sogenannte „Shared Equity Schemes“, freiwillige Kooperationen zwischen ArbeiterInnen und LandbesitzerInnen. Deren Erfahrung in der Provinz Eastern Cape sind aber bisher als eher ernüchternd einzuschätzen.

Kapstadt

Deutlich wenden sich ANC und DA gegen die Möglichkeit, das Land, welches im „Communitybesitz“ ist, ebenfalls umzuverteilen. Dieser Passus bezieht sich auf die Forderung der EFF auch das Land unter Kontrolle des »Ingonyama Trust« umzuverteilen. Dieser Trust hält drei Millionen Hektar Land und wird von dem Zulu-König kontrolliert, der gemeinsam mit weiteren traditionellen Autoritäten im Aufsichtsrat sitzt. Der EFF fordert im ersten Schritt, das Land an den Staat übergeben, um im zweiten Schritt die Verteilung an lokale BäuerInnen durchzuführen. Auf diese Forderung antwortete Zulu-König Goodwill Zwelithini damit, dass er auch in den Krieg ziehen würde, sollte dieser Plan durchkommen.Ein weiterer deutlicher Unterschied in den Programmen ist der Umgang mit Land, welches zugunsten von Bergbaukonzernen enteignet wird. ANC-Minister Gwede Mantashe will gegen ein Urteil vorgehen, welches es verbietet Land für Bergbaukonzerne ohne die Zustimmung der ansässigen Bevölkerung zu enteignen. EFF dagegen verteidigt das Urteil und fordert, dass diejenigen die keine Landtitel besitzen aber über Gewohnheitsrechte verfügen mit den Besitzern von Landtiteln gleichgestellt werden und dadurch in Zukunft auch in den Schutz dieses Rechts gelangen.
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Migration und Xenophobie

Ein weiteres Thema, welches im öffentlichen Diskurs immer mehr Raum einnimmt, ist die Debatte um (illegale) Migration nach Südafrika. Sie wurde vom DA angestoßen und in den Zusammenhang von Kriminalität gestellt. Im Wahlprogramm der Partei wird dem Thema Migration auch ein ganzes Kapitel gewidmet, welches bezeichnenderweise den Titel „Immigration: Securing Our Borders“ trägt. Damit wird deutlich, dass für den DA Migration vor allem eine Gefahr darstellt, die durch stärkere Grenzkontrollen und -sicherung eingehegt werden muss. Weiter heißt es im Programm, dass es durch Probleme mit nicht dokumentierter Migration zu schlimmen Gewalttaten und Xenophobie kam. Die Ursache von Gewalt wird somit indirekt bei den Betroffenen verortet. Gleichzeitig macht das DA-Programm aber deutlich, dass nicht nur illegale Migration abgelehnt wird. Legale Migration und die Beibehaltung des sich selbst zugeschriebenen Status als „kosmopolitisches Land“ werden dagegen verteidigt. Vor allem soll daher die Einreise für qualifizierte MigrantInnen erleichtert werden, während “illegale“ MigrantInnen dagegen „sicher“ in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Um diese Ziele zu erreichen, sollen zum einen die zuständigen Abteilungen des Innenministeriums ausgebaut werden und zum anderen die Grenzsschutzpatrouillen um 50 Prozent aufgestockt werden.

Im Wahlprogramm des ANC spielt Migration eine deutlich kleinere Rolle. Undokumentierte Migration wird ebenfalls ausschließlich im Zusammenhang mit Kriminalität diskutiert und eine Abschiebung von kriminellen MigrantInnen gefordert. Ansonsten wird die Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten zur Sicherung der Grenzregime erwähnt. Im Wahlprogramm der EFF wird sogar nur an einer einzigen Stelle von Migration geredet. Sie wollen eine Registrierung aller MigrantInnen und damit die Situation des „Undokumentiert-seins“ beenden. Zudem wird ein Vorgehen gegen Xenophobie gefordert, welches nicht nähert erläutert wird.

Die immer wieder stattfindenden Angriffe auf MigrantInnen spielen somit bei keiner der Parteien eine konkrete Rolle, obwohl erst vor kurzem in Durban drei Menschen bei rassistischen Angriffen umkamen. Die Wahlprogramme von ANC und EFF zeichnen somit eine relativ ungenaue Antwort auf aktuelle Debatten um Migration und Xenophobie, während die DA diesem Thema deutlich mehr Raum gibt, sich aber bei der Antwort an neoliberalen Verwertungslogiken orientiert. EFF macht deutlich, dass er jede Form von Xenophobie ablehnt.
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Korruption und State Capture

Ein weiteres zentrales Thema ist die Debatte um Korruption und State Capture. State Capture meint die systematische Korrumpierung staatlicher Strukturen zum eigenen Vorteil durch politische FunktionärInnen und RepräsentantInnen, die unter Zumas Präsidentschaft Normalität wurde. Eine zentrale Maßnahme Ramaphosas kurz nach Übernahme der Präsidentschaft war die Einsetzung einer Untersuchungskommission (Zondo-Commission), die sich der Frage widmet, welcher Politiker sich wie bereichert hat. Im Wochentakt werden neue Skandale aufgedeckt.

Alle drei großen Parteien widmen der Bekämpfung von Korruption eigene Kapitel und fordern ein intensives Vorgehen gegen Korruption. DA und EFF fordern eine deutliche Erhöhung der Strafen für korrupte BeamtInnen und PolitikerInnen. Die DA fordert eine Erhöhung auf 15 Jahre, die EFF auf 20 Jahre. Gemeinsam ist allen Parteien, dass sie unabhängige Institutionen fordern, welche staatliche Auftragsvergabe und Projekte überprüfen sollen. Gänzlich gegensätzlich ist dagegen der Ansatz von EFF und DA, wenn es um die Rolle geht, die private Konzerne spielen sollen. Während die DA mehr Public-Private Partnerships fordert, macht die EFF im Kapitel zu Korruption deutlich, dass sie sich gegen jede Form der Auslagerung von staatlichen Aufgaben an private Konzerne wendet. Insgesamt formulieren alle drei Parteien in ihrem Programm eine klare Absage an Korruption. Der ANC, den die Korruptionsvorwürfe maßgeblich treffen, schreibt im Wahlprogramm, dass die Korruption in den eigenen Reihen bekämpft wird. Zu konkreten Maßnahmen, die über Kontrollinstanzen und eine Erhöhung der Strafen hinausgehen, wird sich jedoch ausgeschwiegen.
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Exkurs: Die Socialist Revolutionary Workers Party

Neben den drei großen Parteien treten noch 45 weitere Parteien in allen Provinzen an, ein neuer Rekord. Von diesen kann sich ein Dutzend Parteien Hoffnungen machen, mindestens einen Sitz im Parlament zu gewinnen. Dies liegt vor allem daran, dass es keine Hürde für den Einzug ins Parlament gibt. So werden 200 Sitze über die landesweiten Listen und 200 über Provinzlisten gewählt. Diese Listen werden anhand der Ergebnisse dann aufgeteilt, wodurch ein Ergebnis von einem Prozent in einer der Provinzen schon zu einem Einzug ins Parlament führen kann. Aus linker Perspektive ist dabei insbesondere die neugegründete Socialist Revolutionary Workers Party (SRWP) interessant. Die Partei, gegründet von der größten südafrikanischen Gewerkschaft NUMSA, wird unterstützt von anderen Gewerkschaften des Dachverbandes South African Federation of Trade Unions (SAFTU). Ihr Anspruch ist es, eine Stimme der Arbeiterklasse zu sein und eine Überwindung des kapitalistischen Systems zu erreichen. Das Parlament stellt dafür in den Augen des Parteivorsitzenden Irvin Jim nur eine Bühne dar und die Wahlen ein Mittel, um die Arbeiterklasse in Kontakt mit der neuen Partei zu bringen. Der Fokus liegt dementsprechend vor allem auf einer Bekanntmachung der Partei und ihrer Ziele, dem kompromisslosen Einsatz für alle ArbeiterInnen und den Kampf gegen Ausbeutung und Privatisierungen. Ein Wahlprogramm der SRWP gibt es zum Zeitpunkt der Formulierung dieser Analyse nicht. In den Fokus ihrer Kampagne stellt die Partei den Kampf gegen einen möglichen Verkauf des staatlichen Energieversorgers Eskom. Die Gründung fand allerdings nur knapp einen Monat vor den Wahlen statt, weswegen sie noch nicht über große Bekanntheit verfügt und es teilweise zu Kontroversen in SAFTU kam, ob die Gründung einer Arbeiterpartei nicht mehr Zeit gehabt hätte. Trotzdem kann sich SRWP wohl Hoffnungen machen mindestens einen Sitz im Parlament zu erreichen. Wie es danach weiter geht und ob die Partei die Hoffnungen, welche auf dem Working Class Summit von SAFTU artikuliert wurden, erfüllen kann, bleibt abzuwarten.
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Fazit

