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Okt.25
on 25. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Kim Rebell

Kim Rebell

Privat oder Kasse – selber Schuld

Meine Erfahrung mit Psychotherapeuten und –therapeutinnen

Kim Rebell

Ich war bereits bei acht Psychotherapeuten/-innen und keiner der Herren und Damen hat mir wirklich helfen können.

Bei vielen Therapeuten/-innen, die ich angerufen habe, waren die Wartelisten für Kassenpatienten bereits voll oder ich bekam die Zusage das ich auf die Warteliste komme. Allerdings hat sich nun nach zwei Jahren immer noch niemand zurück gemeldet.

Da es anscheinend erheblich mehr Patienten als Therapeuten/-innen gibt, können die Therapeuten/-innen auch zu erniedrigenden Mitteln greifen. Mir hat ein Therapeut eine Erklärung vorgelegt,  in der ich zustimmen sollte, dass der Therapeut auf die schriftlichen Berichte an den Hausarzt verzichtet, weil er dafür keine Zeit hätte und dafür auch nicht genügend Geld von der Krankenkasse bekäme. Andere haben von mir im voraus 50.00 € Vorschuss als Ausfallgeld verlangt, falls ich einen Termin versäumen würde.

Bei mehreren Therapeuten/-innen, bei denen ich kurzzeitig in Behandlung war, lief einiges schief. Mit den Besprechungsräumen fing es an. Die meisten waren steril eingerichtet und luden nicht gerade zum wohlfühlen ein. Und dann ging es „zack-zack“, alle 45 Minuten ein anderer Patient. diese Eile gab mir Zweifel ob der oder diejenige sich dann auf mich einstellen können. Und diese Zweifel sind berechtigt, denn ich habe z. B. erlebt, das eine Therapeutin nicht wusste, wovon ich ihr in den letzten drei Sitzungen erzählt habe, das keine Notizen gemacht wurden und das man mich mit anderen Patienten verwechselt hat. Bei meinem letzten Therapeut habe ich mich deswegen nicht aufgehoben gefühlt, weil er mich gar nicht verstanden hat, wir haben einfach aneinander vorbei geredet. Ich bin links, denke, empfinde und handele anders als viele dieser Therapeuten/-innen die meist aus einem gut behüteten bürgerlich/akademischen Elternhaus kommen. Es war nicht selten so, das sich die Therapeuten/-innen nicht in meine Probleme hineindenken konnten und in dem Zusammenhang unrelevante Aspekte einfließen ließen.

Ich als Arbeitertochter und Marxistin fühle mich von den Psychotherapeuten/-innen in einem kapitalistischen System nicht therapiert, sondern eher manipuliert. Oft wurde mir das Gefühl gegeben, das ich selbst Schuld an meiner Lage bin. Bin ich Schuld, wenn ich Depressionen, Alpträumen und Ängste habe, weil ich Vergewaltigung, Gewalt, Streit, Trennung und Mobbing in der Familie miterlebt habe und niemand mit mir darüber gesprochen hat und für mich richtig da war? Bin ich Schuld, wenn ich Depressionen habe, nachdem ich 120 Bewerbungen für ein Ausbildungsplatz geschrieben und keine positiven Antworten bekommen habe? Bin ich Schuld, wenn ich drei Mal an mehreren weiterführenden Schule abgelehnt werde, weil die Klassen überfüllt waren. Bin ich Schuld, wenn ich als Sozialhilfeempfängerin auf den Ämtern immer wieder erniedrigt und zusammen gestaucht werde?

Der Sozialpsychologie Florian Sander hat am 21. Oktober ’17 im „Rubikon — Magazin für die kritische Masse“ einen Artikel unter dem Titel „Wenn der Patient plötzlich selbst schuld ist“ veröffentlicht, der einige dieser Probleme anspricht. Diesen möchte ich Euch nachfolgend in unveränderter Form empfehlen.

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Wenn der Patient plötzlich selbst schuld ist

Wie neoliberales Denken in die psychotherapeutische Arbeit Einzug hält.

Anders als bei körperlichen Leiden kommt bei psychischen Erkrankungen allzu schnell die Schuldfrage auf: Geht die Erkrankung auf das Konto der biologischen oder sozialen Umstände des Betroffenen – oder ist er nicht vielmehr eigentlich selbst verantwortlich? Auch, wenn sie es oft nicht laut ausspricht: Die Psychotherapie arbeitet zuweilen durchaus mit der letzteren Prämisse. Wenn es dann noch um die Frage geht, was beziehungsweise wer denn nun eigentlich genau – zum Beispiel für einen Burnout eines Mitarbeiters in einem Betrieb – verantwortlich ist, gewinnt die Frage sehr schnell eine sehr politische Dimension.

Foto: KieferPix/Shutterstock.com

Der Soziologe Peter Fuchs bezeichnet die Psychotherapie als die „Verwaltung der vagen Dinge“. Patentrezepte gibt es hier nicht. Klare, naturwissenschaftlich unanfechtbare und fassbare Lösungen kann es hier nicht geben, da einerseits jeder Patient anders leidet – und wenn wir noch so viele neue Kategorien und Namen für psychische Erkrankungen schaffen – und andererseits die Ursache niemals völlig geklärt werden kann. Allzu oft liegen Ursachen psychischer Krankheiten in einer Melange aus biologischen Faktoren, tiefenpsychologischen Einflüssen und Umständen der Sozialisation, deren einzelne Anteile auch bei noch so guter Diagnostik niemals restlos auseinander sortiert werden können. Das gilt auch deswegen, weil sich etwa prägende Phasen wie die frühkindliche der Erinnerung des Menschen weitestgehend entziehen und daher nur schwer aufgearbeitet werden können.

Diese „vage“ Natur der Psychotherapie bringt es mit sich, dass sie anfällig wird für verschiedenste Formen der Interpretation, der Politisierung, der Manipulation. Wo sich empirische Erkenntnisse nicht zweifelsfrei ergeben, da arbeitet der Sozialwissenschaftler mit Theorien und Hypothesen. Eine Tatsache, die unvermeidlich ist, aber auch nicht grundsätzlich problematisch, auch wenn sie vielen eher „technisch“ denkenden Menschen, für die am Ende immer ein klares Ergebnis, ein „A oder B“ stehen muss, oft suspekt ist.

Problematisch wird es erst, wenn diese Interpretationsanfälligkeit geschickt genutzt wird, um mit ihrer Hilfe „hinten rum“ eine politische Ideologie zu verwirklichen, die dem Menschen – dem Patienten – am Ende des Tages alles andere als zum Vorteil gereichen wird. Bei der modernen Psychotherapie ist genau dieses Phänomen vorzufinden – was umso schlimmer anmutet deswegen, weil es damit Menschen trifft, die ihr leidendes Innerstes offen legen, weil sie sich anders nicht zu helfen wissen.
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Die Frage der Verantwortung

Analog zur Frage, was zuerst da war, die Henne oder das Ei, wird auch die Psychotherapie stets von der Frage nach der Verantwortlichkeit – noch drastischer: „Schuld“ – für die Erkrankung des Betroffenen begleitet. Ein Mitarbeiter eines Betriebes leidet am Burnout-Syndrom: Hat sein Arbeitgeber zu viel von ihm verlangt – oder er von sich selbst? War das Arbeitsklima schuld – oder er einfach zu „dünnhäutig“, zu schwach, zu wenig bereit, auch seine Ellenbogen einzusetzen?

Das Szenario muss sich nicht auf den Arbeitsplatz beschränken. Ein weiteres Beispiel: Eine junge Frau leidet an Depressionen. Im Gespräch kommt heraus, dass sie unter schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen ist. Sind es nun die Eltern, die die Verantwortung für ihr Leid tragen – oder hat die junge Frau einfach nie „zu sich selbst gefunden“? Hat sie sich „gehen lassen“, sich nicht genug von ihrer Vergangenheit emanzipiert? Hätte sie mehr „kämpfen“ müssen?

