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Juni09
on 9. Juni 2018
Veröffentlicht in: Allgemein, Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Touristen übernachten in portugiesischem U-Boot
und decken Sicherheitsmängel auf
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Rui Filipe Gutschmidt

Ein Niederländer, der es sich zum Hobby machte an verlassenen Orten in ganz Europa zu übernachten, und ein Belgier verbrachten eine Nacht in einem 2005 außer Dienst genommenen U-Boot der portugiesischen Marine. Juristische Folgen für die „Terror-Touristen“ dürften nicht die einzigen Konsequenzen der Nacht und Nebel Aktion bleiben…

Almada, die Stadt die am Südufer des Tejo gegenüber von Lissabon liegt, ist der Standort den die Machthaber des „Estado Novo“ für die Lisnave, einer großen staatlichen Werft, gewählt hatten. Die Werft überlebte die wirtschaftlichen Turbulenzen und das Ende des Kolonialreiches Portugals 1975 nicht, doch es werden dort nach wie vor kleinere Reparaturen durchgeführt und ein paar „Dinge“ gelagert werden. Eines dieser „Dinge“ ist das U-Boot Delfim, das 2005 außer Dienst gestellt wurde.

Jetzt haben zwei Abenteuertouristen, dessen Hobby es ist an ungewöhnlichen Orten zu übernachten, dieses U-Boot ausgesucht, um dort eine Nacht zu verbringen. Wie sie das genau gemacht haben ist fraglich und es hätte auch niemand Notiz genommenen, wenn der Niederländer und der Belgier nicht ein Video von ihrem Abenteuer gemacht und ins Internet gestellt hätten.

Ab in die Koje – im Torpedoraum des U-Boots Delfim – Bild v screenshot YouTube

Doch sie stellten ihr Abenteuer auf YouTube und alarmierten damit die Behörden in Portugal. Die Marine wird Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten und es könnten einige Probleme auf die beiden U-Bootfahrer zukommen. Es ist kein Kavaliersdelikt und hätte sie das vorbeifahrende Schiff der Marine beim Einstieg in das Boot erwischt, hätte man sogar auf sie schießen können. Obwohl klar ist, dass sie keine Terroristen sind, ist das Bloßstellen der Marine des NATO-Partners Portugal auf die gewählte Weise… keine gute Idee.

Nun, Bob und sein belgischer Freund, haben kein Problem damit „Hausfriedensbruch“ zu begehen, solange niemand zu Schaden kommt. Eigentlich sollte Portugals Marine den beiden dankbar sein, denn das U-Boot liegt dort noch voll ausgestattet – bis auf die Bewaffnung – und selbst Logbuch und Seekarten, Radarsysteme und dergleichen befinden sich noch an Bord. Denn das „Delfim“ sollte nach Nordportugal, in die Hafenstadt Viana do Castelo fahren, um dort als Freilicht-Museum zu dienen.

Es hätten auch Terroristen sein können. So ein U-Boot würde ihnen noch abgehen. Aber schon die Radaranlagen ausbauen oder das Ding einfach mit Sprengstoff vollpacken und den Tejo überqueren, um es an der Uferpromenade von Lissabon, voller Touristen die in der Ruhe des bislang verschonten Landes genießen, in die Luft zu jagen. Unzählige Schreckensszenarien sind denkbar und die zuständigen Stellen müssen sich etwas einfallen lassen. Grob fahrlässig war jedenfalls die Bewachung des „Delfim“, wie zuvor schon bei einem Diebstahl von ausgemusterten Waffen und Munition aus einem Munitionsdepot letztes Jahr. Statt die unbescholtenen Bürger auf Schritt und Tritt zu überwachen, sollten unsere „Sicherheitskräfte“ lieber solche Gefahrenquellen beschützen und nicht einfach U-Boote, Waffen oder Munition unbewacht herumliegen lassen. Man könnte fast meinen, dass dies gewollt ist.
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└ Schlagwörter: Allgemein
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Juni08
on 8. Juni 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Nico Diener
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Kiel: Gegen Rassismus, Diskriminierung und Krieg

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Gründungs- und Solidaritätsfest des Ortsverbandes Kiel der DIDF

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Nico Diener

Wer kennt nicht die Fahne mit den den beiden Kollegen die sich zur Solidarität die Hände reichen. Der eine blond und der andere schwarzhaarig sybolisieren sie seit 36 Jahren das Streben der Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) nach dem gemeinsamen Kampf gegen Faschismus, den Sozialabbau, und Fremdenfeindlichkeit. In Kiel soll nun ein organisatorischer Neuanfang gemacht werden.

Die DIDF wurde im Dezember 1980 als Dachverband von Vereinen aus der Türkei gegründet. Ihr gehören heute mehr als 35 Mitgliedsvereine und –gruppen an und bezeichnet sich selber als Migrantenselbstorgansation.

DIDF ist eine demokratische, überparteiliche, unabhängige, aber keine unpolitische Organisation. Eine Vereinigung, die von türkischen und kurdischen Arbeiterinnen und Arbeitern gegründet wurde. Eines der Grundsätze bei der DIDF ist es, keine Trennung von Nationalität, Sprache, Geschlecht oder Religion zu machen, um ein Forum für Völkerverständigung und internationale Solidarität zu sein.

DIDF engagiert sich seit ihrer Gründung für die Integration der hier lebenden Nichtdeutschen und für das Miteinander. Hierbei hat sie sich sowohl in der Ausländerpolitik als auch in den übrigen Politikbereichen stark gemacht.

Eine Migrantenorganisation zu sein bedeutet für DIDF nicht allein Betroffenheitspolitik zu machen und die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund zu vertreten. Migranten sind ja auch gleichzeitig Arbeiter, Erwerbslose, Angestellte, Hausfrauen… kurz Werktätige. So wie die Kinder der Migranten und ihre Kindeskinder Auszubildende, Studenten und Schüler sind.

Deswegen sieht DIDF ihr Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als genauso selbstverständlich an, wie den gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau. Ebenso natürlich nimmt DIDF ihr Engagement gegen Nationalismus, Militarismus und Krieg wahr, da es menschenfeindlich ist und die Brüderlichkeit und Freundschaft von Völkern behindert.

DIDF versucht stets, eine Brücke zwischen den Nichtdeutschen und den Deutschen zu bilden. Dabei sind ihre Mitglieder stets darum bemüht, die sozialen Gemeinsamkeiten über die sogenannten kulturellen, religiösen und nationalen Unterschiede zu stellen und diese zu überwinden.

Dazu wird auch das Gründungs- und Solidaritätsfest des Ortsverbandes Kiel beitragen. Zu dem zum 10. Juni. ab 16:30 Uhr ins Bürgerzentrum Räucherei, in Kiel-Gaarden, Preetzerstraße 35, eingeladen wird.

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Einen besonderen Stellenwert nimmt die DIDF-Jugend ein, die stets an vorderster Stelle im Kampf gegen Faschismus, den Sozialabbau, Fremdenfeindlichkeit und für Migrantenrechte teilnimmt. Hier als Beispiel ein Video über eine Aktion der DIDF-Jugend Frankfurt zur Erinnerung und lückenlosen Aufklärung von zehn Morden an Migranten in den letzten Jahren.
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KEIN VERGESSEN! - Flashmob DIDF-Jugend Frankfurt

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Kontakte:
– DIDF
– DIDF-Hamburg
– DIDF-Jugend

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Juni07
on 7. Juni 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Edgar Schülter

Wal Tod – im Magen acht Kilo Plastiktüten
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Edgar Schülter

Es stirbt in diesen verseuchten Planeten wieder ein Wal, dieses mal in Thailand. Todesursache waren wieder Plastiktüten im Magen.

Fünf Tage dauerte der qualvolle Todeskampf, es ist auch klar warum, im Magen befanden sich acht Kilogramm an Plastiktüten.

Der Wal wurde am Montag in Thailand in einem Kanal in der Provinz Songkhla, im Süden des Landes entdeckt. Tierärzte versuchten ihn noch zu retten, vergeblich. Am Freitag spuckte er noch fünf Plastiktüten aus bevor er starb.

Trotz enormer Kampagnen in Thailand von Plastiktüten umzusteigen auf wiederverwendbare Taschen, werden leider immer noch zu viele Plastiktüten für alles benutzt. Um diese Kampagnen zu stützen soll jetzt auch der Tod des Wals zu beitragen.

Toter Wahl – Screenshot Youtube

 „Wir werden den Fall des Wals nutzen und laden alle dazu ein, ihre Ideen zur Reduzierung des Plastikverbrauchs in Thailand vorzustellen“, sagte ein Leiter der Behörde für Meere und Küsten. Weltweit gelangen jedes Jahr acht Millionen Tonnen Plastik ins Meer. Dadurch sterben nicht nur zahlreiche Wesen, das Plastik gelangt auch über die Nahrungskette zum Menschen, wieder auf den Esstisch. Ergebnis: Immer mehr Leute erkranken an Darmkrebs.
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Unnötigen Plastik-Konsum vermeiden

Die Meisten Produkte die wir kaufen bestehen aus Plastik. Dieser wird nur kurzzeitig gebraucht um seinen Nutzen zu erfüllen, dann braucht es aber Jahrhunderte um sich wieder abzubauen. Die EU möchte neuerdings beim Plastik auf Einweggeschirr oder Wattestäbchen ganz verzichten und umsteigen auf Alternativprodukte. Es wird auch endlich Zeit, dass die Politik was unternimmt, sonst gibt es im Jahr 2025 mehr Plastik in unseren Meeren als Fische.

Wir selber können dazu beitragen und mithelfen, indem wir unser Kaufverhalten umstellen und Plastik möglichst meiden.
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Juni07
on 7. Juni 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Edgar Schülter

In Bayern hängen ab 1. Juni wieder christliche Kreuze an den Wänden

Diese werden in allen Behörden an den Eingangshallen angebracht
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Edgar Schülter

Ministerien, Polizeireviere, Bauämter oder Gerichtsgebäude. Mehr als Tausend sogenannte Hauptdienststellen sind von dem neuen Erlass betroffen.

Hiermit will Bayern treue zu seiner christlichen Tradition demonstrieren. So steht in der allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaates Bayern: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“ Es wird keine Vorschrift gemacht wie groß die Kreuze sein sollen, welches Aussehen oder aus welchen Materialien diese bestehen müssen. Jede Behörde muss sich ihr eigenes Kreuz selber beschaffen.

Ausnahmen gibt es schon. So sollen zum Beispiel Theatern, Opernhäusern und Museen die Kreuze nur freiwillig aufhängen.

Kreuz Pixabay Lizenz CC0 Public Domain

Allerdings hängen schon Kreuze in Klassenzimmern von Grundschulen, Mittelschulen und Förderzentren sowie in Gerichtssälen. Wird es künftig Konflikte geben mit den aufgehängten Kreuzen in den Eingangshallen der Behörden geben? Das werden dann wohl wieder Gerichte klären müssen.
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Kirchen reagieren gespalten

So befürchtet Kardinal Reinhard Marx, diese Durchführung würde eher zu Spaltungen und Konflikten beitragen. Doch andere Bischöfe stellen sich hinter Söder und finden es ganz gut. So haben sich Ausländer und Flüchtlinge die nach Deutschland kommen, an die örtliche Kultur und Tradition anzupassen.

Eigentlich versucht Ministerpräsident Markus Söder sich als Kämpfer der traditionellen Werte auszugeben. Die CSU möchte damit Wähler die zur AFD übergelaufen sind zurückzugewinnen. Ob das ganze einen politischen Nutzen für die CSU hat ist schwer zu sagen. In Bayern wird der Erlass gut geheißen. In den anderen Bundesländern ist es eher umgekehrt.
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└ Schlagwörter: Edgar Schülter, Kirche & Religion
1 Kommentar
Juni06
on 6. Juni 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Abel Doering

Bunte Bilder für ein Buch in schwarz weiss

Abel Doering

Harald Kretzschmar stellte am 5. Juni in Berlin (Helle Panke) seinen im Quintus-Verlag erschienenen Titel „Stets erlebe ich das Falsche“ vor (siehe untenstehenden Hinweis), ohne jedoch eine Zeile daraus zu lesen und indem er nur zwei Blicke in das Buch gönnte. Darin eintauchen könne man ja auch zu Hause.

Moderation: Birgit Pomorin, rechts: Harald Kretzschmar

„Das Falsche oder das Richtige, wahr oder unwahr, schwarz oder weiß – alles nur Wortpaare, mit denen die Wirklichkeit nur verkürzt beschrieben wird. Vermutlich stimmt wenigstens einigermaßen nur das Wortpaar ´links oder rechts`, denn die Gesellschaft lässt sich nicht in Gegensätzen beschreiben.“

Harald Kretzschmar, der vorige Woche seinen 87. Geburtstag feierte, schilderte mit einer Bildpräsentation, was und wer seinen Werdegang (nach anfänglich gemeinsam mit Gerhard Richter verpatzten Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule) formte und begleitete, als Portraitzeichner und Karikaturist, als Vorsitzender der Sektion Karikatur im VBK der DDR, als Buchgestalter und Künstler.


Vieles davon kommt natürlich auch in dem heute (nicht) vorgestellten Buch vor! Und Harald Kretzschmar räumte mit Klischees auf, die seit einem viertel Jahrhundert die Darstellung der DDR-Kunstszene in Feuilleton und Kunstkritik bestimmen und belegte das Gegenteil mit amüsanten Anekdoten, verwies deutlich auf die zur Oberflächlichkeit neigende heutige Karikatur und beklagte die zunehmenden Mankos in der modernen Buchproduktion, vor allem in Hinblick auf Buchgestaltung, Illustration und Satire.

Rückblickend eine Masse an Informationen, für die die zwei Stunden „Lesung“ eigentlich nicht ausreichten.

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Juni05
on 5. Juni 2018
Veröffentlicht in: Fiete Jensen, Julius Jamal


>>>> 70 Jahre Israel <<<<
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7
0 Jahre Israel

Autor Fiete Jensen

Fiete Jensen

„Des einem Freud ist des anderen Leid“ lautet ein deutsches Sprichwort, das wie die Faust auf’s Auge auf das Verhältnis von Israel und Palästina passt. 70 Jahre ist es nun her das in Palästina der Staat Israel gegen jede Vernunft gegründet wurde. Jede Freude, der nach einer Heimat und Sicherheit suchenden Juden, musste mit einem Leid des palästinensischen Volkes bezahlt werden.

Gestern am 70. Nakba-Gedenktag und am Tag davor, wurden erneut 109 Palästinenser in Jerusalem, im Gazastreifen und im Westjordanlandvon von der israelischen Armee ermordet! Israels Präsident Netanjahu spricht arrogant von einem »glorreichem Tag« – Im Westjordanland antworteten die Palästinenser mit einem Generalstreik!

 

Trauer um die Toten: Bis heute stieg die Zahl der Ermordeten auf 109
Foto: Mahmoud Ajour/APA Images via ZUMA Wire/dpa


Der Apartheidstaat Israel, getragen von der nationalistisch/zionistischen Ideologie und einem brutalen kapitalistischen Unterdrückerstaat wurde errichtet und wird am Leben erhalten durch das vergossene Blut von tausenden von Palästinensern. Da gibt es nichts zu feiern! Im Boden verkriechen sollten sich all diejenigen die die brutale Vertreibung, Ermordung und Unterdrückung von Palästinensern auf ihrem Land angeordnet, vollzogen und geduldet haben. Ja, auch ein großer Teil der Bevölkerung Israels ist mitschuldig, weil sie nichts gegen die Vertreibungen, die Vernichtungen ganzer Ortschaften und die agressive Siedlungspolitik auf besetztem Land unternommen haben und ihren Wohlstand auf dem Rücken, der geschundenen und gedemütigten Palästinensern aufbauten und heute noch aufbauen.
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Die Redaktion AmericanRebel wird, beginnend mit den nachfolgenden Artikeln, im Laufe diese Jahres Artikel veröffentlichen, die sich mit der Existenz Israels und dem mutigen Kampf der Palästinenser für ihre Selbstbestimmung befassen. Aber auch der demokratischen Kampf gegen das Apartheidsystem, der Widerstand gegen das kapitalistische Unterdrückerregime und die Gängelung des israelischen und palästinensischen Volkes durch die rassistische Regierung in Israel, wir beleuchtet.

Es werden neue Artikel sein aber auch ältere „Grundsatzartikel“ die bestimmte Erscheinungsformen und Verhältnisse erklären. Einige Artikel werden erheblich länger sein als unsere Leser/innen es von uns gewohnt sind, doch komplexe Sachverhalte erfordern auch ihren Platz bei der journalistischen Betrachtung. Es wird für jede/n etwas dabei sein und wir bitten unsere Autoren/-innen ihre Texte mit Unterüberschriften gut zu Gliedern. Wem das noch nicht genügend Informationen sind, stehen die Literaturhinweise und Links unserer Autoren/-innen und der Redaktion zur Verfügung.

Auch die Leser und Leserinnen von AmericanRebel bitten wir zur Vervollständigung dieser Artikelsammlung um ihre Hilfe. Sendet uns eure eigenen Artikel, weist uns auf gute Artikel hin und nutzt die Möglichkeit Kommentare an diese Seite anzuhängen!

Wenn neue Artikel dieser Sammlung hinzugefügt werden, wird dieses wie gewohnt in der Facebookgruppe angekündigt. ihr findet sie dann immer unter diesem Text also immer ganz oben in der Artikelsammlung.

Fiete Jensen, 15. Mai 2018
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Inhalt

Tsafrir Cohen Gegen den Strom – was bewegt israelische Aktivistinnen anno 2018?
Reut Michaeli Profit auf dem Rücken von Arbeitsmigrant*innen – Die Methode der Ausbeutung
Julius Jamal Israel-Preisträgern fordern Anklage wegen kriminellem Massaker
Tsafrir Cohen Die andauernde Nakba
Arn Strohmeyer 70 Jahre Israel – 70 Jahre Siedlerkolonialismus und Krieg gegen Palästinenser
Rolf Verleger Besetztes Land
Julius Jamal 69 Jahre Nakba – Zeit, das Schweigen zu brechen
Jensen/Todenhöfer Wem gehört das Land?

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Tsafrir Cohen

Gegen den Strom – was bewegt israelische Aktivistinnen anno 2018?