In der wirtschaftspolitischen Debatte teilen die drei Parteien in ihrer Problemanalyse den Fokus auf Arbeitslosigkeit und ausufernde Korruption, unterscheiden sich aber erheblich in ihrer grundlegenden Ausrichtung. Der ANC setzt auf starke öffentliche Infrastrukturinvestitionen und einen Mix aus ausländischen Investitionen und dem heimischen Sektor. Der EFF geht bei den Vorschlägen zu einer pro-aktiven, staatlichen Politik am weitesten. Die DA setzt auf massive Subventionen und Abbau von Regulierung für ausländische Direktinvestitionen.

  • In der wirtschaftspolitischen Debatte teilen die drei Parteien in ihrer Problemanalyse den Fokus auf Arbeitslosigkeit und ausufernde Korruption, unterscheiden sich aber erheblich in ihrer grundlegenden Ausrichtung. Der ANC setzt auf starke öffentliche Infrastrukturinvestitionen und einen Mix aus ausländischen Investitionen und dem heimischen Sektor. Der EFF geht bei den Vorschlägen zu einer pro-aktiven, staatlichen Politik am weitesten. Die DA setzt auf massive Subventionen und Abbau von Regulierung für ausländische Direktinvestitionen.
  • In dem Vergleich der Wahlprogramme zwischen ANC, EFF und DA wird deutlich, dass die drei Parteien in ihrer Position zur Landreform deutliche Unterschiede aufweisen. ANC bleibt erstaunlich vage, EFF will eine Verstaatlichung des Landes, die DA lehnt Enteignungen dagegen prinzipiell ab.
  • In der Migrationsdebatte, die in Südafrika noch am Anfang steht, weißt die DA das klarste Konzept auf und setzt darauf, gering qualifizierte MigrantInnen auszuschließen. Der ANC verfügt dagegen über kein klares Konzept und fordert lediglich Grenzsicherung und Abschiebung von StraftäterInnen. Als einzige der drei großen Parteien spricht der EFF nicht von Abschiebungen und positioniert sich am deutlichsten gegen Xenophobie. Ein Integrationskonzept oder Ideen für den Umgang mit der Migrationsfrage hat keine der Parteien.
  • Zur Bekämpfung von Korruption fordern DA und EFF jeweils Verschärfungen bei der Bestrafung im Falle von Verurteilungen. Zu der Frage, über welche institutionellen Mechanismen Korruption präventiv bekämpft werden kann, findet sich jedoch in den Programmen aller drei Parteien wenig.

Für die kommende Legislatur dürfte entscheidend werden, ob die linken Kräfte im Parlament und auf der Straße genug Druck auf den ANC ausüben können, um diesen zu sozialen Verbesserungen und einer möglichen Abkehr von dem neoliberalen Kurs zu drängen. Entscheidende Projekte dabei sind – wie oben diskutiert – Investitionen in Schaffung von Jobs, der Kampf gegen Korruption und State Capture, die Umsetzung der Landreform und die Durchsetzung von sozialen Verbesserungen für die immer noch arme Mehrheit des Landes sowie die Verhinderung von Privatisierungen und Ausverkauf der staatlichen Infrastruktur. Darüber hinaus können diese Wahlen auf regionaler Ebene einen bedeutsamen Wandel bringen. Es ist nicht auszuschließen, dass es in drei Provinzen zu Konstellationen kommt, in denen eine politische Mehrheit ohne den ANC möglich ist. Vor allem in der wirtschaftlich wichtigsten Provinz Gauteng liegt dies im Bereich des Möglichen. Die inhaltlichen Differenzen und Unschärfen der Parteien werden dann relevanter, denn Fragen der Bündnisfähigkeit und die Koalitionsbereitschaft waren in Südafrika bisher kaum Thema. Kurz vor der Wahl ist vieles offen, aber schon diese Offenheit zeigt, dass die südafrikanische Demokratie nach 25 Jahren in eine neue, zweite Phase des Mehrparteiensystems eintritt.

Der Beitrag wurde geschrieben von Jules El-Khatib, ehemals Praktikant der Rosa Luxemburg Stiftung in Südafrika, Jan Leidecker Direktor des Büros in Johannesburg der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und Benjamin Luig, Koordinator des Programms zu Ernährungssouveränität der Rosa-Luxemburg-Stiftung .

Er erschien zuerst als Paper der Rosa Luxemburg Stiftung. Mehr Informationen zu Südafrika finden sich hier.

  1. Die diskutierten Wahlprogramme finden sich unter: ANC – https://www.politicsweb.co.za/documents/the-ancs2019-election-manifesto; EFF – https://www.politicsweb.co.za/documents/the-effs-2019election-manifesto-i; DA – https://cdn.da.org.za/wp-content/ uploads/2019/02/22160849/A4-Manifesto-Booklet-Digital.pdfn
Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors. Bilder und Bildunterschriften wurden teilweise von der Redaktion American Rebel hinzugefügt.

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Mai13
on 13. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein

Hartmut Barth-Elgelbart

70 Jahre Luftbrücken-Lügen / 70 Jahre Grundgesetz
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Hartmut Barth-Elgelbart


Wegen der Terminierung des NATO-Aufmarsches an den russischen Grenzen wurde von A bis Z von ARD bis ZDF das Luftbrückenstartdatum einfach um ein Jahr verlegt von 1948 auf 1949 und in den letzten Tage schweres Geschütz aufgefahren.
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Zunächst aber erstmal zum Grundgesetz:

Luftbrücke. Bild Bundesarchiv

Als die Kommunisten in den Westzonen 1949 dem Grundgesetz die Zustimmung verweigerten, sagte der KPD-Vorsitzende Max Reimann: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“ Es gab Mal eine Zeitspanne, in der FDP-Mitglieder wie Baum und Hirsch die immer weiter abgebauten Reste bürgerlicher Rechte und Freiheiten verteidigten. Wer es durchgängig machte, von 1949 bis heute, waren die Kommunisten. Sie verteidigten sogar solche GG-Märchen, dass Eigentum verpflichtet. Wozu? Zu mehr als zu seiner Vermehrung doch wohl nicht!