Es wird schnell deutlich: Wir haben es bei psychischen Erkrankungen mit Phänomenen zu tun, deren Ursachen-Herleitung mehr als komplex ist und die Tür öffnet für verschiedenste Antworten. Und das gilt nicht nur im laienhaften Umfeld, das für die junge Frau aus dem Beispiel entweder Verständnis hat oder über sie die Nase rümpft, sondern auch manche „Profis“ gehen mit sehr unterschiedlichen Prämissen an die Leiden der exemplarischen jungen Frau heran.
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Das Resilienz-Konzept

Ein Schlüsselbegriff zum Verständnis der Unterschiedlichkeit dieser Prämissen ist der der „Resilienz“. Die Psychologie versteht darunter die psychische Widerstandskraft des Einzelnen (aber auch, in anderen Auslegungen, einer Gruppe oder einer Organisation). Diese Kraft kann sich aus verschiedensten Einflüssen (den „Ressourcen“, wie die Psychologie sie nennt) ergeben: Dazu zählen Intelligenz, emotionale Kontrolle, Ausgeglichenheit, Selbstsicherheit, positive innere Einstellung usw. usf. Auf Gruppen- oder Team-Ebene sind das Klima der Interaktion und der gegenseitige Umgang entscheidende Faktoren; auf Organisationsebene auch Führungsentscheidungen und formale Strukturen der Organisation. An verschiedenen Stellen wird ein „betriebliches Resilienz-Management“ vorgeschlagen, das dazu beitragen soll, die Resilienz der Mitarbeiter zu stärken, um ihre Arbeitsleistung zu erhöhen.

Nun ist es sicherlich niemals ein Fehler, die Resilienz von Gruppen beziehungsweise Teams in einem Betrieb und damit auch die organisationale Resilienz des Betriebs als Ganzes zu stärken, indem etwa für ein gutes Arbeitsklima gesorgt wird. Doch der Resilienz-Begriff hat eine primäre Konnotation – und diese bezieht sich auf den Einzelnen, auf das Individuum und seinen seelischen Zustand. Die Grundthese der Vertreter des Resilienz-Konzeptes lautet, dass das Individuum, der einzelne Arbeitnehmer letztlich – und auf jeden Fall zu beträchtlichen Teilen – selbst imstande wäre, sich vor Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom zu schützen, wenn er nur „widerstandsfähig“ genug ist.

Es deutet sich langsam an, worin das neoliberale Element eben dieser Denkweise liegt: Indem die Verantwortung für seine psychische Gesundheit am Arbeitsplatz auf ihn selbst verschoben wird, es also von seiner eigenen Resilienz, seiner inneren Einstellung und Haltung abhängig ist, wie er mit den Anforderungen der Arbeit, mit den Arbeitszeiten, den Erwartungen von Kollegen und Vorgesetzten etc. umgeht, liegt sie eben nicht mehr – oder wenigstens zu deutlich geringeren Teilen – beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer bricht irgendwann infolge allzu vieler Überstunden zusammen? Erleidet einen Burnout? Gerät in Konflikt mit Kollegen oder dem Chef? Erledigt seine Aufgaben nicht mehr zu deren Zufriedenheit? Nun: Da war er dann wohl nicht resilient genug!
Die Prämisse, die hier mitschwingt, ist eine, die wir bereits aus der Europapolitik von Angela Merkel kennen: Die der vermeintlichen Alternativlosigkeit des großen Ganzen. Die politischen oder eben wirtschaftlichen Strukturen sind demnach quasi gottgegeben – und die kleineren Einheiten, in der EU die Nationalstaaten, im Wirtschaftssystem die Arbeitnehmer, haben sich diesen unveränderbaren, alternativlosen Gegebenheiten anzupassen, wenn sie nicht untergehen wollen. Der Einzelne ist seines Glückes Schmied – und kann dabei alles gewinnen oder eben alles verlieren, je nachdem, ob er zur Genüge an seiner Resilienz gearbeitet hat.

Nun wird es verschiedene Gründe haben, warum Psychologen und Psychotherapeuten diese Prämisse aufgreifen. Weder liegt diesem Phänomen eine große Verschwörung zugrunde, noch sind die derart vorgehenden Psychologen und Psychotherapeuten allesamt neoliberale Hardliner, die sich händereibend überlegen, wie sie dem globalen Turbokapitalismus noch besser als bisher zu Diensten sein könnten. In vielerlei Fällen spielt hier vielmehr ein Phänomen mit hinein, das man – überspitzt ausgedrückt – als Fachidiotentum bezeichnen könnte: So wie sich beispielsweise allzu viele Politologen zu wenig für die psychischen Einflüsse auf politische Prozesse interessieren, mangelt es auch Psychologen zuweilen an Interesse für politische Hintergründe und politische Motivationen hinter wissenschaftlichen oder therapeutischen Konzeptionen. Aber auch wenn man es oftmals eher mit Ignoranz anstatt mit Böswilligkeit zu tun hat: Das Sich-Instrumentalisieren-Lassen für neoliberale Intentionen entschuldigt dies nicht.
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Skepsis gegenüber therapeutischen Interventionen

Das Resilienz-Konzept stellt bei weitem nicht die einzige Erscheinungsform neoliberalisierter Psychotherapie dar. Eine andere, um exemplarisch noch eine weitere zu nennen, tritt im Rahmen der Systemischen Beratung und Therapie in Erscheinung. Diese ist zwar als Ganzes – so viel soll hier klargestellt werden – keinesfalls als ein „neoliberales therapeutisches Verfahren“ zu bezeichnen; sie greift aber theoretische Prämissen auf, die das Aufnehmen solcher Grundsätze zumindest nicht unwahrscheinlich machen.

Konkreter: Eine vielfach diskutierte Frage in Bezug auf die Psychotherapie und die Systemische Therapie im Speziellen ist die nach der Berechtigung und Sinnhaftigkeit von Interventionen seitens des Beraters oder Therapeuten. Anders gesagt: Wie sehr darf der Berater oder Therapeut sich „einmischen“? Wie sehr darf er „steuern“? Ist hierbei „Steuerung“ überhaupt legitim oder sinnvoll? In welcher Rolle sieht sich der Berater oder Therapeut selbst in der Interaktion mit dem Klienten / Patienten? Kann er es als „gesetzt“ betrachten, dass er manche Dinge „besser weiß“ als der Klient / Patient, oder hilft er diesem lediglich bei der Selbstfindung? Liegen die Lösungen im Klienten / Patienten selbst – oder auch im Berater oder Therapeuten?

Auch hier wird deutlich: Die Reflexion der eigenen professionellen Rolle und, daraus hervorgehend, der des Klienten / Patienten, die Frage nach der Selbstdefinition und der eigenen Verortung sind entscheidende Fragen für das therapeutische Prozedere, welche alles andere als verbindlich geklärt sind. In vielerlei Fällen bleibt Raum für Interpretationen und – je nach therapeutischem Verfahren und je nach Person – fallen die Antworten unterschiedlich aus. Und oftmals werden auch hier – mal bewusst, mal unbewusst – neoliberale Prämissen aufgegriffen.

In der der Systemischen Beratung und Therapie zugrunde liegenden, interdisziplinär aufgegriffenen Systemtheorie wird von der Annahme ausgegangen, dass wir es im Alltag mit hochkomplexen biologischen, psychischen und sozialen Systemen zu tun haben. Biologische Systeme bezeichnen dabei die Körper von Lebewesen, psychische Systeme das menschliche Bewusstsein und soziale Systeme Interaktionen zwischen Personen, Gruppen, Organisationen oder die Gesellschaft als Ganzes.

