Jakob Reimann

20.000 Luftschläge – ein historischer Tag im Jemenkrieg

Jacob Reimann

Der Counter des Yemen Data Project überschritt heute die historische Zahl von 20.000 Luftangriffen der Saudi-Emirate-Koalition. Neben den Köpfen der Koalition müssen sich die Komplizen im Westen vor internationalen Kriegsverbrechertribunalen für den Genozid im Jemen verantworten.

Das Yemen Data Project (YDP) ist eine privat finanzierte non-profit NGO, die seit Kriegsbeginn akribisch Buch über den Krieg im Jemen führt. Seit Tag 1 zählt das YDP die Luftschläge der Saudi-Emirate-Koalition auf die Zivilbevölkerung des Jemen.

By Julien Harneis, Flickr, licensed under CC BY-SA 2.0.

Heute, am 20. August 2019, überschritt der „Coalition Air Raids“-Counter die Marke von 20.000 und steht aktuell bei 20.025 Luftschlägen. Der Krieg begann am 26. März 2015. Das macht knapp 13 Luftschläge jeden Tag. Seit fast viereinhalb Jahren. Jeden Tag.

Unter diesen Luftschlägen befanden sich tödliche Angriffe auf so glorreiche militärische Ziele wie unzählige Hochzeitsfeiern und Beerdigungen, Flüchtlingsboote und -lager, Fischerboote, Hunderte Krankenhäuser, Moscheen, eine Blindenschule und eine Kartoffelchipsfabrik, in der zehn Angestellte eingeschlossen wurden und elendig in den Flammen verbrannten.
YDP geht über das bloße Zählen hinaus und weist die Angriffe auf zivile Targets auch, so gut es geht, entsprechenden Kategorien zu und zählte etwa Angriffe auf folgende Einrichtungen:

2.017  Wohngebiete
774  Transportinfrastruktur
649  Farmen
292  Regierungsgebäude
217  Marktplätze
90  Fabriken
241  Schulen
132  Wasser- und Elektrizitätswerke
16  Banken
21  Radio-/TV-Stationen
51  Moscheen
60  Sporteinrichtungen

Hier die komplette Auflistung:

Einige Kategorien ziviler Ziele, die von der Saudi-Emirate-Koalition in 1609 Tagen des anhaltenden Jemenkriegs bombardiert haben. © Yemen Data Project. Screengrab taken from YDP.

Einige Kategorien ziviler Ziele, die von der Saudi-Emirate-Koalition in 1609 Tagen des anhaltenden Jemenkriegs bombardiert haben. © Yemen Data Project. Screengrab taken from YDP.

Nach dem – anhaltenden – Völkermord in Darfur ab 2003 wird die Menschenfamilie im Jemen Zeugin des zweiten Genozids im 21. Jahrhundert. Neben Zehntausenden Kriegstoten implementiert die Saudi-Emirate-Koalition eine hermetische Luft-, See- und Landblockade – und hält so Millionen von Menschen buchstäblich in Geiselhaft.

Die Koalition setzt die historische Hungersnot und die größte Choleraepidemie der Menschheitsgeschichte als Kriegswaffen ein. Neben lebenswichtiger Infrastruktur wie Wasseraufbereitungsanlagen und Krankenhäuser zerstört sie systematisch die Industrie und entsprechende Infrastruktur des Landes und sorgt so dafür, dass sich der Jemen auch Jahrzehnte nach Kriegsende nicht vom Genozid erholen wird.

Die UN spricht vollkommen zutreffend von der „schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt“.
Artikel II c) der UN-Völkermordkonvention verbietet die „vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“ – eine 1-zu-1-Beschreibung von dem, was wir im Jemen erleben. Die Saudi-Emirate-Koalition macht sich des Genozids schuldig.

Und der Westen ist der Komplize dieses Verbrechen. Weit über die Hälfte der Waffen der Kriegskoalition stammt aus den USA, gefolgt von Frankreich, Russland, Großbritannien und Deutschland in den Top-5 der Waffenlieferanten – die 20.000 Bomben, die den Jemen verwüstet haben, sind westliche Bomben.

Herkunftsländer der Waffenexporte an die acht Länder der Saudi-Emirate-Koalition in den Jahren des Jemenkriegs (2015-2018). Data source: SIPRI Arms Transfers Database. Compiled and created by Jakob Reimann, JusticeNow!, licensed under CC BY-ND 4.0.

Artikel III e) der UN-Völkermordkonvention stellt „Komplizenschaft an Genozid“ unter Strafe. Neben dem so sehnlich gewünschten Frieden und so dringend benötigter humanitärer Hilfe braucht das Land ein umfassendes internationales Kriegsverbrechertribunal im Stil der Nürnberger Prozesse.

Neben den Entscheidungsträgern und Militärs der neunköpfigen Saudi-Emirate-Koalition müssen mindestens auch die Regierungen in Washington, Paris, Moskau, London und Berlin als Kriegsverbrecher angeklagt und ein Leben lang weggesperrt werden.

Die Führungen all dieser Länder müssen sich in Den Haag für ihre Schande verantworten. Ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden geben.

Peace!
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Erstveröffentlichung auf JusticeNow. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers

Über den Autor: Als studierter Biochemiker hat Jakob Reimann ich ein Jahr in Nablus, Palästina gelebt und dort an der Uni die Auswirkungen israelischer Industrieanlagen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in der Westbank erforscht. Nach einiger Zeit in Tel Aviv, Haifa, Prag und Sunny Beach (Bulgarien) lebt er jetzt wieder in Israel und kennt daher „beide Seiten“ des Konflikts und die jeweiligen Mentalitäten recht gut. Soweit er zurückblicken kann ist er ein politisch denkender Mensch und verabscheut Ungerechtigkeiten jeglicher Art. Aus bedingungslos pazifistischer Sicht schreibt er gegen den Krieg an und versuche so, meinen keinen Beitrag zu leisten. Seine Themenschwerpunkte sind Terrorismus, das US Empire, Krieg (Frieden?) und speziell der Nahe Osten.

 

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Dabei muss es sich nicht grundsätzlich um die Meinung der Redaktion handeln.

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