Jetzt hat das Grundgesetz einen Schwerbeschädigten-Ausweis, wird wie seine LeidensgenossINNen regelmäßig totgefeiert, darf ermäßigt Bus und Bummelbahn fahren, aber nicht mit dem ICE und wird dann auf der Berliner Museumsinsel ausgestellt. Warum das GG nicht im ICE mitfahren darf? Das schwerbeschädigte Grundgesetz als mobile Gewissensprüfung würde das ICE-Wellnesstraining völlig ausbremsen, man fühlte sich im Zugabteil wie auf der Anklagebank. Und das kann die Bahn ihrem gehobenen Klientel nicht zumuten. Ist doch logisch – oder? So grenzen dann auch Verspätungen schon an Folter.
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Nun aber zum zweiten 70Jahre-Jubilar:

Die Luftbrücke, die dreisteste Geburtslüge der Bundesrepublik Deutschland wird auch 70
. ARD und ZDF überschlagen sich mit antirussischen Propaganda-Sendungen. Und die sind ja auch à jour, intime, weil die dritte Neuordnung Europas ansteht . Diesmal von Beginn an unter US-Führung. Mit einer Luftbrücke hätte man die Freiheit der Krim vielleicht noch retten können
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70 Jahre Berliner Luftbrücke: Entzauberung einer Legende

Unter dem Jubiläums-Jubel “50 Jahre 68er” und dem Rubel-Trubel zur Fußball-WM ist die Erinnerung an die 70 Jahre Berliner Luftbrücke ziemlich sang- und klanglos verschütt gegangen.
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Zum kompletten Artikel:

70 (71!) Jahre Luftbrücken-Lügen / 70 Jahre Grundgesetz jetzt mit großen Lücken

 

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Mai11
on 11. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein

LUPO

Klimawandel hat einen Namen

Lupo

Da wird sich überschlagen bei Vorschlägen die Klimakrise zu bewältigen. Jeder solle am besten kein CO2 mehr ausatmen, kein Fleisch mehr essen, das Auto stehen lassen, nicht mehr ins Flugzeug steigen, die Heizung abschalten, nur noch kalt duschen und nun Steuern zahlen für CO2. Wozu dieser Quatsch geführt hat, ohne daß nur ein Deut von der Klimakrise verändert wurde, das hat uns in Frankreich der Aufstand der Geldwesten gegen Macrons CO2-Steuer gezeigt. Mit völliger Brüderlichkeit prügelt er mit seiner Polente diese CO2-Steuer durch. Nur haben die Gelbwesten Ross und Reiter genannt bei der Klimakrise?

Damit Herr Patrick Pouyanné von TOTAL fett leben, prügelt Macron, treibt für ihn Steuern ein, die CO2-Steuer. In diesem Land treibt der Herr Rolf Martin Schmitz von RWE sein Unwesen und prügelt für Braunkohle und Abholzung von Hambi bislang hat man dort noch keine Gelbwesten gesehen. Doch die Alibi-Umwelt-Sozin Schulze sorgt für Nachschub. Sie will auch die C02-Steuer und hat die GRÜNEN im Bunde. Hier wird der Ökofaschismus zur vollen Blüte gebracht.

Wohl wissend, dass der Aufstand kommt wie das Amen in der Kirche, wird erzählt man wolle diesen Blödsinn sozial verträglich gestalten. Will heißen, den Reichen wird genommen und den Armen gegeben. Demnach müssten die 340 000 Stromabschaltungen in diesem Lande aufgehoben werden. Doch davon ist nichts in Sicht.

Derzeit wird von Enteignung palavert. Doch RWE enteignet Bürger um Braunkohle zu backen. Verkehrte Welt. Die Fossilindustrie steckt in der Krise, sie hat Konkurrenz von den Erneuerbaren bekommen. Kriege werden geführt um die Haut zu retten, wie zum Beispiel Saudi Arabien. Dort werden Köpfe abgeschlagen, weil sich die Scheichs bedroht fühlen und die Erde weiter zerstinken können. Der Öl- und Gaszar Putin betreibt Kriege um sein Zarenreich auszudehnen, besonders in Syrien. Der Erdölkönig von Venezuela Maduro nagt am Hungertuch, kriegt kein Öl mehr los, obwohl er die größten Erdölreserven der Erde hat. Fossil, Reichtum oder Fluch?

Im Schlepptau der Fossilindustrie liegt die Autoindustrie. Sie leidet derzeit an Schwund. Die Stinker lassen sich nicht mehr verkaufen. Bei VW stehen 600 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das Elektroauto soll das retten. Am liebsten soll man seinen Stinker wegwerfen und ein neues Elektroauto kaufen. Doch die laufen auch nur mit Fossilstrom. Also Schwindel wohin man sieht. Die Klimakrise ist eine Krise des Kapitalismus und mit ein paar Reförmchen wird der Planet nicht gerettet. Entweder es gibt Klassenkampf oder beide Klassen, Ausbeuter und Ausgebeutete, werden untergehen. Unwetter und Unbilden haben schon reichlich Proleten gefressen und das wird noch zunehmen. Dazu wird dann der Klingelbeutel geschüttelt um zu lindern. Auf Porto Rico hat der Milliardär Trump, ein Freund der Fossilmafia, sein schäbiges Gesicht gezeigt. Die Insel vom Hurrikan verwüstet, hat er dafür nur dumme Sprüche übrig und er lässt weiter stinken.

Es gibt keine Einheit von Mensch und Natur wie Stefan Engel von der MLPD es uns in seinem Buch „Katastrophenalarm!“ weismachen will, sondern Menschen die die Natur systematisch zerstören. Das sind die Fossil-Kapitalisten wie oben mit Namen genannt. Die Umweltbewegung täte gut daran diese zu bekämpfen und ihnen ihr tödliches Handwerk zu legen.
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Mai11
on 11. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Andreas Habicht, Diethard Möller, Kim Rebell, Michael Hillband

Kiki Rebell

Pflege am Limit – Pflegenotstand – Pflegeaufstand!

Des Kapitals Lieblingskind droht zu kollabieren

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Kiki Rebell

Heute fand in Kiel eine beeindruckende Demonstration gegen den Deutschen Pflegenotstand statt. Unter den Forderungen „Mehr Personal für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen!“ und „Bedarfsgerechte Versorgung für ALLE statt Profite für WENIGE!“ rief die Gewerkschaft ver.di zum Protest auf dem »Platz der Kieler Matrosen« vor dem Kieler Hauptbahnhof auf und 600 Menschen kamen und zeigten ihren Unmut.

Nico Wickleder, Jugendsekretär des Landesbezirkes Nord von ver.di sagte: „In den Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen fehlt Personal. Patienten/-innen, Bewohner/innen und Angehörige leiden darunter. Die Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenzen längst überschritten. Betroffen sind alle Bereiche wie Pflege, Therapie, Betreuung, Reinigung oder Hauswirtschaft. Alleine in der Kranken- und Altenpflege fehlen weit über 100.000 Stellen. Die Folgen: Trotz des großen Einsatzes der Beschäftigten kommt es zu Pflegefehlern, erhöhtem Sterberisiko und Hygienemängeln. Unwürdige Situationen sind für Patienten/innen, Bewohner/innen und Angehörige in Kliniken und Pflegeinrichtungen alltäglich geworden. In der ambulanten Pflege müssen Pflegedienste Anfragen ablehnen, weil Personal fehlt.“

Demo am 11. Mai 2019, Foto: KikiRebell

Da uns, den Freunden und Sympathisanten/-innen von Arbeit-Zukunft die Forderungen und Feststellungen von ver.di nicht ausreichend erschienen, haben wir wir ein Flugi erstellt, wovon wir 250 Stück verteilten. Darin heißt es:

„In den Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen fehlt es massiv an Personal und die Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenzen längst überschritten. Alleine in der Kranken- und Altenpflege fehlen nach Angaben von ver.di bundesweit über 100.000 Stellen. Die tägliche Arbeitshetze verursacht Stress und Krankheiten. Spätestens nach zwei Jahren im Beruf ist der Grundgedanke, Menschen helfen zu wollen, bei vielen Kollegen/-innen schon vernichtet – die ersten „flüchten“ bereits während oder kurz nach der Ausbildung. Das alles ist den Schwestern und Pflegern, die bleiben, bekannt und dennoch treten sie je- den Tag wieder zum Dienst an.

