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Jan.18
on 18. Januar 2018
Veröffentlicht in: Julius Jamal

Julius Jamal

Iran: Einen Regimewechsel abzulehnen, nur weil es den USA nutzt, ist falsch

Im Gespräch mit Niema Movassat
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Julius Jamal

Im Iran protestieren seit einer Woche die Menschen, die Proteste richteten sich zu Beginn gegen steigende Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin, sowie die schlechte wirtschaftliche Lage und Arbeitslosigkeit. Doch in den letzten Tagen kamen auch immer mehr Stimmen hinzu, die sich gegen das Regime im Allgemeinen richteten und Freiheit und Demokratie forderten, wir sprachen mit Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken und mit iranischem Migrationshintergrund.

Die Freiheitsliebe: Iran brennt, der Westen pennt? Ist dies der Aufstand der Menschen für ein sozialeres und freieres Iran?

Niema Movassat: Ob es schon ein Aufstand ist, muss sich erst zeigen. Zurzeit sind die Proteste wegen der massiven Repression vom Regime weitgehend unterdrückt worden. Jedenfalls sind die Proteste aber sehr breit: Sie fanden und finden in 70 Städten im Iran statt. Auf der Straße sind vor allem junge Menschen, viele Arbeiter, Frauen, aber auch Studenten und Akademiker. Die Kernthemen der Proteste sind soziale Gerechtigkeit und politische Freiheit.

Die Freiheitsliebe: Was sind die Ursachen für die Proteste? War es, banal gesprochen, der gestiegene Preis für Obst und Benzin?

Der Iran

Niema Movassat: Man kann sich die Situation im Iran vor den Protesten wie einen Topf vorstellen, der am Kochen war. Die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen, die ungleiche Verteilung des Wohlstandes, die neoliberale Politik der Ruhani-Regierung und die politische Unterdrückung der Bevölkerung hatten den Topf schon zum Kochen gebracht. Die letzten Preissteigerungen für Lebensmittel, die angekündigten Steigerungen des Benzinpreises, haben den Topf überkochen lassen.

Die Freiheitsliebe: Wie kommt es, dass die Proteste jetzt beginnen, obwohl der Iran gerade sein außenpolitisches Gewicht erhöht und Militäreinsätze im Ausland durchführt?

Niema Movassat: Eine Kritik, zumindest von einem Teil der Demonstranten, ist, dass der Iran sich zu massiv in andere Konflikte einbringt, zum Beispiel in Syrien. Dies kostet natürlich Geld. Geld, welches fehlt, um die Armut im eigenen Land zu bekämpfen. Insofern ist der wachsende außenpolitische Einfluss ein Grund für die Proteste: Nämlich, dass diese Kriegsabenteuer des Regimes von einem großen Teil der Bevölkerung abgelehnt werden.
Die Freiheitsliebe: Was sind die Forderungen der Menschen, die protestieren?

Niema Movassat: Es gibt keine Programmschrift. Aber wenn man die Summe der Parolen zusammenzieht, dann wollen die Menschen, dass mehr gegen Armut und Arbeitslosigkeit getan wird, also dass eine soziale Politik stattfindet. Außerdem – das ist die politische Dimension des Protestes – wollen sie ein Ende des Regimes. Dies geht über die 2009er Proteste hinaus, bei der es um eine umstrittene Präsidentschaftswahl ging, also um einen Konflikt innerhalb des politischen Systems. Die Rufe „Tod dem Diktator“, die man jetzt hört, sprechen dafür, dass es den Menschen nicht um neue Gesichter im alten System geht, sondern um einen Systemwechsel, um das Ende des Mullah-Regimes.

Niema Movassat wurde 1984 als Sohn iranischer Eltern in Wuppertal geboren. Seit seinem 2. Lebensjahr lebt er in Oberhausen. Er besuchte zunächst die Adolf-Feld Grundschule und danach das Elsa-Brändström-Gymnasium. Hier absolvierte er 2004 sein Abitur.
Im Anschluss studierte er Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf. Sein Staatsexamen hat er 2009 beim Oberlandesgericht Düsseldorf abgelegt und ist seitdem Jurist.
Politisch aktiv ist er seit dem Jahr 2000, damals trat er in den Jugendverband [’solid] und in die PDS ein. Mehrere Jahre war er Mitglied im Landesvorstand in NRW, von 2008 bis 2010 gehörte er dem Parteivorstand an.
2009 ist er über Platz 8 der Landesliste NRW der Partei DIE LINKE erstmals in den Bundestag eingezogen und gehört ihm bis heute an.

Die Freiheitsliebe: Das Mullah-Regime hat die sozialen Netzwerke deaktiviert und reagiert ansonsten ebenso repressiv wie seinerzeit das Ägyptische Regime zum arabischen Frühling. Wird es noch schlimmer?

Niema Movassat: Das Regime reagiert, nach einem ersten, überraschten Moment, sehr aggressiv auf die Proteste. Milizen des Regimes fahren mit Motorrädern in Demonstranten rein, Hunderte wurden verhaftet. Das Revolutionsgericht hat für bestimmte Demonstranten die Todesstrafe angekündigt. Mit Gewalt werden die Proteste unterdrückt. Die Ausschaltung der sozialen Netzwerke trifft die Demonstranten ebenfalls hart: 25 Millionen Iranerinnen und Iraner sind bei Telegram. Darüber sprachen sie die Proteste ab. Das ist jetzt unmöglich. Eines ist aber auch klar: Das Regime kann die Proteste nicht ewig mit Gewehren unterdrücken. Solange es keine Veränderungen im Sinne der Menschen gibt, wird es früher oder später wieder zu Protesten kommen.

Die Freiheitsliebe: Etliche Menschen vermuten jetzt wieder, wie in Syrien, die CIA, die USA oder sonst wen als Drahtzieher hinter den Protesten. Hälst du das für logisch oder realistisch?

Niema Movassat: Die USA haben zweifellos ein Interesse an einem Regimewechsel im Iran. Aber die Unzufriedenheit über das Regime war da, ganz ohne USA und deren Geheimdienst CIA. Es wäre falsch, einen Regimewechsel von innen (!) deshalb abzulehnen, weil er den USA nützen könnte. Da sollte man Karl Marx lesen, der schrieb, es gilt „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Er hat nicht die Fußnote gesetzt, dass das nicht gelte, wenn die Aufhebung der Knechtschaft der USA nützen würde. Die Menschen im Iran gehen nicht für die USA oder für uns auf die Straße, sondern für sich. Das ist ihr gutes Recht.

Die Freiheitsliebe: Von wem gehen die Proteste aus? Im Iran selbst wird gemutmaßt, dass die reaktionären Kräfte im Regime zu Beginn an den Protesten beteiligt waren, um Rohani zu schwächen. Hältst du das für realistisch?

Niema Movassat: Das ist, zumindest für die aller ersten Proteste in Mashhad, möglicherweise so gewesen. Darüber gibt es Berichte. Aber die reaktionären Kräfte haben falsch kalkuliert: Die Menschen haben die Botschaft, die die reaktionären Kräfte gegen Ruhani setzen wollten, völlig umgedreht: Sie greifen nun das gesamte System an. Das ist überhaupt nicht im Sinne der Fundamentalisten.

Die Freiheitsliebe: Sollten sozialistische und kommunistische Kräfte noch abwarten oder die Protestierenden unterstützen?

Niema Movassat: Internationale Solidarität ist wichtig und richtig. Die Menschen, die im Iran auf die Straße gehen, setzen sich großen Gefahren aus. Dieser Mut verdient Respekt. Es gibt im Iran keinen Rechtsstaat, keine fairen Prozesse, keine Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Vor allem sind es soziale Forderungen, die viele Menschen im Iran auf die Straße treiben. Die Arbeiterinnen und Arbeiter im Iran sind besonders entrechtet: Unabhängige Gewerkschaften gibt es nicht. Arbeitsrechte für junge Menschen sind auf unbestimmte Zeit aufgehoben. Der Mindestlohn ist extrem niedrig. Wer aufmuckt, dem droht das Gefängnis. Wenn Sozialisten und Kommunisten mit Arbeitern, die für soziale Gerechtigkeit unter Lebensgefahr auf die Straße gehen, nicht solidarisch sind, mit wem dann?

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vom 12. Juni 2017.  Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
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Über den Autor: Ich habe 2009 die Freiheitsliebe gegründet aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, wo es keine Grenzen gibt zwischen Menschen. Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung. Als Autor dieser Webseite streite ich für eine Gesellschaft, in der nicht mehr die Mehrheit der Menschen das Umsetzen muss, was nur dem Wohlstand einiger Weniger dient.

Ihr findet mich auf: Facebook.
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Jan.17
on 17. Januar 2018
Veröffentlicht in: Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Portugal und Spanien im weißen Gewand – In Sydney schmilzt der Asphalt

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Rui Filipe Gutschmidt

In Zeiten von Klimawandel und dessen Leugnung wird jeder „Wetterbericht“ zum Streitthema. Doch zumindest die empirischen Daten lassen sich nur schwer weginterpretieren. Dabei wird die Debatte nicht nur in den sozialen Netzwerken immer unsachlicher geführt…

Sobald eine Kältewelle irgendwo auftritt, wird die Erderwärmung in Frage gestellt. Doch das Klima ist global gefährdet und jeder Kältewelle steht eine noch extremere Hitzewelle gegenüber. Wenn ein Donald Trump – Präsident mit dem Segen des Militärisch-Industriellen-Komplexes und der allgegenwärtigen Rohstoffmafia – mal wieder auf Twitter über die Verfechter strengerer, verbindlicher und tatsächlich wirksamer Maßnahmen gegen die Erderwärmung spottet, dann zeigt er dadurch nur seine extreme Ignoranz.
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Nordhalbkugel – Eis und Schnee, > -40ºC

In weiten Teilen der Iberischen Halbinsel, besonders im Bergland von den Pyrenäen bis ins Hinterland Nord- und Zentralportugals fällt seit gestern eine ungewöhnlich große Menge an Schnee. Die Temperaturen sind zwar negativ, aber im einstelligen Bereich. Dennoch leiden die Menschen in Nordportugal, da die Kälte in Verbindung mit einer hohen Feuchtigkeit und stürmischen Wetterbedingungen in jede Ritze der schlecht isolierten und meist spärlich beheizten Häuser zieht. Das Meer ist stürmisch, der hohe Wellengang fordert seine Opfer und die Kälte provoziert jede Menge an viralen Infekten, Atemwegserkrankungen, Rheuma und natürlich DIE Grippe. Portugals Notaufnahmen und Gesundheitszentren sind überfüllt und der Personalmangel ist seit den Sparmaßnahmen der Troika chronisch. Doch das ist wieder ein anderes Thema.

Inzwischen schmilzt der Schnee auf den Dünen der Sahara wieder, aber das Atlasgebirge in Marokko wird wohl no länger in weiß gehüllt bleiben. Auch die Alpen sind eingeschneit. Nichts lässt sich aber zur Zeit mit der Situation vergleichen, die man in den USA erlebt. Temperaturen von über -40ºC und heftige Schneestürme suchen Nordamerika heim. Doch wenn Donald „Tduck“ sich am Klimawandel aufwärmen möchte, dann habe ich genau das richtige Reiseziel für ihn. Wie wäre es mit Australien? Koalabären aus brennenden Bäumen retten, mit den Kangaroos um die Wette laufen – vor den Flammen der Wald- und Buschbrände flüchtend – und zu guter Letzt, ein Bad im Fluss und mit den Leistenkrokodilen die Todesrolle üben…
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Südhalbkugel – Hitze und Waldbrände, 47,3ºC

Feuer – das rote Leuchten in der Nacht – screenshot YouTube

Während der Norden unserer blauen Kugel friert, ist die Hitze auf der Südhalbkugel unerträglich. Besonders in New South Wales, mit der Millionenmetropole Sydney, suchen Menschen und Tiere gleichsam eine Abkühlung. 47,3ºC sind nur nicht der absolute Hitzerekord, weil 1939 ganze 47,8ºC gemessen wurden. Doch nicht nur volle Strände und Schwimmbäder sind ein Zeichen der großen Hitze, sondern auch die Rauchschwaden oder der leuchtend rote Himmel, der einen die ganze Nacht wach halten kann, in Furcht vor dem Flammenmeer.

Seit Samstag stehen Wald- und Buschland in den Bundesstaaten Viktoria, South Australia und eben auch in New South Wales in Flammen. Auf den Straßen schmilzt der Asphalt und die Trockenheit erhöht die Waldbrandgefahr extrem. Seit 1910 stieg die Durchschnittstemperatur in Australien um ein Grad Celsius. Die Hitzewellen der letzten Jahre heizten nicht nur das Land auf, sondern vor allem das Meer. Seit langem sind die Korallen im Great Barrier Reef gefährdet, da diese bei zu massiven Schwankungen der Wassertemperatur sterben. Für den Nahrungskreislauf eine Katastrophe unermesslichen Ausmaßes.

Es wird ein Jahr der Stürme in Südostasien, Pazifik und Indischen Ozean. Inselstaaten wie die Sychellen oder die Mangrovensümpfe Indiens und die flachen Gebiete in Bangla-Desh laufen ernsthaft Gefahr für immer zu verschwinden. Während Australien und Saudi-Arabien (Kohle und Öl) die Klimagipfel nutzten um ja nicht zu viel Eingeständnisse machen zu müssen, zeigt Mutter Natur den Aussis wie klein die Spezies Mensch doch ist.
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Jan.15
on 15. Januar 2018
Veröffentlicht in: Julius Jamal

Julius Jamal

Israelkritiker sollen mundtot gemacht werden

Im Gespräch mit Annette Groth

Julius Jamal

Kritik an Israel ist in Deutschland ein schwieriges Thema, schnell werden Veranstaltungen abgesagt und Kritiker als Antisemiten dargestellt. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Annette Groth hat eine Broschüre zu der Stimmungsmache gegen Friedensaktivisten geschrieben. Wir haben mit ihr über die Bedrohung der Meinungsfreiheit im Kontext der Israelkritik gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Du hast vor kurzem zusammen mit Günter Rath die Broschüre „Meinungsfreiheit bedroht – Die Gefährdung der Meinungsfreiheit durch die sogenannten Freunde Israels“ veröffentlicht. Wo siehst du denn die Meinungsfreiheit bedroht, was hast du persönlich erlebt?

