Das katalanische Volk äußert sich,
der monarchistische Staat greift an
Auch wenn Rajoy und seine Mannschaft sich bemühen, laut das Gegenteil bekannt zu machen, hat es am Sonntag, dem 1. Oktober, ein Referendum in Katalonien gegeben, und nicht nur in den Wahlbüros, die den Polizeiübergriffen standgehalten haben. Auch die Straßen waren ein gemeinsamer Ruf für das Recht der Katalanen, über ihr Schicksal als Volk zu bestimmen.
Selbst die UNO warnte vor dem Machtmissbrauch, der in den letzten Wochen stattfand. Die ganze Welt hat dem Spektakel einer „fortschrittlichen Demokratie“ beigewohnt, die mit Gummigeschossen auf friedliche Wähler schießen ließ und dabei fast 800 Verletzte, davon wenigstens zwei schwer, verursachte. Die Folge ist, dass das monarchistische Regime seine faschistoide Natur, das direkte Erbe des Franquismus, nicht mehr verbergen kann; dieses völkermörderische System, das mit Töten begonnen und geendet hat und das die Bourbonen als Nachfolger an der Spitze des Staates sichtbar bestätigt hat.
Es ist ganz offensichtlich, dass die Verantwortung für die extreme Situation, in der sich der katalanische Konflikt befindet, Rajoy und seine Handlanger tragen. Es ist klar, dass Teile der katalanischen Bourgeoisie die Volksbewegung für die Selbstbestimmung als Rauchvorhang genützt haben, hinter dem sie ihre Korruptionsaffären und ihre eigene Verantwortung für die Verschlechterung der sozialen Lage in Katalonien während der letzten Jahre verborgen haben. Es ist auch wahr, dass das katalanische Kleinbürgertum im Nationalismus – wie so oft in der Geschichte – die Krücke gefunden hat, die sie angesichts der langandauernden wirtschaftlichen Krise und sozialen Deklassierung verzweifelt gesucht hat; darüber hinaus ist es ihr gelungen, in dieser Bewegung führend zu werden, auch wenn das knappe Ergebnis der letzten Wahlen zur Autonomie sie rational nicht ermutigte, sich auf diesen Weg des „je nachdem“ zu begeben. Im Gegenteil, es ist die Halsstarrigkeit des Regimes, und nicht nur Rajoys (dem in dieser abenteuerlichen Sturheit vom Rest der „Konstitutionalisten“ und der Judikative Folge geleistet wurde), welche bewirkt hat, dass die Katalanen massenhaft dazu übergegangen sind, über ihr Schicksal zu entscheiden. Und es ist die zügellose Gewaltanwendung durch das Regime, die bewirkt hat, dass es in Katalonien mehr Anhänger der Unabhängigkeit gibt denn je; sie könnte wohl die Situation bis zu einem „point of no return“ getrieben haben, indem sie den Austritt von Millionen von Katalanen aus dem, was sie als Spanien bezeichnen, Barbarei, Autoritarismus, Aggression, wahrscheinlich endgültig gemacht haben. An diesem Punkt treffen sie sich mit den Regierungsparteien.
Das zeigt die Stellungnahme von Rajoy, abgegeben am Abend des Sonntag, dem 1. Oktober, als er sich darauf versteift, die massiven Stimmabgaben zu ignorieren und die von der Polizei wild entfesselte Repression zu rechtfertigen. Desgleichen wird gefordert, dass die wichtigsten Führer der Unabhängigkeitsbewegung abtreten, wie man es in den letzten Tagen zu hören bekam; typische Reden von jemandem, der entgegen den Tatsachen glaubt, gewonnen haben. Die selbe Orientierung spricht aus den Erklärungen seines „Mesners“ Rivera 1 , der seine so genannte „Rezentralisierung“ („das gemeinsame Projekt aller Spanier“, „genügend Privilegien für die Nationalisten“…) ins Spiel brachte, eine Erwartung der extremen Rechten, die in dieser Frage durch Ciudadanos 2 vertreten wird. Diese Lösung würde nur mehr Öl in die Flammen des offenen Konflikts gießen, die sich auf das bedauerliche (und zahlenmäßig unbedeutende) Schauspiel stützt, das vergangene Woche in mehreren Städten durch offen faschistische Gruppen gegeben wurde und das auf einem niederträchtigen Wahlkalkül basiert.
Andererseits ist sicher, dass Iceta 3 das Prinzip der Verhandlung verteidigt hat, aber die PSOE 4 und Ciudadanos bewiesen den gleichen Zynismus und forderten neue Autonomieabstimmungen (nach Rivera „richtige Wahlen“ ) und die gleiche Niedertracht im Hinblick auf die entfesselte staatliche Repression. Es ist also eine „Flucht nach vorn“ abzusehen, sowohl von Seiten der Befürworter der Unabhängigkeit – zur Zeit völlig legitimiert durch die Ungeschicktheit und Brutalität, die von Seiten des Regimes gezeigt wird – also von Seiten der Regierung, die mit ihrer polizeistaatlichen Antwort praktisch die Tür für jede Möglichkeit der politischen Lösung des Problems zugeschlagen hat: nach ihrer Niederlage vom Sonntag kann sie nicht einmal mehr eine Position der Stärke behaupten. All das kann die Lage nur verschärfen, es sei den, es gäbe internationalen Druck oder Druck von der katalanischen Bourgeoisie zu Gunsten von Verhandlungen – was in Anbetracht der historischen Erfahrung wenig wahrscheinlich ist. Und es kann in Katalonien selbst, aber auch im Rest des Staates nur schlimmer werden, wenn das Regime nicht mit einer starken Mobilisierung gegen seine autoritäre Politik von Seiten der verschiedenen Völker Spaniens konfrontiert ist.