Demo am 11. Mai 2019,
Foto: KikiRebell

Das Geschäft mit der Pflege

Spekulanten, Verbrecher und Gangster haben sich das Geschäftsmodell Pflege zur Beute gemacht und die Betreiber langen kräftig zu. Der Staat hat komplett versagt. Die sogenannte Daseinsfürsorge im Pflegefall gibt es schon lange nicht mehr, obwohl man immer noch so tut, als ob. Den „fürsorgenden Staat“ gibt es nur für die 709 Abgeordneten des Bundestages. Sie können, im Gegensatz zu denen, die hier an einem konkreten Beispiel „zu Wort“ kommen, fürsorglich leben.
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Zuneigung muss bezahlt werden

Die Angehörigen und Patienten sind diesem System meist ausgeliefert und sind oft mit all der z. T. überflüssigen Bürokratie überfordert und deswegen dringend auf Hilfe angewiesen. Die Angehörigen greifen nach dem erstbesten „Strohhalm“ um die Situation zu entschärfen. Natürlich wollen sie ihre Eltern nicht abschieben, aber ihre Lebens- und Arbeitssituation lässt oftmals keine andere Möglichkeit zu. Der Pflege- bedürftige oder die Angehörigen müssen tief ins Portemonnaie greifen, wenn sie in solch einer Einrichtung gewollt oder auch ungewollt landen.
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Immer mehr Private

Waren Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen größtenteils bis in den 90er Jahren noch in Trägerschaft der öffentlichen Hand, so befinden sie sich jetzt mehrheitlich, nämlich bereits zu über 52%, in den Krallen privater Investoren. In Schleswig-Holstein lag der Anteil Privater im Jahr 2016 schon bei 73%. Zurzeit kommen jeden Monat bundesweit 70 bis 80 neue Einrichtungen dazu. Offenbar lohnt es sich zu investieren. Galten bislang noch Atomkraftwerke als wahre Gelddruckmaschinen, so sind es jetzt Pflegeheime und ambulante Pflegedienste. Längst sind auf diesem Sektor große Konzerne entstanden mit der Tendenz zur Monopolbildung.
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Demo am 11. Mai 2019, Foto: KikiRebell

Jens Spahn und das Kalte Herz

Der 38-jährige CDU-Rechtsaußen Jens Spahn, der als Minister die Fäden im Gesundheitswesen in den Händen hält, ist ein verlässlicher Partner der Wirtschaft. Dank seiner Arbeit und der seiner Vorgänger aus CDU, FDP und SPD ist das Gesundheitswesen eines der profitabelsten im Lande. Bei guter Pflege durch den Minister dürften die Profite der einschlägigen Unternehmen bis hin zum Betreiber eines kleinen Altenpflegeheims durch die Decke schießen.

Deshalb darf sich der Kampf der Kollegen/-innen aus dem Gesundheitswesen auch nicht allein auf tarifliche Forderungen beschränken. Die Personalknappheit, die Ausbeutung und das Herausquetschen der letzten Arbeitskraft aus den Kollegen/innen bei minimaler Bezahlung, ist gewollt! Es gehört zum System, das sich Kapitalismus nennt und dient allein der Kapitalvermehrung der Bosse, Inhaber und Aktionäre der Einrichtungen.

Demo am 11. Mai 2019, Foto: KikiRebell

Nur politische und grundlegende Forderungen wie die Rekommunalisierung von Krankenhäusern und Alteneinrichtungen oder letztendlich die Übernahme der Einrichtungen durch die Beschäftigten selbst können grundlegende Veränderungen schaffen. Dafür müssen auch die Gewerkschaften eintreten.

Die bisherigen von der Politik beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, sie gießen den gewollten Personalnotstand nur in neue Gesetzesformen. Was wir brauchen sind einschneidende Veränderungen, die die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte erheblich verbessern und den Patienten und Angehörigen eine ausreichende und würdige Pflege und Betreuung garantieren.
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Wir fordern:

  • Mehr Personal für Krankenhäuser und Altenpflege!
  • Ein solidarisches Gesundheitssystem für alle Menschen, nicht für Profiteure!

Wir brauchen:

  • Einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel, der an den Bedürfnissen der zu Pflegenden orientiert ist
  • Angemessene Bezahlung, d.h. mindestens 30% mehr
  • Ein 13. Monatsgehalt
  • Angemessene Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste
  • 30 Tage Urlaub im Jahr
  • 35 Stunden-Woche (bei 5 Arbeitstagen)“

Das Flugi könnt ihr euch auch hier runterladen und selber verteilen
oder Bestellen bei: info@arbeit-zukunft.de zum Preis von 10 Cent pro Stück zuzügl. Porto

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Quellen: Michael Hillerband, ver.di, Andreas Habicht, Ulrike Spurgat, Robert Balzer, Stefan Wiese

weitere Beiträge von Fiete Jensen

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Lest dazu auch:

– Pflege am Limit – Des Kapitals Lieblingskind droht zu kollabieren

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Mai11
on 11. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein, Harry Popow

Harry Popow

Soldaten für den Frieden (Teil sechs)

Leseprobe aus „Ausbruch aus der Stille…“ von Harry Popow
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Harry Popow

Hier nun die sechste Leseprobe aus meinem neuen Buch »Ausbruch Aus Der Stille – Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten«, das im Februar dieses Jahres auf den Markt gekommen ist. Bitte benutzt auch die Kommentarfunktion für Eure Kritiken und Einschätzungen.
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»Geologen-Zeit

September des Jahres 1954. Schwerin. Schmalbrüstige Straßen. Herbstluft. Neuer Arbeitsort für Henry: Ein zweistöckiges kleines Gebäude in der Schlossstraße. Ein schmales Arbeitszimmer für Henry. Seine Aufgabe: Erste physikalische Bodenuntersuchungen vorzunehmen. Die Bodenproben haben Mitarbeiter herbeigeschafft und in kleinen Kartons verstaut. Daraus entnimmt Henry die Steine oder Erdklumpen. Er tröpfelt verdünnte Salzsäure darauf. Wenn es schäumt, ist Kalk drin. Er untersucht, registriert, füllt in Reagenzgläser ab und beschriftet sie. Viel auf Reisen. In einem kleinen Heftchen – seine ersten Tagebucheintragungen – hält er folgendes fest: Von der Geologischen Kommission bekommen – Rucksack, Kartentasche, Regenmantel, Gummianzug, Gummistiefel, hohe Lederschuhe. Notwendige Ausrüstung für den kartierenden Geologen (ohne Zeltübernachtung): Derbe Kleidung (Gummistiefel, Reithosen, Skihosen), Kartentasche, Geologenrucksack, Bleistift, Zeichenblock, Notizbuch, Messtischblatt, Geologenhammer, gute Lupe, Erdbohrer, Nähzeug usw. Kartentasche habe ich schon, Gummistiefel noch nicht und vieles andere.

Buch-Cover Ausbruch aus der Stille von Harry Popow – Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Wohne in der Buchholzallee, einem Einfamilien-Reihenhaus, sein Zimmer befindet sich gleich im Parterre links. Seine Vermieter sind ältere und fortschrittliche Leute, er aber säuft. Henrys Sparplan: 209 DM monatliche Einnahmen. Davon 40 DM für Kost, 25 DM für Miete (1 Zimmer), 17 für Mittagessen, 10 für Beiträge, 50 für Mama, Rest eventuell zum Sparen. Küchenrezepte für Ledige mit Einzelzimmer: 1. Bratkartoffeln mit Ei usw. 2. Pellkartoffeln mit Fisch und Gurkensalat. 3. Fleischsalat und Brot. 4. Käse. 5. Eierkuchen. 6. Obstsuppe. 7. Büchsenfleisch. 8. Wurst – Butter – Brot. Auf der Lebensmittel-Zusatzkarte D bekommt er 1950 Gramm Fleisch und 1300 Gramm Fett. Er rechnet sich aus, wie viel er alle zwei Tage verbrauchen darf. Und ist trotzdem sehr zufrieden. Der tägliche Weg durch den bunten herbstlichen Park und am Schloss vorbei, in dem ein Pädagogisches Institut (Mädchen vor allem) untergebracht ist, der Duft nach Laub, seine vielen Spaziergänge am Wochenende, seine kleine Freiheit. Am Schloss hat er eine Zeichnung angefertigt. Aber alleine sein und ausgehen ist großer Mist, findet er. Wenn er in einem Tanzlokal sitzt, ist er verklemmt, mimt, mit einem Skizzenblock bewaffnet, den französischen Maler Henri de Toulouse-Lautrec, denn er fühlt sich so blöd, einfach so nach den Mädchen zu gieren … Am 27.9. will er sich in der Volkshochschule anmelden – Fach Geologie.