Annette Groth: Persönlich habe ich das erlebt, als man versucht hat, mich oder die Veranstalter, die mich einluden, einzuschüchtern. Zunehmend werden Menschenrechtsveranstaltungen, die Israel oder Palästina zum Thema haben, nach Ausübung von öffentlichem Druck abgesagt oder verboten bzw. können nur per Gerichtsentscheid durchgeführt werden, wie z.B. die KOPI Tagung im Juni im Ökohaus in Frankfurt.
Die Einschränkungen und Verbote haben inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass ich ernsthaft unser im Grundgesetz verankertes Recht auf Meinungsfreiheit gefährdet sehe. Ich habe die Broschüre auch deshalb veröffentlicht, weil diese Auftritts- und Redeverbote Israel-kritischer ReferentInnen oftmals nicht in den überregionalen Medien thematisiert werden. Eine Freundin, die Korrektur gelesen hat, war entsetzt, als sie die zahlreichen Behinderungen, Drohungen und Auftrittsverbote gesehen hat. Ich bin der Meinung, dass diese Einschüchterungen weit über das Nahost-Thema hinausgehen und darauf abzielen, kritische Diskurse aus den Mainstream-Medien zu verbannen. Vielleicht können wir demnächst auch keine Veranstaltungen zu den Polizeiausschreitungen des G20 Gipfels in Hamburg oder zu rassistischer Gewalt gegen Geflüchtete abhalten. Darum müssen wir uns mit aller Vehemenz gegen Redeverbote und Einschränkungen der Meinungsfreiheit zur Wehr setzen. An dieser Stelle möchte ich an den ausgezeichneten Appell „Empört Euch“ von Stephane Hessel erinnern, der 2011 bei Ullstein erschienen ist. Dieser Aufruf ist von erschreckender Aktualität und verdient nach wie vor große Aufmerksamkeit.

Die Freiheitsliebe: Du weist in der Broschüre auch daraufhin, dass es immer schwieriger wird, Solidaritätsarbeit mit Palästina durchzuführen. Ist das nur im politischen Bereich der Fall oder auch in anderen?

Annette Groth: Es zieht sich durch alle Bereiche. Nehmen wir als Beispiel den Evangelischen Kirchentag. Es ist leider nicht möglich, innerhalb des offiziellen Kirchentagsprogramms einen Palästina-Tag durchzuführen, das ist den Veranstaltern anscheinend zu heikel, warum auch immer. So müssen die Organisatoren des Palästina-Tags immer einen Veranstaltungsort außerhalb des Kirchentages suchen. Beim letzten Kirchentag in Berlin im Mai 2017 hatten die Organisatoren ein Jahr im voraus die Katholische Akademie gebucht, einen Monat vor der Veranstaltung wurde der Vertrag durch die Akademie gekündigt. Der Versuch, den Vertragsbruch auf dem Klageweg juristisch aufzuheben, ist leider gescheitert. Glücklicherweise hat eine Kirchengemeinde in Marzahn ihre Räume für den Palästina-Tag zur Verfügung gestellt, so dass diese wichtige Veranstaltung mit Gideon Levy und anderen namhaften Nahost-Experten zustande kam.

Skandalös war auch die kurzfristige Absage einer langgeplanten Konferenz „Nahostpolitik im Spannungsdreieck – Israelisch-palästinensische Friedensgruppen als Lernorte für deutsche Politik?“ in der Evangelischen Akademie Tutzing, die die Akademie zusammen mit der Petra-Kelly-Stiftung und der Münchner Evangelischen Stadtakademie durchführen wollte. Ein gutes Jahr haben die Organisatoren diese Tagung mit hochrangigen VertreterInnen aus Israel (u.a. Moshe Zimmermann, Lizzie Doron) und Palästina, sowie aus Deutschland vorbereitet, und dann kam urplötzlich die Absage. Offizieller Grund dafür war, dass es „nicht gelungen sei, alle für die Veranstaltungen maßgeblichen Gesprächspartner zu gewinnen“. Dies war eine Ohrfeige für die Organisatoren, zumal die Veranstaltung mit Politikern wie Volker Beck (Grüne) oder Ruprecht Polenz (CDU) mehr als ausgewogen war, Linke waren erst gar nicht eingeladen. Als Reaktion verfassten die eingeladenen ReferentInnen einen offenen Brief an die Akademie und an den Landesbischof, in dem sie ihre große Enttäuschung über die Absage zum Ausdruck brachten und die Vermutung äusserten, daß wohl „kritische Stimmen zum Schweigen“ gebracht werden sollten: … „die Begründung der Absage lässt vermuten, dass sich unsere deutschen Gastgeber an die Haltung der israelischen Regierung angepasst haben, die die Befürwortung des Friedens für illegitim hält… Statt von Europa den Frieden zu unterstützen, wird den Hardlinern nachgegeben.“

Die Vereitelung dieser Veranstaltung mit palästinensischen und israelischen FriedensaktivistInnen ist umso bedauerlicher, weil ein Treffen der diversen AkteurInnen aus beiden Ländern nur im Ausland stattfinden kann, und das wurde ausgerechnet von einer kirchlichen Institution verhindert!
Publizität erhielten auch die Auftrittsverbote von Judith Bernstein, Sprecherin der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München, und von Abi Melzer, jüdischer Aktivist und Herausgeber von „Der Semit“. Diese Verbote mussten aufgrund von Gerichtsurteilen im Münchner Gasteig und im Frankfurter Saalbau Gallus aufgehoben werden.

Die Freiheitsliebe: Du schreibst, dass auch immer mehr kritische Jüdinnen und Juden von der Stimmungsmache und den Auftrittsverboten betroffen sind. Wie erklärt man denn, dass das ausgerechnet in Deutschland geschieht?

Annette Groth: Das finde ich mit am schlimmsten, und das Argument, diese seien „selbsthassende Juden“ finde ich absolut abstrus. Dass denjenigen, die sich angeblich für Jüdinnen und Juden einsetzen, nicht auffällt, welche Politik sie betreiben, wenn sie kritischen Jüdinnen und Juden den Mund verbieten wollen, ist doch bezeichnend. Es geht dabei gar nicht um Juden und Jüdinnen, sondern darum, Veranstaltungen zu verhindern, die sich mit den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Israel befassen.

Die Freiheitsliebe: Du hast in deiner Broschüre nicht nur Berichte über kritische Aktivisten, sondern auch Beispiele aus Universitäten, wie der Wissenschaftlerin Eleonora Roldán Mendívil, die auch massiv angegriffen und deren Entlassung gefordert wurde, weil sie sich kritisch zum Zionismus geäußert hat, was häufig mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Das Ergebnis einer Untersuchung über ihre Lehrtätigkeit war allerdings, dass sie weder antisemitisch geschrieben noch geredet hat.

Annette Groth: Das ist nur ein Fall. Es nützt dir allerdings nichts, wenn du rehabilitiert wirst. Die Unterstellung des Antisemitismus wird man auch dann nicht mehr los, selbst wenn es nicht wahr ist und das sogar nachgewiesen wird.

Der Antisemitismus-Vorwurf ist wirklich existenzgefährdend, weil man damit rechnen muss, seine Arbeit zu verlieren, und da gibt es bereits einige traurige Beispiele. Die Gefahr ist gross, dass insbesondere an den Unis das Nahost-Thema kaum noch Gegenstand von Lehrveranstaltungen ist, aus Angst, dass man den Stempel des Antisemitismus erhält. An einigen Unis sind die Unterstützer der israelischen Politik besonders präsent, so z.B. in Göttingen, wo der ASTA kürzlich zu einer Demo für Israel aufgerufen hat.

Die Freiheitsliebe: Ist diese Kampagne und Stimmungsmache besonders stark in Deutschland?
Annette Groth: Nein, auch in USA gibt es in verschiedenen Staaten Gesetze, die Unterstützung von BDS kriminalisieren; damit kann man eigentlich jede Israelkritik verbieten, man muss nur behaupten, der oder die ist pro BDS. In Großbritannien hat ein Hohes Gericht ein BDS-Gesetz kassiert, in einigen anderen EU-Mitgliedstaaten sind sog. BDS-Gesetze in der Planung, in fast allen EU-Staaten haben Organisatoren Israel-kritischer Veranstaltungen ähnliche Probleme, Räume zu finden und sehen sich mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert.

In Deutschland gibt es Versuche wie in München und Frankfurt, städtische Räume nicht mehr an Organisationen zu vermieten, die angeblich BDS unterstützen, weil BDS angeblich antisemitisch sei, was aber Unsinn ist. Dass BDS NICHT antisemitisch ist, hat sogar der wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf eine Anfrage des ehemaligen MdB Volker Beck bestätigt.

Vor einigen Tagen hat die israelische Regierung angekündigt, 20 Solidaritätsorganisationen, die BDS unterstützen, die Einreise nach Israel zu verbieten. Unter diesen Organisationen sind u.a. BDS Frankreich, BDS Italien, BDS Südafrika, aber auch Jewish Voice for Peace (!), Palestine Committee of Norway, Palestine Solidarity Association of Sweden, und das europäische Netzwerk European Coordination of Committees and Associations for Palestine

Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten siehst du gegen diese Stimmungsmache vorzugehen?

Annette Groth: Neben dem juristischen Weg, den einige ja erfolgreich gegangen sind, müssen wir uns alle gemeinsam gegen Auftrittsverbote zur Wehr setzen. Ich wünsche mir, dass JournalistInnen, PolitikerInnen und Kulturschaffende laut gegen Einschüchterungsversuche wie z.B. den Antisemitismus-Vorwürfen, protestieren und nicht länger dazu schweigen, wie es die meisten machen. Angesichts der aktuellen Debatte um eine/n Antisemitismus-Beauftragten sollten wir eine/n Antirassismus-Beauftragten fordern, denn die Statistiken sprechen für sich: Diskriminierung und Gewalt gegen Geflüchtete und AusländerInnen, gegen Muslime und Nicht-Weisse sind wesentlich größer als Diskriminierung und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Ich will den Antisemitismus nicht klein reden, im Gegenteil, er muss überall bekämpft werden. Aber die sog. Antisemitismus-Kampagnen, die sich in erster Linie gegen kritische Jüdinnen und Juden, gegen Friedens- und MenschenrechtsaktivistInnen richten, relativieren den realen Antisemitismus – und das ist gefährlich.

Wir müssen gemeinsam gegen alle Formen von Rassismus, der den Antisemitismus mit einschließt, kämpfen.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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Erstveröffentlichung in „Die Freiheitsliebe“ vom 06. Januar 2018.  Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
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Über den Autor: Ich habe 2009 die Freiheitsliebe gegründet aus dem Wunsch, einen Ort zu schaffen, wo es keine Grenzen gibt zwischen Menschen. Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung. Als Autor dieser Webseite streite ich für eine Gesellschaft, in der nicht mehr die Mehrheit der Menschen das Umsetzen muss, was nur dem Wohlstand einiger Weniger dient.

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Jan.13
on 13. Januar 2018
Veröffentlicht in: Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Cannabis für rekreative Zwecke in Kalifornien legalisiert – wird auch Zeit!

 

Rui Filipe Gutschmidt

Das neue Jahr fängt gut an für die Freunde des rekreativen Hanfkonsums. Kalifornien hat seit langem den medizinischen Gebrauch von Marihuana gestattet, doch seit dem ersten Januar ist der Konsum auch für rekreative Zwecke gestattet. Ein Vorbild für alle demokratischen Gesellschaften.

Die USA sind im Stande das Beste und das Übelste hervorzubringen. Bei ihrer Gründung setzten die ehemaligen Kolonisten ihre Ideale einer demokratischen Staatsform um und wurden zum Vorbild der heutigen Demokratie. Doch so fortschrittlich es ende des 18. Jahrhunderts auch gewesen sein mag, so rückständig erscheint es uns heute, dass sie sich Sklaven hielten, die Kolonisierung des Westens mit dem Blut der Ureinwohner getränkt wurde und der Raubtierkapitalismus bis heute ein zutiefst korruptes Zweiparteiensystem an der Macht hält. So nützen Demokratie und Menschenrechte nur wenig, wenn sie geopfert werden, weil sie den Wirtschaftsinteressen des Großkapitals im Wege stehen.

Erntereife Cannabispflanze – Flickr.com CC BY 2.0

Ein gutes Beispiel war die Zeit der Prohibition. Alkoholismus hatte nach dem ersten Weltkrieg und während der Weltwirtschaftskrise extreme Ausmaße angenommen und Großindustrielle hatten ein Problem mit betrunkenen Arbeitern. Auch die Macht der vielen Religionsgemeinschaften war groß und sie verlangten ein Alkoholverbot im Gegenzug für ihre Unterstützung bei Wahlkampagnen. Die Selbsternannten Hüter der Moral lassen nur eine „Droge“ zu – ihre Religion, das Opium des Volkes. Die „Schönen und Reichen“ feierten aber in mehr oder weniger geheimen Räumen bei Alkohol, Glücksspiel und Prostituition, als gäbe es kein Morgen! Die Mafia verdiente sich eine goldene Nase und die Kriminalität nahm nie dagewesene Ausmaße an.