Von nicht wenigen Systemtheoretikern wird dabei eine tief reichende Steuerungsskepsis vertreten, die sich aus eben jener These der hochkomplexen Systeme herleitet: Jene Systeme sind demnach kaum steuerbar, da es dafür seitens des „Steuernden“ ein grundlegendes Verständnis und eine umfassende Kontrolle aller Dynamiken bräuchte, die das System und seine Komplexität ausmachen. Diese sei jedoch nicht vorhanden und auch kaum zu erreichen, da Systeme füreinander immer bis zu einem gewissen Grad intransparent sind: Das politische System kennt nicht alle künftigen Entwicklungen des Wirtschaftssystems, und ein psychisches System kennt kein anderes psychisches System „von innen“, weil wir uns nicht gegenseitig in die Köpfe schauen können, es also immer vieles gibt, was wir von der anderen Person niemals erfahren werden. Dies sind nur einige kurz angerissene Beispiele für das, was nach der Systemtheorie die unüberwindbare Komplexität von Systemen ausmacht.

Innerhalb der anwendungsbezogenen Systemischen Beratung und Therapie wird daraus nun – nicht immer und von allen, aber häufig – die Konklusion abgeleitet, dass therapeutische Interventionen, ebenso wie etwa direkte politische Steuerungsversuche des Wirtschaftssystems, mindestens skeptisch zu sehen, im Extremfall sogar grundsätzlich zum Scheitern verurteilt sind, weil ja auch der Berater oder Therapeut das psychische System des Patienten / Klienten nicht „durchschauen“ kann, sondern nur mit dem kalkulieren kann, was dieser ihm erzählt. Eine Intervention ist demnach mindestens riskant bis illegitim, da sie die Systemkomplexität des anderen ausblenden würde.

Stattdessen, so vertreten es die Verfechter dieser Denkrichtung, sollen die Antworten auf sein Problem von dem Klienten / Patienten selbst kommen: Nur er selbst kennt sich eigentlich gut genug, nur er selbst weiß letztlich, was er braucht oder nicht. Der Berater oder Therapeut hat in einem solchen Verhältnis nicht mehr die Aufgabe, Antworten zu liefern, sondern nur noch, die richtigen Fragen zu stellen. Typische Berater- oder Therapeutenfragen in diesem Zusammenhang lauten: „Was brauchen Sie?“, „Was würden Sie jemandem raten, der sich mit genau diesem Problem an Sie wendet?“ etc.

Die Parallelen zum Resilienz-Konzept sollten an diesem Punkt deutlich geworden sein. Sicherlich gilt hier die Einschränkung, dass nicht jede therapeutische, die Denkprozesse des Patienten / Klienten in positive und konstruktive Bahnen lenkende Frage sofort Ausdruck eines zynischen neoliberalen Therapieverständnisses ist. Und dennoch zeigt sich die Prämisse der „Eigenverantwortlichkeit“, des „Jeder ist seines Glückes Schmied“ auch hier: Die Antworten auf sein Problem liegen in dieser Denkrichtung im Betroffenen selbst; der Berater oder Therapeut zieht sich, gleich dem steuerungsskeptischen Staat im Neoliberalismus, auf eine lediglich „stimulierende“, aber nicht mehr intervenierende „Nachtwächter“-Rolle zurück, als eine Art leiser Stichwortgeber, aber immer mit dem Unterton „Nur du kannst dir selbst helfen – ich nicht!“.
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Wachsamkeit ist geboten

Nun wird es, so viel sei abschließend klargestellt, durchaus Fälle geben, in denen diese Herangehensweise ebenso wie das Resilienz-Konzept fruchten und konstruktive Ergebnisse erzielen. Manchmal liegen die Antworten eben wirklich in der Person selbst, und manchmal schützt eben psychische Widerstandsfähigkeit wirklich ausreichend vor Belastungen am Arbeitsplatz. Nur haben wir es hier mit einem weiter reichenden Paradigma zu tun: Das Resilienz-Konzept und die Skepsis gegenüber Interventionen sind in Teilen durchaus dogmatisch vorgegeben, haben also nicht selten den Charakter einer allgemeingültigen Grundregel angenommen.

Spätestens hier wird es problematisch: Denn psychische Widerstandskraft und ihre Stärkung durch „betriebliches Resilienz-Management“ rechtfertigt keine Überbelastungen am Arbeitsplatz, welchen durch derartige Maßnahmen ihre Legitimation als „zumutbar“ zugestanden werden sollen. Und zugleich dürfte sich auch noch so mancher Patient / Klient finden lassen, bei dem die Antworten auf sein Problem eben nicht irgendwo „in ihm selbst“ liegen, sondern es einer klaren Intervention bedarf, um es zu lösen – z. B. in dessen soziale Systeme.

In jedem Fall ist es geboten, ein wachsames Auge zu richten auf politische Prozesse, die sich abseits der „üblichen“ Bühnen der Politik abspielen, aber dennoch gravierende Wirkung entfalten können. Die wissenschaftlichen Deutungshoheiten von heute bestimmen die gesellschaftliche Realität von morgen.

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Über den Autor: Florian Sander ist Dozent für Soziologie, Sozialpsychologie und Politikwissenschaft sowie Verhaltenstrainer an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, der in Nordrhein-Westfalen unter anderem die Polizeiausbildung obliegt. Zugleich ist er Doktorand im Fach Soziologie an der Bielefeld Graduate School in History and Sociology der Uni Bielefeld. Daneben betätigt er sich seit vielen Jahren als Autor für den Blog „Le Bohémien“.
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Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizensiert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen darf es weiter verbreitet und vervielfältigt werden.
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Okt.23
on 23. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Frank Burkhard

Filme, der Zukunft zugewandt

dokumentART, Neubrandenburg verlieh den »Latücht-Preis«

Frank Burkhard

„Latücht“ ist ein plattdeutscher Ausdruck für die Laterne, also das Licht in der Dunkelheit. Das ist der Neubrandenburger Latücht-Verein, Ausrichter des Festivals dokumentART in mehrerlei Hinsicht. Er verfügt über internationales Renommee als Ausrichter eines Ereignisses, das Mitte Oktober zum 26. Mal über die Leinwand ging. Die neue Leiterin Yun-Hua Chen, eine in Berlin lebende taiwanische Filmkritikerin, hat begonnen, das traditionelle Dokumentarfilmfestival stärker dem Animations- und Kurzspielfilm zu öffnen. Seit diesem Jahr gilt der neue Namenszusatz „films & future“. Das scheint logisch. Schon Albert Einstein stellte fest: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Ebenso richtig ist aber der Gedanke, dass nur der die Zukunft gestalten kann, der Vergangenheit und Gegenwart verstanden hat. Und so hat sich eigentlich nicht allzu viel geändert. Wer bei „Latücht“ an die Laterna magica denkt, liegt nicht völlig falsch. Zumindest jahrzehntealte Schmalfilme wurden für die Filme des Wettbewerbs mehrfach ausgeschlachtet. So versuchte die niederländische Filmemacherin Tessa Louise Pope in „The Origin of Trouble“ unter anderem mit privatem Schmalfilmmaterial zu ergründen, wie es in ihrer Kindheit zu familiären Konflikten kam.

Auf den ersten Blick grotesk wirkten manche Sujets des Streifens „Nature: All Rights Reserved“ (Natur: Alle Rechte vorbehalten), weil die meist originalgetreue Nachahmung der Natur Blüten treiben kann. „Kunstblumen im Frühling sind seltsam, wie eine Erinnerung an JETZT“ hat der Arzt und Autor Bernd Lorenz mal geschrieben. Mulder zeigt Kunstrasen und Waldmotiv-Tapeten, das trügerische Südsee-Erlebnis im brandenburgischen Tropical Island, aber er vergisst auch nicht, dass die imaginierte Natur Menschen bei bestimmten Erkrankungen Linderung bringen kann. Der junge Regisseur erhielt den Preis der Stadt Neubrandenburg.

„Ich glaube an den Zweifel. Ich zweifle an meinem Glauben. Ich zweifle, an meinen Zweifel zu glauben“, hat Louis Aragon gesagt. Zu diesem Thema hat Florian Karner, Student der Filmakademie Baden-Württemberg, seinen Film „Dubito ergo sum – Ich zweifle, also bin ich“ gedreht. Er porträtiert einen Mediziner, der zwar keinen Verschwörungstheorien anhängt, aber doch glaubt, dass die Reichen und Mächtigen böse Absichten gegenüber dem Rest der Gesellschaft hegen. Da mag er nicht falsch liegen. Trotzdem ist der Arzt ein Zweifelnder, der hinterfragt und eine große soziale Kompetenz hat. Diesem Film gab die Studentenjury des Studierendenwerks Greifswald ihren Preis.