Der Kollektor bekommt Post. Seine Mama schreibt ihm: „Deine 50,- DM haben wir bekommen, ich habe nur Angst, das du selbst zu wenig Geld hast, um so essen zu können, wie es in Deinem Alter unbedingt sein muss. Schreibe mir, wo du Dein Mittag bekommst … muss ich denn immer bei Dir betteln, dass Du mir etwas mehr schreibst? Über alles,- nicht nur über Schönheiten der Natur …“ Im gleichen Brief einige Zeilen auch von Schwester Sophia: „Im Übrigen solltest Du Dich nicht so viel mit Mädchen abgeben, denn ich bin auch noch da u. mit mir Ingrid, weißt Du, die uns gegenüber im Hinterhaus wohnt. Sie hat sich in Dich bis über beide Ohren verliebt … Ich habe in Mathematik mündlich schon eine Eins bekommen. Das wären 0,50 DM, stimmt’s? Die brauchst Du mir aber nicht zu schicken. Es ist bloß zu Deiner Information.“

hier geht es weiter »

Henry notiert weiter: Am 23. September in der Frühe 04 Uhr mit dem BMW der Außenstelle nach Richtenberg gefahren und weiter nach Binz auf Rügen. Dort „Aufnahme“ gut geglückt. Das heißt, wir haben ein Stück des Hochufers mit weißen „Binden“ verklebt, von der Wand abgenommen, eingerollt, im Auto verpackt und mit nach Schwerin genommen zur weiteren geologischen Untersuchung. Gutes Wetter, herrliche Gegend. In Göhren übernachtet. Am ersten Abend tanzen gewesen. Am 25. zum Wildland bei Groß Zicker. Ödland. Kein Mensch. Nur Gesträuch, Bäume, Gräser, Steilküste und viele Fossilien. Wildland war mal bewohnt. Es wurden drei Steinbeile gefunden. An der Küste wieder eine kleine Bleistiftzeichnung angefertigt.

Henry ist glücklich. Er hat eine tolle Arbeit, und er würde auch gerne studieren. Das ist kein Traum. Er bewirbt sich in Freiberg im Erzgebirge. Bald kommt eine positive Antwort. Es ist Anfang Oktober. Er soll zur Aufnahmeprüfung: Lagerstättenkunde, Mineralogie, historische, regionale und angewandte Geologie, Aufbau des Meeres, Tektonik. Das Studium der Geologie kann im nächsten Jahr beginnen. Bis dahin: Arbeiten und büffeln – büffeln und arbeiten. Henry ist ganz bei der Sache. Nach der Rückkehr nach Schwerin jedoch ein „Überfall“. Zwei unbekannte Männer wollen mit ihm sprechen. Sie sitzen vor ihm in „seinem“ Labor. Sie kommen vom Wehrkreiskommando (hieß damals wohl anders). Sie lächeln, sind ausgesucht nett. Er, Henry, könne bei der Kasernierten Volkspolizei Militärgeologie studieren, dazu müsse er nach Erfurt und drei Jahre die Offiziersschule besuchen. (Sehr viele Jahre später wird er in einem geschichtlichen Abriß nachlesen: In den ersten drei Monaten des Jahres 1954 wurden nur 27 Prozent der Jahresaufgabenstellung für die Auffüllung der KVP erreicht …)

Das Angebot der beiden Männer klingt verlockend. Geologe sein und Offizier noch dazu! Henry fühlt sich sehr persönlich angesprochen: „Ausgerechnet mich will man haben, mich, den ruhigen Typ?“ Fühlt er sich geehrt? Sieht er noch eine größere Chance als die bisherige in Aussicht genommene Laufbahn? Zum Beispiel so richtig eingebunden zu sein in einer großen festgefügten Gemeinschaft? Sucht er Halt? Braucht er den? Er will Bedenkzeit. Und so geht dem noch Siebzehnjährigen die Frage durch den Kopf, ob er nach der Offiziersschule zum Studium nach Freiberg überwechseln könne? Wenn nicht, so seine naive Vorstellung, will er erst zum Geologiestudium. Seine Bedingung außerdem: Zu Weihnachten will er zu Hause sein in Leipzig bei seiner Mutter und seinen Geschwistern Sophia und Axel. „Aber selbstverständlich,“ antworten Tage später die Werber. Ein älterer Mitarbeiter der Außenstelle betritt darauf das kleine Arbeitszimmer des Henry und gibt dem sehr viel jüngeren Mitarbeiter zu bedenken, nach spätestens zwei Jahren hätte er das Militär gründlich satt. Henry hat seine eigene Meinung. Er denkt: „Will der mich abhalten?“ Das geht ihm irgendwie gegen den Strich. Soviel weiß er schon, nicht alle Leute sind für „unseren Staat“. Von Papa erhält Henry einen Brief. Er schreibt, Angehöriger unserer KVP zu sein sei „eine große Ehre und Verpflichtung“. Natürlich könne man als Geologe seiner Gesellschaft „auch sehr viel geben“. Also klar: Er muss schon selber wissen, was er will. Gegen die Gesellschaft hat er nichts. Im Gegenteil: Menschliches ist hier gewiß gut aufgehoben. Das entspricht seinem inneren Gefühl, seinem Bild von einem vernünftigen Leben. Er sagt zu. Mitte November soll es losgehen. Und in seinem Notizheft hält er fest: „Voll Hoffnung und mit frohem Glauben, Geh aufs Ganze, verzage nicht, Vorwärts …“, so schreibt A.S. Puschkin in ‚Ruslan und Ludmilla‘.

Siebenter Oktober – Tag der Gründung der Republik. Feiertag, arbeitsfrei. In der Schlossstraße spricht man von „Wachsamkeit“ gegenüber Provokationen. Es wird Vorsorge getroffen, dass niemand die Außenstelle irgendwie „stört“. Man teilt auch den jungen Mitarbeiter zur Wache ein, von 20 bis 22 Uhr. Was er zu tun hat, wenn jemand „was will“, weiß er nicht, aber er fühlt sich gut, weil man ihm vertraut. Später erst wird er in einer Beurteilung lesen, dass dies sozusagen sein erster Einsatz in der Kampfgruppe war, den er auch gut bestanden hätte. Noch bevor er sich in den Zug setzt, der ihn nach Erfurt führen soll, schreibt seine Mutter ihm u.a. die folgenden Zeilen:

„Nun, mein guter, bester Junge, was macht KVP, – schon da gewesen? Frau Gerda Müller war bei mir gestern, die war in Westen vier Wochen, die sagt das Wehrpflicht in Westen ist beschlossene Sache. Diese Scheißdreck fehlt uns noch zum vollen Glück. Man weiß nicht, was nun zu tun ist …“
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Zum Inhalt

Ausgangssituation ist Schweden und das Haus, in dem die Ziebells wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.

Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er seine spätere Frau kennenlernte.

Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.

Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.

Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlussfolgerungen zieht.

Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.

Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender! «


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Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro.
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Über den Autor: Geboren 1936 in Berlin Tegel, erlebte Harry Popow (alias Henry) in seinem Buch „Ausbruch aus der Stille“) noch die letzten Kriegsjahre und Tage. Ab 1953 war er Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier. Eigentlich wollte er Geologe werden, und so begann Harry Popow ab September 1954 eine Arbeit als Kollektor in der Außenstelle der Staatlichen Geologischen Kommission der DDR in Schwerin. Unter dem Versprechen, Militärgeologie studieren zu können, warb man ihn für eine Offizierslaufbahn in der KVP/NVA. Doch mit Geologie hatte das alles nur bedingt zu tun… In den bewaffneten Kräften diente er zunächst als Ausbilder und danach 22 Jahre als Reporter und Redakteur in der Wochenzeitung „Volksarmee“. Den Titel Diplomjournalist erwarb der junge Offizier im fünfjährigen Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach Beendigung der fast 32-jährigen Dienstzeit arbeitete er bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. Von 1996 bis 2005 lebte der Autor mit seiner Frau in Schweden. Beide kehrten 2005 nach Deutschland zurück. Sie sind seit 1961 sehr glücklich verheiratet und haben drei Kinder, zwei Enkel und zwei Enkelinnen.

Frühere Artikel von Harry Popow

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Mai09
on 9. Mai 2019
Veröffentlicht in: Allgemein

Michael Hillerband

Umweltschutz – nicht nur Klimaschutz!
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Michael Hillerband

Vorbemerkung: Stellen wir uns ein randvolles Fass Wasser vor. Darin seien 999.999 Tropfen. Nun kommt der berühmte Tropfen dazu, der das Fass zum Überlaufen bringt… Nun unsere Frage: Welcher der jetzt 1.000.000 Tropfen ist der entscheidende? Wie war das nochmal mit dem „Umschlag der Quantität in die Qualität“?

Nach derzeitigen Erkenntnissen existiert der Mensch (Homo sapiens) seit mindestens 300.000 Jahren. Die erste internationale Umweltkonferenz in der Geschichte der Menschheit tagte 1992 in Argentinien. Also: rund 300.000 Jahre lang war eine solche Konferenz für die Menschheit nicht notwendig…

Die Wissenschaftler auf dieser Konferenz vereinbarten für ihre weitere Arbeit 13(!) Themenschwerpunkte, einer davon Klima, andere z. B. Bildung, Nachhaltigkeit…

„Spielen“, Veröffentlichung
mit fr. Genehmigung von Kola, Kiel

Übrigens: Wann fand die letzte internationale Umweltkonferenz statt? Du – liebe Leserin, lieber Leser – kommst jetzt vielleicht ins Grübeln, doch wenn Du weiterliest, seufzt Du wahrscheinlich „Ach ja!“

Die letzte Umweltkonferenz fand im März 2019 in Nairobi (Kenia) statt. Nicht allein wir haben bloß durch Zufall davon erfahren, richtiger: durch einen tragischen Unfall. In der im März über Äthiopien abgestürzten Boeing starben auch einige Wissenschaftler, die zur Konferenz in Nairobi wollten. Von der hätten wir nichts erfahren, hätten sie ein anderes Flugzeug genommen. Weißt Du eigentlich etwas über die Ergebnisse? Was haben die Medien darüber berichtet?
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Großer Schaukampf auf der Weltbühne beim Thema „Klimawandel“

Ganz anders die zahlreichen “Welt-Klimagipfel”, die mit viel Tamtam und Medienrummel fast jedes Jahr veranstaltet werden. Kopenhagen, Warschau, Kioto, Paris – wir wollen nicht alle aufzählen, diese “Gipfel” zur Rettung des Klimas. Veranstaltet werden sie seit 1988 vom IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change). Schon am Namen und auch sonst merkt man: Hier treffen sich von Regierungen ausgewählte Wissenschaftler. Sie vertreten vor allem die Interessen der kapitalistischen Wirtschaft und beauftragen andere Wissenschaftler bzw. Institute damit, Forschungsergebnisse im Sinne der Wirtschaft zu erzielen und zu veröffentlichen, fast ausschließlich zum Thema “Klima”. Für so manchen Wissenschaftler und so manche Forschungseinrichtung ist das eine gute Gelegenheit, an Gelder für ihre Arbeit heranzukommen. Die erhalten sie auch, voraus gesetzt, dass ihre Arbeitsergebnisse… So lautet jedenfalls der Vorwurf mancher abgewiesener Wissenschaftler und vieler Leugner eines menschengemachten Klimawandels, der “Klimaskeptiker”.

Entwicklung der globalen Temperatur
Von World Meteorological Organization – https://public.wmo.int/en/media/press-release/climate-breaks-multiple-records-2016-global-impacts, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57280038

Sicherlich gibt es durchaus ehrlich arbeitende Wissenschaftler und Institute. Aber es gibt auch eine Reihe von Forschern, die dem IPCC vorwerfen, ihre Arbeitsverträge würden nicht verlängert bzw. ihre Forschungsergebnisse nicht veröffentlicht, weil letztere nicht in den Kram passen.

Auffällig ist: Die Umweltkonferenz 1992 hat sich bemüht, alle Umweltschäden einzubeziehen. Beim IPCC ist das eindeutig anders: es geht fast ausschließlich um das “Klima”; und auch das wird reduziert auf “globale Erwärmung” und diese wiederum auf “Kohlendioxid”. Und der Streit geht darum, ob und welchen Einfluss „der Mensch” auf Klimaveränderungen hat. An ihm beteiligen sich außer Klimaforschern und Meteorologen auch etliche Möchtegern-Sachverständige, im Ton durchaus nicht zimperlich – was das Sachwissen angeht , na ja…

Klimaforscher sind keine Meteorologen, Meteorologen keine Klimaforscher – beide haben wohl vom Gebiet des anderen nicht gerade umfassend Ahnung. Der Unterschied vereinfacht: Im Klimabereich “Tropen” herrscht z.B. über Jahrtausende dasselbe Klima, aber jeden Tag ein anderes Wetter. Ein Wetterumschwung ist kein Klimawandel. Wenn ein “Wetterfrosch” sich ohne böse Absicht zum Thema “Klimawandel” ungenau oder falsch ausdrückt, so wird er zum “gefundenen Fressen” der Klapperstörche unter den Klima-Skeptikern.

hier geht es weiter »

Beim Thema “Klimawandel” gibt es wahre Grabenkämpfe. Es gibt Wissenschaftler, die den Klimawandel bestätigen, sie leugnen aber jedes Zutun „des Menschen“. Sie machen ausschließlich natürliche Ursachen wie Vulkanausbrüche, Zu- oder Abnahme der Sonnenflecken und anderes dafür verantwortlich. Andererseits gibt es Wissenschaftler, die der begründeten Ansicht sind, dass zu den natürlichen Ursachen des sich ändernden Klimas auch Menschen beitragen.

Der Ton ist in diesem Kampf z.T. hart, auch unter der Gürtellinie – bei YouTube gibt es eine ganze Reihe von Dokumentationen und “Dokumentationen”, in denen Wissenschaftler und solche, die es gern sein möchten, sich Begriffe um die Ohren hauen wie “Oko-Mafia”, “Klimaschwindler”, sogar Vergleiche mit Hitler bzw. der Hitler-Jugend ziehen.

Regenwald wird gerodet. Auf dem Foto sieht man die Straßen für den Abtransport. Gemeinfrei.