Tsafrir Cohen

Das Streben nach Gleichberechtigung verbindet uns jenseits der partikulären Identität miteinander“. Im heruntergekommenen Süd-Tel Aviv stellt sich Shula Keshet an die Seite der Schwächsten der Gesellschaft & leistet Widerstand gegen zunehmende Gentrifizierung & Ausländerfeindlichkeit. Ihre Vision besteht darin, im verarmten Süden der Stadt gemeinsam mit Alteingesessen & Geflüchteten eine bessere Zukunft aufzubauen. Aus der Interviewreihe des Rosa Luxemurg Stiftung – Israel Office zu 70 Jahre Israel“. Nachfolgend findet ihr die vollständugen Interviews.


Frauen verändern die Welt – auch in Israel! Bei den Kämpfen äthiopischer Juden und Jüdinnen gegen Polizeigewalt oder in progressiver Aufklärungsarbeit innerhalb der russischsprachigen Community, in der Bewegung für ein Ende der Besatzung oder für die Rechte Geflüchteter übernehmen Frauen eine führende Rolle. In den folgenden Interviews teilen fünf israelische Aktivistinnen ihre Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus, berichten über ihre politische Arbeit und erzählen von der ambivalenten Beziehung zum Staat und von ihren Hoffnungen für die Zukunft.
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„Jeder Polizist weiß, dass er mit uns alles machen kann“

Interview mit Tigist Mahari

Als Kind zog Tigist Mahari mit ihrer Familie aus Äthiopien nach Israel und beteiligt sich heute unter anderem aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen an Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Diskriminierung. Ihr wichtigstes Ziel ist es, die verschiedenen benachteiligten Gruppen in der israelischen Gesellschaft zu vernetzen.
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„Ich will diesem Staat nicht als Make-up dienen“

Interview mit Samah Salaime

Als palästinensische Sozialarbeiterin in Israel kämpft Samah Salaime an vielen Fronten, indem sie kontinuierlich patriarchale und rassistische Strukturen herausfordert und eine Kampagne gegen eine Mordwelle an arabischen Frauen im Zentrum des Landes anführte. Der Kampf für Gleichberechtigung kann in ihren Augen nur radikal geführt werden.
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„Das Streben nach Gleichberechtigung verbindet uns jenseits der partikulären Identität miteinander“

Interview mit Shula Keshet

Im heruntergekommenen Süd-Tel Aviv stellt sich Shula Keshet an die Seite der Schwächsten der Gesellschaft und leistet Widerstand gegen zunehmende Gentrifizierung und Ausländerfeindlichkeit. Ihre Vision besteht darin, im verarmten Süden der Stadt gemeinsam mit Alteingesessen und Geflüchteten eine bessere Zukunft aufzubauen.
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„Es ist überwältigend in Jerusalem zu leben“

Interview mit Sahar Vardi

Die gebürtige Jerusalemerin und Kriegsdienstverweigerin Sahar Vardi engagiert sich seit ihrer Jugend in Initiativen gegen die Besatzungspolitik der israelischen Regierung. Gemeinsam mit den Bewohner*innen Ost-Jerusalems kämpft sie für eine gerechte Stadt von unten.
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„Wenn es euch hier nicht passt, dann geht doch zurück nach Russland“

Interview mit Sonya Soloviov

In Kiew geboren und in Israel aufgewachsen, setzt sich Sonya Soloviov für eine feministische Erneuerung der russischsprachigen Community Israels ein und widerspricht der Annahme, Migrant*innen aus der Sowjetunion seien per se für progressive Bewegungen nicht offen.

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Zuerst erschienen am 27. April 2118 bei RLS Israel office

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
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Reut Michaeli

Profit auf dem Rücken von Arbeitsmigranten/-innen – Die Methode der Ausbeutung

Reut Michaeli

Die Beschäftigung von Arbeitsmigranten/-innen in Israel unterliegt einem Regime von Arbeitsgenehmigungen und Quoten – von dem viele profitieren, außer der Arbeiter/innen.
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Historischer Hintergrund

Das Phänomen der Arbeitsmigration gibt es schon sehr lange: Männer und Frauen verlassen ihre Heimatländer, in denen sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nur schlecht bestreiten können. Und so suchen sie nach einem anderen Land, um zu überleben und/oder um ihren Lebensstandard zu verbessern. Bisweilen unterstützen sie auf diese Weise auch ihre Familien finanziell, die sie zurückgelassen haben. Israel ist ebenfalls ein Ziel für Arbeitsmigranten/-innen geworden und insofern unterscheidet es sich nicht von anderen Ländern.

Protest von ArbeitsmigrnatInnen, Tel Aviv, 2014, (Foto: Activestills)

Bis zu Beginn der 1990er Jahre waren in Israel palästinensische Arbeiter/innen aus den besetzten Gebieten in der Westbank und im Gazastreifen beschäftigt. Infolge der Abriegelungs- und Trennungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinenser/innen in den besetzten Gebieten mangelte es an Arbeitskräften im Baugewerbe, in der Industrie und der Landwirtschaft. Daraufhin ergriff die israelische Regierung Maßnahmen, um die palästinensischen Arbeiter/innen in diesen Branchen durch Arbeitsmigranten/-innen (die von den Behörden als „fremde/ausländische Arbeiter“ bezeichnet werden) zu ersetzen. Im Zuge der Privatisierung des Gesundheitswesens in Israel wurden Arbeitsmigranten/-innen überdies dazu „eingeladen“, auch im Pflegebereich zu arbeiten. Dies geschah, nachdem sich israelische Arbeitskräfte geweigert hatten, unter den branchenüblichen Bedingungen (sehr schwere Arbeit rund um die Uhr zu schlechten Konditionen und niedrigen Löhnen) zu arbeiten.

Die Beschäftigung von Arbeitsmigranten/-innen in Israel unterliegt einem Regime von Arbeitsgenehmigungen und Quoten (nur im Pflegebereich gibt es keine Beschäftigungsquoten für AArbeitsmigranten/-innen). Die Anzahl der Genehmigungen ist seit Beginn dieser Praxis Anfang der 1990er Jahre stetig gewachsen: Während im Jahr 1993 weniger als 20.000 solcher Genehmigungen erteilt wurden, war ihre Zahl 1996 bereits auf 106.161 gestiegen. Israel kletterte bald an die Spitze der Liste westlicher Länder, die Arbeitsmigranten/-innen „importieren“: Im Jahr 2001 befanden sich in Israel circa 250.000 Arbeitsmigranten/-innen.

Thailändische Arbeiter*innen bei einem Treffen mit der Organisation KavLaOved, die sich für die Arbeitsrechte von Arbeitsmigrant*innen einsetzt, Moschaw Achituv, Israel, 13.7.2013. (Foto: Activestills)

Seit Mitte der 1990er Jahre versuchte die israelische Regierung, ihre Anzahl durch Verhaftungen und Abschiebungen zu reduzieren. Zehntausende Arbeitsmigranten/-innen wurden aus Israel abgeschoben oder verließen das Land „freiwillig“ angesichts der Androhung von Inhaftierung oder Abschiebung ihrer Familienmitglieder. Im Jahr 2002, im Zuge der Zweiten Intifada und der anschließenden Wirtschaftskrise, beschloss der damalige Premierminister Ariel Scharon die Massenabschiebung von ausländischen Arbeiter*innen und die Einrichtung der „Behörde für Migration“, einem Exekutivorgan, das dafür zuständig ist, „illegale Ausländer“ festzunehmen und abzuschieben. Die eigens eingerichtete Behörde ging in den Jahren 2002 bis 2004 in einer groß angelegten Operation gegen Arbeitsmigrant*innen ohne Aufenthaltsgenehmigung vor. Menschen wurden bei der Arbeit verhaftet, auf der Straße und im Bus. Verhaftungen fanden in Wohnungen statt, meist in der Nacht, und oft unter Anwendung von Gewalt. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum mehr als 100.000 Arbeitsmigrant*innen aus Israel abgeschoben oder dazu gebracht, das Land zu verlassen.

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Die Maßnahmen der Verfolgung und Abschiebung haben Israel nicht daran gehindert, die abgeschobenen Arbeiter*innen durch den „Import“ von neuen zu ersetzen. Im März 2016 waren in Israel 74.369 Arbeitsmigranten/-innen mit gültigem Visum gemeldet und circa 16.400 Arbeitsmigrant*innen beschäftigt, die zwar legal ins Land eingereist sind, aber aus verschiedenen Gründen ihre Aufenthaltsgenehmigung verloren haben. Darüber hinaus leben in Israel ungefähr 90.000 Touristen/-innen (meist aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion), deren Visum abgelaufen ist.[1]
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Einwanderung ohne Politik und ohne Rechte

Israel hat keine klare Einwanderungspolitik und in vielerlei Hinsicht ist das Fehlen einer solchen Politik auch eine Politik. In Ermangelung einer systematischen Gesetzgebung, die die Fragen der Einwanderung nach Israel regelt, liegt es im Ermessen des Innenministers und seiner Ministerialbeamten/-innen, die Politik zu bestimmen. Ihr Ermessensspielraum ist dabei groß und auch ihre Möglichkeiten, ihre Politik immer wieder zu verändern, sind vielfältig – während die Kontrollmöglichkeiten durch Parlament und Gerichte minimal sind. Infolgedessen ist Arbeitsmigration in Israel durch eine Politik der Misshandlung gekennzeichnet, die Arbeitsmigranten/-innen im Dienste des wirtschaftlichen Nutzens instrumentalisiert. Arbeitsmigranten/-innen gehören deshalb in Israel zu einer Gruppe von Menschen, die ungeschützt ist, übersehen, marginalisiert und ausgebeutet wird.

Gemäß dem Gesetz, das die Einreise nach Israel regelt, dürfen Arbeitsmigrant*innen fünf Jahre und drei Monate im Land arbeiten. Zweck dieser Beschäftigungspolitik ist es, Migranten/-innen daran zu hindern, hier Fuß zu fassen und Israel zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen, und eine instabile und unsichere Lebenssituation zu fördern. Dazu gehört auch, dass Arbeitsmigranten/-innen in Israel, im Gegensatz zur Praxis in anderen Ländern, keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus (permanente Aufenthaltsgenehmigung oder Staatsbürgerschaft) erlangen können, selbst dann nicht, wenn sie über viele Jahre im Land legal gearbeitet und sich keinerlei Vergehen schuldig gemacht haben. All dies geschieht aus demografischen Gründen, um – so die offizielle Position – den jüdischen Charakter des Staates Israel zu schützen. In diesem Zusammenhang wird die Regierung nicht müde, immer wieder – auch vor Gericht – zu erklären, dass Israel kein Einwanderungsland und das Rückkehrgesetz das einzige Einwanderungsgesetz Israels sei. Jede andere permanente Aufenthaltsgenehmigung, die einem Menschen in Israel gewährt wird (mit Ausnahme der Staatsbürgerschaft für Ehepartner/innen), wird vom Staat als ein aus humanitären Gründen verliehener Status definiert.[2]

Arbeitgeber/-innen, die Genehmigungen zur Anstellung von Arbeitsmigrant*innen erhalten haben und nun solche Arbeitskräfte suchen, sowie Arbeitsmigranten/-innen, die bereits in ihrem Heimatland eine/n Arbeitgeber/in finden müssen (da sie sonst keine Einreiseerlaubnis erhalten), wenden sich an Firmen, die Arbeitskräfte vermitteln. Diese Firmen stellen den Kontakt zwischen den Arbeitgeber/innen und den Arbeitnehmer*innen her, wofür sie eine Vermittlungsgebühr verlangen.

Noch bevor sie nach Israel kommen, müssen Arbeitsmigranten/-innen deshalb lokalen Vermittlungsfirmen oder Vertreter*innen israelischer (Vermittlungs-) Firmen vor Ort im Voraus zwischen 5.000 und 15.000 US-Dollar (ca. 4.550–13.650 Euro) oder sogar mehr bezahlen. Die Höhe der zu zahlenden Summen verstößt gegen das israelische Recht, wonach von Arbeitsmigranten/-innen höchstens 3.135 Schekel (ca. 810 US-Dollar/737 Euro) pro Person als Vermittlungsgebühr verlangt werden dürfen, um ihn/sie aus seinem/ihrem Ursprungsland nach Israel zu bringen. Die Höhe der zu zahlenden Summe zwingt die Arbeiter*innen dazu, Geld zu leihen und ihre Zukunft für das Recht, in Israel zu arbeiten, zu verpfänden; dies vergrößert ihre Abhängigkeit von ihren jeweiligen israelischen Arbeitgeber/innen und unweigerlich auch ihre Schutzlosigkeit vor Ausbeutung, Unterdrückung und Misshandlung.

Die fehlende Durchsetzung des Rechts und/oder die begrenzte oder ineffektive Ahndung von Verstößen gegen Schutzgesetzte und Arbeitsrechte, die deshalb keine abschreckende Wirkung entfalten kann, befördern das kriminelle Verhalten gegenüber Arbeitsmigranten/-innen und erlauben es Arbeitgeber/-innen, Arbeitsmigranten/-innen im großen Stil und ungestraft auszubeuten. Darüber hinaus trägt diese Praxis dazu bei, dass in den Branchen, in denen Arbeitsmigranten/-innen tätig sind, Beschäftigungsstandards, die die Interessen und Rechte der Arbeiter/innen stark beeinträchtigen, entstehen und sich ausbreiten.

Auf dem Papier haben Arbeitsmigranten/-innen einen Anspruch auf dieselben Rechte, die auch israelischen Arbeiter/innen zustehen, einschließlich Mindestlohn, Rentenversicherung, Urlaub und Erholung, sowie auf eine Vielzahl von zusätzlichen gesetzlich geregelten Schutzmechanismen, die darauf abzielen, ausländische Arbeitnehmer/innen vor Ausbeutung zu schützen (wie zum Beispiel die Regelung, die es Arbeitgeber/innen verbietet, der Arbeitskraft den Reisepass wegzunehmen, oder die Pflichten der Arbeitgeber/innen in Bezug auf die Unterbringung der Migranten/-innen). In der Praxis aber ignoriert die Einwanderungsbehörde, die eigentlich für die Sicherheit dieser Menschen verantwortlich ist, die grundlegendsten Bedürfnisse der Arbeitsmigrant*innen.

Die erste Abschiebung von einem in Israel geborenen Kind einer Arbeitsmigrantin. Tel Aviv, Israel, 16.8.2011 (Foto: Activestills)

Eines der deutlichsten Beispiele dafür ist die Beschneidung des Familienlebens von Arbeitsmigranten/-innen durch die Politik des israelischen Innenministeriums. Über viele Jahre hinweg wurde es Arbeitsmigranten/-innen verboten, nach einer Entbindung weiterhin in Israel zu arbeiten, es sei denn, sie schickten die neugeborenen Kinder in ihre Heimatländer. Auch hinter dieser Praxis stehen die Absicht, die Ansiedlung von Arbeitsmigrant*innen zu verhindern, und die Befürchtung, dass eine Familie in Israel gegründet wird. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, das von der Hotline für Flüchtlinge und Migrant*innen[3] (damals noch unter dem Namen: Hilfszentrum für ausländische Arbeiter*innen), Kav LaOved – Worker’s Hotline,[4] ACRI[5] (Vereinigung für Bürgerrechte in Israel) und anderen Organisationen angestrengt wurde, heißt es in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs: „Wird eine Frau gezwungen, zwischen Weiterbeschäftigung, als Verwirklichung von legitimen wirtschaftlichen Erwartungen, und der Realisierung ihres Rechts auf Mutterschaft zu wählen, steht dies im Widerspruch zu den moralischen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen der israelischen Gesellschaft. Werden die besagten Alternativen auf jene Weise geboten, stellt dies in erster Linie einen Verstoß gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Mutterschaft der ausländischen Arbeiterin dar.“[6]

Infolge dieses Urteils verlangt das Innenministerium nun nicht mehr, dass neugeborene Kinder aus Israel ausreisen. Jedoch haben viele Migranten/-innen, die sich um ein Kleinkind kümmern, Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Anstelle der Praxis, die aufgehoben wurde, hat das Innenministerium eine neue eingeführt: Sie verbietet in Israel „Familieneinheiten“, denen zwei Arbeitsmigrant*innen angehören. Das gilt auch dann, wenn sie gemeinsame Kinder haben. Sobald das Innenministerium von der Existenz einer solchen „Familieneinheit“ erfährt, wird eine/r der beiden Partner/innen aufgefordert, sie zu verlassen; falls er/sie dies nicht tut, drohen ihr/ihm Inhaftierung und Abschiebung.

Arbeitsmigranten/-innen werden auch dadurch beeinträchtigt, dass das Innenministerium sie bei der Vergabe des Visums an eine/n spezifischen ArbeitgeberIn bindet: Im Visum, das dem/der ArbeiterIn gewährt wird, steht der Name des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin; es verliert seine Gültigkeit, sobald der/die ArbeiterIn nicht mehr für diese/n ArbeitgeberIn arbeitet. Falls der/die ArbeiterIn ohne Genehmigung den/die ArbeitgeberIn verlässt (und selbst im Falles des Todes des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin), ist das Visum nicht mehr gültig und die Arbeitskraft muss Israel verlassen, andernfalls drohen Inhaftierung und Abschiebung. Im Jahr 2006 entschied der Oberste Gerichtshof in Israel, dass diese Beschränkungspolitik verfassungswidrig ist und aufgehoben werden muss. Das Gericht kritisierte die Regierungspolitik scharf und urteilte, dass die Beschränkung moderner Sklaverei gleichkomme. Es forderte die Regierung auf, neue Regelungen für den Pflegebereich, die Landwirtschaft und die Industrie innerhalb von sechs Monaten ab Urteilsverkündung festzulegen. Bislang ist diesbezüglich nichts passiert. Auch einer von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen[7] eingereichten gerichtlichen Eingabe gegen die Missachtung des Gerichtsurteils aufseiten der Exekutive gelang es nicht, die Aufhebung der Beschränkungspolitik zu erwirken. Mittlerweile konnte ein starker Rückgang der Genehmigungsquoten für Bauarbeiter und die Regelung der Anstellung über spezielle Unternehmen die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in diesen Bereichen verbessern. Bilaterale Abkommen zwischen dem Staat Israel und Thailand, dem Land, aus dem die meisten in der Landwirtschaft arbeitenden Migranten/-innen kommen, haben die Bedingungen der „Imports“ dieser Arbeiter*innen und ihren Schutz geringfügig verbessert, nach wie vor sind die Arbeiter/innen aber an ihre Arbeitgeber*innen gebunden. Sie können nur dann von einem/r Arbeitgeber/in zu einem/r anderen wechseln, wenn auch der/die neue Arbeitgeber/in eine Genehmigung besitzt, Arbeitsmigrant*innen zu beschäftigen. Die Anzahl solcher Wechsel ist ebenfalls beschränkt. Oft haben Beschäftigte, die ihre Arbeitgeber*innen verlassen, Schwierigkeiten, neue zu finden.
Im Pflegebereich ging der Staat weiter und kündigte an, dass er dem Gerichtsurteil nicht Folge leisten werde. Zu diesem Zweck wurde ein spezielles Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, auch weiterhin die in der Pflege tätigen Arbeiter/innen (die absolute Mehrheit der in diesem Bereich in Israel arbeitenden Personen sind Frauen) an ihre Arbeitgeber/innen zu binden und ihnen darüber hinaus auch geografische Beschränkungen aufzuerlegen.