Alkohol musste legalisiert werden und die Verbrechersyndikate stiegen auf andere Einnahmequellen um. Glücksspiel und Prostituition blieb ihnen und mit den Heimkehrern aus den Kriegen – vor allem aus Japan, Nordafrika, Korea und Vietnam und durch die Interventionen in Afrika und Lateinamerika, kamen verschiedene Drogen schnell in Mode. Die Verbindungen der CIA und die Experimente der Militärs mit LSD, PCP und Amphetaminen taten ein Übriges, um eine ganze Reihe von Drogen in unserer Gesellschaft in Umlauf zu bringen. Das „Verbot“ bringt Jugendliche nur dazu aus der natürlichen Rebelleneinstellung in der Pubertät heraus, erst recht Drogen zu probieren. Aber vor allem die Möglichkeit mit extrem süchtig machenden Stoffen viel mehr Geld zu verdienen wenn diese illegal sind, wie mit legalen Drogen (Alkohol, Nikotin, Koffein…) lässt manche Lobbys gegen Legalisierung oder Entkriminalisierung Kampagne machen.

Alle bisherigen „Entkriminalisierungen“ und „Legalisierungen“ fanden auf enormen Druck seitens der Öffentlichkeit statt. Gerade die uralte „Kiffer-Übertreibung“ bei der ein Cannabiskonsument mit schwerstabhängigen Heroin- und Kokainkonsumenten gleichgesetzt wurde hat mehr Schaden angerichtet als alles andere. Gleichzeitig verharmloste man die Gefahren einer Alkoholabhängigkeit und die Pharmakonzerne überschwemmten die Gesellschaft mit ihrer Chemie!Darum, unter anderem mehr, gratuliere ich den Kaliforniern für diesen mutigen, längst überfälligen Schritt und hoffe, dass die EU und der Rest der Welt schnellstens folgen.

Etwa 100 Läden haben eine Lizenz zum Verkauf von dem guten „Gras“ in Kalifornien und da man den Verkauf zunächst auf fünf Städte (darunter Oakland, San Jose und San Diego) beschränkte und die Metropolen San Francisco und Los Angeles noch nicht dabei waren, kam es zu einem riesigen Andrang in den Läden. Nach Colorado, Washington, Oregon, Alaska und Nevada, ist Kalifornien nun der sechste US-Bundesstaat in dem Cannabis zu rekreativen Zwecken erlaubt ist. Maine und Massachusetts kommen noch dieses Jahr hinzu.

Cannabis – Pixabay CC 0

Schon jetzt wird der Markt für legales Cannabis auf 8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Als illegale Droge verdienten Kriminelle ein Vielfaches davon und der Staat bekam nur Spesen und eine Verschwendung an Ressourcen bei Polizei, Justiz und Gesundheitswesen… Schon jetzt haben mexikanische Drogenkartelle Milliardenverluste, während in den USA neue Jobs geschaffen werden. Dennoch bemüht sich diese Mafia auch weiterhin den Cannabiskonsum zu verteufeln.

„Kiffen macht dumm und verursacht Psychosen“, heißt es. Doch Psychosen brauchen große Mengen THC, die legal nicht zu erwerben sind. Auch die Stärke einzelner Sorten kann besser kontrolliert werden, wenn sie unter legaler Kontrolle stehen und der Verkauf an unter 21-jährige ist nicht gestattet. Vom Alkohol bekommt man leichter eine Psychose, fällt ins Delirium, wird körperlich abhängig und auch Todesfälle bei einer Alkoholvergiftung sind gar nicht mal so selten. Eine „Überdosis Marihuana“ gibt es andererseits nicht!

Gratuliere, Kalifornien. Ihr seit ein positives Beispiel!
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Auch lesenswert: http://www.info-welt.eu/2017/08/kalifornischen-nonnen-die-hanf.html
Quellen: http://www.hipersuper.pt/2018/01/02/california-legaliza-venda-cannabis-fins-recreativos-mercado-cresce-60-ao-ano/

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Jan.12
on 12. Januar 2018
Veröffentlicht in: Harry Popow

Harry Popow

Die Money-Diktatur

Buchtipp: „FINANZ TSUNAMI. Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht“ von Ernst Wolff
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Harry Popow

Es ist wie es einmal war und heute noch ist: Ein Ausspruch von Henry Ford, des Gründers der Ford Motor Company vor über hundert Jahren, hat auch im Jahre 2018 nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat: Es ist gut, dass die Menschen der Nation unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen, denn sonst hätten wir vermutlich noch vor morgen früh eine Revolution.

Wie sonst kämen Politiker unseres Landes während ihrer Ansprachen zum Jahresausklang 2017 dazu, mit salbungsvollen Beruhigungspillen den Zusammenhalt zwischen allen Bürgern zu beschwören und Rüstung und Kriegsgefahr im Interesse der Kapitalmächte sowie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich total auszublenden? Mehr noch, den enormen Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und der privaten Aneignung und somit den fortwährenden Klassenkampf bewusst zu ignorieren? Die Verdummung des Volkes hat Hochkonjunktur. Noch…

Ernst Wolff, geboren 1950, Journalist und Spiegel-Bestseller-Autor, gab im online-Magazin scharf-links eine punktgenaue Antwort: Die Lage zum Jahresende 2017 scheint extrem widersprüchlich: Die Wirtschaft wächst, die Aktienmärkte verzeichnen Rekordstände, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Industrie zeigt ein seit langem nicht gesehenes Maß an Optimismus. Zugleich erstickt die Welt unter der höchsten Schuldenlast ihrer Geschichte, krankt an der größten sozialen Ungleichheit und wird von höheren Risiken als vor der Krise von 2007/2008 bedroht. Und dann heißt es: Das globale Wirtschafts- und Finanzsystem ist seit 2008 klinisch tot. Es funktioniert nur noch, weil es wie ein Patient auf der Intensivstation künstlich am Leben erhalten wird, und zwar durch die Zentralbanken.

Es geht um den Aufstieg des Finanzkapitals, aus dem die heutigen Finanzmärkte mit Beginn des 19. Jahrhundert hervorgegangen sind, sagt Ernst Wolff an anderer Stelle. Nun liegt seit September 2017 zu diesem Thema ein hochgradig politisches und mit Akribie geschriebenes Sachbuch vor: „Finanz Tsunami. Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht“.

Auf 192 Seiten in 23 Kapiteln hellt er in sehr allgemeinverständlicher Sprache sozusagen für Jedermann die nach wie vor im Dunkeln operierenden Machenschaften der Finanzelite auf. Er weist nach, dass das Bankensystem auf dem Nährboden des Widerspruchs zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung entstanden ist und sich durch Kreditgabe an die Industrie zu einem gefährlichen Monster für die weitere Existenz der Menschheit und des Planeten teilweise gewalttätig aber auch mit Besänftigungsphrasen im Interesse des Maximalprofits emporgeschwungen hat.
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Supermacht US-Dollar

Die eigentliche Geburtsstunde des globalen Finanzsystems, so der Autor auf Seite 20, sei 1944 durch die Konferenz von Bretton Woods ins Leben gerufen worden. Es wurde beschlossen, „den US-Dollar zum Preis von 35 Dollar pro Feinunze an Gold zu binden“, was zur Folge hatte, dass alle anderen Währungen (außer SU und später Ostblockstaaten) zu festen Wechselkursen an den Dollar gebunden wurden. Damit wurde der Dollar zur Leitwährung und damit zur mächtigsten Währung der Welt. Im August 1971 jedoch wurde die Gold-Dollar-Bindung wegen steigender Goldnachfrage vom damaligen US-Präsidenten Nixon aufgehoben. Von nun an, so Ernst Wolff, basierte das Währungsgefüge nur noch auf Vertrauen in die Stärke des US-Dollar. Daraus folgte wiederum die Wertminderung des Dollar und das Geldsystem geriet ins Wanken. Den Ausweg fand man nunmehr gemeinsam mit Saudi-Arabien innerhalb der OPEC in der Bindung des Dollar an das Erdöl, genannt Petro(Erdöl)dollar. (S. 21) Der Autor verweist sodann auf den Nachkriegs-Boom in Deutschland, auf das Wirtschaftswunder und auf die in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre einsetzende Deregulierung des Finanzsektors, was Investoren veranlasste, „immer mehr Geld in die Finanzspekulation und im Verhältnis dazu immer weniger Geld in die Realwirtschaft“ zu stecken. (S. 22) In Stichworten auf den Seiten 26 bis 28: Die Realwirtschaf siecht dahin, während die Verschuldung zunimmt, Anfallende Zinszahlungen aber sind auf „ununterbrochenes Wachstum angewiesen“, aber der Finanzsektor schafft keine Werte. Der Zwang der Geldschöpfung aus dem Nichts, gepaart mit Zinssenkungen führen letztendlich „zum Untergang zinsabhängiger Einrichtungen wie Renten- und Pensionslassen und zur Zerstörung vorsorglicher Altersabsicherung“.

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Kriege – Destabilisierung mit Gewinn

Was oftmals wenig Beachtung findet: Auf Seite 30 lenkt der Autor die Leser auf die USA-Wirtschaft, die 1944 auf Hochtouren lief, durch konkurrenzlose Absatzmöglichkeiten sowie u.a. durch die seit der Jahrhundertwende eingeführte Fließbandproduktion. Vorteil brachte den USA durch die Vergabe von Kriegskrediten auch die zwei Weltkriege. So auch an Deutschland und „halfen so mit, einen Krieg in Gang zu halten“. (S. 51) Und auf Seite 83 heißt es, das die USA bis 1941 insgesamt etwa 475 Millionen US-Dollar investiert hatten. So waren in den Jahren 1942 bis 1945 die US-Rüstungsindustrie „und die hinter ihr stehenden Geldgeber“ die größten Gewinner. (S. 92) Verallgemeinernd stellt der Autor fest: „Die Praxis der Geldvergabe an beide Seiten im Kriegsfall – mit dem Ziel der Destabilisierung ganzer Regionen oder möglicher Konkurrenten auf dem Weltmarkt – wurde von folgenden US-Regierungen beibehalten und zählt seit mittlerweile über einhundert Jahren zum Standard-Repertoire der US-Außen- und Militärpolitik.“ (S. 52) Wenn mitunter von der Schuld Deutschlands am verbrecherischen 2. Weltkrieg gesprochen wird, so ist das nicht nur falsch, sondern orientiert nicht auf die Spitzen der deutschen Industrie, die beizeiten nach der Machtübernahme mit der NSDAP verhandelt haben. So am 20. Februar 1933 während eines Geheimtreffens zwischen Hitler und 27 Industriellen. Man muss feststellen, das die US-Rüstungsindustrie sowohl am Kampf gegen den deutschen Militarismus nach dem 1. Weltkrieg, als auch am Niederringen der Faschisten als auch am Kampf gegen den Kommunismus und schließlich gegen Terror ihren Reibach gemacht hat.
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Verführung zum Anpassen

Ernst Wolff

Die ungeheuren Profite ermöglichten es der Finanzelite und den Machthabern, das Volk gefügig zu machen, es zur Duldung der ausschließlich den globalen Interessen der USA dienenden Politik zu veranlassen. So ließen sich die Westdeutschen vom sogenannten Wirtschaftswunder durch den Marshallplan blenden. Der Autor verweist darauf, dass dieser Plan in den Köpfen der Menschen falsche Vorstellungen weckte. Er war, so Ernst Wolff auf Seite 162, für die US-Wirtschaft ein Konjunkturprogramm. Dieses Geld durfte nur nach Absprache mit den US-Vertretern ausgegeben werde, war also ein Eingriff in die Souveränität der Empfängerstaaten. Wörtlich heißt es: „Der Marshallplan war das genaue Gegenteil eines Hilfsprogramms, nämlich die größte Vermögensumverteilung von Steuerzahlern zu Großkonzernen und Banken, die die USA bis dahin erlebt hatten.“ (S. 102) Zusammen mit der Truman-Doktrin diente er jedoch dazu, die Sowjetunion in die Schranken zu weisen. „Der kommunistische Einflussbereich sollte von nun an nicht mehr nur eingedämmt, sondern unter dem Vorwand, dass Befriedigung nur zu weiterer Aggression und schlussfolgernd zum Krieg führt,“ aktiv bekämpft werden. Das bedeutete grünes Licht für die US-Rüstungsindustrie, für das Wettrüsten. (S. 104) Ernst Wolff stellt auf Seite 106 die Frage, warum die Menschen dieses Spiel, das mit ihnen getrieben wurde, nicht durchschauten und erinnert daran, dass die Menschen in den Nachkriegsjahren zu müde und erschöpft waren und sie durch den Wirtschaftsaufschwung in dem Glauben bestärkt wurden, beeinflusst durch einschläfernde Propaganda der bürgerlichen Medien, „dass ein neues, besseres Zeitalter angebrochen sei. So unbemerkt sei die neue Finanzordnung geschaffen worden, die den Keim für den eigenen Untergang aber bereits in sich trug. (S. 106)
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Resümé

Auf Seite 155 resümiert der Autor: Das eigentlich für Notfälle gedachte Gelddrucken ist zur Routine geworden, die Zinssätze bereits im Negativbereich, die Manipulation ist fester Bestandteil des Systems geworden, das Finanzgebäude zerbrechlich. Und schließlich dieser Satz: „Je kritischer die wirtschaftliche und finanzielle Lage der USA wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich die Regierung in Washington für die Option eines Krieges entscheidet. Das Schicksal der USA bis zum völligen Zusammenbruch würde nur noch von zwei Kräften entschieden – der Wall Street und dem Militär. (S. 166) Es sei also nicht mit Reformen getan, etwas zu ändern, sondern so der Autor, mit grundlegenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, um das globale Finanzcasino abzuschaffen. Wahrheiten und Erkenntnisse zu verbreiten, diese Chance sei einmalig.
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Klassenkampf passé?

Herzlichen Dank an den Autor, dessen argumentative Vielfalt und Tiefe gerade auf dem Gebiet der Finanzen und der daraus folgenden Machtfülle jedem wahrhaft politisch Interessierten das geistige Rüstzeug im Sinne einer friedvollen Welt ohne Kapitalismus in die Hand gibt.