Die Hauptauszeichnung der dokumentART, den Latücht-Preis, erhielt die japanisch-schweizerische Produktion „Half-Life in Fukushima“, wobei der erste Begriff sowohl das halbe Leben als auch die Halbwertzeit meint. Die Filmemacher Mark Olexa und Francesca Scalisi begleiteten einen japanischen Bauern, der aus Liebe zu seiner Heimat fünf Jahre nach dem Reaktorunfall in Fukushima in sein Haus innerhalb der evakuierten Zone zurückgekehrt ist. Voller Überlebenswillen und Heimatliebe entscheidet er sich, trotz der radioaktiven Gefahr auf dem Land seiner Vorfahren zu bleiben. Inmitten dieser post-apokalyptischen Landschaft kultiviert er Ackerland und züchtet Rinder. Gern hätte man die Regisseure zu den Dreharbeiten befragt, aber anders als viele andere Filmemacher waren sie nicht nach Neubrandenburg gekommen, weil sie – und das ist Glück – wieder ein Filmprojekt haben. Vielleicht finden sie damit demnächst den Weg nach Mecklenburg-Vorpommern!

Trailer zu: „Half-Life in Fukushima“

Hot Docs 2016 Trailers: HALF-LIFE IN FUKUSHIMA

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Aus Das Blättchen, Nr. 22, vom 23. Oktober 2017, mit freundlicher Genehmigung des Autors
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└ Schlagwörter: Film
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Okt.23
on 23. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

bebe

Medien Mosaik

– American Rebel (Herg.): Man müsste nur die Wahrheit drucken, man müsste aufhör´n, sich zu ducken
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bebe

Augenöffnend
Der Titel ist schon fast eine Kurzgeschichte. „Man müsste nur die Wahrheit drucken, man müsste aufhör´n, sich zu ducken“ heißt der Band, der nur selten einen Prosatext enthält, aber dafür über 100 Gedichte und Liedtexte von 30 ganz verschiedenen Leuten, die ihre Gesellschaftskritik von links eint. Der Vorwortautor Nico Diener (selbst mit zwei Texten vertreten) hat die Anthologie zusammengestellt und als ersten Band der neuen Edition American Rebel (als Hommage an den gern als „amerikanischer Rebell“ bezeichneten Dean Reed gedacht) kürzlich in Berlin vorgestellt.
In den Gedichten, von denen die ältesten schon in den siebziger Jahren entstanden, sehr viele neue aber mit 2017 datiert sind, werden soziale Verwerfungen thematisiert, politisch-historische Diskurse absolviert aus Zeiten früherer Bundeskanzler wie Brandt und Kohl, über Themen wie Demokratie, Bundeswehr und Solidarität. Das klug komponierte Titelgedicht stammt von malcom.z – ein Pseudonym eines ehemaligen DDR-Liedermachers. Bekannte Autoren wie der österreichische Dramatiker Heinz Rudolf Unger oder die Liedermacher Jürgen Eger und Frank Viehweg stehen neben engagierten Amateuren wie der „roten Oma“ Elisabeth Monsig, die trotz ihrer 93 Lenze noch an Demos und Straßenaktionen teilnimmt, oder Abel Doering, der bisher 20 Jahre lang Bücher verkaufte, ehe er sein Antiquariat Anfang diesen Jahres schloss.
Nicht alles ist große Literatur, aber in der Vielfalt der Handschriften und im politischen Engagement kurzweilig und wohl auch augenöffnend zu lesen.
American Rebel (Herg.): Man müsste nur die Wahrheit drucken, man müsste aufhör´n, sich zu ducken, Berlin 2017, Edition American Rebel bei BoD BOOKS on DEMAND, 148 S., 8,99 €.  BESTELLUNG

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Aus Das Blättchen, Nr. 22, vom 23. Oktober 2017, mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Medien-Mosaik früherer Monate
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└ Schlagwörter: Dean Reed
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Okt.22
on 22. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Daniel Kerekeš

DGB wirft Antifa raus

Räume für antifaschistischen Kongress vom DGB München verweigert
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Daniel Kerekeš

Der Münchener DGB setzt den Antifa Kongress Bayern vor die Tür. Dieser hätte vom 3. Bis 5. November im Münchener DGB Haus stattfinden sollen. Auslöser war eine Kampagne der erzkonservativen Deutschen Polizeigewerkschaft, die keine Gewerkschaft unter dem Dach des DGB ist. Ein Kommentar von Daniel Kerekes.

Gewerkschaften sind ein wichtiges Kampfinstrument der werktätigen Menschen. Kollektiv organisiert kann man sich gegen die Herrschenden in diesem Land wehren. Doch manchmal greift auch der DGB daneben, ganz besonders an, wenn er sich als Teil des Establishments präsentiert.

Antifaschismus muss jetzt Alltag werden, hat die Spiegel Online Kolumnistin Margarete Stokowski zwei Tage nach der Wahl richtig festgestellt. Nachdem die AfD mit 94 Sitzen ins Parlament eingezogen ist, kommt es nun auf uns an, uns jeden Tag zu distanzieren. Die AfD zu zermürben. Allianzen gegen rechts zu schmieden wie es zum Beispiel Aufstehen gegen Rassismus ist.

Der DGB darf dabei nicht vergessen wo er her kommt und was in seinem Grundsatzprogramm steht.

Die Gewerkschaften treten allen Erscheinungsformen von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – auch in den eigenen Reihen – entgegen. Wir werben für Offenheit gegenüber Fremden und Zugewanderten und unterstreichen unsere Verpflichtung, uns in den Betrieben und Verwaltungen für Toleranz einzusetzen. DGB Grundsatzprogramm

Durch die Nazis aufgelöst wurden Gewerkschafter, die bekennende Sozialdemokraten oder Kommunisten waren, von den Nazis verfolgt. Hans Böckler, der Namenspatrone der DGB eigenen Stiftung, hat stets gemahnt

In der Nazizeit habe ich einfach meine Pflicht getan, war wiederholt in Schutzhaft und wurde, wie so viele andere, wirtschaftlich vernichtet. Meine jetzige Tätigkeit ist nach Wiederaufnahme Fortsetzung der früheren. Hans Böckler

Und darum ist es auch gut, dass der DGB in etlichen antifaschistischen Bündnissen ist. Das sich regionale Gliederungen gegen die Neofaschisten in der AfD einsetzen wie z.B. bei AfD entzaubern, DGB NRW oder ver.di Mittelfranken – ver.di gegen Nazis und die extreme Rechte.

Doch das ausgerechnet die Gewerkschaft der Polizei auf den Zug der Deutschen Polizei Gewerkschaft aufgesprungen ist, ist zum haareraufen. Der DGB müsste hier mal seine eigenen Standards prüfen und genau überlegen, welche Lehren einst aus dem Nationalsozialismus gezogen wurden. Notfalls auch die GdP zur Raison rufen. Die Verdi Jugend München hat es vorgemacht und sich von der Entscheidung des DGB distanziert. Sie fordern den Mietvertrag zu erfüllen.

Und man muss am Ende auch daran erinnern, dass es in der Polizei recht häufig Skandale um mögliche Rechtsextreme gibt. Nein, die Polizei schafft es nicht, Faschismus Einhalt zu gebieten. Das hat sie weder 1933 noch in einem anderen Land der Welt geschafft. Es war stets der Widerstand der normalen Menschen, die auf die Straße gegen, die Rechtsextremen stellten und ihnen keinen Freiraum ließen. Die Polizei ist lediglich Wahrer des Status Quo.