Die Fortsetzung dieser Beschränkungspolitik bedeutet die anhaltende Verletzung der Rechte der Arbeitsmigranten/-innen und begünstigt eine Entwicklung, die dazu führt, dass Menschen unter den Bedingungen der Sklaverei und des Menschenhandels arbeiten.

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Der öffentliche Diskurs – Nationalismus, Ausgrenzung und Xenophobie

Arbeitsmigranten/-innen werden von der Regierung, den staatlichen Behörden und selbst vom Großteil der Öffentlichkeit „fremde (ausländische) Arbeiter“ genannt. Das ist kein Zufall. Die Verwendung des Wortes „fremd“ hebt hervor, dass diese Menschen nicht als Teil der israelischen Gesellschaft angesehen werden, sondern als billige temporäre Arbeitskräfte. Und dies geschieht in einer Zeit, in der andernorts auf der Welt der Begriff Arbeitsmigrant*innen (statt fremde Arbeiter*innen oder Gastarbeiter*innen) geläufig ist. Dieser Begriff gilt als inklusiver und offener. Zweifellos ist die Terminologie Ausdruck einer gesellschaftlichen Auffassung, die Arbeiter*innen marginalisiert, und insbesondere Arbeiter*innen, die nicht israelisch und nicht jüdisch sind. Die Marginalisierung der Arbeiter*innen ist Ausdruck ihrer Stellung in der wirtschaftlichen „Nahrungskette“, auch ihrer physischen Verortung in der Gesellschaft. Sie sind verpflichtet, die Ware zu liefern, sollen aber aus dem Blickfeld verschwinden. In der Öffentlichkeit sind sie kaum sichtbar. Nicht umsonst werden Arbeitsmigranten/-innen in Bereichen beschäftigt, in denen sie relativ wenig mit der israelischen Gesellschaft in Berührung kommen. Das erschwert das Entstehen sozialer Beziehungen sehr. Bauarbeiter arbeiten auf Baustellen, auf denen sich Israelis in der Regel nicht aufhalten, unter anderem aus Gründen der Sicherheit. Arbeiter/innen in der Landwirtschaft befinden sich meist in Moschawim und Kibbuzim, in geografischen Randgebieten, während sich die in der Pflege beschäftigten Arbeiter*innen in den Wohnungen ihrer Arbeitgeber*innen aufhalten.

Protest von „Einwanderungs“-Polizei kontrolliert, aufgrund von Aussehen, vermutliche Migrant*innen oder Asylbewerber*innen auf den Strassen von Tel Aviv, Israel, 5.7.2009 (Foto: Activestills)

Die Marginalisierung dieser Arbeiter/innen liefert der Regierung noch mehr „Munition“. In vielen Gesellschaften ist immer wieder zu beobachten, dass die „anderen“, die „Fremden“ für diverse Probleme, insbesondere wirtschaftlicher Art, verantwortlich gemacht werden. Auch in Israel schreckte die Regierung nicht davor zurück, als es galt, die öffentliche Aufmerksamkeit von anderen Themen abzulenken. Dies geschah zum Beispiel im Jahr 2004, als die Behörde für Migration im Rahmen einer finanziell sehr gut ausgestatteten Kampagne die Abschiebung von Arbeitsmigranten/-innen aus Israel propagierte und dafür um Zustimmung und Mithilfe in der Öffentlichkeit warb. Die Kampagne verglich die Zahl der Arbeitsmigrant*innen mit der Zahl der Arbeitslosen in Israel (je eine Viertelmillion Menschen) und behauptete, die Arbeitsmigrant*innen seien für die Arbeitslosigkeit verantwortlich, weil sie den israelischen Arbeiter/innen die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Die Propaganda in den Medien, einschließlich der elektronischen Medien, stellte Arbeitsmigrant*innen als Leute dar, deren Beschäftigung „illegal und unmoralisch“ sei. Im Rahmen der visuellen Darstellung dieser Kampagne wurden Fotos von Migrant*innen mit einem großen X durchgestrichen. Diese Politik des „Teile und Herrsche“ spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Xenophobie in Israel. Es ist interessant, dass an vielen Orten der Welt Xenophobie, die in der Öffentlichkeit laut wird, von „unten“ kommt, während in Israel (sowohl in Bezug auf Arbeitsmigranten/-innen als auch Asylsuchenden) derartige Äußerungen in erster Linie von „oben“, also von Entscheidungsträger/innen gemacht werden. Erst danach finden diese Botschaften in der allgemeinen Öffentlichkeit breite Verwendung.
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Wirtschaftliche Interessen

Ein weiteres Argument, das in der öffentlichen Debatte auftaucht, wenn es um die Rechte der Arbeitsmigranten/-innen geht, ist die arrogante Behauptung, dass „wir ihnen einen Gefallen tun“. Diesem Diskurs liegt die Wahrnehmung zugrunde, dass Arbeitsmigrant*innen aus Ländern kommen, die weniger gut entwickelt und weniger wirtschaftlich erfolgreich sind als das gute und erfolgreiche Israel, das ihnen nichts schuldet. Eine solche Argumentation basiert auf einer Wirtschaftskonzeption des freien Markts, die darauf abzielt, Arbeiter*innen Bedingungen zu stellen und ihnen die Entscheidung zu überlassen, ob sie diese akzeptieren oder nicht. Natürlich zieht diese Argumentation das Fehlen einer wirklichen Wahlmöglichkeit der Arbeiter/innen nicht in Betracht; stattdessen stützt sie sich auf die (traurige) Tatsache, dass Arbeitsmigranten/-innen es oft vorziehen, unter sehr schlechten Bedingungen zu arbeiten, anstatt gar nicht zu arbeiten, weil sie ihren Lebensunterhalt und häufig auch den ihrer Familien in ihren Herkunftsländern bestreiten müssen.

Wirtschaftliche Interessen leiten nicht nur die Arbeiter/innen, die nach Israel kommen möchten: Wie bereits beschrieben, müssen Arbeitsmigrant*innen schon vor ihrer Ankunft in Israel hohe Vermittlungsgebühren bezahlen; deshalb haben die Unternehmen und Einzelpersonen, die die Vermittlungsgebühren kassieren, auch ein Interesse daran, dass so viele Arbeiter/innen wie möglich nach Israel kommen. Und mehr noch, sie profitieren auch von einer hohen Fluktuation. Angesichts der Quotenpolitik kann die Fluktuation über das gegebene Maß dadurch erhöht werden, dass Arbeitsmigrant*innen ihre Arbeitgeber*innen vorzeitig verlassen. Die Politik der Misshandlung und der damit einhergehenden systematischen Verletzung von Arbeitsrechten bringen Arbeitsmigrant*innen dazu, ihre Arbeitgeber/innen zu verlassen und dadurch ihr Visum zu verlieren. Diese Politik hilft also den Eigentümer*innen der Vermittlungsunternehmen, noch mehr Geld zu verdienen.
In der Vergangenheit verfolgte die israelische Regierung eine Politik des „geschlossenen Himmels“: Neue Visa bzw. Arbeitsgenehmigungen für Arbeitsmigranten/-innen wurden nur dann erteilt, wenn die bereits im Land befindlichen Arbeitsmigrant*innen beschäftigt waren. Diese Vorschrift wurde von der Einwanderungsbehörde aufgehoben, anscheinend, nachdem die bilateralen Abkommen mit der thailändischen Regierung in Bezug auf den Agrarbereich vereinbart waren. Das Ergebnis ist, dass die Arbeiter/innen noch größere Schwierigkeiten haben, neue Arbeitgeber/innen zu finden, während Arbeitgeber/innen noch mehr dadurch verdienen können, dass sie einfach neue Arbeitsmigranten/-innen nach Israel holen, wenn ihnen Arbeitsmigranten/-innen aufgrund der schlechten Bedingungen „weglaufen“.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Arbeitsmigranten/-innen in einem bestimmten Sektor (wie niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und fehlender Schutz der Rechte der Arbeiter/innen) letztendlich auch zu einer Verschlechterung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für israelische Arbeiter*innen (jüdische und palästinensische) in diesem Sektor führt und dazu, dass sie aus diesem Sektor ausgeschlossen werden. Ein/e Arbeitgeber/in, der/die praktisch nicht verpflichtet ist, den gesetzlichen Regelungen nachzukommen, und deshalb einem/r Arbeitsmigranten/-innen weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen kann, will keine Israelis anstellen, da er/sie ihnen das Mindestgehalt zahlen muss, weil sie ihn/sie sonst verklagen.
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Was sollte Israel tun?

Im Allgemeinen wäre es angemessen für Israel, eine ordentliche, klare Einwanderungspolitik zu formulieren. In diesem Zusammenhang sollte auch das Diskriminierungsverbot gegenüber Arbeitsmigranten/-innen festgeschrieben werden. Dieses Verbot ist Teil internationaler Abkommen, zu denen etwa auch das „Übereinkommen über Wanderarbeiter“ der Internationalen Arbeitsorganisation gehört (ILO 97). Die Angleichung der Bedingungen sollte substanziell sein und die schwache Ausgangsposition der Arbeitsmigrant*innen gegenüber anderen Gruppen von Lohnabhängigen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen.

Arbeitsmigranten/-innen, die nach Israel gekommen sind und hier aus besonderen Gründen lange Zeit mit Genehmigung geblieben sind, sollten ein Daueraufenthaltsrecht erhalten, das ihnen Stabilität gewährt.

All dies würde es ermöglichen, dass Arbeitsmigranten/-innen als Menschen behandelt werden, als Menschen, die einen eigenen Willen haben, eigene Bedürfnisse und Wünsche, und nicht nur als Mittel, um die Bedürfnisse anderer zu realisieren.

Die Rechtsanwältin Reut Michaeli ist seit 2010 Geschäftsführerin der Hotline for Refugees and Migrants („Hotline für Flüchtlinge und Migrant/innen“), die sich zur Aufgabe gesetzt hat, die Rechte von Migrant*innen und Asylsuchenden in Israel zu schützen und den Menschenhandel zu bekämpfen. Nach ihrem Jurastudium an der Verwaltungshochschule (College of Management – Academic Studies) in Rischon LeZion und der Hebräischen Universität in Jerusalem arbeitete Michaeli seit 2002 in verschiedenen Funktionen im Rahmen des Israel Religious Action Center (Religiöses Aktionszentrum in Israel), das sich mit Öffentlichkeitsarbeit und juristischer Unterstützung der Anliegen der Bewegung des progressiven und Reformjudentums in Israel beschäftigt. In ihrer Arbeit bemüht sich Reut Michaeli besonders um den Schutz von Menschenrechten und ist Expertin für Migrationsfragen.


Anmerkungen
[1] Vgl. Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörde: Daten über Ausländer in Israel, 1. Quartal 2016.
[2] Genaue Zahlen liegen zu dieser Frage nicht vor. Über die Anträge entscheidet ein spezieller Ausschuss. In den allermeisten Fällen werden sie abgelehnt, und selbst bei positiven Entscheidungen werden in der Regel lediglich befristete Aufenthaltsgenehmigungen erteilt.
[3] Zur Organisation siehe (Website gelöscht).
[4] Zur Organisation siehe (Website gelöscht).
[5] Zur Organisation The Association for Civil Rights in Israel (ACRI).
[6] Vgl. High Court of Justice (HCJ), 11437/05, 13.4.2011, Urteil von Richterin A. Proccacia.
[7] Kav LaOved, Hotline für Flüchtlinge und Migrant*innen, ACRI, Ärzte für Menschenrechte – Israel
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Zuerst erschienen am 21. September 2116 bei RLS Israel office
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers



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Julius Jamal

Israel-Preisträgern fordern Anklage wegen kriminellem Massaker

Julius Jamal

Das Massaker am vergangenen Montag in Gaza kostete mehr als 60 Menschen das Leben und verletzte über 2000 schwer, die Welt zeigte sich angesicht der massiven Gewalt schockiert. Israels Regierung und die Armee stellen es als Verteidigung hin, doch dagegen regt sich Widerstand, so demonstrierten israelweit Linke und Friedensaktivisten gegen die massive Gewalt. Nun haben auch prominente Israelis in einem Brief die internationale Gemeinschaft aufgefordert klar Stellung zu beziehen gegen die Gewalt.
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Wir dokumentieren den offenen Brief:

„Wir, israelische Bürger, die wünschen, dass unser Land sicher und gerecht ist, sind entsetzt und erschrocken über das massive Töten unbewaffneter palästinensischer Demonstranten in Gaza.

Keiner der Demonstranten stellte eine unmittelbare Gefahr für den Staat Israel oder seine Bürger dar. Die Tötung von 60 Demonstranten und die Tausenden weiterer Verwundeter erinnern an das Massaker von Sharpeville im Jahr 1960 in Südafrika. Die Welt handelte dann.

Gaza Gedenken (Pic: Guy Smallman)

Wir appellieren an aufrichtige Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, zu handeln. Wir fordern, dass diejenigen, die Schießbefehle erteilten, untersucht und vor Gericht gestellt werden. Die derzeitigen Mitglieder der israelischen Regierung sind für das kriminelle Vorgehen verantwortlich, auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen. Die Welt muss eingreifen, um das laufende Töten zu stoppen.“

Avraham Burg, ehemaliger Sprecher der Knesset und Vorsitzender der Jewish Agency
Prof. Nurit Peled Elhanan, Ko-Preisträger des Sacharow-Preises 2001
Prof. David Harel, Vizepräsident der Israelischen Akademie der Wissenschaften und Preisträger des Israel-Preises 2004
Danny Karavan, Preisträger des Israel-Preises 1977
Prof. Yehoshua Kolodny, Preisträger des Israel-Preises 2010
Alex Levac, Fotograf und Preisträger des Israel-Preises 2005
Prof. Judd Ne’eman, Direktor und Preisträger des Israel-Preises 2009
Prof. Zeev Sternhell, Historiker und Preisträger des Israel-Preises 2008
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Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“  vor wenigen Tagen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors.

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Tsafrir Cohen

Die andauernde Nakba

Tsafrir Cohen

Für die Palästinenser*innen war die Gründung des Staates Israel vor 70 Jahren eine Katastrophe. Während bei Protesten in Gaza mehr als 50 Palästinenser*innen starben, feierte die Ablehnungsfront gegen die palästinensische Selbstbestimmung in Jerusalem die Eröffnung der US-Botschaft.

In dieser Woche gedenken über zehn Millionen Palästinenser*innen der Nakba, der massenhaften Flucht und Vertreibung in der Folge der Staatsgründung Israels 1948. Doch die Nakba endete damals nicht, sondern ist Teil eines fortwährenden Enteignungsprozesses. Die Welt scheint sich damit zu arrangieren, dass es die Zweistaatenlösung höchstens dem Namen nach geben wird.

Den Palästinenser*innen verbleiben nicht einmal jene 22 Prozent des historischen Palästinas, auf dem ihr Staat entstehen sollte, denn sie werden im Westjordanland Schritt für Schritt in dichtbevölkerte Enklaven verdrängt. Wie es dort künftig aussieht, verrät ein Blick in den Gazastreifen: Hier leben zwei Millionen Menschen in freiluftgefängnisähnlichen Verhältnissen auf einem Gebiet der Größe Westberlins – keine Aussicht auf Besserung. In der Folge zerrinnt jedes emanzipatorische Potenzial der palästinensischen Gesellschaft, während Israel seine demokratischen Züge immer weiter verliert.

Die Zementierung solcher Verhältnisse wird anlässlich der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem gefeiert. Dort versammelte sich gestern die Ablehnungsfront gegen die palästinensische Selbstbestimmung: die Großmacht USA, vertreten durch Ivanka Trump und deren Mann Jared Kushner, die Fundamentalisten des Westens, vertreten durch den evangelikalen Priester Robert Jeffress – und europäische Rechtsaußenregierungen in Ungarn und Österreich, die einen geschlossenen europäischen Boykott der Feier durch demonstrative Anwesenheit ihrer Botschafter verhindern. Dazu kommen jauchzende israelische Nationalist*innen, angeführt von einem am Zenit seiner Macht stehenden Premier Netanjahu.

Alldem sieht das Friedenslager tatenlos zu, und nicht einmal die Dutzenden Toten im Gazastreifen vermögen es, sie aus ihrer Lethargie zu befreien. Es bleiben keine Akteure, die sich gegen die Verdrängungsprozesse stellen und damit beiden Gesellschaften die Möglichkeit eröffnen, ihre emanzipatorischen Potentiale zu entdecken.
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Zuerst am 15. Mai 2018 in der tageszeitung (www.taz.de) erschienen
danach am 16. Mai 2101 bei RLS Israel office
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers

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Weiterführende Links:
Israel zum Siebzigsten: http://www.rosalux.org.il/israel-zum-siebzigsten/
Dossier: 50 Jahre Besatzung: http://www.rosalux.org.il/dossier-50-jahre-besatzung/
Tsafrir Cohen, Lösungsmöglichkeiten aus heutiger Sicht: http://www.rosalux.org.il/losungsmoglichkeiten-aus-heutiger-sicht/


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Arn Strohmeyer

70 Jahre Israel – 70 Jahre Siedlerkolonialismus und Krieg gegen Palästinenser

Arn Strohmeyer

Israel feiert sich selbst anlässlich des 70. Geburtsages des Staates, und die westlichen Staaten stimmen in den Jubelchor ein und schicken hochrangige Regierungsdelegationen zu den Feierlichkeiten der selbst ernannten „einzigen Demokratie im Nahen Osten“, bei denen man die „gemeinsamen Werte“ beschwören wird. Aber eigentlich gibt es keinen Anlass zu feiern, denn dieser Staat verdankt seine Existenz der Vertreibung und Unterdrückung eines anderen Volkes, dessen Land er sich angeeignet hat. Das zionistische siedlerkolonialistische Israel führt seit über 70 Jahren einen grausamen Krieg gegen die Palästinenser, der ihn aber in eine ausweglose Lage gebracht hat, an der das ganze zionistische Unternehmen nun zu scheitern droht.