Jedoch: Beim gründlichen Lesen dieses hoch informativen Buches hatte der Rezensent mitunter den Eindruck, dass das Finanzsystem von seinen Grundlagen, dem Privateigentum an Produktionsmitteln und somit auch vom Klassenkampf abgekoppelt betrachtet worden ist.

Einerseits führt der Autor auf Seite 73 gerade die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln in der Sowjetunion und auf der Seite 96 die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Elektrifizierung des gesamten Landes und den Aufbau einer Schwerindustrie als Erfolge an, das wäre „im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie innerhalb eines Zeitraumes von weniger als zwanzig Jahren“ nicht durchzusetzen gewesen.

Diese und weitere Maßnahmen „versetzten die UdSSR letztendlich auch in die Lage, Deutschland 1945 militärisch zu besiegen“. (S. 97) Die tiefe Liebe des Volkes zu seinem Vaterland, der aufopferungsvolle Kampf gegen die Faschisten, die hohe Moral der Soldaten und Offiziere der Roten Armee, diese typischen Merkmale einer dem Frieden verpflichteten Armee, blendet Ernst Wolff einfach aus. Auch reduziert der Autor die Macht der Sowjetunion lediglich auf die Funktionärsclique sowie auf Gewalt und Zwang gegenüber der Bevölkerung. Richtig die Bemerkung, dass die UdSSR vor allem „ein Dorn im Auge der Wall Street (war), weil sie ausländisches Kapital wegen ihrer Planwirtschaft und ihres Außenhandelsmonopols noch immer weitgehend verschlossen“ hielt. (S. 98)

Das soll doch nicht etwa heißen, nach 1945, nach der Bildung der sozialistischen Staatengemeinschaft wäre es besser gewesen, im „Interesse des Friedens“, dem Kapital Tor und Tür zu öffnen und die Grundlagen der Stärke auf ökonomischem, politischem und moralischem Gebiet aufzugeben, auf Klassenharmonie zu setzen und den Frieden gegenüber dem weltweit agierenden Finanzkapital auf´s Spiel zu setzen, wenigstens bis 1989?

Der Leser möge bei allen klugen Erkenntnissen und der Mahnung des Autors, „Wahrheiten und Erkenntnisse so schnell wie nie zu verbreiten“ sich selbst ein Urteil bilden und dem Money-Diktat endlich Paroli bieten.

Ernst Wolff: „FINANZ TSUNAMI. Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht“, Taschenbuch:192 Seiten, Verlag: edition e. wolff; Auflage: 1 (11. September 2017), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3000575332, ISBN-13: 978-3000575334, Größe und/oder Gewicht:14,4 x 2 x 20,3 cm, Preis: 19 Euro
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Jan.11
on 11. Januar 2018
Veröffentlicht in: Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Das abbrennen unserer Wälder

2017 das neoliberale Zeitalter – Teil 2 Feuer
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Rui Filipe Gutschmidt

Trump, Feuer, Korruption, Misere, Kriege und Katastrophen… Das neoliberale Zeitalter ist schon vor einigen Jahren angebrochen. Es hat viele Fassetten, doch was hat 2017 seinen Stempel aufgedrückt? Im ersten Teil beschäftigten wir uns mit Donald Trump, und seine Politik, die die Welt ins Chaos stürzt. In Teil zwei geht es um das Feuer, dass in vielen Teilen der Welt Wälder, Buschland, Agrarland, Häuser, Tiere und Menschen in Asche verwandelte… Portugal hat es am schlimmsten erwischt.
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Feuer! Unsere Wälder werden in Brand gesteckt und brennen lichterloh…

Das Jahr 2017 war ein Jahr der Waldbrände. Von den Tropenwäldern Indonesiens, Brasiliens und Zentralafrikas, über Kalifornien bis nach Südeuropa brannten Tausende Hektar Wald, Busch und Agrarland. Dabei verzehren die Flammen alles was ihnen in die Quere kommt. Dabei starben dieses Jahr über 100 Menschen in Portugal und Spanien, auch in Kalifornien starben Menschen und Tiere in den Flammen.

Die Tropenwälder werden niedergebrannt, um Platz für Palmölplantagen, für Soja, Weideland oder sogar um Bauland zu schaffen. In Südeuropa haben die Brände andere Gründe. Einer davon, vielleicht der wichtigste, ist die sogenannte „Industrie des Feuers“, die von manchen auch gerade heraus als „Mafia des Feuers“ bezeichnet wird! Es sind die Interessen der Privaten Unternehmen, die Löschflugzeuge und Hubschrauber an die Länder vermieten, deren Wälder Jahr für Jahr in Flammen stehen. Sie können nur verdienen, wenn es ordentlich brennt. Das sie sich für 2017 untereinander abgesprochen haben und Preise fixierten, wird von Polizei und Staatsanwaltschaft bereits untersucht. Brandstifter zu bezahlen um auch weiter gebraucht zu werden, ist bislang nur eine spekulative Vermutung, doch der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen.

Waldbrand – Flickr.com CC BY-SA 2.0

In Portugal war es dieses Jahr am schlimmsten. Auch hierfür gab es verschiedene Gründe, die es dem Feuerteufel in dem paradiesischen Land am westlichen Rand Europas leicht machte, sein Unwesen zu treiben. Um ein besseres Verständnis zu haben, muss man sich die Besonderheiten der portugiesischen Wälder einmal ansehen.

Die meisten Brände wüteten in Portugals Bergregionen, im Landesinneren. Diese Regionen sind seit Jahrzehnten entvölkert. Ein großer Teil des Waldes befindet sich in Privatbesitz und viele der meist kleinen Parzellen sind verlassen, ungepflegt und verwildert. Als Naturfreund sieht man darin im ersten Moment kein Problem, wenn da nicht der Eukalyptus wäre. Tausende von kleinen Waldbesitzern, haben Eukalyptus gepflanzt und neben Kiefern gibt es kaum Pflanzen die tief genug wurzeln, um mit der aus Australien eingeführten Baumart um das Grundwasser konkurrieren können.
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EUKALYPTUS: Das große Übel der portugiesischen Wälder!

Der Eukalyptus ist eine schnell wachsende, faserige und ölreiche Baumart aus Australien. Für die Duftölindustrie und für die Papierindustrie ist es die ideale Pflanze, um viel Geld zu verdienen. Kleine Waldbesitzer haben mit ihren Bäumen eine Aufbesserung ihrer mageren Renten und daher gibt es viele die Eukalyptus auf ihren Grundstücken gepflanzt haben. Die Papierindustrie musste gar nicht erst große Plantagen anlegen und so gibt es wenige Monokulturen. Die Mittelmeerkiefer ist für die Möbelindustrie interessant und steht meistens Seite an Seite mit dem Eukalyptus. Auch das Harz der Kiefern brennt wie Zunder.

Diese beiden Baumarten dominieren in den Waldgebieten, die in Privatbesitz sind und beide Arten haben tiefreichende Wurzeln. Der Eukalyptus hat außerdem einen ungewöhnlich hohen Wasserverbrauch. Daher senkt die australische Spezies den Grundwasserspiegel und Flachwurzler vertrocknen rundum. Es bleibt ein Gestrüpp aus Dornenbüschen und Brombeeren, die zwischen den Bäumen wuchern und lange Zeit ohne Wasser auskommen. Dennoch ist das ganze Unterholz, Kiefernnadeln und Zapfen, extrem trocken. Zusammen mit Müll, der illegal in die Landschaft gekippt wird, eine explosive Mischung aus leicht brennbarem Material und hochentzündlichem Eukalyptusöl. In den immer trockener werdenden Sommern Portugals sind Großbrände vorprogrammiert.
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Trockenheit. Der Klimawandel zeigt seine Auswirkungen hautnah und unleugbar!

2017 war das trockenste Jahr in Portugal, seit dem es Aufzeichnungen gibt. Es war auch das heißeste Jahr seit dem vor zirka 150 Jahren damit begonnen wurde, Temperaturen, Niederschlagsmengen und andere Wetterdaten aufzuzeichnen. Unter diesen Umständen war die Katastrophe vorprogrammiert und im Juni hat es die Portugiesen extrem schlimm erwischt. Die 64 Toten und fast 140 teils schwer Verletzen wurden Opfer – neben dem Versagen des Zivilschutzes und dessen Kommunikationssystem – der Wetterlage, die besonders ungünstige Bedingungen schuf. Ein Sturm vor der Küste Portugals, weit draußen auf dem Atlantik, schaufelte heiße, trockene Luft aus der Sahara nach Portugal und Spanien. Der starke Wind in Verbindung mit der Hitze aus dem Feuer sorgten für ein „Downdrift“-Phänomen, bei dem eine Wand aus Feuer zunächst aufsteigt und dann wie eine Welle einbricht. In diesem Fall brauchen die Flammen über einer Straße ein und 42 Menschen wurden in ihren Autos auf der Flucht getötet.

Am 15. Oktober, wenn eigentlich schon Ruhe sein sollte, gab es immer noch extrem hohe Temperaturen und Waldbrände. An diesem Tag sollten wieder Menschen sterben. 46 Menschen um genau zu sein. Bis in den November hatten die Iberer Temperaturen von über 30ºC und keinen Regen. Seit Jahren schon wird das Klima in Portugal und Spanien trockener und insgesamt wärmer. Ja, der Klimawandel ist real und spürbar, auch wenn mach einer lieber an Geoengineering und an eine Verschwörung glauben möchten. Im Grunde ist es leicht nachzuvollziehen, dass das einzige Problem mit dem Pariser Abkommen sein zu kurz kommen ist. Saudi-Arabien (Öl) und Australien (Kohle) haben sich dagegen gestemmt, während kleine Inselstaaten, die für immer zu versinken drohen, alles tun, um… den Kopf über Wasser zu halten. Wenn Vanuatu, die Seychellen oder Tonga die Macht haben sollten, einen Klimawandel zu erfinden der die Interessen der USA, Chinas, Russlands und so vieler anderer Industriestaaten oder Öl, Gas und Kohle produzierender Länder zu gefährden vermag, dann bin ich ja vielleicht nur in einem Traum… Albtraum gefangen.

Portugals Albtraum war jedenfalls das Feuer und die Interessen die mit den Bränden einhergehen, lassen jeden verzweifeln, der in irgendeiner Weise versucht dieser Mafia das Geschäft zu vermiesen. Herbert Schmidt, Erfinder der CWFS-Systems, bei dem große Waldbrände mit dem Wasser-Kubus gelöscht werden, wollte dem portugiesischem Staat seine Erfindung überlassen. Dieser Versuch ist – an egoistischen Interessen gewisser Personen gescheitert. Persönlich anwesend und mitwirkend bei diesem Versuch, fühle ich mich zutiefst deprimiert und verspüre bis heute eine Machtlosigkeit und Resignation. Die Interessen der Feuermafia sind nur schwer zu überwinden.

Portugal hat 520.000 Hektar Wald verloren, Dörfer mit samt ihren Häusern, Industrie und Landwirtschaft verbrannten und 110 Menschenleben gingen verloren. Dabei war es nur eines – das schlimmste – der betroffenen Länder. 2017 war ein Jahr des Feuers, der Hitze und der Trockenheit. Auch hier wieder die Gier des neoliberalen Zeitalters, die sich in der Zerstörung unserer Umwelt wiederspiegelt. Sparmaßnahmen bei Feuerwehr und Zivilschutz, „faule Verträge“ zwischen Staat und Privatunternehmen, eine auf „Profit um jeden Preis“ ausgerichtete Forstwirtschaft. Das alles sind Folgen einer neoliberalen Politik die besonders in der „Krise“ unter dem Mandat der Troika (Eurogruppe, IWF und EZB) und der neoliberal eingestellten Ex-Regierung PSD/CDS unter Passos Coelho und Paulo Portas das Land kaputtsparten und ein Paradies für Spekulanten und Multimillionäre schufen. In diesem Fall wurde das Anpflanzen von Eukalyptus wieder gestattet, nachdem es sinnvoller Weise zwischenzeitlich verboten war.

Das Neoliberale Zeitalter beeinflusst unser aller Leben seit geraumer Zeit und für 99 Prozent bedeutet das nichts Gutes!
Auch das Feuer drückte 2017 seinen Stempel auf. Doch das Neoliberale Zeitalter zeigte uns noch andere Fassetten seiner hässlichen Fratze. Davon mehr im nächsten Teil…

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Jan.09
on 9. Januar 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Fiete Jensen

Der Tag, an dem der Hafen Trauer trug

9. Januar 1976 – 27 Werftarbeiter starben für die Bosse von Blohm und Voss
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Fiete Jensen

»Erzählst Du von der Anders Mærsk dann nenne sie nie Unglückschiff, weil der Tod von 28 Kollegen kein unglücklicher Zufall ist«. Mit diesen Zeilen beginn ein Lied der Hamburger Songgruppe »ELBE 1«. Was war geschehen?

Heute vor 42 Jahren war es – innerhalb von Sekunden wurde der 9. Januar 1976 zu einem der schwärzesten Tage in der Geschichte des Hamburger Hafens. Um 18.14 Uhr war im Maschinenraum des 209 Meter lamgen Containerschiff-Neubaus „Anders Mærsk“, das sich in der Endausrüstung befand, ein Dampfkessel explodiert. Die Folgen waren furchtbar: Der mit dem 30fachen Explosionsdruck eines Autoreifens austretende, über 300 Grad heiße Dampf tötete 14 Arbeiter auf der Stelle, neun weitere starben innerhalb der nächsten 48 Stunden, vier erlagen Tage später ihren schweren Verbrennungen.

Der völlig zerstörte Maschinenraum nach der Explosion

Auf der Pier, Am Ausrüstungskai spielten sich im Scheinwerferlicht grausige Szenen ab. Mit Sauerstoffduschen versuchten die Notärzte das Los der Opfer zu lindern, während im Schiffsrumpf mühselig die Toten geborgen und in Holzkisten von Bord gebracht wurden. Die Schwerverletzten wurden, in Aluminiumfolien gehüllt, in das 500 Meter Luftlinie entfernte Hafenkrankenhaus und in die Krankenhäuser Altona und St. Georg gebracht.