Ein häufiges Argument der “Skeptiker” ist, dass statistische Zukunftsprognosen angeblich “falsch” seien oder nicht wie berechnet einträten. Das ist nicht verwunderlich, denn sie gehen meist von der Annahme aus, dass alles so weiter geht wie bisher. Doch in der Natur gibt es keinen Stillstand, viele Dinge hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. „Alles ist fließend…“Ändert sich nur ein Faktor, so hat das Folgen, die sich nicht berechnen lassen. Hier ein Beispiel:
Am Institut für Meereskunde in Kiel arbeitete vor etwa 50 Jahren ein Fischereibiologe an seiner Doktorarbeit über die Heringsfang-Erträge im Küstenbereich Islands. Er wertete Fangergebnisse der Vergangenheit aus, verbesserte Fangmethoden usw. und machte Voraussagen über die zukünftigen Fangquoten. Er reichte seine fertige Arbeit ein. Bevor sie jedoch veröffentlicht wurde, erweiterte die isländische Regierung ihre Fischfang-Hoheitsgewässer von 20 auf 50 Seemeilen – Peng! Alle Vorausberechnungen konnten in die Mülltonne gekloppt werden. Es gibt keine statistische Methode, mit der so etwas vorausberechnet werden kann. Übrigens – die Doktorarbeit wurde trotzdem angenommen. Viele vorgelegte Berechnungen sind auch deshalb nicht aussagekräftig, weil der untersuchte Zeitraum zu kurz ist – bei Berechnungen von klimatischen Veränderungen geht man für gewöhnlich von mindestens 30 Jahren aus. Auch verlaufen die Entwicklungen normalerweise nicht linear. Ihr kennt das von Bergwanderungen: auf dem Weg zum Gipfel gibt es durchaus einige Strecken, auf denen es bergab geht – trotzdem ist der Gesamtweg aufsteigend.

Obwohl wir “Kohlendioxid” nur für ein Thema unter vielen halten, gehen wir nun am Beispiel der Steinkohle darauf ein – für die übrigen fossilen Brennstoffe gilt Ähnliches, nur mit anderen Zahlen. Kohle entstand in der Carbonzeit, die vor 360 Millionen begann und vor 300 Millionen Jahren endete. Sie dauerte also etwa 60.000.000 Jahre. – die sieben Nullen sollten beeindrucken! Die damaligen Pflanzen entzogen wie alle Pflanzen tagsüber der Atmosphäre Kohlendioxid in winzigen Mengen. Mit seiner Hilfe wandeln sie bis heute (Sonnen-)Lichtenergie in chemische Energie um, die sie in Form von Glukose, Zellulose und anderen Stoffen speichern bzw. für sich gleich selbst verbrauchen, wobei ein Teil des CO2, an die Atmosphäre zurückgegeben wird. Pflanzen gelten als Produzenten, da sie in diesem Prozess (Photosynthese) mehr energiereiche Substanz produzieren, als sie selbst benötigen. Die Tiere inklusive uns Menschen sind Konsumenten, wir können im Gegensatz zu den Pflanzen keine energiereichen Stoffe herstellen, wir sind heterotroph, die Pflanzen autotroph. Stirbt eine Pflanze ab, hört natürlich die Photosynthese auf und auch ihr Abbau der noch energiereichen Stoffe. Davon leben die Pilze und Bakterien, die als Destruenten (Abbauer) die letzte Energie der toten Pflanzen für sich verwenden, die von den Pflanzen aufgenommenen Nährstoffe freisetzen und so dem Stoffkreislauf wieder zuführen.

In einem ausgewachsenen Ökosystem besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Entnahme von CO2 und von O2, das man als Kompensation bezeichnet oder so darstellt: CO2 : O2 = 1 : 1.

Justus von Liebig hat angesichts der wachsenden Bevölkerungszahl und der Zunahme des Hungers unter den Menschen nach Möglichkeiten gesucht, wie mehr Nahrungsmittel erzeugt werden können. Er hat dabei herausgefunden, dass der für das Wachstum notwendige Stoff, der im Minimum vorliegt (von dem es also am wenigsten gibt) das Wachstum begrenzt.

Das Kohlendioxid ist ein solcher Minimumstoff, durch ein erhöhtes CO2-Angebot kann das Pflanzenwachstum angeregt werden. Da es sich hier aber um ein Gas handelt, kann diese Anreicherung nur in einem geschlossenen Raum erfolgen, da sonst das Gas sich sofort verflüchtigen würde – also nur in einem Treibhaus. Und damit wären wir bei dem heiß umstrittenen “Treibhaus-Effekt”. Die Erde ist so eine Art „Treibhaus“, da sie durch die sie umgebende Atmosphäre gegenüber dem Weltall gewissermaßen abgeschlossen ist wie ein Treibhaus durch Glas- oder Plastikwände von der Außenwelt.

Unter den „Klima-Alarmisten“ und den „Klima-Skeptikern“ tobt eine hitzige Diskussion, ob „Treibhausgase“ zur Erderwärmung beitragen, bzw., ob “der Mensch” daran mit beteiligt ist. Zu den „Treibhausgasen“ werden dann auch andere in der Luft befindliche Gase gezählt wie z.B. Methan, CH4, das z.B. bei Vulkanausbrüchen austritt und auch beim Abbau toter Pflanzen oder Tiere durch Fäulnis unter Sauerstoffmangel (anaerob) entsteht. Ist Sauerstoff (O2) vorhanden, so entsteht statt dessen durch Verwesung als Abbauprodukt H2CO3 bzw CO2.

Gewächshäuser werden in der Pflanzenzucht verwendet, um die darin wachsenden Pflanzen besonders gut schützen zu können oder z.B. tropische Pflanzen auch bei uns anzubauen. Beim Gewächshaustyp Treibhaus (engl.: green house = Grünhaus) kann man z.B. schon aussäen, wenn es draußen noch zu kalt ist. Man kann auch – wie oben schon erwähnt – die Ernteerträge durch Zugabe des Minimum-Stoffes CO2 deutlich steigern. Bei dieser Art des Anbaus ist eindeutig nachgewiesen, dass im Treibhaus die Temperatur ansteigt gegenüber der Außentemperatur. Da Kohlendioxid das einzige „Minimum-Gas“ ist, das Pflanzen zum Leben brauchen, ist es auch das einzige, das im Treibhaus zugesetzt wird. Daraus ergibt sich eindeutig, dass alle anderen in der Erdatmosphäre befindlichen Gase keine Treibhausgase sind und deshalb auch in die Diskussion um den Treibhauseffekt nicht mit einbezogen werden dürfen – das tun jedoch eine ganze Anzahl von Wissenschaftlern, auch solche mit Professorentiteln. Allerdings haben wir unter ihnen noch keinen Biologen gefunden…

Zurück zur Steinkohle: Sie ist in rund 60.000.000 Jahren entstanden, das in ihr “versteinerte” CO2 und die in ihm vorhandene Energie wurden über 60.000.000 Jahre dem Stoffkreislauf und dem Energiefluss entzogen. Der Überlieferung nach wurde der Energiereichtum dieser „schwarzen Steine“ in England von einem Hirtenjungen entdeckt, der um seine Feuerstelle als Brandschutz einen Ring aus diesen Steinen bildete – es war Kohle. Wie auch immer, das „Industriezeitalter“ im gerade aufgekommenen Kapitalismus begann in England zunächst mit der weitgehenden Vernichtung der Wälder als Brennholz für Dampfmaschinen usw., dann aber stieg man auf Kohle um. Nehmen wir an, diese reiche für die Energieversorgung weitere 100 Jahre (was zu verhindern wäre), dann ergeben sich etwa 400 Jahre, in denen das in der Steinkohle gespeicherte CO2 zurück in die Atmosphäre gepustet wird. Daraus ergibt sich die Rechnung 60.000.000 : 400 = 150.000. Mathematisch bedeutet das, dass das Kohlendioxid 150.000mal so schnell der Atmosphäre zurückgegeben wird, wie es ihr entzogen wurde, und zwar nachweislich anthropogen, also vom Menschen gemacht. Und da gibt es doch tatsächlich Wissenschaftler, die uns glauben machen wollen, das mache nichts aus! Ein Fluss mit einer Geschwindigkeit von 1 Meter in der Sekunde und einer mit 150.000 Metern in der Sekunde – kein Unterschied? (Gibt es überhaupt einen Fluss mit einer solchen Geschwindigkeit? Nein!)