Die israelische Politik, der die Ideologie des Zionismus zu Grunde liegt, ist eigentlich nur mit dem Begriff des Tragischen zu verstehen, wobei man in diesem Zusammenhang natürlich an die griechische Tragödie denken muss. Sie thematisiert die Verstrickung des Protagonisten, der sich in eine so ausweglose Lage bringt, dass er das Verhängnis durch jedwedes Handeln nicht mehr abwenden kann und schuldig werden muss. Sein Scheitern ist unausweichlich. Die herannahende Katastrophe lässt sich nicht mehr abwenden. Der Keim der Tragödie ist, dass der Protagonist der Hybris – der Arroganz, dem Hochmut und der Selbstverblendung – verfällt. Die Übereinstimmung mit der Situation Israels liegt auf der Hand. Nur eines gibt es in der der israelisch-jüdischen Tragödie nicht: Die griechische Tragödie sollte einen Sinneswandel bei den Beteiligten hervorrufen – eine Reinigung oder Katharsis. Das Durchleben von Jammer und Rührung, die das Drama hervorrief, sollte zu einer seelischen und moralischen Läuterung führen, davon kann in der israelisch-jüdischen Tragödie keine Rede sein. Es gibt keinerlei Empathie.

Der Gedanke, die Situation Israels, seine Geschichte und seine heutige Politik mit einer Tragödie in Verbindung zu bringen, ist keineswegs neu. In der Bildung eines jüdischen Nationalstaates sah schon der jüdische Publizist Isaac Deutscher (1907 – 1967) „eine weitere jüdische Tragödie.“ Der Schriftsteller Erich Fried, ebenfalls ein Jude, hat immer wieder von der „Tragödie“ geschrieben, die Israel im Nahen Osten angerichtet habe. Und der deutsch-jüdische Historiker Fritz Stern (1926 – 2016), der in den USA lebte und lehrte, sagte in dem längeren Gespräch, das er mit Helmut Schmidt führte, auf die Frage des Ex-Kanzlers, was die Israelis tun könnten: „Das ist eine ganz große Tragödie. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft Israels, wenn ich an seine Politik denke.“

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Die tragische Entwicklung nahm ihren Anfang, als sich der Zionismus dem universalistischen Denken verweigerte, das aus der Aufklärung kam und das intellektuelle Judentum lange Zeit geprägt hatte. Man kann einwenden, dass der Zionismus gar nicht anders konnte, als den universalistischen Weg zu verlassen. Denn wie sonst – ohne Gewalt – hätte er sonst im Land eines anderen Volkes einen Staat gründen können? Aber es gab die universalistische Alternative: Die Zionisten hätten im Einvernehmen mit den dort ansässigen Arabern einen Staat aller seiner Bürger/innen anstreben können, statt sich als Staat einer einzigen Ethnie beziehungsweise Religion bei völliger Negierung, ja Verachtung der einheimischen Bevölkerung zu gründen. Die Zionisten entschieden sich also für die partikularistische, stammesmäßige und zunehmend auch religiös aufgeladene „Lösung“.

Am Anfang der israelisch-jüdischen Tragödie stand also die Spaltung in Partikularisten und Universalisten. Diese Teilung in gegensätzliche Tendenzen war keineswegs neu, sie zieht sich durch die gesamte Geschichte des Judentums. Es ist der Gegensatz „zwischen Nationalismus und Universalismus, zwischen Konservatismus und humanistischen Fortschrittsdenken, zwischen Fanatismus und Toleranz.“ Die jeweiligen Zeitumstände entschieden darüber, welche Richtung gerade die Oberhand hatte. Der deutsch-jüdische Psychoanalytiker Erich Fromm, von dem diese Unterscheidung stammt, sah die universalistische Richtung aber klar im Vorteil: „Das radikale humanistische Denken [kennzeichnet] die Hauptentwicklungsstufen der jüdischen Überlieferung, während die konservativ-nationalistische Richtung das relativ unveränderte Relikt aus älteren Zeiten ist und nie an der progressiven Evolution des jüdischen Denkens und seinem Beitrag zu den universalen menschlichen Werten einen Anteil hatte.“

Es gibt Parallelen zwischen der universalistischen jüdischen Ethik und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren Präambel sich auf alle Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft bezieht, wobei die Anerkennung von deren Würde und gleichen unveräußerlichen Rechten die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet. Weiter heißt es dort in Anspielung auf die Verbrechen der Nazis: „Da die Verkennung und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben, und da die Schaffung einer Welt, in der den Menschen frei von Furcht und Not Rede- und Glaubensfreiheit zuteilwird, als das höchste Bestreben der Menschheit verkündet worden ist, (…) verkündet die Generalversammlung [der UNO] die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. “ Und in Artikel 1 heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Die Zionisten entschieden sich aber klar gegen den Universalismus und für die konservativ-nationalistische Richtung, was aber auch Absonderung und Isolation bedeutet. Nicht nur die Spaltung zwischen Partikularisten und Universalisten aber ist uralt, sondern auch die gewollte Trennung und Separation von den Nicht-Juden. Sie zieht sich durch die ganze jüdische Geschichte. Der Begründer des Zionismus. Theodor Herzl, erneuerte sie, indem er sich den Judenstaat als endgültige Separation der Juden von den Nicht-Juden als Antwort auf den Antisemitismus vorstellte, also die radikale Abkehr der Juden von einer als für sie feindselig begriffenen Welt und als Flucht in ein „Land ohne Volk“, wo sich die Juden als eine abgesonderte und geschlossene national-ethnische Gruppe entfalten können sollten. Eine solche partikularistische Konzeption, die zum Wesen des Judentums gehört, musste in der Form institutionalisierter staatlicher Politik eine isolationalistische und isolierte Nation hervorbringen, die zwischen der Angst vor den Anderen und prahlerischer Krafthuberei schwankt. Es waren also im Wesentlichen die ideologischen Ziele des Zionismus samt ihrer Realisierung sowie die nationalistischen Folgerungen aus dem Holocaust und die Gründung des Staates Israel, die die Abkehr vom Universalismus bewirkten. Der französische Historiker Pierre Birnbaum schrieb deshalb: „Eine lange Geschichte kommt wahrscheinlich an ihr Ende: die des Zusammentreffens der Juden und einer streng universalistisch verstandenen Aufklärung.“

Es verwundert deshalb nicht, dass diese Absonderung und Isolation der Zionisten von universalistischen Werten die Betonung einer eigenen Moral zur Folge hatte, die eigene Werte propagierte, auch wenn dies nicht immer so deutlich ausgesprochen wurde und wird, um wenigstens den Schein zu wahren. So vertrat – wie schon erwähnt – der führende Ideologe der zionistischen Arbeiterbewegung Berl Katznelson (1887 – 1944) die Auffassung, dass der Zionismus gegen den Strom agieren und gegen den Willen der Mehrheit beziehungsweise gegen den Gang der Geschichte seine Ziele erreichen müsse. Er unterliege daher anderen Maßstäben als der „formalen Moralität“. Die eigene nationalstaatliche Existenz wird somit vom Handeln nach „eigenen Regeln“, von eigenen moralischen Maßstäben abhängig gemacht. Diese Existenz – in diesem Zusammenhang ist von „maximalistischem Zionismus“ die Rede – lasse sich letztlich nur durch Verdrängung des anderen Kollektivs [der Palästinenser] aus dem Land und auch aus dem Bewusstsein erreichen. Katznelson spricht von „Umsiedlung“, eine harmlose Umschreibung für Vertreibung.
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Gegen den Universalismus

Angesichts einer solchen ideologischen Tradition erstaunt es nicht, wenn eine Ministerin aus dem Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ganz unumwunden zugibt, dass der Zionismus nichts mit universalistischer Moral – also Menschenrechten und Völkerrecht – im Sinn habe. Im August 2017 erklärte Israels Justizministerin Ayelet Shaked (wie ober schon angeführt, aber man kann diese Aussage nicht oft genug wiederholen!) auf einer Konferenz in Tel Aviv wörtlich: „Der Zionismus darf sich nicht, und ich sage hier, er wird sich nicht weiterhin dem System der individuellen Rechte unterwerfen, das in einer universellen Weise interpretiert wird, die sie von der Geschichte der Knesset und der Geschichte der Gesetzgebung trennt, die wir alle kennen.“ Die FAZ übersetzte den Satz so: „Der Zionismus wird nicht weiter seinen Kopf beugen vor einem universalen System der individuellen Rechte.“

Der israelische Journalist Gideon Levy bezeichnete Shaked daraufhin in der Tageszeitung Haaretz als „Israels Wahrheitsministerin“. Er schrieb: „Der Zionismus widerspricht den Menschenrechten, und er ist tatsächlich eine ultranationalistische, kolonialistische und vielleicht rassistische Bewegung. (…) Für Shaked und das Recht ist die Debatte über Menschen- und zivile Rechte antizionistisch, ja sogar antisemitisch. (…) Shaked hat uns mitgeteilt: Der Zionismus ist nicht gerecht, er widerspricht der Gerechtigkeit, doch sollen wir an ihm festhalten und ihn der Gerechtigkeit vorziehen, weil er unsere Identität, unsere Geschichte und unsere nationale Mission ist. Kein Pro-Aktivist der BDS-Bewegung würde es schärfer ausdrücken. Doch keine Nation hat das Recht, die universalen Prinzipien verächtlich zurückzuweisen und ihre eigenen Prinzipien zu erfinden, die den Tag Nacht nennen und die Besatzung gerecht und Diskriminierung Gleichheit.“

Der Zionismus hat also eine scharfe Trennungslinie zu den Werten der Aufklärung und des Universalismus gezogen, die das Judentum zum Teil selbst hervorgebracht hat. Man denke nur an den Satz des Alten Testaments: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn.“ Was ja nur heißen kann: Alle Menschen sind ohne Ausnahme als Abbild oder Ebenbild Gottes geschaffen worden – ohne Unterschied von Rasse oder Religion.

Ein wichtiger Beleg für einen radikalen Humanismus ist auch die Talmud-Stelle, in der es heißt: „Aus diesem Grund wurde der Mensch als einzelner geschaffen, um Dich zu lehren, wer immer einen einzigen Menschen von Israel tötet, nach der Schrift so schuldig ist, als wenn er die ganze Welt vernichtet hätte. Und wer einen einzigen Menschen rettet, dem wird das so angerechnet, als ob er die ganze Welt gerettet hätte.“ Auch wenn Sätze wie diese sich ursprünglich nur auf den Stamm Israel bezogen haben, haben sie im Laufe der Zeit doch universalen Charakter angenommen.

Es ließen sich noch viele Beispiele anführen. Es sei aber noch dieses genannt: Ein Nicht-Jude kam zum Rabbi Hillel, der etwa um die Zeitenwende lebte, und bat ihn, die Thora zu erklären: Hillel sagte: „Tue anderen nicht an, was Du nicht möchtest, dass man es Dir antut. Das ist das Wesentliche, und alles Übrige ist Kommentar.“ Ein Satz, der schon den Kategoprischen Imperativ von Kant vorwegnimmt.
Alle diese zutiefst menschlichen Gebote, die mit den universalen Werten Gleichheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe korrespondieren, gelten im Zionismus ganz offensichtlich nicht, sodass sich die Voraussage des israelischen Politologen Zeev Sternhell aus dem Jahr 2014 inzwischen erfüllt hat: „Die Entwicklung in Israel schreit zum Himmel. Israel ist geradezu ein Laboratorium für die allmähliche Erosion der Werte der Aufklärung und besonders der universalen Werte. Deren Missachtung hat an den Rändern schon immer stattgefunden, dringt aber langsam vor und wird eines Tages auch das Zentrum erreichen.“

Dabei enthält die israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948 durchaus universalistische Elemente. Da heißt es: „[Der israelische Staat] wird allen seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Vereinten Nationen treu bleiben.“ Diese universalistisch formulierten Sätze stehen ganz in der Tradition westlichen demokratischen Denkens, sind in Israel aber nie politische Wirklichkeit geworden, die Palästinenser – und zum Teil auch die orientalischen Juden – waren nie gleichberechtigte Staatsbürger mit voller Chancengleichheit in der israelischen Gesellschaft.

Liberale universalistische Werte gelten in Israel heute als Gefahr für die Nation. Die israelische Soziologin Eva Illouz hat es so formuliert: „Es stimmt: Ein universaler Staatsbürgerstatus bedroht den jüdischen Charakter des Landes, der die Ausgrenzung und Diskriminierung der Araber impliziert.“ Und: „Das Wort ‚links‘ ist in der israelischen Politik zu einem Schimpfwort verkommen, weil das Eintreten für die universellen Menschenrechte allgemein als Hohn gegenüber der jüdischen Identität und dem jüdischen Partikularismus empfunden wird.“
Der Israelische Philosoph Omri Boehm hat all diese Fakten und Aussagen mit einem sehr harten Urteil zusammengefasst, wobei er besonders die Tragik betont, die der Zionismus geschaffen hat: „Wir müssen uns fragen als Juden, als Menschen, ob wir eher diesen [zionistischen] Werten oder eher den Werten der Menschenrechte, der Gleichheit der Demokratie verbunden sind. Ich glaube, als Menschen und vielleicht sogar als Juden sollten wir das Letztere wählen. Vielleicht ist das eine Lehre, die wir aus der jüdischen Geschichte ziehen sollten. Dieser Widerspruch bedeutet eine Tragödie. Denn er führt uns zu einer Lebensform, die Dingen widerspricht, an die wir wirklich glauben. Es gibt keine Lösung, mit der wir uns in dieser Tragödie einrichten können.“ Die Unfähigkeit der Juden in Israel, mit dieser Tragödie umzugehen, bezeichnet Boehm als „Verbrechen“. Er schließt seine Betrachtung mit dem Satz: „Zionismus ist nicht vereinbar mit humanistischen Werten.“

Eine grausame, siedlerkolonialistische Besatzungspolitik über ein anderes Volk, deren Realität so aussieht: Totale Unterdrückung und Kontrolle dieser Menschen in so gut wie jeder Beziehung, Raub ihres Landes durch Enteignungen ihres Besitzes, Häuserzerstörungen, Zerstörungen ihrer Lebensgrundlagen (Felder, Olivenbäume und Brunnen), Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch feste und bewegliche Checkpoints, Verbannung in Reservate oder Enklaven hinter Mauern und Zäunen, Plünderung ihrer Ressourcen, bürokratische Schikanen, permanente Razzien und Verhaftungen, jahrelange Administrativhaft ohne Prozess (rund 7000 Palästinenser sitzen in israelischen Gefängnissen, darunter viele Kinder), Folter – mit einem Wort: hier herrscht die Willkür von Kolonialherren über ein unterworfenes und wehrloses Volk. Dazu kommen immer wieder Kriege gegen die Palästinenser, die letzten Endes Kriege gegen die Zivilbevölkerung sind, weil die Palästinenser über keine Armee verfügen. All das ist innerhalb der zionistischen Moral möglich, die sich ja deutlich von der westlichen Vorstellung der Menschenrechte distanziert. Nicht nur der israelische Anthropologe Jeff Halper spricht deshalb von „Staatsterrorismus“.
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Vorwurf des Staatsterrorismus

Er schreibt, dass dieser viel furchtbarere Auswirkungen hat als der Terrorismus der Unterworfenen: „Da die Palästinenser keine Armee haben, standen Tod und Zerstörung, die die Bevölkerung infolge dieser [israelischen] militärischen Operationen heimsuchten, in einem derartigen Missverhältnis zu jeder echten Sicherheitsbedrohung [Israels], dass diese Aktionen nur als Staatsterrorismus bezeichnet werden können.“ Die Kriege gegen den Gazastreifen 2008/2009, 2012 und 2014 und die seit 2007 verhängte vollständige Blockade Israels haben die Region in ein Elendsquartier verwandelt.