Das Unglück auf der „Anders Maersk“ war nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern es wurde sofort zu einem Politikum. Die IG Metall verwies sogleich auf „unfassbare Lücken in Gesetzen und Sicherheitsvorschriften“, und die Staatsanwalt- schaft Hamburg leitete ein Ermittlungsverfahren gegen die Werftleitung wegen fahrlässiger Tötung ein, das jedoch Ende Februar 1978 eingestellt wurde, da ein Verschulden der Werft angeblich nicht festgestellt werden konnte. Dennoch führte die Werft weitere Sicherheitsmaßnahmen für die Inbetriebnahme von Hauptkesselanlagen auf Seeschiffen ein.

Die Anders Mærsk nach der Fertigstellung

Einer der Überlebenden Kollegen, Hans Dieter Marggraf, schilderte der MOPO was er erlebte: „Als das Unglück geschieht, verteilt der Fußbodenverleger gerade Klebemasse auf dem eisernen Boden des Gangs zum Maschinenraum. Es gab einen dröhnenden Knall. Die Maschinenraumtür wurde von einer gewaltigen Druckwelle aus den Angeln gerissen. Große Eisenstücke wirbelten wie Geschosse durch den Gang. Ich wurde wie durch eine riesige Faust weggerissen. Dann kam brennend heiße Luft. Ich konnte nicht mehr atmen. Mit schweren Prellungen rettet ich mich aus dem Unglücksschiff ins Freie. Es war stockdunkel. Überall schrien Kollegen…“.
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„Roter Morgen“, Zentralorgan der KPD/ML schrieb dazu am 17. Januar 1976:

Exposion bei Blohm und Voss

„Über 20 Kollegen getötet

Die Explosion des Dampfturbinenkessels im Containerschiff ,,Anders Maersk“ am Ausrüstungskai von Blohm und Voss in Hamburg hat inzwischen 23 Todesopfer gefordert. Zahlreiche weitere Kollegen schweben noch immer in Lebensgefahr. Es war das schwerste Unglück auf einer westdeutschen Werft seit dem Ende des Krieges. Und eines der grauenvollsten.

Die Explosion zerfetzte den Stahlkessel, wirbelte Stahlplatten durch das Schiff und zerriss alle seine inneren Wände. In Minutenschnelle schoß der 500 Grad heiße Wasserdampf, der unter dem gewaltigen Druck von 65 Atmosphären Überdruck stand (zum Vergleich: ein Autoreifen steht unter einem Druck von ca. 1,5 bis 2 atü) durch alle Räume des 194 langen Schiffes. Zwölf Kollegen waren sofort tot, verbrüht. Die anderen erlitten schwerste Verbrennungen. Augenzeugen berichten, dass in den Minuten nach der Explosion die Schreie der Verletzten jedes andere Geräusch übertönten. Ein 45 jähriger Schiffbauer sagte, als er seine toten Kollegen sah: ,,So eine Katastrophe habe ich noch nie erlebt.“ Ein anderer: ,,Es war wie im Krieg. Wir wussten sofort: Da ist etwas Schreckliches passiert.“ Ein dritter: ,,Es war furchtbar. Ich werde diesen Anblick nie vergessen.“

Wie konnte es zu einem Unglück kommen? Wer ist Schuld daran? Noch am selben Abend erklärte der Leiter des Konstruktionsbüros von Blohm und Voss W. Brockmann zynisch im Fernsehen, Kessel hätten nun einmal die Angewohnheit, zu explodieren. Ob ein Bedienungsfehler vorliege, könne man nicht sagen, da man mit den Betreffenden nicht mehr sprechen könne. Und das Vorstandsmitglied Bartel von Blohm und Voss einen Tag später im Radio: alle Sicherheitsvorschriften seien eingehalten worden. Die Arbeiter hätten auch nicht unter irgendeinem Druck gestanden, mit Höchsttempo zu arbeiten und das Schiff so schnell wie möglich fertigzustellen.

Das sind zynische Lügen, die die Blohm und Voss-Kapitalisten reinwaschen sollen, deren Profitgier, deren Sterben nach immer höheren Profiten die Ursache dieses schrecklichen Unglücks ist. Jeder, der auf einer Werft arbeitet, weiß, dass in den Tagen vor der Probefahrt Tag und Nacht gearbeitet wird, damit, ohne Rücksicht auf die Gesundheit und die Sicherheit der Kollegen, der Termin eingehalten wird. Die Arbeit auf den Werften, die auch sonst schon eine der härtesten und gefährlichsten ist, wird dann noch gefährlicher. In den letzten Tagen vor der Probefahrt kommen sogar die Meister aufs Schiff, um die Kollegen anzutreiben. Selbst die ,,Hamburger Morgenpost“ musste nach dem Unglück zugeben: ,,Die Männer arbeiten auch unter Druck.“ Und wie es mit dem Einhalten der Sicherheitsvorschriften ausgesehen hat, geht aus den Berichten der bürgerlichen Presse auch klipp und klar hervor. Während der Erprobung des Kessel, bei dem er unter überhöhtem Betriebsdruck gefahren wird, war der Kessel- und Turbinenraum nicht für andere Arbeiten gesperrt. Die Morgenpost enthüllt, dass sogar gleichzeitig am Kessel geschweißt wurde! Das ist umso schwerwiegender, als schon bei den ersten Schiffen dieser Serie Schwierigkeiten an der Kesselanlage aufgetreten waren, die die Auslieferung der Schiffe um bis zu 3 Monate verzögert hatten. Angesichts dieser Tatsache kann man das Unglück in Hamburg nicht anders als Mord nennen.

Die Werften sind ein besonderes klares Beispiel für die kapitalistische Produktionsweise. Gerade jetzt in der Krise, in der sich die Konkurrenz unter den paar Trusts und Konzernen, die den Weltmarkt beherrschen, bis aufs Messer verschärft, verschärfen die Werftkapitalisten die Ausbeutung, steigern sie die Arbeitshetze und treiben die Rationalisierung auf dem Rücken der Arbeiter voran.

Pure Heuchelei ist es auch, wenn der Hamburger Oberbürgermeister Klose den Angehörigen der Opfer sein ,,tiefempfundenes Beileid“ ausspricht. Wie sieht es denn mit den Einrichtungen für die Behandlung der verletzten Arbeiter aus? In Hamburg gibt es keine Spezialeinrichtungen für schwere Brandverletzungen, ein Hohn, da im Hafen und auf den Werften häufig Brandverletzungen vorkommen. Die verletzten Kollegen sind auf mehrere Krankenhäuser verteilt worden. Das Hafenkrankenhaus, das direkt gegenüber von Blohm und Voss liegt, ist für den Hafen sehr wichtig, da es am schnellsten zu erreichen ist. Es soll aber geschlossen werden. Schon jetzt sind mehrere Abteilungen stillgelegt. So mussten neun verletzte Kollegen in eine schon seit anderthalb Jahren stillgelegte Abteilung, die in aller Hast notdürftig eingerichtet wurde, gebracht werden. Auf den Bildern kann man deutlichen sehen, dass dabei die Bedingungen für die bei Brandverletzungen notwendige äußerste Sterilität, für die Einhaltung bestimmter Klimabedingungen, nicht vorhanden waren. Die Behandlung der Kollegen unter diesen Bedingungen hat bestimmt einigen das Leben gekostet, die sonst hätten gerettet werden können. So sieht die ,,Fürsorge“ des bürgerlichen Staates für die Werktätigen aus.

Die Kapitalisten gehen für ihren Profit über Leichen. Erst wenn ihre Herrschaft in der proletarischen Revulotion gestürzt ist, ist auch Schluss mit dem menschenfeindlichen System der Ausbeutung, ist Schluss mit den Opfern, die dieses System der Arbeiterklasse auferlegt.

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Die Hamburger Songgruppe ”ELBE 1« schrieb ein Jahr später diese Lied:

Liedtext »

Anders Mærsk

Erzählst du von der Anders Mærsk
Dann nenne sie nie Unglückschiff
Weil der Tod von 28 Kollegen
Kein unglücklicher Zufall ist.

Es ist der 13. Januar,
Zu Beginn der zweiten Schicht
Die Turbine dröhnt beim Probelauf
70 Mann sind auf dem Schiff.

Erst volle Kraft dann Überdruck
Keiner weiß ob der Kessel hält
Doch alle Arbeit an Bord muss weiter gehn
Denn Zeit ist ja bekanntlich Geld.

Dann platzt ein Rohr, 2000 Grad
Der Überdruck wird frei
Ich spüre die Glut, wer nicht fliehen kann
Wird gekocht beim lebendigen Leib.

Glaub mir mein Freund, dir kann das Gleiche passiern
Auch du kannst so verkochen, du kannst ebenso krepiern
Sie reden stets von Sicherheit und meinen nur ihr Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

Gesicht und Hände nur rohes Fleisch
So trägt man mich auf den Kai
Es liegen schon zwanzig andere dort
Bei Stöhnen und Schmerzensgeschrei.

Nach der Blaulichtjagd durch die kalte Nacht
Wird uns die letzte Chance verwehrt
Kein Platz auf der Intensivstation
Ein alter Saal wird nur aufgesperrt.

Die Schwestern und Ärzte kämpfen noch
Doch Hoffnung ist gering
Einer nach dem anderen stirbt im Saal
Bis auch ich an der Reihe bin.

Glaub mir mein Freund, dir kann das Gleiche passiern
Auch dich lässt man so sterben, es wird sie nicht interessiern
Sie reden stets von deinem Wohl und meinen nur ihr Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

Meine Frau will mich noch einmal sehn
Ein Gesicht habe ich nicht mehr
Sie kann nicht fassen, dass ich hier lieg
Ihre Augen sind tränenleer.

Die Kollegen stehn an meinem Grab
Sie bringen kein Wort heraus
Nur die hohen Herrn können das Maul aufsperrn
Das macht ihnen selbst hier nichts aus.

Meine Frau bekommt für meinen Tod
Vom Werk ein paar tausend Mark
So wird das Verbrechen von Bloom und Voss
Mit einem Kopfgeld abbezahlt.

Glaub mir mein Freund, dir kann das Gleiche passiern.
Auch an deinem Grabe werden sie sich nicht genieren
Sie halten Trauerreden und denken nur ans Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

Erzählst du von der Anders Maersk
Dann nenne sie nie Unglückschiff
Weil der Tod von 28 Kollegen
Kein unglücklicher Zufall ist.

Glaub mir mein Freund, dir kann das Gleiche passiern
Auch du kannst so verkochen, du kannst ebenso krepiern
Sie reden stets von Sicherheit und meinen nur ihr Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

 

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Über den Autor: Fiete Jensen, Tischler, Kommunist in der Roten Garde und der KPD/ML (KPD), Jugendvertreter, Betriebsrat, Werftarbeiter, Berufs-Verbotener, Zwangsselbständiger, leitender Mitarbeiter in der linken außerschulische Jugendbildung, Redakteur und Webdesigner ist heute im Vorruhestand und fordert Andere mit seinen Texten und Aktionen immer wieder aus der Reserve.
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Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizensiert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen darf es weiter verbreitet und vervielfältigt werden


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Anhang:
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Laudation auf ein Lied: Elbe 1, „Anders Mersk“

von Jürgen Eger

Jürgen Eger

Erzählst Du von der Anders Mærsk
Dann nenne sie nie Unglückschiff
Weil der Tod von 28 Kollegen
Kein unglücklicher Zufall ist…

Wer erzählt heute noch von dieser „Anders Mærsk“? Wer erzählt, ja denkt überhaupt noch etwas anderes, als die Herrschaftsmedien vorgeben? Gut, wer sich für einen Us-Rebellen der 1960er, 70er und 80er Jahre interessiert, interessiert sich damit durchaus schon für sehr Herrschaftsabseitiges. Heutzutage. Und ist sicher zumindest eher offen für Erzählungen der Art, um die es hier geht. Und wie Dean Reed, nachdem er die Weichenstellung weg vom Ami-Kommerz für sein Leben und sein Künstlertum vorgenommen hatte, sehr andere Menschen kennenlernte, als es zu Beginn seiner Schauspieler-Laufbahn ihm wie zig Tausenden anderen auch mit Zutritt zum Hollywood-Universum vorbestimmt schien, sehr andere Erlebnisse hatte und Erfahrungen machte und – nicht zuletzt – auch für sehr andere Menschen Künstler wurde und für ein sehr anderes Prinzip und sich mit diesen anderen Millionen in immer wichtigerer Übereinstimmung erlebte, so erkannten sich in früheren Jahrzehnten auch immer mehr Deutsche als Mit- und Selbstgestalter ihres Lebens und ihrer gesellschaftlichen Umstände. Und begriffen, daß die Selbst- und also demokratische Gestaltung der Gesellschaft nicht nur die schaffenden Hände braucht, sondern auch die Köpfe. Und zwar vereint in den selben Körpern. Nicht irgendwo da oben wenige Köpfe und unten die Millionen und aber Millionen fleißige Hände, als hätten die keine eigenen Köpfe. Und daß ein solches anderes Gesellschaftsmodell auch den künstlerischen Ausdruck des eigenen Erlebens und Arbeitens braucht…

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Es ist der 13. Januar,
zu Beginn der zweiten Schicht
Die Turbine dröhnt beim Probelauf
70 Mann sind auf dem Schiff.

Erst volle Kraft dann Überdruck
Keiner weiß ob der Kessel hält
Doch alle Arbeit an Bord muss weiter gehn
Denn Zeit ist ja bekanntlich Geld.

Dann platzt ein Rohr, 2000° Grad
Der Überdruck wird frei
Ich spüre die Glut,
wer nicht fliehen kann
Wird gekocht beim lebendigen Leib.