Ein antifaschistischer Kongress tut in Zeiten von AfD, Identitärer Bewegung und Co. not. Lieber DGB, der richtige Schritt wäre gewesen, selbst an der Organisation teilzunehmen (nicht nur die DGB Jugend) und breite antifaschistische Bündnisse mit aufzubauen.

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Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vom 20. Oktober 2017.  Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
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Über den Autor: Daniel Kerekeš 30 Jahre | ehemaliger Bundessprecher linksjugend [‘solid] | Wortakrobat für die Freiheitsliebe und Balkan21 | Nerd | Gutmensch | Marxist | Blogger | Youtuber in Ausbildung
Ihr findet mich auf: Twitter und auf Facebook
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WeitereArrtikel zu diesem Thema:
– Neues Deutschland:
DGB wirft Antifa raus
– Vorwärts: Streit um Antifa-Kongress: DGB beugt sich Druck von Polizeigewerkschaften
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Okt.21
on 21. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Nein zur Stationierung von 200 französischen Fallschirmjägern! Französische Armee, raus aus Côte d’Ivoire!

Erklärung der Kommunistischen Partei der Elfenbeinküste (PCRCI)
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Das Eintreffen von 200 französischen Fallschirmjägern in Côte d’Ivoire ruft in der Bevölkerung starke Besorgnis hervor. Die Regierung ist der Ansicht, dass diese von der französischen Zeitung „la Dépêche“ gemeldete und von den sozialen Netzen verbreitete Information eine Falschmeldung sei, denn es handle sich um eine Routineoperation, die nichts mit der aktuellen politischen Lage in Côte d’Ivoire zu tun habe.

Die Bürgerinnen und Bürger von Côte d’Ivoire fürchten die Ankunft der 200 Fallschirmjäger zur Verstärkung der in Port Bouet stationierten französischen Kolonialarmee zu Recht. Diese Armee hat sich 2010 – 2011 in der Krise, die nach den Wahlen in Côte d’Ivoire eingetreten ist, dadurch hervorgetan, dass sie den Präsidenten Gbagbo in seinem Palast gefangen nahm, um Alassane Ouattara ins Amt zu heben.

Die französische Militärbasis auf dem Boden von Côte d’Ivoire, aus welchem Grund auch immer, stellt eine Verletzung der nationalen Souveränität dar und ist ein Grund zu berechtigten Sorgen. Diese Armee dient als logistische Basis für den Angriff auf das ivorische Volk und die afrikanischen Völker. Deshalb verurteilt die Kommunistische Partei von Côte d’Ivoire (PCRCI) mit Nachdruck die Beibehaltung der französischen Militärbasis in Côte d’Ivoire, die der französischen Armee als rückwärtiger logistischer Stützpunkt dient, um die afrikanischen Völker im Allgemeinen und die Bevölkerung von Côte d’Ivoire im Besonderen anzugreifen. Sie verurteilt die Entsendung von 200 französischen Fallschirmjägern nach Côte d’Ivoire in einer Zeit der zugespitzten Widersprüche an der Spitze des Staates zwischen dem Präsidenten Alassane Ouattara und dem Präsidenten der Nationalversammlung, Soro Guillaume. Diese Entsendung kann nur die Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Côte d’Ivoire zum Ziel haben.

Die PCRCI ruft die Völker von Côte d’Ivoire auf, sich ihr anzuschließen mit dem Ruf:

Französische Armee, raus aus Côte d’Ivoire!

Abidjan, den 13. Oktober 2017  (Übersetzung aus dem Französischen)

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Erstveröffentlichung in deutscher Sprache am 20. Okt. 2017 in Arbeit Zukunft online. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

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Okt.20
on 20. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Victor Grossman

Jamaica, traffic lights, threats and knees

Berlin Bulletin No. 135
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Victor Grossman

First the good news, if very belatedly. In a summer session the Bundestag (the old one, since replaced by elections) finally legalized same-sex marriage. Partnerships, already possible, were given equality as regular marriages, thus permitting the adoption of children. An estimated 80 percent of the population favored the decision, but not nearly so many delegates of Merkel’s Christian Democratic Union (CDU) or Bavarian sister party Christian Social Union. She loosened party discipline, however, telling her parties’ delegates to vote their conscience. Seventy did and joined all other parties to vote “Yea”. But not Merkel; she voted “Nay”. The final vote: 393 Yea, 226 Nay, four abstentions.

A second good item, at least for Berliners and visitors. The State Opera House on Unter den Linden boulevard, Berlin’s most beautiful building for me, built in 1743 for King Frederick II (“the Great”), burnt down a century later, wrecked twice by bombs two centuries later and reconstructed by the GDR, is finally re-opening after seven years of repairs and renovations.

The new State Opera House

Opera means more here than in the USA, also for many “middle-class” people, who can now rejoice with Daniel Barenboim, its Argentinian musical director, conductor and pianist (also with Spanish, Israeli and Palestinian citizenship!). As for ticket prices: don’t ask! And how many millions it cost over the original estimate? Again, don’t ask! It was out-matched only by Berlin’s new airport, planned to open ceremoniously in 2011, now scheduled for 2019, or possibly 2020, who knows, nor how many made fortunes in the process, which cost the political crash of one Berlin mayor – hopefully no omen! Berlin is still quarreling on whether to keep or scrap its older Tegel airport.

That leads to politics, no easy matter for outsiders (or insiders). In Lower Saxony, a state of western Germany, one Green delegate switched to the Christian Democrats (CDU) last summer (she was bribed, it was insinuated). The one-seat majority of the Social Democrat-Green coalition was gone; its collapse made special state elections necessary, only three weeks after the all-German elections.

It looked like a shoo-in for the CDU. The Social Democrats (SPD) with their new boss Martin Schulz, had been losing ground even faster than Merkel’s party in every state and national election and were way behind. But to widespread surprise, the Social Democrats sprinted to a 3.3 % lead, won and rejoiced.

But the hot race cost their buddies, the Greens, a full 5%, making the duo too weak to rebuild the old coalition – again by one seat. The big-biz Free Democrats refused to join them to form a trio. To make matters worse, the extreme-right Alternative for Germany (AfD), although far weaker than they hoped, got seats for the first time in that state. But alas, the LINKE (Left), while gaining 1.5 % over its vote four years ago, failed to master the 5 % hurdle, and with only 4.6% was left out in the cold. The stalemate in Hannover, the state capital, makes Lower Saxony’s future look very hazy!

So is the future of the federal government, with a similar problem. Here the SPD was battered, and lost in the race to the top spot. Refusing to continue playing second fiddle to Angela Merkel for four more years, it bowed out. The end of that duet, and with no other party successful enough to become a new partner (and the AfD ruled out of the game), it was clear; it would take not two but three to tango.

The hopes of some for a trio with SPD, Green and an obediently-tamed LINKE– “red-green-red” – simply didn’t add up to the needed majority of 355 seats.

Parties here have no animal ties, like donkeys or elephants, but only colors. The SPD still claims red, yellow belongs to the Free Democrats: with the Greens that combination would be a “Traffic Light Coalition” – but even then a majority was lacking. Since the “Christian” CDU-CSU union is connected with the clerical color black, the only remaining possibility seems to be a “Jamaica coalition”. The connection with that island-nation is only the color of its flag, also black, green and yellow. But the Free Democrats insist they will not join up with the Greens: they seem to recall the years, long past, when that party was really almost leftist. Today, despite occasional echoes of that past at the green grass roots level, it has largely moved toward a uniform-shaded olive green, with many of its leaders less interested in German living standards than in picking risky quarrels with Russia. In general, jealousy, opportunism and strategic zigzags are making the road ahead in German political line-ups very hazy –with or without traffic lights or inspiration from the island in the Gulf of Mexicoand.