Man kann auch nichts von der institutionellen Linken erwarten. Wenn wir in unserem Kommuniqué vom 19. September feststellten, dass es kein alternatives Programm zu dem des 1978er-Regimes gibt, so haben das die Ereignisse von heute in aller Brutalität bestätigt. „Was die PP 5 mit unserer Demokratie macht, stößt mich ab“, sagt Iglesias 6 . „Die Menschen müssen ihren guten Willen beweisen“ verdeutlicht Errejon 7 . Und es ist für niemanden klar, was die von diesen Opportunisten vorgeschlagenen Lösung ist, außer der Abgang Rajoys. Als ob es das Problem dieser oder jener Regierung wäre! Haben nicht Gonzales, Zapatero 8 usw. nicht die gleiche Melodie gespielt? Hat nicht die parlamentarische Mehrheit nicht das gleiche Nationale Sicherheitsgesetz durchgewunken – das dazu hätte dienen können, die katalanische Autonomie de facto zu beenden – und alle antidemokratischen Gesetze, die sogenannten Knebelgesetze? 9
Dass das monarchistische Regime, Erbe des Franquismus, unfähig ist, eine demokratische Antwort auf das nationale Problem Kataloniens zu geben, das wurde endgültig bestätigt durch die Angriffe dieses Sonntags. Dass die Unabhängigkeitsbewegung die Probleme des einfachen Volks und die Probleme des Proletariats nicht löst, das ist offensichtlich, wenn man nur die Lebens- und Arbeitsbedingungen betrachtet, die aus dreißig Jahren der nationalistischen Regierung resultieren; wenn man auch nur die sehr hohe Wahlenthaltung der Anstalten des „enseignement concerté“ 10 in Betracht zieht und die Art und Weise, wie die heutigen katalanischen Führungskräfte einige sehr wenig demokratische Aspekte der Bildungsgesetze, wie die der Vorrechte der Anstaltsdirektoren, angewandt haben. Nein, die Lösung des nationalen Problems Kataloniens, der nationalen Frage im ganzen Staat und der Lebensbedingungen des einfachen Volkes geschieht durch einen Regimewechsel in Spanien. Es ist klar, dass wir das Volk Kataloniens in seinem Kampf für demokratische Rechte einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung und gegen die Repression, der es ausgesetzt sein könnte, unterstützen werden. Aber zugleich werden wir fortfahren, für den Aufbau einer republikanischen und antifaschistischen Volksfront zu kämpfen, die, ausgehend von der totalen Zurückweisung der faschistoiden Ausfälle des Staates, auf allen Gebieten und überall, auf allen territorialen Ebenen arbeiten wird, um mit dem monarchistischen Regime der Oligarchie zu brechen, bis eine föderative Volksrepublik wahr wird, in der die verschiedenen Völker ihre gegenseitigen Beziehungen bestimmen können.
Folglich appellieren wir an alle demokratischen Kräfte, runde Tische für die Demokratie, für die Republik und gegen den Faschismus einzurichten, die so eine Fortsetzung der Welle der Empörung und der Rebellion der Völker Spaniens als Antwort auf die Barbarei des monarchistischen Staates sein wird.
Sekretariat des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens (Marxisten-Leninisten)
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Anmerkungen:
- Führer der Parti Ciudadanos (Bürgerpartei), die sich weder als Links noch als Rechts bezeichnet.
- Mitte-rechts-Partei. Vor allem in Barcelona verwurzelt ist sie gegen die Selbständigkeit Kataloniens.
- Führer der Sozialistischen Partei Kataloniens
- Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens. Managerin des so genannten demokratischen Übergangs nach dem Tod Francos und der Annahme der gegenwärtigen Verfassung.
- Rechtspartei, die gegenwärtig an der Regierung ist.
- Führer von Podemos.
- Einer der wichtigen Köpfe von Podemos
- zwei der historischen Führer der PS seit dem Post-Franquismus.
- Gesetze, die von der parlamentarischen Mehrheit der PSOE verabschiedet wurden, welche die demokratischen Rechte, insbesondere das Demonstrationsrecht, einschränken.
- Zwischen öffentlichem und privatem Sektor abgestimmtes Bildungswesen. Die staatliche Bildung räumt den privaten Bildungseinrichtungen, die zu 80% konfessionell sind, sehr großen Raum ein.
(Übersetzung aus dem Französischen)
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Erstveröffentlichung in deutscher Sprache am 5. Okt. 2017 in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.
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