Im 18. Jahrhundert sammelten Vertreter des fortschrittlichen Bürgertums Volkslieder und -märchen. In denen waren Leben und Erleben des Volkes aufgehoben, auch der Untersten der Unteren, der Einfachsten der Einfachen, und das war für das aufstrebende Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts interessant in Verfolgung seiner eigenen Interessen. Nämlich der Emanzipation vom kleinstaatelnden Feudalabsolutismus und zum Zweck der Erreichung eines einheitlichen Staatsverbands deutscher Nation. Nicht zuletzt um konkurrenzfähig zu sein gegen die französischen und britischen Produzenten. Denen der mächtige Staatsverband riesige Möglichkeiten in einem schier unendlichen Markt ohne Zollgrenzen ermöglichte. Analog zur Attraktivität des Us-Marktes für die westeuropäischen Groß-Produzenten des 20. und 21. Jahrhunderts. Der nicht die unwichtigste Basis ökonomischer Dominanz war und ist. Und diese Emanzipation bedurfte auch der Hinwendung zur eigenen Sprache und Kultur. Daß das Volk zum Ausdruck seiner und die Nation ihrer selbst komme. Der heute so andere Umgang des Staats und der Gesellschaft mit dem kulturellen Erbe ist ein Verrat mehr, der aber für die anderen unverzichtbar ist: Man kann keine vorbildliche Amikolonie sein mit einer humanistischen, freiheitlichen, deutschen, nationalen Kultur. Deswegen wurden in der DDR das Volkslied, die Schöpferkraft der Arbeitenden und des Geistesadels so hoch geschätzt. Und galten Arbeiter und ihr Tun als kunstwürdig.

Über die Jahrhunderte war das Volkslied Aufbewahrungsort und Tradierungsmedium des Unerhörten, der Sehnsuchts-Träume eines besseren Lebens, der Volkshelden, der Nachrichten von weither wie auch der puren Unterhaltung. Aber auch des Aufbegehrens. Was alles in allem in den pfäffischen Predigten nicht vorkam, und also in Opposition standen zum herrschaftlich Diktierten. Und also von der pfäffische Obrigkeit verachtet und unterdrückt war. Hier Scencia, dort Usus. Die quasi magische Verbindung einer Geschichte, die die Vortragenden wie die Hörer gleichermaßen verstehen, aber auch empfinden konnten, da sie in deren Muttersprache erzählt wurde, mit den sphärischen Elementen Rhythmus, Melodie, Harmonie sollte dem „höheren“ Zweck der Preisung Jesus‘ und der Befestigung der Macht der Kirche über die Menschen vorbehalten bleiben. Also lange Zeit auch möglichst nicht einmal in der Muttersprache der Menschen stattfinden, sondern in Latein. Ab 1945, also ab der kolonialen Landnahme der Amis in Europa trat das Englische an die Stelle des Lateinischen, um dieses pfäffische Herrschafts-Prinzip mit dem commerzielle zu verschmelzen.

Aber: Fahrende Sänger trugen zu fast allen Zeiten in ihren Versen herum, was sie gesehen hatten, was sie für berichtenswert hielten. Nicht zuletzt aber auch getragen davon, was beim Publikum ankam. Fast immer zunächst weitab von obrigkeitlichen Vorgaben und Kontrollen. Der berühmteste europäische Vorläufer dieser Erzählungen war und ist die Odyssee des Homer. Und zuweilen fuhren sie dann auch nicht mehr.

Im 19. Jahrhundert gab es dann das Liedgenre Moritat. Das lateinische Verb ‚mori‘, zum Substantiv ‚mors‘ – Tod heißt sterben. Also ist es die gereimte, strophige Erzählung einer Mords- bzw. Tötungs-Tat. Allerdings wesentlich kürzer als das Helden- und Schicksalslied des alten Griechen. Der vortragende Sänger lebte von den Münzen, die die städtischen Hörer bereit waren zu geben für den Vortrag. Oder er profitierte auch vom Verkauf der Lied- und Bilderbogenblätter, auf die die grausigen Geschichten gedruckt und auf denen sie bebildert waren. Und gruselige und criminale Geschichten stellten sich dabei als für dieses Publikum besonders attraktiv und wirksam heraus, weshalb diese Art Lieder den eigenen Namen erhielten. Als Ankündigung wie als sonstige Denk-Schublade. Nämlich um das Volk vor oder um den Sänger zu versammeln und es für ein paar Minuten zu binden.

Das Zwangsgebühren-Fernsehen ist bekanntlich auf freiwillige Zahlungen nicht angewiesen, aber die Kulturtechnik Fernsehen ist doch auf die – scheinbare – Freiwilligkeit des Massenmenschen angewiesen, sich seine Lebenszeit durch es verkürzen zu lassen. Sei es, um ihm die Botschaften der Reklame-Industrie oder die Polithirnwäsche der Pfaffenherrschaft unterschieben zu können: Die Krimi-Toten haben auch heute die Aufgabe, das Volk vor den Geräten zu versammeln, daß die Polit- und Commerzpfaffen davor, dazwischen oder danach ihre Kauf- und Denkbefehle ausgeben können. Die aber nicht Befehle heißen wie auch die Zwangsgebühren nicht Zwangsgebühren heißen. Und doch welche sind. Und also erleben wir seit Jahren eine stetige Zunahme von Toten im TV. Denn der einzelne Tod ist heute, nicht anders als damals, das Erschütterndste, was wir denken können. Und also als Erzählgegenstand und Maßstab für Moral und Handeln, für richtig und falsch unübertroffen. Ab 10, 100 oder 1.000 Tote heißt es dann in der westdeutschen Fascho-Herrschaftssprache aber nicht mehr Mord, sondern Befehlsnotstand, dessen höchste Steigerungsstufe heißt: Holocaust. Und also kommen die Todesgründe und Umstände, die uns dieses Lied berichtet, weder im Zwangs-Gebühren-TV, noch im Commerz-Fernsehen vor:

Glaub mir mein Freund dir kann das gleiche passiern
Auch Du kannst so verkochen,
Du kannst ebenso krepiern
Sie reden stets von Sicherheit und meinen nur ihr Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

Gesicht und Hände nur rohes Fleisch
So trägt man mich auf dem Kai
Es liegen schon zwanzig andere dort
Bei stöhnen und Schmerzensgeschrei.

Nach der Blaulichtjagd durch die kalte Nacht
Wird uns die letzte Chance verwehrt
Kein Platz auf der Intensivstation
Ein alter Saal wird nur aufgesperrt.

Die Schwestern und Ärzte kämpfen noch
Doch Hoffnung ist gering
Einer nach dem anderen stirbt im Saal
Bis auch ich an der Reihe bin.

Ein Toter erzählt in unserem Lied also seine gewesene Lebenssituation. Eine nicht allzu häufige Erzähltechnik. Es ist das Leben und Sterben eines Brd-Proleten und seiner Kollegen unter den Bedingungen verschärfter kapitalistischer Konkurrenz und Ausbeutung. Und die Sänger geben zu erkennen, daß sie damals noch um Marxens Welt-Formel wissen: 300% und es gibt kein Risko auf Kosten anderer und kein Verbrechen, das die Bosse nicht anzuordnen bereit wären.

Die Moritaten-Sänger definieren die Interessen, das Kollektiv, für das sie sprechen, und auch gegen wen sie es tun. Sie formulieren das Oben und Unten, das Pro und Contra. Das Ideensystem, dem diese Darstellung zugrunde liegt, heißt Marxismus oder auch Materialismus oder auch wissenschaftliche Weltanschauung. Wörter, die seit 1990 weitestgehend aus dem öffentlichen Sprachgebrauch verschwunden wurden. Wo sie in der DDR erstrangig benutzt worden waren, während sie in der Brd großöffentlich nur in Reaktion auf den DDR-Sprachgebrauch und also untergeordnete Verwendung fanden. Mit der Abschaffung der DDR verschwand auch deren Sprachgebrauch wie auch das schwache Echo auf diesen weitestgehend.

Den meisten Deutschmuttersprachlern sind diese Wörter und Argumentationslinien mittlerweile weitestgehend unbekannt, weil das damit bezeichnete Denk-System seit 1990 weitestgehend aus öffentlicher Reflektion verbannt, entfernt, gelöscht wurde: Daß Kapitaleigner und andere Obrigkeiten – und zwar prinzipiell (!) – etwas anderes im Schilde führen, als sie öffentlich sagen. Eine solche Darstellung würde heute als Verschwörungstheorie qualifiziert. Und wer diesen Vorwurf an den Kopf geknallt bekommt, hat zu schweigen, wie man die Untertanen vor allem mittels der ferngesehenen Laberrunden lehrt. Der Marxismus ist der Prototyp aller sogenannten Verschwörungstheorien und dafür, was man nicht zuletzt daran sieht, daß er von den System-Propaganda-Heinis, auch nicht von denen mit Menstruationshintergrund als Verschwörungstheorie erzählt wird. Ansonsten läßt das Regime, das andere Regimes Regimes nennen läßt, Unliebsames gern und oft mittels einer solchen Benennung wie ‚Verschwörungstheorie‘ aus die Köpfe prügeln. Wer das erst einmal begriffen hat, der weiß, daß das Wort ‚Verschwörungstheorie‘ keine Qualifizierung für Falschheit ist, sondern nur für Unerwünschtheit.

Meine Frau will mich noch einmal sehn
Ein Gesicht habe ich nicht mehr
Sie kann nicht fassen, daß ich hier lieg
Ihre Augen sind tränenleer.

Millionenfaches Proletenschicksal. Ob in Bergwerken, in den Schützengräben zweier Weltkriege, in den Stahlwerken oder eben auf den Werften draufgegangen und im Profit der Arbeitskraftkäufer und -verwerter, die aber nicht marxistisch Käufer von Arbeit heißen, sondern dementgegengesetzt Geber, verrechnet und von vornherein einkalkuliert und auch eingepreist. Und auch dieser Profit darf öffentlich längst nicht mehr Profit heißen. So wird der namenlose Prolet in unserem Lied das, was er für die Rentabilität des eingesetzten Kapitals von vornherein und immer war: gesichtslos, entindividualisiert. Eine Erkenntnis, die bis in die Popmusik der kapitalistischen Westwelt und bis Ende der 1970er noch erlaubt und gang und gäbe war. Erst recht in den Liedern des Agitprop der Brd wie der DDR, in den es den Sängern nicht einmal ums Geldverdienen ging.

Diese Lieder und Sänger wiederum hatten in den Formen der kulturellen Selbstverständigung der Kommunisten um 1930 ihre Vorläufer. Als in der Reichshauptstadt das „Rote Sprachrohr“ im roten Wedding noch über die Klassensituation aufklärte und in dem legendären Film „Kuhle Wampe“ am anderen Ende der Stadt Arbeitersportler und Arbeiterschauspieler als geschichtsgestaltende Massen noch für sich selbst sprachen und sich selbst darstellten und ihren Favoriten Ernst Busch, den berühmten „Barrikaden-Tauber“, weitab von allem Kommerz auf den Schultern ihrer Erwerbslosigkeit und ihres Klassenbewußtseins zur Erstklassigkeit trugen. Die Arbeiterschaft entwickelte im Bündnis mit einigen der besten Talente und Künstler des deutschen Volkes damals Einfluß und Klassizität weit über den Bereich ihrer Mitgliedschaft; die Mächtigen und Reichen des Reiches wußten sich schließlich keinen anderen Ausweg aus dieser friedfertigen, geist- und kulturvollen Offensive der arbeitenden Menschen, als das kulturloseste Pack, als die miesesten Auftragskiller, die sie jemals in Marsch gesetzt und finanziert haben, auf die gegen sie Aufbegehrenden zu hetzen. Nach dem damaligen deutschen Strafgesetzen wie auch international stand darauf die Todesstrafe. Die sie dann 1949 nur aus dem einen Grund abschafften, um weder die Nazimassenmörder, noch deren Finanziers für den Auftragsmassenmord und also ihr Regime zum Tode verurteilen zu können. Und erklärten diese Feigheit vor Recht und Gerechtigkeit zu Humanität und Fortschritt.

Zurück in die Entstehungszeit des Liedes. Mit der westweltlich-offiziellen Wende zum Disko Ende der 1970er und zur sogenannten Neuen Deutschen Welle Anfang der 1980er in der Brd verschwanden die sozialen Inhalte und Friedens-Töne völlig. Rasch aber unmerklich. Nirgends darf öffentlich – schon gar nicht gez-öffentlich oder auf Wissenschaftsticket gefragt werden, welche scheinbar unsichtbaren Hände das gesteuert haben und warum bestimmte, nämlich die heute propagierte Liedformen, die natürlich nicht als propagiert erscheinen sollen und auch nicht so genannt werden dürfen, für so viele, also überhaupt für Inhalte scheinbar nicht geeignet scheinen. Sondern nur für die Nichtinhalte, mit denen sie professionell gefüllt werden. Und zwar in schier unendlichen Variationen, mit denen wir tagtäglich für die Zwangsgebühren abgespeist werden. Während in den 1960ern und 1970ern im internationalen Beat, Rock und Pop noch das Thema Revolution, Befreiung, Frieden, Krieg, Unterdrückung, Trauer um die Atombombentoten von Hiroshima wie auch die soziale Frage nicht selten in den Liedern vorkamen, die auch im Rundfunk und TV aufgeführt wurden und gelegentlich sogar in den Hitparaden landeten wie die Beatles mit „Revolution“, the Kinks mit Liedern wie „Deadend Street“ und später John Lennon mit „Give Peace A Chance“ und „Woman Is The Nigger Of The World“. Aber auch national und regional wirkende und erfolgreiche Künstler noch die Klassenfrage stellten und davon leben konnten wie in der DDR die Renft-Combo mit „Ketten werden knapper“, die Puhdys hatten 1973 ein Chile-Lied, „Ton Steine Scherben“ streuten allerhand Aufmüpfiges und Rebellisches ins Volk, und bis in die 1980er hinein gab es in der DDR Rockmusik für „Rock für den Frieden“ und in der Singebewegung, die ja nicht so modeanfällig war, sowieso jede Menge Friedenslieder aus aller Herren Länder. Auf Ausländisch wie auf Deutsch.

