Volkskorrespondent Rui Filipe Gutschmidt – 28. September 2021

Offener Brief an Portugals Parlament appelliert für eine regulierte Legalisierung von Cannabis

Rui Filipe Gutschmidt

Schon Peter Tosh sang vor vier Jahrzehnten „Legalize it, don’t criticize it“. Die Drogenpolitik in Portugal ist seit über zwei Jahrzehnten eine der fortschrittlichsten der Welt. Doch im Umgang mit Cannabis gibt es seither keinen Fortschritt. Andere Länder haben die Portugiesen diesbezüglich längst überholt. Es wird Zeit, den nächsten Schritt zu unternehmen.

Die aktuelle Drogenpolitik ist gescheitert. Foto: M A N U E L – CC BY-ND 2.0

Vier ehemalige Justizminister und zwei Gesundheitsminister gehören zu den über 60 Unterzeichnern des offenen Briefs an das Parlament, in dem die Regulierung von Cannabis „zum Schutz der Gesundheit und zur Bekämpfung der Kriminalität“ gefordert wird. Die Argumentation ist dabei nicht neu, und eigentlich hat man die Notwendigkeit einer regulierten Cannabislegalisierung schon vor 20 Jahren anerkannt, als der Konsum und Besitz in einem ersten Schritt entkriminalisiert wurde. Damals hätte keiner gedacht, dass der notwendige nächste Schritt – die Legalisierung von Anbau und Verkauf, Weiterverarbeitung, Import und Export und entsprechende Maßnahmen zur Regulierung der Aktivitäten – über 20 Jahre auf sich warten lassen würde.

Jetzt haben sich ehemalige Minister, Staatssekretäre, Persönlichkeiten aus dem Gesundheitssektor und aus anderen Bereichen des öffentlichen Lebens zusammengeschlossen, um den überfälligen Schritt endlich umzusetzen. Denn einerseits nimmt der Konsum weiter zu und wird gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert, während andererseits der Einkauf weiterhin über illegale Wege geschieht. Dies habe „negative Konsequenzen, für die öffentliche Gesundheit“, da der THC-Gehalt (die psychoaktive Substanz) immer weiter steigt. Mit anderen Worten: Was früher ein Glas Wein war ist heute ein Glas Brandy.

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Regulieren statt verbieten

Doch was genau soll da reguliert werden? Warum nicht „einfach legalisieren und gut“? Man muss also erst einmal die Ziele definieren, die durch ein neues Gesetz erreicht werden sollen. Das Gesetz soll die öffentliche Gesundheit schützen und die Kriminalität bekämpfen.

1.- Es soll ein reibungsloser Übergang vom kriminellen zum legalen Handel durch eine Regulierung erreicht werden. Dabei soll ein Anstieg des Konsums, besonders bei jungen und labilen Personen, durch Präventionsmaßnahmen vermieden werden.

2.- Der Schutz der allgemeinen Gesundheit, soll durch die Definition des Mindestalters für den Konsum, durch eine Begrenzung des maximalen THC-Gehalts der Produkte, Regeln für den Anbau und die Produktion, die die Gesundheit und die Umwelt schützen, eine angemessene Kontrolle Straßenverkehr und durch Information der Verbraucher über Suchtrisiken und Behandlungsalternativen, gewährleistet werden.

3.- Die Bekämpfung des illegalen Marktes, „die schrittweise Beseitigung des illegalen Cannabismarktes und der damit verbundenen Wirtschafts- und Finanzkriminalität“. Aus diesem Grund verteidigen sie die Notwendigkeit der Kontrolle über die am gesamten Cannabiskreislauf beteiligten Einheiten und die Rückverfolgbarkeit des Produkts vom Samen bis zum endgültigen Verkauf, und verhindern so die Einführung von illegalem Cannabis in den Kreislauf sowie den Verkauf auf dem Schwarzmarkt“.

Diese Maßnahme „beisst sich allerdings mit der Freigabe des Anbaus für den Eigenkonsum und erfordert Nachbesserung. Es muss möglich sein, dass sich ein Konsument seine eigenen Pflanzen zieht. Die Progressiv-Libertären fordern eine Freigabe, schon deshalb, weil es bereits jetzt zu viele Eingriffe in den Anbau verschiedener Produkte gibt. Die Patente auf Saatgut sind ein Unding, dass bei der Freigabe von Cannabis von vorneherein ausgeschlossen werden muss.

4.- Die Besteuerung des Cannabissektors mit der Einführung einer „Sondersteuer auf Cannabis, die den doppelten Zweck hat, die Einnahmen zu steigern, aber auch das Konsumverhalten zu formen“, die Produkte mit höheren THC-Konzentrationen besteuert. Was die Steuereinnahmen anbelangt, so argumentieren sie, dass ein Teil „der Verstärkung der Verhinderung des Neukonsums und der Investition in die Vorrichtung zur Risikominderung und Schadensminimierung sowie in die für die Behandlung (bei Suchtpatienten oder Psychosen) verantwortlichen Mittel“ zugewiesen werden sollte. Aber mit Vorsicht, um den Preis auszugleichen, der mit dem des illegalen Marktes konkurrieren wird, damit er den Übergang der Nutzer zum regulierten Markt fördern kann. Mit anderen Worten: „Cannabis kann nicht so billig sein, dass es aufgrund seines niedrigen Preises den Konsum bei jüngeren Bevölkerungsgruppen erhöht, noch so teuer, dass es den illegalen Markt attraktiv macht“. (Letzteres sieht man beim medizinischen Cannabis in Deutschland)

Das fünfte und letzte Prinzip bezieht sich auf die Schrittweise Bewertung von Maßnahmen, durch den Konsens über die Produktions- und Präsentationsformen der Produkte und zunächst die Beschränkung der Einfuhr des Endprodukts. Nach Meinung der Unterzeichner sollte auch „eine transversale Struktur zur kontinuierlichen Überwachung der neuen Politik zur Regulierung des verantwortungsvollen Cannabiskonsums geschaffen werden.

Diese Punkte, sind zwar nur eine Empfehlung, aber eine gut elaborierte, die als Basis für ein längst überfälliges Gesetz dienen kann. Da die Unterzeichner aus verschiedenen Sektoren der Gesellschaft stammen und verschiedene politische Parteien repräsentieren, ist der Text schon ein Kompromiss und muss „nur noch“ nachgearbeitet werden.

Meiner Meinung nach ist es im Moment erst einmal wichtig dieses Kompromisspapier in einen gemeinsamen Gesetzentwurf umzuwandeln und diesen ins Parlament einzubringen. Wenn das Gesetz erst mal in Kraft tritt, sieht man in der Praxis was nachgebessert werden muss.

Erstveröffentlichung am 28. Oktober 2021 auf »InfoWelt«. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

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