Eine solche Politik fügt nicht nur den Unterdrückten unendliches Leid zu, sondern sie brutalisiert auch die Täter, in diesem Fall die Angehörigen der Armee und große Teile der israelischen Gesellschaft. Wie weit dieser Prozess schon fortgeschritten ist, soll an drei Beispielen demonstriert werden. Der Israeli Miko Peled schreibt in seinem Buch Der Sohn des Generals (über seinen Vater Matti Peled), dass ihm ein israelischer Marineoffizier folgende Geschichte erzählt habe. Dieser sei mit seiner Einheit und ihren Kriegsschiffen an der Küste des Gazastreifens Patrouille gefahren. Dabei kamen sie immer an Fischerbooten aus dem Streifen vorbei, und von Zeit zu Zeit pickten sie sich ein bestimmtes Boot heraus, befahlen den Fischern ins Wasser zu springen und sprengten das Boot in die Luft. Dann befahlen sie den Fischern mit vorgehaltener Waffe, von eins bis hundert zu zählen, und wenn sie damit fertig waren, ließen sie sie noch einmal von vorn anfangen. Das machten sie dann wieder und wieder, bis die Fischer sich einer nach dem anderen nicht mehr halten konnten und ertranken. Der junge israelische Offizier meinte, dies werde getan (so seine Worte), um „ein Exempel zu statuieren und den Arabern zu zeigen, wer der Chef ist.“ Miko Peled merkt dazu an: „Ich dachte, ich müsste mich erbrechen, als ich das hörte, aber im Lauf der Jahre hörte ich von israelischen Soldaten viele ähnliche Geschichten.“

Ein zweites Beispiel: In Hebron haben israelisch Soldaten im Frühjahr 2016 einen jungen Palästinenser, der offenbar die Soldaten angreifen wollte, angeschossen und wehrlos gemacht. Der Mann lag schwer verwundet und blutend am Boden. Da trat der israelische Soldat Elor Azaria vor und erledigte den Palästinenser kaltblütig mit einem Schuss aus seiner Pistole. In zivilisierten Staaten nennt man so etwas Lynchjustiz. Aber große Teile der israelischen Öffentlichkeit und der Medien feierten den Mörder als Helden. Gideon Levy sprach von schlimmen Rassismus und kommentierte: „Damit hat der israelische Rassismus einen neuen Grad erreicht. Dieser Mord und die Reaktion darauf sind tatsächlich wegweisend. Bis dahin beruhte der israelische Rassismus auf dem arroganten Selbstverständnis des auserwählten Volkes, dem alles erlaubt ist, das das beste ist und alles besser als jeder andere weiß. Man nutzte die Rolle des verfolgten Opfers, dämonisierte die Araber, die uns nur vernichten wollen, man hat sie entmenschlicht und damit ihr Leben entwertet. Anstiften, Lügen und Abstreiten vor einem Hintergrund von überwältigender militärischer Macht. Auf solchen Grundmauern haben wir eine rassistische Gesellschaft geschaffen, wahrscheinlich die am stärksten rassistische Gesellschaft in der gegenwärtigen Welt.“

Levy steigert seine Anklage noch: „Und nun steigt das alles noch um einen Grad nach oben, oder wenn man will nach unten. Denn jetzt können wir dem Ganzen offenen Blutdurst hinzufügen, unverwässert, ungehemmt und unverstellt. Diese Kombination von Rassismus und Blutdurst ist nicht nur abstoßend, sie ist auch gefährlich und unberechenbar. Rassismus gibt es in vielen Gesellschaften, im allgemeinen marginal und verborgen. In Israel ist Rassismus zum Standard geworden, möglicherweise der Gipfel gegenwärtiger politischer Korrektheit. Ihn zu bekämpfen gilt als Hochverrat.“

Drittes Beispiel: Ein junges 16jähriges palästinensisches Mädchen geht im Juni 2017 auf einen Kontrollpunkt zu – so zeigt es ein Video. Ein Messer oder Ähnliches ist bei dem Mädchen nicht zu sehen. Dann dreht das Mädchen plötzlich um und läuft weg. Die Soldaten schießen und verletzen es schwer. Sie umstehen dann das am Boden liegende blutende Mädchen, das sich vor Schmerzen krümmt. Sie wetteifern miteinander, wer das Mädchen mit noch gemeineren Worten verhöhnen kann. Wieder meldet sich der Moralist Gideon Levy zu Wort: „Das sind die Soldaten Israels, das ist ihre Sprache, das sind ihre Werte und ihre Standards. Kein einziger [der Soldaten] dachte daran, sich um ärztliche Hilfe für das Mädchen zu kümmern; keiner dachte daran, den Ausbruch verabscheuungswürdiger Obszönitäten, die um das verblutende Mädchen flogen, zum Schweigen zu bringen.“ Gideon Levy schreibt, dass sich beim Anschauen des Videos vor Wut und Empörung sein Magen umgedreht habe. Er schlussfolgert: „50 Jahre Besatzung haben uns so weit gebracht.“
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Zionismus und Gewalt

In diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Verhältnis Israels beziehungsweise des Zionismus zur Gewalt zu stellen, die automatisch auch die zionistische Sicht von Krieg und Frieden beinhaltet. Der zionistische Staat Israel ist mit dem „Schwert“ geschaffen worden und deshalb ist die Gewalt eine Wesenselement seiner Existenz. Wenn Israel heute ganz Palästina kontrolliert, dann hat es rund 94 Prozent davon mit Gewalt erobert (die Juden hatten bis 1948 nur 5,6 Prozent des Landes käuflich erworben, nach dem Krieg von 1948 hatten sie 72 Prozent des Landes gewaltsam in ihren Besitz gebracht, der Rest kam 1967 dazu.) Diese Existenz kann – so hatte es schon Moshe Dayan 1956 in einer berühmt gewordenen Rede hervorgehoben – nur „mit der Faust und dem Schwert“ auf Dauer gesichert werden, womit die permanente Notwendigkeit des Krieges für Israel angesprochen ist.

Das zionistische Verständnis von Gewalt ergibt sich aus dem Verständnis des Konflikts mit den Arabern beziehungsweise den Palästinensern. Die Ursachen des Konflikts werden nicht in der eigenen Politik (Kriegs-, Siedlungs- , Eroberungs- oder Vertreibungspolitik) gesehen, sondern ausschließlich in der „Feindseligkeit“ und in der Mentalität der „Anderen“, denn den Arabern wird ja eine „primitive“ Mentalität bescheinigt. In ihnen sieht Israel keinen Partner auf Augenhöhe, mit dem die Aushandlung von Kompromissen oder sogar eine Versöhnung möglich wäre. Da die zionistische Ideologie die Araber grundsätzlich als feindselig und nicht friedensfähig (feindliche Gojim) einschätzt, kann Israel den Konflikt auf diese Weise entpolitisieren und enthistorisieren, ihn als gegeben, ewig und unveränderlich interpretieren und damit als unlösbar. Damit wird der Konflikt aber aus seinem politischen und historischen Kontext herausgelöst – er ist das Resultat ultimativer Feindschaft. Mit anderen Worten: Israel schafft sich selbst durch Dämonisierung ein Feindbild, erklärt sich selbst zum Opfer und den „Anderen“ für friedensunfähig und enthebt sich so jeder Notwendigkeit einer Konflikt-Lösung.

Daraus folgt, dass erstens kriegerische Gewalt als völlig legitim angesehen wird, und zweitens der Konflikt zu einem konstanten und konstitutiven Faktor der israelischen Ordnung und somit des israelischen Bewusstseins geworden ist. Krieg wird in diesem Sinne positiv verstanden, weil er die Nationalstaatlichkeit sichert. Die israelische Historikerin Tamar Amar-Dahl schreibt: „Das israelische Kollektiv ist sowohl institutionell (Politik, Militär, Gesellschaft, Wirtschaft, Industrie und Rechtssystem) als auch mental beziehungsweise politisch-kulturell auf Krieg fixiert. In dialektischer Beziehung zur Auffassung, der Krieg sei integraler Bestandteil der nahöstlichen Realität, etablierte sich im Laufe der Jahre auch die Sicherheitsdoktrin der Abschreckung.“

Das heißt: Frieden ist nicht durch Kompromisse möglich, sondern nur dadurch, dass Israel sich militärisch gegenüber seinen arabischen Nachbarn Respekt verschafft, indem es sie davon überzeugt, dass es militärisch eine Supermacht und unbesiegbar ist. Ariel Sharon brachte das auf die Formel: „Sie [die Araber] müssen Angst vor uns haben!“ Die Verträge von Oslo wurden in diesem Sinne nicht als erster Schritt zum Frieden angesehen, sondern „als Fortsetzung der Besatzung mit anderen Mitteln.“

Bei einer solchen Sicht versteht es sich von selbst, dass eine Integration Israels in die Region nicht möglich ist. Israel strebt sie aus Verachtung für die angeblich rückständigen und gewalttätigen Araber auch gar nicht an. Eine solche Herablassung und Arroganz, mit denen die politische Elite Israels den Arabern in der Region begegnet, verstärkt natürlich die Abgrenzung und Isolation Israels, das als „Kreuzfahrerstaat“ wahrgenommen wird. Immer wieder hat Israel aus seiner überlegenen militärischen Position das Recht abgeleitet, sich in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarn einzumischen, ja als Vormacht in der Region eine Neustrukturierung des Nahen Ostens nach seinen Vorstellungen zu verlangen, was die arabischen Antipathien gegen Israel natürlich weiter vergrößert hat.

Israel ist nicht der friedliche und von einer feindlichen Außenwelt bedrohte Staat der Holocaust-Überlebenden, als der er sich selbst gern darstellt und wie ihn viele Deutsche gern sehen möchten. Israel als äußerst aggressiven siedlerkolonialistischen Militärstaat zu sehen, kommt der Wahrheit viel näher. Seine extrem inhumane, ja barbarisch kolonialistische Politik steht in diametralem Gegensatz zu dem Anspruch, eine westliche Demokratie zu sein und die Werte der westlichen politischen Kultur zu vertreten. Genau dies ist ja der Kern der jüdischen Tragödie: „Nicht nur Täter, sondern Opfer sind per se kognitiv und emotional befangen. Sie widmen sich dem ihnen zugefügten Leid als dem absoluten Bösen und sind damit unfähig, über dieses Leiden hinauszugehen, sich für Versöhnung, Vergebung und Solidarität einzusetzen. Eine Politik, die sich aus einer Opferrolle heraus definiert, ist nicht nur engstirnig, sondern auch gefährlich, weil sie Hass und Ressentiments legitimiert, die Logik des ‚sie gegen uns‘ fortschreibt und leztlich nicht dazu in der Lage ist, die Logik der Diskriminierung mittels eines breiten, auf Gleichheit und Brüderlichkeit angelegten Gesellschaftsvertrages zu überwinden.“ So hat der australische Sozialwissenschaftler Roy F. Baumeister das Verhalten der Israelis (ohne sie direkt beim Namen zu nennen) in seinem Buch Vom Bösen. Warum es menschliche Grausamkeit gibt beschrieben.

Die Tragödie Israels ist es, dass es die moralische Orientierung verloren hat, dass es die Werte und Ideale der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) verraten hat, für die gerade Juden in den vergangenen 200 Jahren so leidenschaftlich gekämpft haben. Juden haben sich in Europa für sich selbst und für andere Gesellschaftsgruppen für die Verwirklichung von Gleichheit eingesetzt, Juden verweigern nun in ihrem eigenen Staat Nicht-Juden [den Palästinensern] eben dies. Eva Illouz folgert daraus: „“Diese Geschichte [Israels und der Juden] ist unvollendet, solange die politischen Institutionen und die Kultur Israels nicht die universalistischen Gebote umfassen, die die Geburt aller modernen Demokratien begleitet haben. Ein jüdischer Staat, der nicht auf universeller Gerechtigkeit aufbaut, wird nicht auf die zentrale Herausforderung geantwortet haben, vor die die Moderne das jüdische Volk stellte, nämlich ihre Existenz und ihre Identität unter Einbeziehung des Universalismus neu zu definieren, statt diese von sich zu weisen.“

Und: „Die ‚Sicherheit des Staates‘ und ‚die Sicherheit der Juden‘ können nicht ewig als Ersatz für eine echte Politik und moralische Positionen herhalten. Dies ist die eine Prämisse. (…) Was Juden in ihren jeweiligen nichtjüdischen Ländern für sich selbst gefordert haben und fordern, muss auch den arabischen und entrechteten palästinensischen Bürgern zugestanden werden – ohne Wenn und Aber.“
Aber nichts deutet darauf hin, dass Israel diesen Weg gehen wird. Ganz im Gegenteil, die extrem nationalistischen und religiösen Kräfte und Tendenzen werden immer stärker und drohen den Staat ins Verderben zu stürzen. Jede Kritik an diesem Kurs wird als Antisemitismus abgeschmettert. Nicht Israels barbarische Politik steht also am Pranger, sondern der Kritiker, der warnt und Humanität einfordert. Der denunziatorische Antisemitismus-Vorwurf ist die letzte ideologische Schutzmauer, die dieser Staat neben der realen Mauer um sich baut, um einen Zustand zu retten, der auf Dauer nicht zu retten ist.
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Das Problem der Vergangenheit

Zu einem Weg der Umkehr, der zur Zeit wegen der herrschenden Machtverhältnisse und der politischen Verblendung der Bevölkerung undenkbar ist, würde zuerst die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, das heißt der eigenen Schuld gehören. Moshe Zuckermann registriert eine zweifache unbewältigte Schuld der Israelis: Zum einen die Schuld einer auf dem Rücken der Palästinenser ausgetragenen Staatsgründung (und man muss hinzufügen: die Schuld, die aus deren Unterdrückung und Vertreibung bis heute entsteht). Zum anderen das Gefühl einer eher vor- oder gar unbewussten Schuld, die mit der kulturellen beziehungsweise psychologischen Negation (man kann auch sagen Verachtung) des Diaspora-Judentums im Allgemeinen und der Shoa-Überlebende im Besonderen zusammenhängt (siehe Kapitel II, 2).

Israel muss – so Zuckermann – seinen Hass vor allem auf die Palästinenser richten, wenn es mit sich selbst im Reinen und das Opfer bleiben will: „Wenn das Selbstbild des Zionismus intakt bleiben soll, darf es sich nicht durch historische Täterschaft besudeln haben.“ Nur durch Verdrängung und manipulative Schuldabwehr kann Israel sein Selbstbild retten. So gesehen muss der Zionismus die Palästinenser als das konkret Böse („Terroristen“ oder „neue Nazis“) dämonisieren, weil ihre Entdämonisierung zwangsläufig auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit – und das heißt mit der gegen sie aufgeladenen Schuld – bedeuten.

Ganz ähnlich argumentiert Ilan Pappe. Er konstatiert eine tiefsitzende Angst der Israelis, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, besonders mit den Ereignissen von 1948, also der ethnischen Säuberung Palästinas. Denn eine solche Auseinandersetzung würde beunruhigende Fragen nach der moralischen Legitimität des ganzen zionistischen Projekts aufwerfen. Die Israelis brauchten deshalb einen starken Verleumdungsmechanismus, der ihnen einerseits helfen soll, Friedensverhandlungen mit den Palästinensern abzuwehren und andererseits jede eingehende Debatte über den Charakter und die moralischen Grundlagen des Zionismus zu vereiteln.

Eine Anerkennung der Palästinenser als Opfer israelischer Taten – also das Stellen der Frage nach dem historischen Unrecht, das Israel 1948 und danach begangen hat – würde den Gründungsmythen des israelischen Staates den Boden entziehen. Außerdem würde die Anerkennung der Palästinenser als Opfer den für die israelischen Juden selbst beanspruchten Opferstatus beschädigen, was Israel unter keinen Umständen zulassen will. Denn eine solche Anerkennung der Palästinenser als Opfer würde „moralische und existenzielle Auswirkungen auf die Psyche israelischer Juden zeitigen: Sie müssten sich eingestehen, dass sie zum Spiegelbild ihres schlimmsten Alptraums geworden sind.“

Zu den tragischen Aspekten des Zionismus und der israelischen Politik gehört auch diese permanente Verdrängung der eigenen Vergangenheit, die eine Verweigerung bedeutet, die Realität wahrzunehmen – auch die gegenwärtige. So kommt dann eine völlig verzerrte Sicht auf die Geschichte des eigenen Staates zustande: dass es nie einen Landraub, nie einen Expansionsdrang auf fremdes Territorium, nie eine Nakba von 1948, nie einen Eroberungskrieg von 1967 gegeben hat und schließlich heute auch gar keine Besatzung existiert. Es wird gern argumentiert, das Land gehöre seit jeher den Juden und sein eigenes Land könne man schließlich nicht erobern und besetzen. Das Ergebnis einer solchen Realitätsverweigerung ist politische Stagnation und Lähmung, die für die Zukunft des zionistischen Projekts beziehungsweise des Staates Israel äußerst gefährlich sind.

Israel hat sich auf diese Weise – wie oben schon angeführt – in eine politische Sackgasse manövriert, aus der es kein Entkommen gibt. Da die Zwei-Staaten-Lösung durch Israels Unnachgiebigkeit, das Land zu teilen, und seine fortgesetzte Siedlungspolitik unmöglich geworden ist, bleibt nur die Ein-Staaten-Lösung, bei der die Palästinenser aber den größeren Bevölkerungsanteil stellen würden. Das aber kann Israel nicht zulassen, was dann aber zu der Bildung eines – vermutlich diktatorischen – Apartheidstaates führen würde, der kaum die Anerkennung der Staatengemeinschaft finden würde und wohl keine großen Überlebenschancen hätte. Außerdem wäre er kein jüdischer Staat mehr. Israels Zukunft sieht also auf Grund einer völlig verfehlten Politik äußerst düster aus. Um dieser Lage zu entkommen, stellen israelische Politiker auch immer wieder Überlegungen an, die Palästinenser zu „transferieren“, das heißt, sie endgültig aus dem Land zu vertreiben.