Dementgegen scheinen die Moderichtungen und Stile, die ab den 70ern aufkamen, wie Punk und Skin dafür ganz und gar nicht geeignet. Jedenfalls wollen mir keine Liedbeispiele einfallen. Wie es auch eine Korrelation zu geben scheint zwischen vernünftigen, humanistischen Inhalten von Liedern und ihrer Singbarkeit zur Gitarre am Lagerfeuer.

Auch die Rockmusik entledigte sich bestimmter, also der meisten Themen, und niemand merkt es öffentlich an. Und wurde zunehmen unsinkbar zur Gitarre am Lagerfeuer; die jungen Menschen, die in den letzten beiden Jahrzehnten an Lagerfeuern Lieder singen wollten, mußte schon zurückgreifen auf den Pop der 1960er und 1970er. Falls sie nicht noch das eine oder andere deutsche Volkslied wußten.

Wie die Verbannung der Inhalte geschah, sieht man nicht zuletzt am Tod John Lennons wie auch an seiner FBI-Akte, die öffentlich selbstverständlich als etwas sehr anderes als jede des MfS erzählt zu werden hat. Sein Tod und dessen öffentliche Verhandlung signalisierte der Branche und ihren Akteuren: So was kommt davon… Wer weiß schon noch, daß “Lindi“mal ein Lied aufführte und aufnahm mit dem Titel „Wozu sind Kriege da?“ Das prompt auf einer Amiga-LP veröffentlicht wurde. „Lindi“ ist der, der via Westmedien von der Westherrschaft die Lizenz zum Flachlegen von FDJ-Blusigen in der DDR hatte, von wegen „Mädchen aus Ostberlin“, dem nie ein Mädchen aus Westberlin oder ein Junge aus Berlin, Hauptstadt der DDR, hitparadig oder sonst gegenüberstand. Der sich 1983 friedensbewegt gab und auch als eine Art Arbeitersänger. Ich kann mich nicht erinnern, daß beim propagandistischen Weihrauchschwänken um dieses commerzielle Großmaul und bei den vielen, vielen Abrechnungen mit der DDR diese Amiga-LP, das Lied und der Umgang der DDR mit diesem Lied, das auf DT64 gesendet wurde, auch nur einmal erwähnt worden ist. Warum hat er es wohl damals aufgenommen, da er dieses oder ähnliche schon seit Jahrzehnten nicht mehr singt? Wo doch seit 1990 die Kriege mehr und mehr wurden und näher kamen? Und Lieder wie dieses nicht weniger nötig, wichtig, aktuell wurden und sind? Wo ging die 1983 beschworene Verantwortung der commerziellen Künstler hin? Damals friedensbewegt und nun: Ich mach mein Ding! Und: Du mußt ein Schwein sein. In dieser Welt. In der Egosuppe des commerziellen Erfolgsdrangs sitzend in der perfekte Symbiose mit Medien, die den Personenkult um die Stars bedienen, die dafür 100%ig sicher nichts TV-öffentlich sagen, was irgend einem Sendepfaffen mißfallen könnte. Und selbstverständlich darf auch der Personenkult um die Eitlen und Raffgierigen des Pop nie so genannt werden. Wie ja auch nicht der um die Könige, Prinzessinnen, Thronfolger und sonstigen superdemokratischen Staatsoberhäupter per Geburt.

Ganz abgesehen davon, daß ein Volk, das weit überwiegend die eigene Muttersprache nicht für kunst- und popwürdig, sondern nur noch für egosprechblasen- und konsumanpreisungswürdig hält und dessen Rundfunkredakteure dies offenbar zu über 100% erfüllen, und anstatt das Leben der Menschen für poesiewürdig zu halten nur noch Hollywood Glamour zu imitieren sucht, sowieso längst in einer auch selbst verschuldeten geistigen Amikolonie verharrt.

Und so erzählt uns die Songgruppe „Elbe1“ mit dem Lied „Anders Mersk“ aus einer längst vergangenen Zeit und also zutiefst unmodern – wenn modern das Jetzige ist – etwas sehr anderes als heute üblich: eine Geschichte aus dem Leben der Leute. Dem Heutigen wie dem Damaligen. Eine Moritat. Und die Besungenen sind Leute, die mit ihrer Hände Arbeit Wohlstand und Reichtum schaffen, schon weil sie anders ihren Lebensunterhalt und den der Familien nicht erwerben können. Und weil es keinen Wohlstand und Reichtum und es bald gar keinen Lebensunterhalt mehr gäbe, wenn alle ihre Lebensunterhalt anders erwerben wollten als durch ihrer Hände Arbeit.

Und auch wenn sich das Arbeits-Leben in Sichtweite der mittel-westeuropäisch privilegierten, verschwindend geringen Minderheit der Menschheit scheinbar sehr vereinfacht und gebessert hat in den letzten 40 Jahren, wenigstens was die Arbeitsrisiken in der Schwerindustrie angeht, schon weil es die größten Teile davon hier gar nicht mehr gibt, so sieht es doch anderswo umso schlimmer aus. Wo an den Küsten irgend welcher fernen Länder die Schiffe, die vor vielleicht 40 Jahren in der Brd oder in Großbritannien oder in den Niederlanden gebaut worden waren, heute abgewrackt werden. Mit bloßen Händen, ohne Arbeitsschutz, ohne Kranken-, Unfall-, Rentenversicherung. Also weit hinter die bis um 1976 in der Brd erkämpften Arbeiterrechte zurückgeworfen. Und also ist das Lied aktueller als damals, zum Zeitpunkt seiner Entstehung, wenn man über den Eu-Tellerrand schaut. Und sowieso, wenn man das im Fernsehen nicht mehr und noch nie Erzählte extrapoliert. Von wegen globalisierte Welt.

Die damalige Arbeitsunfallkatastrophe bei Blohm & Voss und mit ihr die Lebenskatastrophen der betroffenen Kollegen und ihrer Familien sind längst weitestgehend aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen. Sie, die Betroffenen, sind damit aus der Liste der Menschen gestrichen, wie die ermordeten DDR-Grenzer und ihre Angehörigen aus den Erzählungen der sogenannten Mauertoten gestrichen sind; ich kann mich nicht an ein einziges Beispiel erinnern, daß die Mutter eines ermordeten DDR-Grenzers im Brd-TV geweint hätte. Da heulsusen sich dafür umso öfter und penetranter die Flucht-und-Vertreibungs-Deutsch-Tussen aus, wenn sie den bösen Russen erzählen. Am liebsten blond und mit dem Namen Furtwängler ausgestattet und also umso glaubwürdiger gemacht. Wie Joseph Goebbels es schon liebte und den deutschen Weibern beigebracht hat. Warum 28 Tote aus dem Jahr 1976 vergessen und seit Jahrzehnten nicht erzählwürdig sind, während ein Kölner Konzert eines Keifbarden mit Wohnsitz in der DDR im selben Jahr alle paar Jahre in die Erinnerung zurückgeholt wird, hat auch noch nie jemand staatsoffiziell und -öffentlich der deutschen Untertanerei erklärt. Wie war das doch gleich mit den Verschwörungstheorien?

Neuere Grusel- und Katastrophen-Geschichten lassen die Kolonialherrscher allerdings oft und gern über, also gegen die DDR erzählen. Vorzugsweise ausgesendet vom Ghettosender mdr. Der ausgesprochen ‚Mitteldeutscher Rundfunk‘ heißt. In dessen Sendegebiet die DDR-Stadt Görlitz liegt. Und wenn man sich die geographischen Verhältnisse auf der Karte anschaut, müßte man sich eigentlich willkürlich fragen, wovon Görlitz eigentlich die Mitte ist und ob also die Deutsch-Brd bis nach Gleichwitz reicht oder gleich bis nach Auschwitz. Aber „man“ fragt sich das selbstverständlich normalerweise nicht, weil man gar nicht merkt, wie man mit dergleichen FALSCH- und BLÖDwörtern hinters Licht geführt und verarscht, gelenkt, beherrscht und regiert wird. Mit anderen Worten: Man müßte sich fragen, warum das „ehemalig“ im öffentlichen Sprachgebrauch fehlt, wo es hingehört und zwanghaft dauerwiederholt werden muß, wo es falsch ist. Also warum die DDR dauernd „ehemalig“ geheißen werden muß, wo es doch eine Tautologie ist und Tautologien falsch sind, während dieser Sender ausdrücklich nicht der des ehemaligen Mitteldeutschland heißen darf.

Also: Dieser Katastrophen-Erzähl-Sender ist darauf spezialisiert, die DDR falsch, böse, katastrophisch zu erzählen. Man kann auch mit Fakten und Fast-Fakten lügen, daß sich die braunen Sender-Balken nur so biegen, mindestens bis ins „Führerhauptquartier“. Nämlich wenn man nur eine Sorte Fakten erzählt und aus 1% oder 2% oder 0,1% oder 0,00001% fernsehoptisch und -dramaturgisch 150% macht. Und wieder ist es die Moritat, die das Publikum gegen die DDR überzeugen soll. Wieder mit anderen Worten, klingt es wie eine rechnerische Paradoxie: Die halbe Wahrheit ist fast immer eine ganze Lüge.

In der Wirklichkeit war dieses TV-Katastrophen-Land die selbe DDR, in der Dean Reed seine Heimat gefunden hat. In den Erzählungen der Brd-Propaganda, die öffentlich nicht Propaganda heißen darf, war und ist es eine entgegengesetzte DDR. Und während die einen DDR-Bürger der Bösigkeits-Erzählungen gegen die DDR unterworfen werden und also immer ihr Fett abbekommen und selbst schuld zu sein haben, insbesondere für das, was ihnen die Brd-Staatsnazis seit 1990 antaten, und das vermeintlich Böse der DDR zu einem Gutteil eben auch zu dem Zweck erzählt wird, um deren Architekten, Bauarbeiter und Verteidiger vorzuführen und anzuklagen, haben sich die Jesus-Propaganda-Apostel schon vor Jahrzehnten entschieden, Dean Reed nicht all das Böse der DDR anzulasten und gönnen ihm sein gehabtes persönliches Glück in der DDR, schon weil es kurz genug und sein tragisches Ende ja auch als ein Negativ-Urteil über die DDR zu sein hat: Das kommt davon! Also wird Dean Reed auch als jemand erzählt, der zum einen politisch naiv war, zum anderen aber außer- und oberhalb der DDR-Wirklichkeit geschwebt sei.

Also da werden wider die DDR mal Bergwerks-, mal Eisenbahn-Unglücks-, mal Raffinerie-Todesfälle erzählt. Nicht erzählt werden dürfen: Einweihungen von Betrieben und Kulturhäusern, glücklich erlebter Kindergarten- und -heimalltag, Einschulngen, Ferienlager ohne Krittelbeilage, Betriebsfeiern- und Wohngebiets-Gaststätten-Normalität, Subbotniks, Sportfeste, Spartakiaden, Matheolympiaden, Lehre oder Studium für alle unmittelbar im Anschluß an die Schule oder Armeezeit, Haushaltstag und Rente mit 60 für die Frauen und so vieles andere mehr. Jeder schätze selbst ab, wieviel Prozent der DDR-Lebenswirklichkeit die Entgleisungen und Explosionen ausmachten, mit denen die Zwangs-Gebühren-Propaganda-Sender die DDRler seit 1992 quälen, und wieviel Prozent die DDR-Lebensnormalität. Und dann vergleiche man das mit der inländerfeindlichen Ghetto-Pfaffen-Sender-Hetz-Propaganda und was dort wie und wie oft und wie lange erzählt wird. Denn wie schon ab 1933 so war auch ab 1990 erst der Inländerhaß, um dann auch ausländerhassende Weltherrschafts-Kriege führen zu können. Und auch hier kommen die erhellenden Wörter in den Großmedien gar nicht erst vor. Weder der InländerhaSS, noch die Volksverhetzung, die in der Brd angeblich eine Straftat ist. Aber wie schon ab 1933 die Schwarzkuttenkriminellen, die angeblich damit befaßt waren, das Recht zu hüten, die schlimmsten Verbrecher waren, so werden seit 1990 die schlimmsten Straftaten – sowohl nach Definition des StGB der Brd, der DDR wie auch nach der UN Menschenrechtsdeklaration – prinzipiell nicht strafverfolgt. Und die Diätenheinis aller Diäten Profit Center machen sich zu Mitgliedern dieser kriminellen und terroristischen Vereinigung, indem sie sowohl über die Verbrechen schweigen, als auch über die totale Rechtlosigkeit des Volks. Heute nicht von einem Brd-Staats-Polizisten erschossen zu werden, ist für den Zwangsangeschlossenen DDR-Bürger wie auch für den Westdeeutschen kein Recht, sondern ein Zufall, solange solche Mordskerle immer freigesprochen werden.

So erscheinen die Katastrophe, das Düstere, das Graue, das Häßliche als das Normale der DDR, während das Normale der Brd in den selben Jahrzehnten der zufriedene Konsum, die Disconächte, die angebliche sexuelle Revolution sein sollen. Wie die Discogänger ihre Nächte finanzierten, wo sie sich das Geld erschwitzten oder in einer Art russischem Roulette erspielten bei Blohm & Voss, interessiert nicht weiter. Es wird nicht gezeigt, und also wird es nicht gedacht. Daß diese Diskovergnügten auch auf den Leichen der Anders Mersk tanzten, darf nicht gesagt werden:

Die Kollegen stehn an meinem Grab
Sie bringen kein Wort heraus
Nur die hohen Herrn können das Maul aufsperrn
Das macht ihnen selbst hier nichts aus.

Meine Frau bekommt für meinen Tod
Vom Werk ein paar tausend Mark
So wird das Verbrechen von Bloom und Voss
Mit einem Kopfgeld abbezahlt.