This wheeling and dealing distracts from a major menace. For the first time, far right members of the Alternative for Germany (AfD) will be sitting in the Bundestag, ninety-four strong. With about one-third one might suspect a swastika tattoo under the tailored new suits, and by all of them a sharply nationalist piercing pin. Some have called Berlin’s memorial to the Holocaust victims “a monument of shame” for Germany – not the Holocaust but the monument! Another defended the great unblemished role of the German Wehrmacht in World War II. The party’s leader, attacking the official responsible for immigrant integration, who has a Turkish name but was born in Hamburg, warned with typical Nazi vocabulary that she will soon be “disposed of to (Turkish) Anatolia, thank God”! Some AfD supporters have shown a willingness to get physically rough, while many police officers have somehow been far slower to step in against them than to arrest leftwing demonstrators. TV channels, and now even a Lutheran bishop in their stronghold in Saxony (not Lower Saxony!), are ready to treat AfD politicians as “normal members” of the political scene. Is it only a question of time before more politicians show willingness to accept them? The LINKE at least is persistent in saying “No! – Fascism is not a viewpoint, it’s a crime!” The AfD, they maintain, must be avoided and isolated, like any with dangerous contagions.

On Sunday the ominous clouds moved closer. The Freedom Party of Austria, a blood relative of Germany’s AfD and all far-right parties in Europe, moved into a strong third place (26 %) and will most likely form a coalition with the winner, the center-right People’s Party, which got a greatly improved 31.6 %. The resulting government, based on a truly vicious propaganda campaign against refugees, will push the second place Social Democrats out of the chancellor job and the soft, warm Cabinet seats it has thus far enjoyed – and onto hard, chilly opposition benches. It is the punishment for years of “going along” in conformist, conflict-free comfort – and even offering to team up with the far right Freedom Party if that would win back government positions. This half-hearted offer was ignored, however, and Austria’s new rightist rulers may even join the “Visegrád group” – Poland, the Czech Republic, Slovakia and Hungary – all united in defying the European Union (and Angela Merkel) and rejecting any and all refugees. Xenophobia – and worse – is marching on!

Most such hatred-based trends exploit the insecurity, worries and disappointment of large sections of the population, especially in formerly Communist-led regions, including the former GDR. People feel cheated – and hunt for scapegoats, almost always the wrong ones thanks to clever politicians and slick journalists with no conscience who play up every news item which leads to distrust and hatred of any “others”, especially if they speak a different language or wear different clothes.

The only effective opposition should be from the Left. Where it really fights it can really make gains, as in Britain with Jeremy Corbyn. But Corbyns are rare. Even the LINKE in Germany is divided on these issues. It agrees on defending the rights of refugees and explaining that their exodus results from the strangling of southern economies by wealthier countries in the north and military conflicts unleashed and armed by the same forces, including arms exporters like Heckler & Koch and Rheinmetall. But there is not always agreement on how many to welcome in and how best to solve resulting pressures.

Where the left can succeed in overcoming confusion and directing anger against those truly responsible for these troubles, and takes the lead in opposing them, it can make gains. But when it is considered to be part of the “establishment”, just another party which can’t be trusted, it loses even many of its earlier supporters. That is what happened in the federal election, lop-sidedly in eastern Germany but not in western Germany with its more militant leftist traditions. The only answer to current dangers, as I see it, is a fighting Left which arouses and joins other people in fights for people’s rights, with energies directed against those really causing the problems, not the refugees and immigrants.

Hertha BSC for tolerance, responsibility, courage, solidarity, equality and respect

One current possibility would be to support employees of Berlin Air, now bankrupt and being taken over by its rival Lufthansa, with several thousand soon facing joblessness and despair. And also – to end with an encouraging note – to applaud Berlin’s soccer team Hertha which demonstrated solidarity in the fight against racism in the USA and among European soccer hooligans, by all “taking the knee” at the start of the game. The players (and manager) won almost universal praise in wide soccer circles, demonstrating that one can both kneel and fight at one and the same time!

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More by Victor Grossman: Berlin Bulletin
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Okt.19
on 19. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

F.-B. Habel

Meister der Bildleiste

Zum 100. Geburtstag des Autors und Comiczeichners Richard Hambach

F.-B. Habel

Wenn man bedenkt, wie bedeutsam Richard Hambach für einen beachtlichen Teil der deutschen Kultur des 20. Jahrhunderts war, erstaunt es schon, dass sein heutiger 100. Geburtstag weder mit Ausstellungen noch mit Filmabenden gewürdigt wird. Er war nicht nur ein prägender Autor von Bildergeschichten in Prosa und Reimen, Rätselerfinder und Bastelbögengestalter – er entwarf auch Spielzeug (z. B. Handpuppen) und schrieb Liedtexte (die Kantate »Besuch im Zoo« wurde von Hans Sandig vertont) sowie populärwissenschaftliche Artikel. Seine Geschichten um Mäxchen Pfiffig und Tüte wurden zur Inspiration für mancherlei Filme und Hörspiele. Immerhin wird an Hambach auf einer Doppelseite im gerade erschienenen und liebevoll aufgemachten Katalog der Ausstellung »Die Kinderzeitschrift Bummi« im Rochow-Museum erinnert. Doch was er alles für Kinder schuf, kann auch hier nur ansatzweise aufgezeigt werden.

Portrait Richard Hambach

Der Berliner lernte den Beruf des Schaufenstergestalters und musste bald darauf zur Wehrmacht. Seine Kriegserlebnisse und das Bewusstsein, auf der falschen Seite gestanden zu haben, waren der Antrieb für seinen vehementen Einsatz für den Frieden und vor allem für Kinder, die ihre Umwelt wach und fröhlich sehen sollten. Da es erst mal nicht viele Schaufenster zu gestalten gab, ging er auf eine Schule für Pressezeichner. Schon 1948 bekam er den Auftrag, für die Pionierzeitschrift Unsere Zeitung (die dann erst in Der junge Pionier und 1958 in Die Trommel umbenannt wurde), »Bildleisten mit Texten und Versen« zu schaffen. So wurden damals die verpönten Comicstrips umschrieben. Hambach blieb bis zuletzt einer der wichtigsten Zeichner von lustig-belehrenden Geschichten.

Populär wurden jedoch vor allem seine für die Zeitschrift Frösi geschaffenen Figuren, Mäxchen Pfiffig (der »Edelpionier«, wie Hambach ihn ironisch nannte) und der etwas unordentliche Tüte sowie das Bienchen Kati. Besonders beliebt war Kundi, der im Auftrag des Dresdner Hygienemuseums über richtige Lebensweisen aufklärte und eine eigene Comicserie in der Für Dich bekam. Auch einige Kurzfilme wurden mit der Figur gedreht. Sechs Ausgaben der populären »Brandschutzfibel« erschienen im Laufe der Jahre. Durch Nachdrucke wurden Hambachs fröhliche Werke auch in der Sowjetunion, Finnland, der Tschechoslowakei und Ägypten bekannt.

Bis er 84 war, zeichnete er noch für Berliner, sächsische und Thüringer Tageszeitungen. Er verstarb kurz vor seinem 94. Geburtstag. Zum Glück kann man im Netz seine Frösi-Titelbilder, einige Comicgeschichten mit Versen und vor allem die herrlichen »Wimmelbilder« immer wieder genießen.
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Erstveröffentlichung Junge Welt vom 2. Oktober 2017, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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Okt.18
on 18. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Nico Diener, Volkskorrespondez

Volkskorespondenz

Nico Diener

Nur ein Stück Scheiße

Menschenverachtenden Räumungsaktionen nun auch in Berlin
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Nico Diener

Nur ein Stück Scheiße scheinen Berlins Obdachlose für den Berliner Senat und die Bezirksverwaltungen von Berlin-Mitte und -Neukölln zu sein. Eine neu eingerichtete sogenannte „Task Force“ macht kurzen Prozess, überfällt Obdachlose in den Parks und stiehlt ihre Habe.