Es gibt nicht wenige israelische Intellektuelle, die das zionistische Projekt bereits als gescheitert ansehen. Einer von ihnen ist Jeff Halper, er zieht folgende Bilanz: „Der politische Zionismus ist an sein Ende gekommen. Er mag über die kühnsten Träume der zionistischen ‚Pioniere‘ hinaus erfolgreich gewesen sein, schließlich hat Israel Millionen von Juden ‚eingesammelt‘, ist ein prosperierender Staat, eine eindrucksvolle Militärmacht und – trotz seiner düsteren Menschenrechtsbilanz – ein respektiertes Mitglied der internationalen Gemeinschaft geworden. Aber es ist ihm nicht gelungen, mit dem palästinensischen Volk Verständigung, Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung zu erreichen. Das mag für die meisten Israelis nicht das wichtigste Anliegen sein, aber es bedeutet endlosen Konflikt und, selbst wenn wir jede Runde ‚gewinnen‘, wird Israel endgültig zu einem Staat, der, wie der russisch-jüdische Philosoph Achad Ha’am (1856 – 1927) befürchtet hat, nichts ‚Jüdisches‘ an sich hat, ein Staat, der auf Unterdrückung beruht, auf Gewalt und Nisbul. Der politische Zionismus musste moralisch und systematisch scheitern, da er sich nicht mit dem anderen im Land lebenden Volk auszusöhnen verstand. Er ist nicht in der Lage, einen Weg aus diesem Konflikt zu weisen.“

Moshe Zuckermann fragt: „Wie lässt sich erklären, dass Israels offizielle Politik der letzten Jahrzehnte strukturell einen Weg beschreitet, der nicht anders enden kann als mit dem historischen Ende des zionistischen Staates?“ Und: „Wie lässt sich erklären, dass die zionistische Bevölkerung Israels es nicht schafft (letztlich wohl auch nicht schaffen will), den historischen Weg zu beschreiten, der den längerfristigen Fortbestand des von ihr getragenen historischen Projekts einzig zu garantieren vermöchte? (…) Wollte Israel jemals den Frieden? Wollte es wirklich längerfristig als zionistischer Judenstaat existieren?“ In diesen Fragen kommt die ganze Tragödie Israels zum Ausdruck.
Einer, für den die Tragödie Israels schon Realität geworden war, war der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk. Als Vermächtnis hinterließ er kurz vor seinem Tod die Worte: „Ich werde bald sterben, und ich bin nicht traurig. (…) Ich verabschiede mich gelassen von diesem Staat, den ich kannte in seinen schönsten Jahren, die zur Hölle gingen. (…) Wir werden zu Grunde gehen mit wenig Würde und gebrochenen Flügeln.“

(Dieser Text stammt aus dem Buch von Arn Strohmeyer: Die israelische jüdische Tragödie. Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat. Das Ende der Verklärung, Gabriele Schäfer Verlag Herne, 2017).
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Wir danken der Onlinezeitung Der Semit für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung

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Buchempfehlung

Arn Strohmeyer, Die israelisch-jüdische Tragödie – Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende der Verklärung
Seit 50 Jahren hält Israel völkerrechtswidrig palästinensische Gebiete besetzt und ein Ende – und damit eine Friedenslösung – ist nicht in Sicht. Um diesen Zustand zu zementieren, hat Israel apartheidähnliche Zustände geschaffen: In Israel selbst unterliegen die Palästinenser großer Diskriminierung, im Westjordanland und im Gazastreifen werden sie hinter Mauern und Zäunen – sozusagen in Reservaten oder Bantustans – weggesperrt. Rund 4,5 Millionen Menschen müssen dort inzwischen ohne politische und bürgerliche Rechte leben, die Menschenrechtslage ist verheerend. Die israelische Politik hat sich so aber selbst ausmanövriert: Die Zwei-Staaten-Lösung ist wegen des Siedlungsbaus auf palästinensischem Land nicht mehr möglich, eine Ein-Staaten-Lösung würden die Palästinenser mit ihrer Mehrheit dominieren. Eine ausweglose Situation, die nur noch mit dem Begriff des Tragischen zu verstehen ist: Der handelnde Protagonist (Israel) gefährdet durch seine kompromisslose Politik des Hochmuts und der Hybris die eigene staatliche Existenz. Als Zukunftsmodell bietet sich nur noch die Apartheid-„Lösung“ an, die auf der weiteren Unterdrückung eines ganzen Volkes beruht und deshalb keine Überlebenschance hat. Das Scheitern und damit eine Ende des Zionismus scheint so absehbar.
ISBN 9783944487571, Englisch-Broschur, 13×20 cm, 280 Seiten, Bestellung

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(AmericanRebel von 22.12.2017)
Rolf Verleger

Besetztes Land

Vor 100 Jahren versprach Großbritannien den Juden das Land der Palästinenser

Rolf Verleger

Der Konflikt zwischen jüdischen Israelis einerseits und muslimischen und christlichen Palästinensern andererseits darüber, wem das Land gehört, ist und bleibt der Kernkonflikt im konfliktreichen Nahen Osten. In wenigen Tagen, am 2. November 2017, wird dieser Kernkonflikt 100 Jahre alt. Er ist ein vielschichtiges Erbe Europas — des Zarenreichs, das seine jüdische Minderheit diskriminierte und sie damit in Auswanderung und Rebellion trieb, Großbritanniens, das dieses Problem für seine eigenen Pläne ausnutzte, und schließlich Deutschlands, das die Juden Europas systematisch umbrachte. Der 2. November 2017 erinnert an die Rolle Großbritanniens.

Denn am 2. November 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, verkündete die britische Regierung nach monatelangen Beratungen und öffentlichen Kontroversen: „Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Einrichtung eines nationalen Heims in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird ihre besten Bestrebungen einsetzen, um das Erreichen dieses Ziels zu ermöglichen.“

Dies ist die Hauptaussage der Balfour-Deklaration, benannt nach dem damaligen Außenminister Arthur James Balfour (1848-1930).

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Großbritanniens Motive für die Balfour-Deklaration

Die Motive waren vielschichtig; wichtig waren wohl diese: 1. Abwehr von Flüchtlingen, 2. Englands imperiale Politik, 3. Abwehr des Bolschewismus und 4. der anglikanische Zionismus.

  1. Abwehr von Flüchtlingen: Nachdem seit 1880 über 100.000 jüdische Flüchtlinge aus dem Zarenreich in Großbritannien angekommen waren, formierte sich 1902 die nationalistische British Brothers’ League („England for the English!“). Sie erreichte 1905 ein restriktives Einwanderungsgesetz und bereits 1903, dass die britische Regierung Herzls zionistischer Bewegung mit dem sogenannten „Uganda-Plan“ einen Landstrich in Kenia als jüdische Heimstätte anbot, um die Flüchtlinge umzulenken. Das lehnte die zionistische Bewegung nach anfänglichen Erwägungen letztlich ab. Es blieb den Juden aus dem Zarenreich als Auswanderungsziel Amerika, besonders die USA: Etwa zwei Millionen europäische Juden, die meisten aus dem Zarenreich, wanderten zwischen 1880 und 1914 dorthin aus. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Auswanderung, und Großbritannien musste daher befürchten, wieder Ziel einer Flüchtlingswelle aus dem revolutionären, in Bürgerkrieg und Pogrome verstrickten Russischen Reich zu werden.
  2. Imperiale Politik: Der Reichtum Großbritanniens hing an seinen Kolonien, besonders am riesigen Indien. Der Handelsweg nach Indien führte durch das Mittelmeer über die britischen Stationen Gibraltar, Malta und Zypern sowie durch den Sueskanal. Ägypten war bereits britische Halbkolonie, und es war wichtig für Großbritannien, auch das östliche Hinterland des Kanals abzusichern: Palästina, das zum Osmanischen Reich gehörte. Die Zerschlagung dieses Reichs war ein Hauptziel für Großbritannien im Ersten Weltkrieg. In Absprache mit Frankreich – 1916 durch das Sykes-Picot-Abkommen – wurde dieses Ziel nach Kriegsende durch den Völkerbund besiegelt.
  3. Winston Leonard Spencer-Churchill, 1874-1965, war von 1940 bis 1945 und von 1951 bis 1955 Premierminister Großbritanniens

    Abwehr des Bolschewismus: Winston Churchill schrieb 1920 in einem Zeitschriftenbeitrag: Die Juden hätten der Welt das Beste gegeben – das Christentum – und gäben ihr nun das Schlechteste – den Bolschewismus: alle führenden Sozialisten, besonders in Russland, seien jüdisch, außer Lenin. Man müsse diese Gefahr bekämpfen, indem man im Judentum die Neigung zum Sozialismus durch einen gesunden Nationalismus ersetze – den Zionismus. Churchill stand mit dieser Meinung unter den englischen konservativen Politikern nicht allein. (Dass kurze Zeit später, nach Lenins Tod, der Georgier Stalin seine Alleinherrschaft dadurch sichern würde, dass er alle anderen Führungspersonen, Juden wie Nichtjuden, umbrachte und dadurch eindeutig klar wurde, dass der Bolschewismus keine jüdische Macht war, konnten diese englischen Politiker nicht vorausahnen.)

  4. Anglikanischer Zionismus: In der reformierten anglikanischen Kirche war die „evangelikale“ Idee weit verbreitet, dass sich Juden zum Christentum bekennen würden, wenn sie alle in „ihr“ Land zurückgekehrt seien, und dass dann Jesus Christus wiederkehren würde (s. dazu Shlomo Sand in Die Erfindung des Landes Israel). David Lloyd George, Premierminister 1916-1922 und treibende Kraft der Balfour-Deklaration, war als gläubiger Evangelikaler aufgewachsen.

Gemäß der Deklaration ließ sich Großbritannien 1922 nach Ende des Ersten Weltkriegs ein Mandat des Völkerbunds für dieses Gebiet des Osmanischen Reichs geben, das das heutige Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst, zum Aufbau der Jüdischen Heimstätte. Dies war im weiteren Verlauf ausschlaggebend für die Gründung des Staates Israel 1948 auf einem Teilgebiet dieses Mandats.

Rolle von Juden bei der Balfour-Deklaration

Bei weitem nicht alle Juden befürworteten damals die Deklaration, jedoch konnten in England die Befürworter ihren Einfluss wirksam durchsetzen. Adressat der Deklaration war die zionistische Bewegung, die sich unter Juden im Zarenreich ab 1881 organisierte und 1897 durch den umtriebigen und gut vernetzten Wiener Journalisten Theodor Herzl als „Zionistische Weltorganisation“ ihre politische Form fand.

Chaim Weizmann war Chemiker, Präsident der Zionistischen Weltorganisation, israelischer Politiker und zionistischer Führer sowie von 1948 bis 1952 erster israelischer Staatspräsident.

Repräsentant der zionistischen Bewegung in England war der im Zarenreich geborene Chemieprofessor Chaim Weizmann. Wichtiger Wegbereiter der Deklaration war Herbert Samuel, jüdisches Mitglied der britischen Regierung 1909-1916. Er entwarf bereits 1914 ein Memorandum The Future of Palestine: Aus den Gebieten des Osmanischen Reichs solle ein jüdischer Staat entstehen; dies sei aber noch nicht durchsetzbar, da die muslimische Bevölkerungsmehrheit nicht von einer jüdischen Minderheit regiert werden könne; daher sei eine britische Oberhoheit über dieses Land sinnvoll, bis so viele Juden eingewandert seien, dass sie Autonomie bekommen könnten. Samuel wurde 1922 der erste Hohe Kommissar Großbritanniens im Mandatsgebiet Palästina.

Gegner der Deklaration waren der Vorsitzende des Zentralrats britischer Juden David Lindo Alexander sowie der Begründer des Reform-Judentums in Großbritannien und der World Union of Progressive Jews Claude Montefiore. Sie stellten sich im Mai 1917 in einem gemeinsamen Artikel in der Londoner Times gegen den politischen Zionismus und warnten davor, jüdische Siedler in Palästina mit Sonderrechten gegenüber der arabischen Bevölkerung auszustatten. Der Artikel wurde drei Wochen später von einer knappen Mehrheit im Zentralrat missbilligt, Alexander musste zurücktreten. Aber auch Minister Edwin Montagu, ein Cousin Herbert Samuels und seit Juli 1917 britisches Regierungsmitglied, war entschieden und leidenschaftlich gegen die Deklaration, weil ein „Heimatland Palästina“ Juden in ihren eigentlichen Heimatländern zu Ausländern mache, weil es zu Benachteiligung und Vertreibung der Bevölkerung in Palästina führe und weil es bornierte, selbstbezogene Tendenzen im Judentum fördere.

Aufgrund seiner Intervention wurde die Balfour-Deklaration so formuliert, „dass nichts getan werden wird, das den bürgerlichen und religiösen Rechten bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder den Rechten und dem politischen Status, den Juden in jedem anderen Land genießen, abträglich ist.“

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Die Folgen

Leider waren diese Klauseln langfristig nicht wirksam: Vielmehr geschah im Folgenden sehr viel, das den Rechten der arabischen Bevölkerung in Palästina abträglich war. Es geschah im Folgenden auch sehr viel, das den Rechten der Juden in „jedem anderen Land“ abträglich war: Große Teile des europäischen Judentums wurden vernichtet. Dies war zwar keine Folge der Balfour-Deklaration, aber die Existenz der jüdischen Heimstätte im Heimatland der arabischen Bevölkerung erwies sich auch nicht als ein Schutz dagegen, vor allem weil der Widerstand der einheimischen Bevölkerung gegen die von ihnen als kolonialistische Übernahme wahrgenommene jüdische Einwanderung die britische Mandatsmacht zu massiven Beschränkungen dieser Einwanderung zwang – genau zu der Zeit von 1933 bis 1945, in der sie am nötigsten gewesen wäre.

Ein trauriger Höhepunkt als Folge der Balfour-Deklaration war mit Ende der britischen Mandatsherrschaft die Naqba 1947/48, die Vertreibung und Enteignung von ca. 750.000 arabischen Menschen durch den neuen jüdischen Staat.
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Wer’s genauer wissen möchte…

Mein gerade erschienenes Buch geht ausführlich auf dieses Thema und die Hintergründe ein. Einen Schwerpunkt des Buchs bilden die Ereignisse im Zarenreich von 1881 bis 1917, denn dort lebte die Mehrheit aller Juden, in diskriminiertem Status, und von dort kommen alle relevanten Strömungen: Zionismus, Auswanderung in die USA, nationalreligiöse Erlösungssehnsucht, Sozialismus, und – durch die Auswanderung nach Mittel- und Westeuropa und durch die Assoziation von Juden zum Sozialismus – der Antisemitismus des 20. Jahrhunderts.

Die britischen „Independent Jewish Voices“ haben eine aktuelle kritische Bewertung der Balfour-Deklaration gefilmt: Vorschau und der 24-minütige Film. Auf Mondoweiss ist der Film besprochen.

Der jetzige Earl of Balfour, Urenkel von A.J. Balfours Bruder, schrieb im Februar 2017 einen Brief an die New York Times, in dem er – zu Unrecht – humanistische Motive als Hauptgrund der Balfour-Deklaration benennt, aber auch – völlig zu Recht – darauf hinweist, dass unter humanistischen Gesichtspunkten die aus der Deklaration entstandene Lage dringend geändert werden müsse.

Anmerkung des Autors: Danke an Nirit Sommerfeld und Götz Schindler für Anmerkungen zum Text. Er findet sich in leicht veränderter Form auch auf dem Blog des Bündnisses zur Beendigung der israelischen Besatzung.

© Rolf Verleger, es wurden keine Änderungen am Text vorgenommen.

Über den Autor: Rolf Verleger, Jahrgang 1951, ist Psychologe und war bis 2017 Professor an der Universität zu Lübeck. Er ist Sohn zweier Überlebender der Vernichtung des europäischen Judentums. Von 2005 bis 2009 war er Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland. Seitdem engagiert er sich für Gerechtigkeit in Palästina, ist Mitglied der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und Mitgründer und Vorsitzender des „Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung“. Zuletzt erschienen von ihm „Israels Irrweg. Eine jüdische Sicht“ sowie „100 Jahre Heimatland? Judentum und Israel zwischen Nächstenliebe und Nationalismus“.[/hide-this-part]

Die Fotos wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.

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(AmericanRebel von 15.05.2017)

Julius Jamal

69 Jahre Nakba – Zeit, das Schweigen zu brechen

Die Staatsgründung Israels vor 69 Jahren ging mit der Nakba einher!
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Julius Jamal

Heute findet weltweit der Nakba-Gedenktag statt. In Deutschland wie in ganz Europa ist die Nakba allerdings nahezu unbekannt, dabei ist die Vertreibung von 700.000 Palästinensern und die Ermordung von mindestens 13.000 eines der entscheidendsten Hindernisse für Frieden im Nahen Osten. Das Rückkehrrecht der Vertriebenen steht bei allen Verhandlungen auf der Tagesordnung, auch wenn die israelische Rechtsregierung sich immernoch weigert, dieses Verbrechen anzuerkennen.

700.000 PalästinenserInnen, rund 80 Prozent der arabischen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Israels, wurden 1948 vertrieben. By mr hanini, licensed under CC BY-SA 3.0 (edited).

Im Zuge der Nakba wurde das komplette Leben der Palästinenser im Gebiet des heutigen Israels zerstört, so wurden nicht nur 700.000 Menschen vertrieben, sondern auch ein Großteil ihrer Ortschaften zerstört. Historiker gehen davon aus, dass die von zionistischen Milizen durchgeführten Aktionen die Zerstörung von 531 Dörfern und Städten zur Folge hatten.

In den jüdisch-palästinensischen Orten wurden die Häuser der vertriebenen Palästinenser enteignet und an Neuankommende übergeben. Für diese Enteignung wurde sich bis heute weder entschuldigt, geschweige denn eine Entschädigung gezahlt, da Israel dieses Verbrechen immer noch leugnet.

Wer sich allerdings für Frieden im Nahen Osten einsetzt, der muss die Nakba anerkennen und die damit einhergehende Situation der Palästinenserinnen und Palästinenser im Exil als Problem verstehen, das nur im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels gesehen werden kann.

Die große Katastrophe, so die Bedeutung des Worts Nakba, kann nicht verdrängt oder als Mythos dargestellt werden, doch der Schmerz der durch sie entstanden ist, kann gelindert werden, wenn den Menschen endlich die Rückkehr in ihre Heimat gestattet und ihr Leid anerkannt wird.

Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die Situation im Nahen Osten, dieser wird es nicht gerecht, wenn es die Nakba weiterhin ignoriert und Ausstellungen, die das Theman aufarbeiten wollen, verboten werden. Wenn die deutsche Regierung ihrer Verantwortung gerecht werden will, muss sie sich dafür einsetzen, dass die Nakba nicht in Vergessenheit gerät und die Vertriebenen ihre Heimat wiedersehen dürfen.

Palästinensische Araber werden 1948 von israelischen Soldaten mit Waffengewalt aus ihren Häusern in Haifa im heutigen Israel vertrieben.
By SlimVirgin, published under public domain.

In Haifa wird die Nakba 1948 als „Haifa Liberation“ interpretiert und ihr gedacht. Geschichtsrevisionismus in besonders perfider Art und Weise.
Foto von Jakob Reimann, licensed under CC BY-SA 2.0.

Über den Autor: Ich habe 2009 die Freiheitsliebe gegründet aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, wo es keine Grenzen gibt zwischen Menschen. Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung. Als Autor dieser Webseite streite ich für eine Gesellschaft, in der nicht mehr die Mehrheit der Menschen das Umsetzen muss, was nur dem Wohlstand einiger Weniger dient.
Ihr findet mich auf: Facebook.

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Fiete Jensen

Wem gehört das Land?

Illegaler Siedlungsbau im Westjordanland nimmt kein Ende

Fiete Jensen

Wem gehört das Land? Sicher nicht den israelischen Besatzern und ethnischen Säuberern, sondern den vertriebenen und besetzten Ureinwohnern Palästinas, den Palästinensern.