Nachgewiesen und sowohl von „Klima-Alarmisten“ als auch von „Klima-Skeptikern“ akzeptiert ist die Tatsache, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre angestiegen ist: Zwischen dem Jahre Null und etwa dem Jahr 1800 lag er bei 280 ppm also bei 280 Teilen von 1 Million; um 2000 war er auf 380 ppm angestiegen und soll heute kurz vor 400 ppm liegen – das wäre fast eine Verdoppelung der nachweislich natürlichen 280 ppm, eine menschengemachte Verdoppelung! Im von den Pflanzenzüchtern benutzten Treibhaus ist ein Temperaturanstieg durch CO2-Zufuhr nachgewiesen!

In „Freier Wildbahn“ sollte man bei einer so schnellen Rückführung des CO2 in die Atmosphäre eine wahre Explosion des Pflanzenwachstums erwarten – der findet aber offenbar nicht statt. Im Gegenteil: immer mehr Gebiete versteppen oder werden zu Wüste. Das ist doch ein Widerspruch! Nicht unbedingt. Denn erstens können abgeholzte Wälder nicht mehr „explodieren” und zweitens war dann bisher das CO2 der Minimumstoff, der das Wachstum begrenzte – jetzt hat ein anderer Stoff diese Rolle übernommen, der müsste dann ebenfalls zugegeben werden.

Es gibt auch einen Streit um den Umfang der Erderwärmung – aus dem wollen wir uns weitgehend heraushalten. Wir schließen uns den Wissenschaftlern an, die der Ansicht sind, die Ermittlung einer durchschnittlichen Erdtemperatur aus Daten der Vergangenheit und auch aus heutigen Zeit, mit besseren Methoden und zahlreicheren Mess-Stationen sei noch zu ungenau, die Stationen seien zu ungleichmäßig verteilt und auch Satellitendaten reichten noch nicht aus – nur für ungefähre Schätzungen.

Zumindest für uns ergibt sich die Frage, wieso IPCC und die meisten Regierungen so massiv für den Kohle-Ausstieg sind – da lässt sich doch noch für etliche Jahre Kohle und „Kohle“ machen! Aber nein, sie setzen auf andere, teure Techniken und erneuerbare Energiequellen – sollen wir sie stoppen? Die neuen Techniken der Energiegewinnung sind teuer, da lässt sich also auch viel Geld verdienen! Nicht nur das! Die Entwicklungsländer – besser: die unterentwickelt gehaltenen Länder – können sich solche Techniken nicht leisten und die kapitalistischen Großmächte sichern sich so für die Zukunft ihre Herrschaft über sie! Unsere Grenzen müssen „wir“ natürlich sichern, da helfe uns AfD und Frontex! Dem in die Hände spielen zumindest einige “Klima-Skeptiker”: so fordert z.B. Lord Christopher Monckton vom „Science and Public Policy Institute“ in Großbritannien die verantwortlichen Politiker in den Entwicklungsländern dazu auf, ihre fossilen Energiequellen weiter zu nutzen, um den Lebensstandard der Ersten Welt zu erreichen. Das sind die beiden Scherenblätter, zwischen die Menschen geraten sollen – im Scheinkampf zwischen “Klima-Alarmisten” und “Klima-Skeptikern”…

„Wenn es ein menschengemachtes Klimaproblem gäbe, wäre es wirtschaftlicher Selbstmord, daran etwas ändern zu wollen,“ so Lord Monckton in erstaunlicher Offenheit. Bösartig, wie wir sind, unterstellen wir ihm folgenden Gedankengang: Lord Monckton ist gegen wirtschaftlichen Selbstmord, also darf an den Klima-Warnungen nichts dran sein, also müssen sie falsch sein! Bewusst gefälscht selbstverständlich!

So, Schluss jetzt, wir haben doch gesagt: “Klima” ist nur ein Neben-Kampfplatz und nun gehen wir denen selber in die Falle! Uns hoffentlich immer noch geneigten Leserinnen und Lesern schlagen wir vor, bei YouTube Suchbegriffe einzugeben wie Klimawandel, Treibhaus-Effekt oder auch “Fridays for Future” oder “Greta Thunberg” – Ihr werdet da viel Erheiterndes und Erschreckendes, Abstoßendes, aber auch Gutes finden – nur: verzettelt Euch nicht!

Wir sind begeistert von der weltweiten “Fridays-for-Future-Bewegung, die Greta Thunberg in Gang gesetzt hat und die sich in Gang setzen ließ! Wir werden diese nach Kräften unterstützen und bitten alle Leser/innen, das ebenfalls zu tun. Wir haben nur eine solidarische Kritik: Das Thema “Klimawandel” steht zu sehr im Vordergrund bzw. Mittelpunkt; es gehört zum Thema “Umweltschutz” als einer von leider vielen Punkten, und viele Jugendliche haben das schon gemerkt, wie man nicht nur an ihren Transparenten sehen kann.

Bei allen anderen Umwelt-Themen ist es völlig unstrittig, dass die Ursachen der Schäden menschengemacht sind. Es sind leider sehr viele Bereiche, einen – die Abholzung der Wälder – haben wir oben schon genannt und die Verbindung mit dem Thema ”Klima” aufgezeigt. Bei allen diesen Punkten gäbe es den Streit wie den zwischen “Klima-Alarmisten” und “Klima-Skeptikern” nicht, wir könnten also nicht abgelenkt werden. Selbst der dümmste US-Präsident – bisher gab es unseres Wissens 45 – wird nicht behaupten, Glyphosat sei ein Naturprodukt. Entsprechendes gilt auch für Flussbegradigungen, Uferbefestigungen, Bodenversiegelung, großflächige Landwirtschaft, Überdüngung, giftige Stoffe wie PCB, Asbest, Pestizide, Plastik… Noch etwas: Wie sieht es eigentlich mit den Beziehungen zwischen den einzelnen anthropogenen Schäden aus, wie beeinflussen sie sich gegenseitig?

Wir sind auch nicht der Auffassung, „der Mensch“ sei für diese Schäden verantwortlich. Jeder von uns sollte zwar zur Rettung der Umwelt das beitragen, was er kann – aber das ist nur der Tropfen auf den berühmten heißen Stein; die Hauptursache für die Umweltschäden ist profitogen – eine nennenswerte Schädigung der Umwelt gibt es erst seit etwa dem Jahre 1700 – da gab es die Einführung der Arbeitsteilung in die Manufaktur, das war die Geburtsstunde des Kapitalismus. Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus ist der Zwang (!) zur Profitmaximierung – Kapitalisten, die dieses Gesetz nicht befolgen, begehen „wirtschaftlichen Selbstmord“ (siehe obiges Zitat).

“Wessen Welt ist die Welt? Unsere Welt!” – wie es in einem Arbeiterlied heißt. Leider ist es noch nicht so weit, die Welt gehört noch den Kapitalisten – das ändert sich so lange nicht, bis wir es ändern! Sage keiner, wir könnten nichts ändern! Da gibt es sogar beim Thema „Umwelt“ eine Reihe Beispiele: so manche vorhersagte „Umweltkatastrophe“ war keineswegs falscher Alarm, sondern ist durch den Widerstand der Menschen verhindert worden. Wir nennen als Beispiele nur „Sauerer Regen“, E605, DDT, PCB, FCKW, Stilllegung von Atomkraftwerken… – macht das nicht Mut?

Also los, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt und Profitmaximierung wird weggeruckt!


Erstveröffentlichung heute oder vor wenigen Tagen in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
Bilder und Bildunterschriften wurden komplett oder zum Teil von der Redaktion AmericanRebel hinzu gefügt.
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