Hat gut Lachen und schläft im Warmen: Bezirksbürgermeisterin Giffey (SPD)

Nicht nur im Tiergarten, sondern auch in Neukölln übernachten viele Obdachlose in öffentlichen Grünanlagen. Dieser Umstand rief eine Dame Namens Franziska Giffey, ihres Zeichens Bezirksbürgermeisterin von Neukölln und, wie sollte es anders sein, SPD Abgeordnete, auf den Plan. „Wir gehen konsequent dagegen vor“, sagte Giffey gestern dem Tagesspiegel. „Wir dürfen das nicht dulden, da die Situation in den Grünanlagen nur noch schlimmer wird. Die Grünanlagen und Parks sind für die Erholung der Bürger da. Dafür müssen wir sorgen.“

Zu diesem Thema erreichte uns eine Pressemitteilung der Berliner Obdachlosenhilfe e.V.
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Berliner Obdachlosenhilfe e.V.

Stellungnahme zur Räumung in Mitte und Neukölln

Es ist Herbst. Die Nächte werden kalt, es regnet, sich draußen aufzuhalten ist oft unangenehm. Diejenigen, die Tag und Nacht im Freien verbringen müssen brauchen gerade jetzt Verständnis und manchmal auch Hilfe.
Die Regierungsparteien Berlins haben während des Wahlkampfs versprochen, die Situation obdachloser Menschen zu verbessern. Die letzten Tage und Wochen passiert genau das Gegenteil. Das ist enttäuschend und macht wütend.
Obdachlose Menschen, die gezwungen sind auf der Straße oder eben in Parks zu übernachten, werden mit Polizeitrupps von dort vertrieben und es wird Druck auf sie ausgeübt in ihre Herkunftsländer zurückzugehen.
Leider scheint in der SPD nicht klar zu sein dass die EU-weite Freizügigkeit auch für arme Menschen gilt. Auch der grüne Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, schlägt in die gleiche Kerbe und bedient sich schamlos rassistischer Vorurteile wenn er die Abschiebung von auf der Straße lebenden Menschen fordert.

„Insel der Obdachlosen“ nennt die Berliner Zeitung den Tiergarten

Um diese Haudrauf-Linie noch härter durchsetzen zu können fordert die Neuköllner Bürgermeisterin Giffey von der SPD überall in Berlin so brutal vorzugehen. Der Senat will wohl genau dies mit der neu gegründeten Task Force aus Polizei und Ämtern durchsetzen.
Das jahrelang ignorierte Problem der Obdachlosigkeit wird aber nicht gelöst indem man die Betroffenen aus der Stadt jagt. Statt Repression braucht es dringend einen Ausbau niedrigschwelliger Hilfen, eine ausreichende Finanzierung der Hilfsorganisationen und der Kältehilfe.
Vielen Menschen fällt es nach Jahren auf der Straße schwer sich in die strengen Regeln staatlicher Wiedereingliederungsprogramme zu fügen. Deshalb braucht es offene Angebote, in denen sich Betroffene selbstbestimmt und mit Unterstützung ein eigenes Leben aufbauen können.
Damit das möglich ist, müssen dringend die Sozialleistungen erhöht und für alle hier Lebenden zugänglich gemacht werden.
Und zusätzlich braucht die Stadt eine Wohnraumpolitik, die verhindert dass immer mehr Menschen sich keine Wohnung leisten können und gezwungen sind auf der Straße zu leben!
Man mag sich kaum vorstellen was es bedeutet bei nachts unter null Grad draußen zu schlafen wenn eine „Task Force“ das eigene, notdürftig warm haltende Lager zerstört, Matratze und Zelt nimmt und einem nur bleibt was man am Körper trägt. Und wenn das auch noch an jedem Platz geschieht, an dem man versucht ein wenig Ruhe zu finden.
Deshalb bitten wir euch: Solidarisiert euch! Solidarisiert euch mit den Menschen die auf der Straße leben, mit denen die in der Gesellschaft ganz unten stehen und auf die die Politik jetzt weiter eintritt anstatt zu helfen.
Sprecht mit den Leuten die ihr im Park oder auf der Straße seht, die betteln oder Pfandflaschen sammeln um zu überleben. Fragt was sie brauchen, bringt einen warmen Kaffee oder etwas Geld vorbei. Oft ist ein nettes Gespräch auf Augenhöhe schon eine große Hilfe.
Wenn ihr Schlafsäcke, Schuhe, Winterkleidung übrig habt: fragt nach ob sie gebraucht werden und verteilt sie selbst oder bringt sie zu uns oder anderen Organisationen die sie verteilen.
Und gerade jetzt: macht Druck diese menschenverachtende Politik zu ändern! Engagiert euch, schreibt euren Abgeordneten dass das scheiße ist, macht Stress in der Bezirksverordnetenversammlung oder protestiert wenn wieder Menschen geräumt werden.
Setzt euch mit uns dafür ein, dass endlich alle ein würdiges Leben führen können, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Einkommen. Ein gutes Leben für Alle ist möglich!
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Weitere Artikel und Beiträge zum Thema Obdachlosigkeit in Deutschland:
– Wenn Engel kochen
– Das ist Wolfgang
– Hamburg: Vertreibung von Obdachlosen an der Kennedybrücke

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└ Schlagwörter: Benachteiligung
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Okt.17
on 17. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Nico Diener

Nico Diener

WEGE DER LIEBE – Lieder um Aleksandra

Der neue Lyrik-Band ist erschienen
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Nico Diener

„Die verbotne Tür ist nicht verschlossen / Rostig hängt der Riegel nur in unserm Kopf …“ heißt es in einer Liebeslieder-Sammlung der besonderen Art. Unverstaubte alte und strahlend neue Lieder und Gedichte aus seinem Œuvre fügt Frank Viehweg zu einem farbenprächtigen Gemälde, gewidmet der russischen Revolutionärin Alexandra Kollontai (1872-1952). Eine Frau, die der Dichtersänger nicht gekannt hat, der er sich aber durch die Zeiten immer verwandt fühlte.
„Jahrtausendelang erzog die Kultur, die auf der Institution des Eigentums aufgebaut ist, die Menschen zu der Überzeugung, dass auch das Gefühl der Liebe das Prinzip des Eigentums zur Grundlage haben muss. Die heuchlerische Moral der bürgerlichen Kultur hat aus den bunten, vielfarbigen Flügeln des Eros schonungslos Federn gerissen. Jedes Liebeserlebnis aber macht die menschliche Seele nicht ärmer, sondern bereichert sie. Die Liebe ist eine Kraft, die sich in dem Maße vermehrt, als man Gebrauch von ihr macht.“ (A. Kollontai)
Das Wort von der „Freien Liebe“ freilich ist ein „Weißer Schimmel“, denn die Liebe ist ihrem Wesen nach frei, sagt Frank Viehweg, „ein moderner Minnesänger mit eigenem Ton, der innig und feinsinnig von der Liebe in all ihren Tönen und Zwischentönen zu singen und zu sagen weiß.“ (Peter Hertzfeldt)
Das Titelbild „Kollontai“ stammt von der amerikanischen Künstlerin Sarah Levy aus Portland.

Über den Autor: Frank Viehweg, geboren 1960 in Wolgast, erlernte ab Mitte der 1970er Jahre autodidaktisch das Gitarren-spiel und war ab 1978 Mitglied im Singeklub der Peene-Werft. 1981 Ausschluss aus SED und FDJ auf Grund eines Liedes und eines Gedichtes, danach Magaziner in der Berliner Stadtbibliothek. 1983 Auszeichnung mit dem Reinhard-Weisbach-Preis der FDJ. Seit 1985 freiberuflicher Liedermacher, Textautor und Nachdichter. Rundfunkproduktionen und zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. 1989 erschiensein Kinderbuch „Besuch bei Franz“. In der Folgezeit gab es kontinuierliche Veröffentlichungen von Büchern und CDs.