Das ist mir seit langem bekannt und in Anbetracht, dass wir heute viel über die Kriege in und um Syrien und über die Neubesetzung der führenden Clownrolle in den USA diskutieren, möchte ich daran erinnern, dass sich in Palästina nichts geändert hat. Der rassistische, profaschistische Apartheidsstaat Israel waltet und schaltet dort, fast unbehelligt von der Weltöffentlichkeit wie er will.

Als Konsequenz der Brände im Herbst vergangenen Jahres, riefen der israelische Politiker und Vorsitzender der Partei HaBajit haJehudi („jüdisches Heim“) Naftali Bennett, sowie sein rechtsradikaler Kollege, der Außenminister Avigdor Lieberman, dazu auf, den Siedlungsbau auf besetztem Land zu expandieren und prompt wurden auch 500 neue Siedlungseinheiten genehmigt! Mit dem illegalen Siedlungsbau verbunden sind tägliche Angriffe und repressive Maßnahmen, Verhaftungen und die anhaltende Zerstörung von Häusern sowie Felder und Olivenhaine von Palästinensern im Westjordanland. Kürzlich setzten israelische Soldaten am Abend einen Olivenhain unweit der illegalen Siedlung Kiryat Arba (Hebron) in Brand. Der von Anwohnern gerufenen Feuerwehr wurde von israelischen Soldaten der Zugang zu dem Feuer verweigert. Unweit des Ortes Jaaba (Hebron) zerstörten israelische Soldaten mehrere Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude sowie einen Brunnen. Ein Sprecher der zuständigen israelischen Behörde (COGAT) erklärte, die Gebäude seien »ohne Genehmigung« errichtet worden.

Auf der Suche nach neuen Fakten stolperte ich über den nachfolgenden Text von Jürgen Todenhöfer, den ich hier nicht vollständig wiedergeben möchte, ohne mich auch bei Jürgen Todenhöfer für seine hervorragende Arbeit zu bedanken.

„Liebe Freunde, Netanjahu bereitet die totale Annexion des Westjordanlandes vor. Schon jetzt ist es mit völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen übersät. Wissenschaftsminister Akunin triumphierte: „Das ganze Land gehört uns. Dieses Recht ist ewig und kann nicht angefochten werden“ „Nein, Herr Wissenschaftsminister. Das Westjordanland gehört nicht Ihnen. Nicht ein Quadratmeter. Es gehört den Palästinensern!“.

Netanjahu will nun sogar ‚illegale‘ israelische Siedlungen im Westjordanland nachträglich legalisieren. Jedem willkürlichen Landraub wäre damit Tür und Tor geöffnet. Deutlicher kann Netanjahu nicht zeigen, dass er das ganze Westjordanland will. Und auf die Zwei-Staaten-Lösung pfeift.

Jeder andere Staat, der derart offen gegen Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats verstößt, würde mit Sanktionen überzogen. Für Israel aber gibt es nur milde Ermahnungen. So wie nach dem Gaza-Krieg 2014, als die USA Israel zur Zurückhaltung bei ihren Bombardements aufforderten und anschließend deren Waffenlager wieder mit Bomben auffüllten. Oder als Deutschland von der israelischen Regierung Angemessenheit ihrer Reaktionen forderte und ihr – trotz maßloser Angriffe auf Zivilisten – anschließend mehrere Kriegsschiffe zu Schleuderpreisen lieferte.

Die Welt ist feige. Und deshalb läuft alles auf eine Einstaatenlösung zu. Auf einen Apartheid-Staat. Falls die Palästinenser nicht ganz davongejagt werden. In die Wüste, auf den unfruchtbaren Sinai, ins sterbende Gaza oder in den von Flüchtlingen überschwemmten Libanon.

Dagegen müssen wir unsere Stimme erheben. Ohne jedes anti-jüdische Ressentiment. Ich habe mich immer für das Existenzrecht Israels und gegen Antisemitismus eingesetzt. Aber für israelisches Unrecht werde ich mich nie einsetzen. Eine Zwei-Staaten-Lösung ist Israels letzte Chance zu einem friedlichen Miteinander mit den Palästinensern. Jetzt steuert alles auf eine Konfrontation zu. Die katastrophal enden könnte. Man kann Menschen nicht unbegrenzt demütigen.

Illegaler Siedlungsbau in der Nähe von Jerusalem,
Bild: Reuters

Führende israelische Politiker und Juristen sehen Netanjahus Politik ähnlich kritisch wie ich: Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit erklärte, das neue Gesetz verstoße gegen israelisches und internationales Recht und liefere Munition für Klagen gegen Israelis vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Viele reden in diesen Tagen von der Notwendigkeit eines starken Europas. Der Versuch Netanjahus, die Zwei-Staaten-Lösung ein für allemal abzuschießen, wäre für Europa eine gute Gelegenheit, Haltung zu zeigen. Und Netanjahu klar zu machen, dass Europa mit ihm nur zusammen arbeiten wird, wenn er Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats respektiert und endlich einem konkreten Zeitplan zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung zustimmt.“

 

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└ Schlagwörter: Israel, Reut Michaelis
1 Kommentar
Juni02
on 2. Juni 2018
Veröffentlicht in: Andreas Habicht

Andreas Habicht, Málaga

Neue Regierung in Spanien

Andreas Habicht

Am Freitag, den 1. Juni 2018 wurde Pedro Sánchez vom spanischen Parlament zum siebten Präsidenten der spanischen Regierung, nach dem Ende des Faschismus, gewählt, da die konservative Regierung von Mariano Rajoy in einem Misstrauensantrag unterlag.

Mariano Rajoy führte bislang fast 2 Jahre eine Minderheitsregierung an und war auf die Stimmen (bzw. Stimmenthaltungen) der sozialdemokratischen „Sozialisten“, sowie der neoliberalen „Ciudadanos“ (Bürgerforum) angewiesen. Eigentlich wurden diese Parteien als Opposition gewählt, zeigten sich letztendlich aber recht oft, insbesondere die „Ciudadanos“ als „Steigbügelhalter“ der Konservativen. Aber auch die Sozialdemokraten unterstützten die konservative Regierun, indem sie sich (meistens) der Stimmen enthielt.
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Organisation zum Begehen von Gesetzesverstössen

Da Rajoys (sogenannte) Volkspartei, die übrigens mitunter rechtspopulistische Züge aufweist, in einen Korruptionsskandal verwickelt war, der unter dem Namen „Caso Gürtel“ (Fall „Gürtel“, der Name „Gürtel“ geht auf einen Unternehmer namens Francisco Correa zurück- „Correa“ heisst auf spanisch unter anderem „Gürtel“) in Spaniens Geschichte einging, reichten die spanischen Sozialdemokraten am Feitag, 25. Mai einen Antrag auf ein Misstrauensvotum im Parlament ein.

Pedro Sanchez,
Lizenz: CC BY-SA 3.0 https://www.eldiario.es/licencia/, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Am Donnerstag, den 24. Mai wurde die „Volkspartei“ (Partido Popular) wegen Verstrickung in diese Korruptionsaffäre vom obersten Gerichtshof Spaniens zu einer Geldstrafe von 245.000 €uro verurteilt, wobei das Urteil derzeit noch nicht rechtskräftig ist und die Partei angekündigt hat, in Berufung zu gehen. Auch wurden hohe Haftstrafen verhängt. Die Anschuldigungen der Richter gegen die Populares waren mitunter enorm, sprachen sie sogar in Zusammenhang mit dieser Partei von einer „gebildeten Organisation zum Begehen von Gesetzesverstössen“ (1).
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Die Abstimmung

Aufgrund dieses Urteils entzogen die Sozialdemokraten, das Wahlbündnis „Unidos Podemos“ und einige kleinere, regionale Parteien, aus dem Baskenland und Katalonien, der Regierung Rajoy das Vertrauen und die Abstimmung am Vormittag des 1. Juni endete mit folgendem Ergebnis:

180 Ja- Stimmen, 169 Nein- Stimmen, sowie einer Enthaltung

Mariano Rajoy gestand seine Niederlage allerdings bereits in einer Rede vor der Abstimmung ein.

Die neoliberalen „Ciudadanos“ (Bürgerforum) waren zwar im Vorfeld der Abstimmung auch für eine Ablösung Rajos, allerdings stimmten sie im Misstrauensvotum für die Populares. Sie forderten den Rücktritt Rajoys (was dieser jedoch ablehnte) – und die Ausrufung von Neuwahlen. Dies mag den Hintergrund haben, dass diese Partei laut CIS (2) momentan ein Allzeithoch (stärkste Partei mit rund 30%) in der Wählergunst hätte.

Seit Ende des faschistischen Franco Regimes, war dies das vierte Misstrauensvotum in Spanien- allerdings wird es als das bisher Erste und Einzige in die Geschichte Spaniens eingehen, das von Erfolg gekrönt war, da die anderen Drei abgewiesen wurden.
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Sozialdemokraten möchten keinen wirklichen Wandel

Wie es jetzt in Spanien weitergeht, wage ich persönlich einmal sehr vorsichtigen Optimismus, zumal die Sozialdemokraten keine Mehrheit im Kongress haben und auf die Unterstützung der linksgerichteten Unidos Podemos und einiger kleineren, linksgerichteten Parteien angewiesen sein wird. Es bleibt natürlich zu hoffen, dass sich das Linksbündnis aus Izquierda Unida (Linke) und Podemos ausreichend in die Regierung einbringen, bzw. zumindest entsprechend Druck auf diese ausüben kann und wir in Spanien keine Neuauflage der alten sozialdemokratischen Politik erleben werden, wie sie die „Sozialisten“ in der Vergangenheit in Spanien genauso praktizierten, wie in anderen Ländern in denen Sozialdemokraten regier(t)en.

Trotzdem kündigte Sánchez bereits einen Tag vor dem Misstrauensvotum an, dass er (zumindest in weiten Teilen) die Austeritätspolitik der „Volkspartei“ beibehalten und den vom Kabinett Rajoy verabschiedeten Haushalt unverändert umsetzen möchte, was zumindest signalisiert, dass er und seine „Sozialistische Partei“, die in ihrem Slogan grossspurig behauptet „Somos la Izquierda“ (wir sind die Linke) letztendlich keinen wirklichen Wechsel wünscht. Ebenso erteilte er dem Angebot von Pablo Iglesias (Podemos), einen neuen Sozialismus im Süden Europas (3) aufzubauen, eine klare Absage.
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Notwendiger politischer Wandel

Spanien braucht dringend einen politischen Wandel, weg von der Klientel- und Austeritätspolitik, hin zu sozialer Gerechtigkeit und es bedarf auch der Korrektur einiger unrühmlicher Gesetze, die in der Ära Rajoy erlassen wurden.

Insbesondere denke ich hier an das sogenannte „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“, auch als „Ley mordaza“ (Maulkorbgesetz) das (angeblichen oder tatsächlichen) Ungehorsam gegen die Polizei unter hohe Strafen stellt, wobei die Beweislast bei Demjenigen liegt, gegen den diese Strafe ausgesprochen wurde.

Selbst bei den Vereinten Nationen in Genf sorgt dieses Gesetz für grossen Unmut. Der UN Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit kritisiert es (vorsichtig ausgedrückt) als fragwürdig- erinnert es doch eher an einen totalitären Staat mit faschistischen Strukturen, als an eine Demokratie. Die EU, auch und grade die – normalerweise (wenn es ins politische Konzept passt) sehr auf demokratische Rechte bedachte Regierung in Deutschland, hat bisher noch keinerlei Kritik an diesem Gesetz geübt- wurde es doch von einer „befreundeten“ Regierung erlassen und Spanien ist eben nicht Russland, bei dem man nicht müde wird (zugegebenermassen oftmals sogar berechtigte) Kritik zu üben. Trotzdem ist mit zweierlei Mass zu messen, mehr als unangebracht. Ausserdem steht Deutschland ja auch vor der Verschärfung der Polizeigesetze- im Freistaat Bayern wurde ein ähnliches Gesetz bereits im Mai verabschiedet. Weitere Bundesländer dürften folgen.

Quellennachweise:
(1) Junge Welt, 02. Juni 2018, https://www.jungewelt.de/artikel/333470.rajoy-hat-fertig.html
(2) CIS (Centro de Investigaciones Sociológicas) – ein Meinungsforschungsinstitut, das allerdings dem „Ministerio de la Presidencia y para las Administraciones Territoriales“ (Ministerium der Präsidentschaft und für territoriale Verwaltungen) untersteht
https://es.wikipedia.org/wiki/Centro_de_Investigaciones_Sociol%C3%B3gicas
(3) Junge Welt, 02. Juni 2018, https://www.jungewelt.de/artikel/333470.rajoy-hat-fertig.html

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Weitete Beiträge von Andreas Habicht aus Malaga
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Juni01
on 1. Juni 2018
Veröffentlicht in: Victor Grossman

Victor Grossman

Sunday hits at racists

Berlin Bulletin No. 146
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Victor Grossman

Hopes and fears compete amidst the turmoil of today’s world. Fears for the worst in Korea have lessened with hopes, after a series of typical Trumpian somersaults, that the thrust of the Bolton-Haley-Pompeo line may yet give way to negotiations and diplomacy.

But looming ever closer is the question of Iran, with the same cabal pushing demands, treaty-busting and impossible to fulfil, which recall Serbia, Afghanistan, Iraq and Libya. The world knows all too well the tragic results in all four, also far beyond their borders, while their direct comparisons with Libya make their goals all too clear – and fearsome. A single click tells us that Iran, far stronger, has a larger population than the latter three combined.

Can and will the other Iran treaty partners bow to the potent pressures from Washington – or will they uphold an agreement which has provided such welcome relief? Europe must decide. With Germany the strongest power in Europe, the outcome will largely depend on its decision.
At the moment it seems to be following the advice of my second favorite wit (after Mark Twain), the late, great baseball player and joker Yogi Berra who, along with many other wise words, counseled: “When you come to a fork in the road, take it.”

In the current fork situation, one main road, paved from the start by mighty interests in both Germany and the USA, is cemented by the huge trade between them, often bound up with making and selling cars (even cleverly–manipulated poisonous ones). But it’s hard to obey Trump’s brazen demands for internationally illegal sanctions without seeming wimpy and subservient. And that is odious, with Germany facing challenges enough these days in Europe, with London still teetering with its Brexit, Macron vying for European leadership, Eastern Europe rebelling on accepting refugees, Spain torn by the Catalan issue and corruption scandals and Italy now in a total mess.

The other road, defying Donald, has gained some ground with Angela Merkel’s recent visit to China, Germany’s other main trade partner. Will she and her government have the strength and will to join France, Britain – and Russia and China as well – and show the Bolton gang that middle finger? Who knows? Thus far they are still stuck in Yogi Berra’s divided position.

But there is another earnest road fork in Germany, with equal dangers in the long run. It is the increasing threat of a fascist track! The five-year-old Alternative for Germany (AfD) won seats in 14 German states (with the last two soon to come) and has 92 representatives in the national Bundestag. This enables its often clever and highly educated spokespersons to spout their poison in every debate and, thanks to their rank in seats, as the first speakers after those of the government. Much of the media, even government-run TV channels, has been overfriendly in giving them air-time. Their positions fluctuate; they may oppose sanctions on Russia but then demand a bigger, aggressive army, once again with a draft. They express deep sympathy for the millions hit by rising rent costs, but are against all cuts in the take-home millions of the super-wealthy. Some leaders praise the brave soldiers in Hitler’s Wehrmacht and denounce the Holocaust Memorial as a shameful blot on Germany’s fine reputation, but then loudly oppose anti-Semitism while praising Netanyahu’s leadership for making Israel “a model in dealing with illegal Muslim migration.” Aside from anti-feminism their one consistent appeal, aimed at worried and disturbed German voters, is pure, unadulterated hatred of “non-Germans”, especially refugees from war-torn regions in the Near East. “We are the many who love Germany. The rule of Islam in Germany is nothing but the rule of evil!”

The polls give them 13-14% nationally, even 22-23% in some East German states. In Berlin their stand is now 11%; they were able to win seats – and a nasty voice – in all 12 borough councils. Maybe this is why they chose Berlin for a big all-German demonstration, to march from Washington Platz at the main railway station through a downtown area to a big final meeting on the west side of the Brandenburg Gate.
But they had no sooner announced this plan when, Berliners, or a large number of them, said loudly NO! And this is what made last Sunday the biggest heart-warming event in years! The slogan was: “Stop Hatred! Stop the AfD!”.

The far-right plans, with the slogan “Germany’s Future”, were first set at 10,000 adherents; allegedly they hoped for many more from all over Germany. But on Sunday all such plans and hopes had to be abandoned; their ranks were far thinner, even with buddies from openly pro-fascist gangs. All the same, after bold start-off rhetoric and distributing a thousand or more big German flags, they joined ranks and set off on their anti-foreigner, anti-Islam, anti-leftist Berlin crusade.

But they were faced from the start, across the narrow Spree River, by a crowd of over a thousand calling out its opposition, and soon joined by a small flotilla of boats and rafts, with equally loud anti-fascists shouting “No to Nationalism” and big banners saying “Für Menschenrechte – gegen rechte Menschen!” (approx. transl. -“For Human Rights – Against Rightists!”) and “Refugees Are Welcome Here”.
The AfD route of march was carefully protected by two thousand policemen, who blocked off every non-rightist attempt to cross near the meeting place at Brandenburg Gate. But a long detour led to the back of it, in Berlin’s big central park, the Tiergarten, where more and more thousands listened, loudly applauding but relaxed, to hours of short speeches and musical offerings on the huge lawn in front of the Reichstag building where the Bundestag holds sessions (but was hermetically kept off bounds on this Sunday).

Then, down the long thoroughfare which cuts through the park, came the about thirty sound trucks, decorated as floats by Berlin’s many popular dance and entertainment clubs, each one with different clothing, (including one “queer” float, of course) and with different but always very loud music, under the slogan “Bass away the AfD”! It was a hot day, clothes of the mostly young crowds on and around each truck were colorful if often very skimpy, while everyone, it seemed obvious, was both very determined but also having a good time.
One club leader explained their participation: “Berlin‘s club culture is everything which the Nazis aren’t and which they hate: We are progressive, queer, feminist, antiracist, inclusive, colorful and we even keep unicorns”.

Crowds and crowds, with young and some elderly LINKE, Social Democrats and Greens, but mostly from no party or organization, many with young children, moved as close to the AfD meet as the police permitted. The closest ones climbed every flagpole, mast or tree and made as much noise as possible, not quite able to outdo the AfD amps, but loud enough to make their point. A great number carried signs or big stickers or wore sloganed tee-shirts saying “Welcome to Refugees”, “No to Racism”, “No Fascists in Berlin” plus a wide assortment of responses to AfD anti-abortion and homophobic “family” policies. (Personal note: My sign, “New Yorker against AfD and Racism”, got at least a thousand smiles or thumbs up greetings plus maybe a hundred photo requests.)

But the opposition was not just in the Tierpark. A large number of theater people, free-lance artists and musicians joined in a “Glorious Demonstration” that moved from a northern city park through town until it reached and filled the eastern side of Brandenburg Gate (near the US Embassy), usually filled only with tourists.

A gay organization met, separately to start with, then hastened through the Tiergarten to join the main crowd. Another contingent was “Grannies against the Rightists”. There was one group of refugees and immigrants, defying the fascists and thanking for solidarity in a “cosmopolitan Berlin”. Bertolt Brecht Platz became a second, symbolic gathering place for many anti-fascists. In all, thirteen different organizations joined in to say no to the AfD.

How many were there on one side or the other? For the AfD crowd, estimates varied from 2000 to 5000 but circled in at about 2500.
And on our side? Who could count them? Aside from those in organized groups and at the main meeting sites there were so very many who just joined in on their own to add their voices or their presence. The policy counted 25,000; other estimates topped 70,000 – even on a hot, sunny Sunday when large numbers of Berliners usually flee to the lakeshores or their summer bungalows.

There were a few minor clashes when masked, black-clad “autonomists”, as they call themselves, tried to break through police cordons to attack the AfD crowd physically. Tear gas was used once; a few were arrested. And when crowds from both sides collided at the big Friedrichstrasse subway-elevated station on their way home there were a few fights, naturally exaggerated by the right-wing media. But this was peripheral; the event was largely not just violence-free but cheerful, permeated with a feeling; “This time we showed them! They won’t be coming back soon to Berlin!”

But while fully enjoying this successful Sunday, most remained well aware: that other road fork has not disappeared, and has moved the general political scene rightward. A few recalled that in 1928 Hitler’s Nazi Party got just over 800,000 votes. Two years later, after the Depression hit, the sum jumped to 6.3 million, making it the second strongest party. Three years later it seized power and destroyed opposition, brutally and bloodily, and then most of Europe. In a poll yesterday the Social Democrats, though still in second place after Merkel’s CDU, were down to 17-18%, while the AfD was up to 13-14%. Will there be another crisis – or depression?

In his speech at Brandenburg Gate, AfD-boss Alexander Gauland spelled out future plans:
“We stand here because we love our country and will not give it up… Germany is the country of our fathers and mothers and we want to keep it the way it was… Nobody should think that the AfD will go away. We are staying and defending ourselves against the multi-kulti insanity. Our protest will continue and gain strength until the AfD takes over responsibility. And that will mark the end of open borders.”

I am reminded of two quotations. One famous one about fascism is by Bertolt Brecht: “The womb is fertile still from which that crept.” Another, also famous, is again by Yogi Berra, but this time without a smile: “It ain’t over till it’s over!”

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More by Victor Grossman

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Mai31
on 31. Mai 2018
Veröffentlicht in: F. - B. Habel

Nico Diener

„Die wahre Geschichte im Hardcover-Einband“ wieder lieferbar

Buchbesprechung „Dean Reed – die wahre Geschichte“
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Nico Diener

Darüber, ob ein Buch eine wahre Geschichte erzählen kann lässt es sich streiten. Ich jedenfalls bin begeistert von den vielen Schilderungen und den vielen dazugehörigen Bildern der Lebenswege Dean Reeds die in dem 2007 erschienenen Buch „Dean Reed – die wahre Geschichte“ aufgeführt und gezeigt werden. Auch, wenn für mich, der ich mich nun seit 17 Jahren mit Dean Reed, seinem Leben und seinem Kampf für Frieden und einer gerechteren Welt befasse, nicht viel Neues zu lesen war, überwältigt mich, wenn ich das Buch zur Hand nehme immer wieder die Fülle und Vielfältigkeit des 2007 im edlen Hardcover-Einband erschienenen Buches.

Doch die Herausgabe dieses Nachschlagewerkes stand unter einem schlechten Stern. Von der vom Verlag genannten, angeblichen Auflage von 10.000 Exemplaren wurden nur weniger als 3000 Stück ausgeliefert und das hatte einen triftigen Grund. Aber fangen wir von vorne an.
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Der Co-Autor F.-B. Habel erinnert sich

Nachdem es mit einem anderen Autor nicht geklappt hatte, und der Verlag in Kontakt mit dem Dean-Reed-Archiv Berlin (D-R-A) (damals D.-R.-Websiteteam) getreten war, schlug Andrea vom D-R-A Berlin vor, mich mal zu fragen. Die Anfrage vom Verlag, ob ich ein DR-Buch über Dean Reed schreiben würde, kam Anfang Juni 2007. Es gab noch keinen Titel oder Preis, nur der Erscheinungstermin stand fest, weil er an den Start von Leopold Grüns Film „Der rote Elvis“ Ende Juli gekoppelt werden sollte und sich der Verlag davon große Aufmerksamkeit versprach. Das Ganze war so kurzfristig, dass ich Thomas Grossman an seinem Geburtstag, dem 8. Juni anrief, und ihm sagte, ich hätte als Geburtstagsgeschenk ein Buch für ihn, das er aber erst schreiben müsse, und bot ihm die Ko-Autorenschaft an. Nachdem er das überschlafen hatte, sagte er zu. Wir haben dann wochenlang sozusagen Tag und Nacht daran gearbeitet und das nur geschafft, weil wir umfassend vom D-R-A unterstützt wurden. Am 18. August habe ich das fertige Manuskript dem Verlag übergeben. Wir haben also nur zwei Monate und zehn Tage daran gearbeitet.

Zu diesem Zeitpunkt erst wurde uns vom Verlag gesagt, wie der Titel sein sollte. Heute habe ich mich damit abgefunden, dass er „Dean Reed – die wahre Geschichte“ lautet, aber damals habe ich protestiert, weil es mir zu marktschreierisch vorkam. Doch der Verlag beharrte darauf, weil das Buch ja breite Käuferschichten ansprechen sollte. Thomas Grossman hatte von vornherein nichts gegen den Titel, so dass ich mich doch damit angefreundet habe. Aber ich favorisierte auch folgende Varianten: „DEAN REED – Cowboy, Countrystar, Companero“ oder „Wer war DEAN REED wirklich?“ Auch „Genosse Rockstar“ hielt ich für möglich. Aber diese Entscheidung lag beim Verlag.

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Eine Meinung aus der Redaktion deutsche-mugge.de

Braucht es angesichts der Veröffentlichungsflut der letzten Jahre tatsächlich schon wieder ein neues Buch über Dean Reed? Die Antwort fällt uns relativ leicht: Auf jeden Fall! Und eigentlich hoffen wir darauf, daß im Moment bereits erneut jemand an einem schreibt. So vieles ist zum Thema noch ungesagt, so vieles noch ungeklärt, so viele Sichtweisen noch nicht analysiert… Daran ändert auch der Beitrag von Frank-Burkhard Habel und seinem Mitstreiter Thomas Grossman nichts. Er fügt dem großen Mosaik lediglich ein weiteres Steinchen hinzu, nicht mehr. Und schon gar nicht weniger! Das Buch ist wichtig und es ist – soviel sei vorweggenommen – unbedingt empfehlenswert. Wir wären aber nicht wir, wenn wir nicht auch hier ein Haar in der Suppe ausgemacht hätten. Zwei, um genau zu sein. Das erste betrifft den Titel „Die wahre Geschichte“, den wir für unglücklich gewählt halten und der dem Inhalt auch nicht gerecht wird. Was keineswegs bedeuten soll, dass die Verfasser Märchen erzählen. Im Gegenteil, man merkt jeder Zeile und jedem Wort die Bemühung an, Dean Reed tatsächlich im rechten Licht erscheinen zu lassen. Trotzdem ist der Anspruch auf die absolute Wahrheit unangebracht, denn die gibt es im Falle Dean Reed nicht. Zu widersprüchlich war sein Leben ebenso wie sein Tod, zu abhängig ist beides vom Blickwinkel des Betrachters. Und jeder, der sich mit Reed beschäftigt, gelangt an den Punkt, an dem es keine Fakten mehr gibt, wo man nur noch spekulieren und interpretieren kann, ohne Sicherheit, ob die gezogenen Schlussfolgerungen zutreffen oder eben nicht.

Punkt zwei, der uns nicht so gut gefällt, ist die Kürze, mit der manche Abschnitte aus Deans Leben abgehandelt werden, die oft abrupt und übergangslos zum nächsten Teil überwechseln, obwohl man beim Lesen meint, noch längst nicht am Ende der jeweiligen Episode angelangt sein zu können. Da hätte vieles noch mehr in die Tiefe gehen dürfen.

Von diesen beiden – eher wenig relevanten – Schönheitsfehlern abgesehen, ist das Buch vollkommen in Ordnung und kann als rundum gelungen bezeichnet werden. Habel und Grossman verzichten weitestgehend auf Wertungen, sondern stellen hauptsächlich Fakten dar, die durch Aussagen und Interviews von Zeitzeugen untermalt werden. Das Konzept ist dem von Leopold Grün und seinem Film „Der rote Elvis“ nicht unähnlich und macht für ein Buch absolut Sinn. Sympathisch, dass man trotz aller vordergründig zur Schau getragenen Neutralität nicht zu übersehen vermag, dass die Autoren dem Objekt ihrer Arbeit wohlgesonnen gegenüberstehen – allerdings ohne es zu stark zu idealisieren. Dennoch haben wir beim Lesen des Vorworts schmunzeln müssen, denn da war wohl doch mehr der Wunsch Vater des Gedankens als die realen Gegebenheiten. Mehr verraten wir an dieser Stelle aber nicht, mache sich jeder sein eigenes Bild darüber.

Der Kauf des Buches lohnt auf jeden Fall, nicht zuletzt auch wegen seiner Ausstattung. Im edlen Hardcover-Einband erwarten den geneigten Interessenten unter anderem jede Menge bislang ungesehene Fotos, farbig und Schwarz-Weiß ansprechend auf stabiles Bilderdruck-Papier aufgebracht. Unbedingt erwähnenswert auch, daß das Buch beim Lesen gut in der Hand liegt und danach nicht gleich aus der Form gerät. Value for money also, wie es neudeutsch so schön heißt. Wer sich für Dean Reed interessiert, ist hier gut aufgehoben und kann bedenkenlos zugreifen. Aber Vorsicht: Ihr werdet es nicht schaffen, das Werk zwischenzeitlich beiseite zu legen, ohne es bis zum Ende gelesen zu haben! Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt, wenn ihr am nächsten Tag übermüdet zur Arbeit geht…

(kf)
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Der Verlag über das Buch:

Das Buch über das Leben von Dean Reed, den Schauspieler und Sänger. Geboren 1938 in Denver/Colorado, wurde er 1958 von Capitol Records entdeckt und bald zum Teenie-Idol in Lateinamerika, wo er sich politisch stark engagierte. Nach Ausweisung aus Argentinien kam er über die Sowjetunion und Italien 1972 in die DDR, drehte Filme, veröffentlichte Platten, trat als Sänger auf, gab Solidaritätskonzerte und engagierte sich international im Friedenskampf. Im Jahre 1986 starb er durch Freitot.

Mit einer Startauflage von nur 10.000 Exemplaren bietet dieses Buch u.a. viele unbekannte Fotos. Über 20 Jahre liegt der Tod von Dean Reed zurück – erwiesenermaßen ein Freitod, so sehr die Gerüchte um Stasitäter oder andere dunkle Gestalten am Köcheln gehalten werden. Dass sich viele aus dem überschaubaren Ländchen, das sich der Mann aus Colorado zur Heimat erkor, seiner erinnern – ob sie seine Musik, seine Filme mochten oder nicht, ein Exot war er allemal -, das also nimmt nicht wunder. Das nach wie vor große publizistische Interesse darf man gewiss darauf zurückführen, dass sich das Scheitern dieses Einzelnen in der Parallele zum Scheitern des von ihm erwählten Systems zeichnen lässt – „der Cowboy, der zwischen die Fronten des Kalten Krieges geriet“. Hollywood liebäugelt mit seinem Leben als Stoff für eine – vermutlich patriotische – Tragödie… Man wird sehen. Bücher, Dokumentarfilme, Artikel – Dean Reed und kein Ende. Und nun ein neues Buch? Mit dem Anspruch: Die wahre Geschichte zu erzählen. Enge Freunde, Kollegen und Wegbegleiter geben Auskunft.
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Lesermeinung – Wahre Wahrheit ?

Die, die selbst denken, sind sofort gewarnt, wenn sie lesen: „Die wahre Geschichte“. Aufgedrückt ist das Etikett nun auch der jüngsten Dean Darstellung. Die kann, ohne alle Häme, eine Darstellung in den Wunschfarben der DDR genannt werden. Frank-Burkhard Habel und sein Koautor Thomas Grossmann, die Chronisten der Biographie des Amerikaners in der DDR, sind mit einer guten DDR-Vergangenheit ausgestattet. Dementsprechend ist ihre „wahre Geschichte“ des traurigen Rebellen ausgefallen, der den vergeblichen Versuch machte, in der Realität der ostdeutschen Version des Sozialismus zu existieren. Das Buch ist ein Reed-Aquarell! Die schönste Geschichte der neuesten „wahren Geschichte“ ist im Vorwort. Dean Reed, die unvermeidliche Gitarre in den Händen, steht vor der „Million“, die am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz zusammengelaufen war. Wie das? Weil´s erfunden ist. Der US-Amerikaner Dean Reed (1938-1986) war, vor dem Tod der DDR, in der DDR gestorben. An der DDR? Durch die DDR? Ist das die „wahre Geschichte“? Manche sehen´s so und äußern´s so. Nicht so die Autoren des Buches „Dean Reed“ – Die wahre Geschichte“ Sie wollen gern die neutralen Chronisten sein. Mit ihrem guten Gefühl für den guten Jungen Dean bleiben sie, letztendlich, immer auf der Seite Dean Reed´s.

Darin sind sich die Reed-Publikationen jeder Art schnell einig: Der Sänger und Schauspieler war als naiver Idealist kaum zu überbieten. In ihm war ein Robin Hood: Eine Hauptrolle, die er in allen Weltteilen spielte. Denn, seinem Wesen nach war er ein durch und durch sozial Gesonnener. Als musikalisch ambitionierter Prediger von Frieden und Freundschaft tourte er durch die Kontinente. Eine beispielgebende Aktion sollte Reed nie vergessen werden. Vor dem amerikanischen Konsulat in Santiago de Chile wusch er in einem Eimer die Fahne seines Geburts- und Heimatlandes, als das den Krieg in Vietnam forcierte. Wie jedem Künstler war Dean Reed der Beifall wichtig. Ebenso wichtig war ihm sein beispielhaft menschliches Handeln. Vielleicht zeigte sich in den Handlungen des Menschen die wahrste Geschichte des Menschen. Dass der Mensch mehr und mehr Aufmerksamkeit gewinnt hat wohl auch mit der Wahrheit zu tun, dass bewegte und bewegende Menschenschicksale immer ergiebiges Material für Medien sind. Egal, wie wahr, wie erdacht die Geschichten sind. Was aber, wenn die Medien des Materials müde sind? Wenn das Wesen des Dean Reed nichts mehr hergibt? Wenn das die einzige Wahrheit der „wahren Geschichte“ sein wird?

Bernd Heimberger
04.02.2008

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Und zu guter Letzt: Das Buch musste laut einem Gerichtsbeschluss aus dem Handel genommen werden und ist nur noch antiquarisch zu erwerben. Für ein Foto wurden nicht rechtzeitig die Veröffentlichungsrechte eingeholt. Die darauf abgebildete Person stoppte darauf hin die Auslieferung.

Thomas Grossman und Frank-Burkhard Habel: Dean Reed – die wahre Geschichte, Verlag Neues Leben, Berlin 2007, ISBN 978-3-355-01738-1., 19,90 €.

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└ Schlagwörter: Dean Reed
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Mai31
on 31. Mai 2018
Veröffentlicht in: Rolf Geffken

Rolf Geffken

Rolf Geffken

Unrechtsstaat in Bayern

RA Dr. Rolf Geffken kritisiert die bayrische Ewigkeitshaft

Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung hat der bayrische Gesetzgeber in seinem neuen Polizeiaufgabengesetz auf verfassungswidrige Weise Rechsstaatsstandards bei der Freiheitsentziehung ausser Kraft gesetzt.

Unrechtsstaat in Bayern - RA Dr. Rolf Geffken kritisiert die bayrische Ewigkeitshaft

Die Anwaltskanzlei RAT & TAT wurde von mir 1977 gegründet. Seit 1992 befindet sie sich in Hamburg-Harburg mit einer Niederlassung im niedersächsischen Cadenberge (Landkreis Cuxhaven). Schwerpunkt meiner anwaltlichen Tätigkeit ist das Arbeitsrecht in allen seinen Ausprägungen, sowie das

  • Kündigungsschutzrecht
  • Betriebsverfassungsrecht
  • Sozialrecht
  • Seearbeitsrecht
  • Schifffahrtsrecht
  • Wirtschaftsrecht
  • Familienrecht
  • Allgemeine Zivilrecht.

Ferner das Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich des Niederlassungsrechts und des Asylrechts.

Ich bin Fachanwalt für Arbeitsrecht aber auch Autor auf diversen Gebieten, nicht nur des Arbeitsrechts. Zugleich bin ich Referent auf arbeitsrechtlichen Fortbildungsveranstaltungen unterschiedlicher Bildungsträger und Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg.

Kontakt: ratundtat@drgeffken.de – Website: www.drgeffken.de – Telefon: 040 7906125 oder 0172 7418179 – Meine Buchveröffentlichungen

 

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