Mehr über den Dichtersänger Frank Viehweg

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Nachträglich hinzugefügte Rezensionen:

05.12.17 – KEINE VERLIERER MEHR

Die Liebe muss frei sein, glaubt der Dichter, und er meint damit nicht die Beliebigkeit sexueller Begegnungen und schon gar nicht den amtlich beglaubigten wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtswerkzeuge, aber auch nicht nur ein platonisches Verhältnis zu den Geliebten. Eher schon die Erhöhung des eigenen Daseins dadurch, dass Liebe durch die Geliebten erwidert wird, auch körperlich, auch dann, wenn es ihrer mehrere sind. Dieser Traum, und da wird es politisch, wird nicht von allen Frauen und Männern geteilt. An diesem Traum, und da wird er zur Tragödie, kann Liebe auch scheitern. Wenn dieser Traum zum Vorwurf wird, so poetisch er sich auch kleidet, frisst er sich selbst. Aber eines kann Liebe nicht – ins Leere gehen.
So hat der Liederdichter Frank Viehweg sich in seinem zwölften Band auf die „Wege der Liebe“ begeben, um eine Genossin, Geliebte, Gefährtin im Geiste zu treffen, die seinen Traum vor hundert Jahren durch die russische Revolution trug: Aleksandra Kollontai (1872 – 1952). Eine Frau „die Grenzen zertrümmert und nicht nur verschiebt“, wie Viehweg schreibt, die mit ihren „Briefen an die Jugend“ die orthodoxe Moral aufmischte und sich von Lenin ihre Sexualmoral als „Glas-Wasser-Theorie“ um die Ohren hauen ließ.
Die lebendige Geliebte darf sich solcher Huldigungen weniger erfreuen: „Nein, das sind nicht unsere Ideale“ wirft er ihr, die fortgeht, nach. „Du beugst dich wildfremder Moral“ wettert er. Das sind nicht die versprochenen kleinen Steinchen, die er an ihr Schneckenhaus werfen wollte. Wenn er apostrophiert, sie habe sich „mit fliegenden Fahnen (…) von uns entfernt / Und ich hab den glanzlosen Himmel besternt“, ist er in männlichster Bescheidenheit dem verhassten Patriarchat näher, als ihm lieb sein kann. Aber der Bogen ist damit gespannt über eine uralte Frage, und das macht dieses 60 Seiten starke Büchlein nicht nur poetisch spannend.
Frank Viehweg wäre nicht der bewanderte Liederdichter, schaute er sich nicht auch diesmal um in der Welt, die er erlebt und in jener, die er sich wünscht, wäre er nicht leidenschaftlicher Anwalt der Sehnsucht und Tröster der Sehnsüchtigen, melancholischer Zeuge des eigenen Älterwerdens und betörender Ratgeber der Jüngeren, denen er sich in den „Rätseln beigeselln“ möchte: „Lieben ohne zu beneiden / ist die schönste Subversion“. Bis in die 80er Jahre reicht diese Umschau zurück, was das Büchlein überdies zu einer kleinen Kostbarkeit macht, denn bereits in seinen frühen Texten war die Liebe Frank Viehweg schon „der Blick / der uns trifft/ (…) wie ein Gegengift“. Für die er „Alles was ich kann“ zu sein bereit ist: Rückenkrabbler, Bauchspazierer, Brechtgedichtinterpretierer (…) Schambehaarungsshampoonierer“, der lustvoll seinen eigenen Grund im anderen findet. Viehwegs Manifest: „Keine Verlierer mehr“. Aber das bleibt schwerer als gesagt und wird noch Stoff für viele liebevolle Texte spenden.

HENRY-MARTIN KLEMT (Quelle: ND, 5. Dezember 2017)

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└ Schlagwörter: Lyrik
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Okt.16
on 16. Oktober 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Bürgerinitiative für den Frieden in der Ulkraine

Winniziya: Statue zu „Ehren“ eines Massenmörders enthüllt

Symon Petljura ließ bis zu 50.000 Juden ermorden
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Ukrainische Nationalisten haben heute in der westukrainischen Stadt Winniziya (Heimatstadt Poroschenkos) eine Statue zu “Ehren“ von Symon Petljura eröffnet, der von 1917-1920 bis zu 50.000 Juden gezielt verschleppen und ermorden ließ.

Hintergrund: Symon Petljura war bis 1917, während des russischen Bürgerkriegs, ein sog. “Weißgardist“, der auf Seiten der zaristischen Armee gegen kommunistische Bauern kämpfte. Als sich abzeichnete, dass der russische Zar seine Macht gegen die “Bolschewiki“ verliert, rief Petljura die “Ukrainische Volksrepublik“ (die übrigens die gleiche Hymne und Flagge der heutigen ukrafaschistischen Ukraine bekam) aus, die sich von Russland abtrennen sollte und übrigens sofort von Polen als “souveräner“ Staat anerkannt wurde, um das bürgerkriegsgeschwächte Russland noch weiter zu schwächen. Es stellte sich heraus, dass er ein verkappter ukrainischer Nationalist war, ein Separatist. Schnell scharte er mehrere Dutzend bewaffnete Hundertschaften ukrainischer Nationalisten um sich, die ihre Waffen aus Polen und Finanzmittel aus Großbritannien (über Polen) erhielten. Petljura war “Kriegsminister“ dieser separatistischen “Volksrepublik Ukraine“. In seinem Herrschaftsbereich ereigneten sich blutige Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung der Ukraine, wobei man von bis zu 50.000 Toten ausgeht. Die Juden wurden enteignet und ermordet. Petljura führte zwar “gesetzliche Strafen“ für Gewalt gegen jüdische Zivilisten ein, aber seine Milizen wussten, dass sie die Gesetze, die Petljura zum Schutz der Juden erlassen hatte, ignorieren konnten. Es war quasi ein Scheingesetz, um sich aus der Verantwortung zu ziehen, da er wusste, dass sein ukrainisch-nationalistisches Regime schon bald fallen würde, wie es auch 1920 auch kam.
Nach dem Sieg der russisch-sowjetischen Kommunisten floh Massenmörder Petljura nach Polen, wo er als “legaler Regierungschef der Ukraine“ anerkannt wurde und im März 1920 in Lublin ein “Friedensabkommen“ mit der polnischen Regierung unterzeichnete, wobei er im Tausch gegen militärische Hilfe die polnischen Bedingungen für die Grenzziehung im Osten akzeptierte. Im Polnisch-Sowjetischen Krieg gelang dann jedoch nur zeitweise die Besetzung von Kiew seinerseits (mit militärischer “Hilfe“ Polens), und die “Wiederherstellung der ukrainischen Unabhängigkeit“ scheiterte. Petljura führte nun zunächst von Tarnów und Warschau aus die ukrainische Exilregierung an, musste Polen jedoch aufgrund verstärkten sowjetischen Drucks 1923 verlassen und ging über Wien und Genf 1924 nach Paris. Dort gründete er die Zeitung „Tryzub“, welche über die Aktivitäten der ukrainischen Exilregierung berichtete.
Am 25. Mai 1926 wurde er während eines Einkaufsbummels in Paris von dem aus der Ukraine stammenden jüdischen Anarchisten Scholom Schwartzbard auf offener Straße niedergeschossen und starb kurz darauf. Der Täter wurde von einem französischen Gericht freigesprochen, weil er in Vergeltung für den Tod von 15 Familienmitgliedern, darunter seine Eltern, gehandelt habe, die von Symon Petljura und seinen Truppen ermordet wurden.
Symon Petljura hatte u. a. zahlreiche Treffen mit dem pro-britischen polnischen Politiker und General Józef Piłsudski gehabt, der wiederum ein bekennender pro-britischer Russophob war und das Ziel eines polnischen Reiches von zwei Meeren (“Intermarum“) hatte, welches sich vom Baltischen Meer bis zum Schwarzen Meer (also inklusive der Ukraine) erstrecken sollte, um engere Beziehungen und Handelsaustausch zwischen dem osteuropäischen Russland / Sowjetunion und dem westeuropäischen Deutschland und Frankreich zu verhindern.
Kommt einem im Jahr 2017 durchaus bekannt vor, oder? Da kann man den US- und EU-unterstützten Maidan-Staatsumsturz 2014 in der Ukraine auch als späten anti-russischen “Revanchismus“ sehen.
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15. Oktober 2017, Bürgerinitiative für den Frieden in der Ukraine

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