Daß die DDR-Gesellschaft einen anderen, nämlich sozialistischen Begriff von Arbeit hatte, verschwindet quasi automatisch hinter der Erzählung der DDR als DIE Diktatur und des sogenannten freien Westens als DIE Demokratie, ohne daß die Begriffe näher, also überhaupt bestimmt würden. Sie haben längst aufgehört, als Begriffe verwendet zu werden. Und daß mit diesem anderen DDR-Begriff von Arbeit auch ARBEITSSCHUTZ sehr anders buchstabiert wurde, muß der Untertan schon gar nicht wissen. Wie er auch nicht wissen muß, daß und warum einer ihrer Regime-Cheflügner, Brandt, ab 1990 vom Kolonialregime eingesetzt wurde, den DDR-Bürgern einzureden, das provunG = das provisorische ungültige Grundgesetz sei die beste Verfassung, die die Deutschen je hatten. Es war nie eine Verfassung, wie man sich bei Carlo Schmid, einem der sogenannten Väter des Grundgesetzes, erkundigen kann, sollte keine sein und wird nie eine werden. Das „vergessen“ sie immer zu sagen, wenn sie sogenannte Reichsdeutsche und andere unzufriedene Rebellen in ihre Propaganda-Suppe hacken. Also auch das sollen die deutschen Untertanen nicht wissen und auch Gysi kriegt seine Diäten dafür, daß er es weggrinst und weglügt: Die beste deutsche Verfassung war die der DDR von 1968/1974 und die zweitbeste die der DDR von 1949. Und zwar u.a. weil diese weiterführten, was die Weimarer Verfassung von 1919 vorgab, die die drittbester Verfassung war; allein was in der 1919er Verfassung zum Schutz der Arbeitskraft zu lesen steht, hätte die Brd-Proleten in ein Arbeiterparadies versetzt, hätten die Amiquislinge wenigstens einen Bruchteil davon ins Grundgesetz geschrieben, anstatt miese Amisprüche schlecht in ein Pseudodeutsch zu quälen. Von wegen die Würde des Menschen sei unverletzlich! Und: „So wahr mir Gott helfe!“

Unser Lied straft auch diese Sätze lügen. Es erzählt, wie die Würde der Arbeitenden nicht einfach nur verletzt wird: Diese Würde ist für die Kapital-Bosse gar nicht vorhanden und war es nie; und daß diese vom Staat Brd und seinen Funktionären, die ja angeblich dem Grundgesetz verpflichtet sind, nicht zu Verantwortung gezogen wurden, zeigt, daß auch für die Staatsbüttel der Mensch nichts ist und keine Würde hat, und die Kapitaleigner alles sind, weil das Goldene Kalb der Kapitalakkumulation ihr Co-Gott ist, dem alle Staatsgebete gelten.

Wie verlogen dieser Arbeiterverräter Brandt war, und natürlich auch sein persönlicher Wadenbeißer Bahr, sieht man übrigens schon daran – wenn man es denn sehen und sehen lernen will -, daß der Superlativ „beste“ immer das Ergebnis eines Vergleichs von mindestens drei Vergleichsgegenständen ist. Also Brandt mindetens drei deutsche Verfassungen hätte vergleichen müssen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß das provunG die beste Verfassung sei. Dieser Satz wurde den DDR-Bürger in den 1990ern unendlich oft an die Köpfe geknallt, auch und besonders gern via Ghetto-Sender mdr. Einen Vergleich deutscher Verfassungen haben sie nicht ein einziges Mal auch nur ansatzweise angeboten. Weder in den Pfaffensendern, noch in den sogenannt parteinahen Stiftungen, noch von den Weihrauchkanzeln des korrupten Bumstags. Den Gysi haben sie ein paarmal grinsen und feixen und witzig tun lassen, wie schlecht die DDR-Verfassung von 1968 gewesen sei. In der steht immerhin, wem die DDR und also auch das Volkseigentum, die Regierungsgebäude, die Kundenlisten der VEB, die Patente, die Grenzanlagen usw. gehören und daß jeder Eingabe zu beantworten ist. Mit Frist. Die wurde freileich zwischenzeitlich von 14 Tage auf 4 Wochen verlängert. Von solchen Titeln und Rechten kann der Grundgesetz-Bürger-Idiot nicht einmal träumen. Weder als Versprechen noch als Realität.

Der selbe Arbeiter- und Volksverräter und Journalistinnenflachleger Brandt alias Frahm, der den DDR-Bürgern und also auch den Westdeutschen in den 1990ern die Verfassungslüge auf Zwangs-Gez-und Sozenverblödungs-Ticket eintrichterte, war bis 1974 als Kanzler und zum Todes-Zeitpunkt der 28 Arbeiter führend mitverantwortlich als Chef der Regierungspartei Spd für die profitoptimierten Zustände, denen bei die Blohm & Voss die 28 Arbeiter dem Profit geopfert wurden. Und während gegen die DDR die Honeckers und Mielkes und Wolfs und Mittags usw. für alles und jedes immer und überall verantwortlich erzählt werden, waren und sind die Adenauers, Brandts, die Schmidt-Schnauzen, Kohls, Schröders, Lafontaines und Merkels für nichts verantwortlich außer für Rentenerhöhungen, Befreiungen aller Art, Freiheit und Wohlstand, Luxus. Wenn man den Medien glaubt. Dann aber ist man bekanntlich selbst schuld. Denen, die keinen realen Zugang zu all den verdienstvoll erscheinen sollenden Segnungen haben, zeigt man sie dann wenigstens im TV wie dem Esel die Morrübe.

Mit den seriellen Erzählungen der Bösesten des Bösestens, nämlich Regimes, also mit der Erzählung der „Stasis“ ist die Rolle des falschbenannten Ministeriums und der falschbenannten Mitarbeiter für Staatssicherheit auch schon weggelogen. Katastrophen vom Ausmaß derjenigen der Anders Mersk in der DDR wären Untersuchungsgegenstand dieses Ministeriums gewesen. Das kam zum einen daher, daß in den Frühzeiten der DDR dergleichen Katastrophen vor allem durch aus Westrichtung in Marsch gesetzte und finanzierte Diversanten verursacht waren wie auch andere große und größte volkswirtschaftliche Schäden vor allem anderen dem Sog dieser korrumpierenden und Verbrecher machenden Brd-Währung geschuldet war. Aber auch ein wesentlicher Vorteil einer Zentralstaats sollte zum Zuge kommen: Nicht der letzte Zweck der Untersuchungen dieses Organs war es, nach Arbeitsunfällen mit Todesfolgen und sonstigen großen Schäden gesamtgesellschaftliche Lehren zu ziehen. Da in der DDR nichts höher stand als jedes einzelne Menschenleben. Im Unterschied zur Brd, wo Eigentum weit höher steht; 1990 hat Gregor Gysi dieses Wissen noch öffentlich kundgetan. Wer weiß sowas heute schon noch? Also was Gysi mal wußte? Und da war ein zentrales Untersuchungsorgan, das auch für eine Auswertung und Formulierung veränderter Arbeitsschutznormen zuständig war, sehr nützlich. Und dieser Nutzen war sein Zweck. Und auch Informelle Mitarbeiter waren diesem Nutzen unterworfen, sogenannte IMs, die ohne Wenn und Aber über Mängel, Schlampereien, Versäumnisse und auch Vertuschungsversuche informierten. Allerdings, auch das war Bestandteil der nicht oder ewigfalsch erzählten Ideologie der DDR und also auch des Untersuchungsorgans, sollte das MfS und sollten auch die IMs möglichst präventiv wirken, also bevor irgend etwas passiert, bevor jemand zu Tode gekommen war. Und genau das darf der deutsche Untertan nicht denken. Den Mangel, also daß das Adenauer-Erhardt-Kiesinger-Brandt-Schmidt-Kohl-Schröder-Merkel-Regime über ein solches zentrales Organ nie verfügte und nie verfügen wollte, das die Verhinderung und Auswertung solcher Katastrophen betrieb wie das Ministerium für Staatssicherheit dies in der DDR tat, macht die staatspfäffische Propaganda mehr als wett, indem zig Tausende virtuelle Joseph Goebbelse mit der Falscherzählung dieses Ministeriums den gemeinen Saujuden wieder auferstehen ließen und tagtäglich lassen. Man muß nur das Kürzel ‚IM‘ oder ‚Stasi‘ durch das Wort ‚Jude‘ ersetzen, und schon erkennt man in den seriellen Hetzmedien die völkischen Beobachter von Adolfs Befehls-Gnaden wieder. Was keine Wunder oder Zufall ist, da ja auch Helmuts Endsieg von 1989/1990 der seines großen Vorgängers „in Rechtsnachfolge in Identität“ Adolf ist. Und der Sohn der Adolf Tusse Gauck und des Adolf-Kriegers Gauck, der vor einigen Jahren von keinem dringender als Bumspräser gewünscht und gefordert wurde als von dem Sohn des SS-Manns Trittin, daß sie gemeinsam weitere Rache nehmen konnten an den Kindern und Enkeln der Kommunisten, Sozen, Gewerkschafter, Deserteure, weil die es gewagt hatten, den Befehlen Adolf Hitlers nicht folgen zu wollen, war der beste Garant für die Kontinuität faschistischer Geschichtslügen. Ob es nun um eine zwanghaft von Brandt, Lafontaine, dem Kriegsverbrecher Schröder und all ihren Arbeiter- und Volksverräter-Kumpane herbeigelogene angebliche Zwangsvereinigung, um Katyn, den Warschauer Aufstand, die 1939er und 1941er Kriegsgründe oder die DDR-Realitäten einschließlich Katastrophenverhinderungsarbeitschutzvorschriften ging.

Also wurden und werden Lieder wie dieses der nach dem an der Wasserkante einst berühmten Feuerschiff „Elbe1“ benannten Liedgruppe vergessen gemacht wie auch Lennons „Give Peace A Chance“ und „Woman Is The Nigger Of The World“. Und keiner weiß öffentlich, wie und durch wen. Und die DDR wurde etabliert als der Ort der Katastrophen und Explosionen, Entgleisungen, von Pleiten, Pech und Pannen, der „Stasi“-Spitzel, dessen vernünftige Gesetze fast nie mit erzählt werden, und vor allem als Ort der Dauerfluchtgedanken aller ihrer Bürger. Weil nichts die DDR besser als eine staatliche Hölle denunziert, als wenn man die Deutschen denken macht, daß alle DDR-Bürger tagtäglich wie allnächtens immer nur an eines dachten: sie zu verlassen. Ich nenne das den indirekten Beweis: Gegen diese Propaganda-Methode hat der deutsche Untertan nicht einmal ein Sensorium, geschweige denn Abwehrkräfte. Anstatt zu denken und anzusagen, welche Gründe Dean Reed gehabt haben mag, die DDR als das richtige Land für seinen Lebensmittelpunkt anzusehen. Und wenn es „nur“ die Erklärung gewesen wäre, daß er die Blume seines Herzens und Lebens nur hier finden konnte. Solche Blumen wuchsen in den Städten und Dörfern der DDR heran wie nirgends sonst. Seit 1990 wachsen Frustrationen, Depressionen und blühen die menschlichen Neu-Rosen in allen Farben.

Ihre ranghöchsten und überzeugendsten Zeugen in Sachen der ghettosenderbehaupteten Dauerzwangsfluchtgedanken und des Fluchtgedankendauerzwangs, Merkel und Gauck, sind die besten Parade- und Vorzeige-Beispiele für ihre Verlogenheit, da von den beiden keinerlei Aktivitäten jemals bekannt geworden sind, diesen schlimmsten aller Orte verlassen zu wollen, die Mauerketten – sozusagen – zu sprengen. Kein Ausreiseantrag, keine Nix. Sie blieben in dem Land, wo Menschenleben mehr galten als Kapital und sonstiges Groß-Eigentum, weil Jesus nicht Staatsreligion war und Commerz nicht jeglichen künstlerischen Ausdruck der Arbeitenden erstickte. Sogar Volkswitz gab es noch. Damals. Als Gauck und Merkel noch bekennende DDR-Bürger waren und noch – immerhin waren sie zum Zeitpunkt des Anschlusses längst erwachsene Leute – nicht gemerkt hatten, wie böse man ihnen mitspielte. Was ihnen dann 1990 plötzlich auf- und einfiel. Wie „Lindi“ plötzlich öffentlich bemerkte, daß die DDR von der Brd eine Mauer trennte, um mit diesem Einfalls-Blitz zu begründen, warum er seinem Freund Erich nicht zu Hilfe kam, da der nun so dringend Hilfe brauchte. Da Michael und Boris ihn verraten und verschenkt hatten. Wie das ganze Volk der DDR.

Warum hat „Lindi“ den Erich nicht mit in sein Hotel genommen? In Berlin oder Hamburg? Wo er doch so viele Jahre um dessen Freundschaft gebuhlt hatte? Da hätten Erich und Margot nicht zum Pfaffen gehen müssen. Mit was für einer Moral sind solche Popsäufer und Westgroßfressen ausgestattet? Ist das Wort Moral für solchen Abschaum überhaupt noch brauchbar? Oder sollte man jede und jeden, der mehr als 2…3 mal im Brd-Staats-Commerz-Fernsehen gesehen wurde und auf irgend einer Wahlliste einer Bumstagspartei auftauchte, sowieso aus der Liste der Anständigen streichen?

Also rückwirkend haben sie es ja dann schon bemerkt und erklärt, die Großfressen des Regimes, wie böse die DDR war. Und wie der Zufall es wollte, gab es solches Bemerken öffentlich nie, ohne daß sie in sogenannt harter Demark bezahlt wurden: Bei Gauck war es erst den Chefposten einer Bundesbehörde mit entsprechendem Salär, dann Ruhegehalt und dann noch das für den Bumspräser. Wer redet über die Millionen die ihm seine Lügen eingebracht haben? Bei Merkel reichte die in den 1990ern dauer-TV-kampagnengesendete und geradezu sprichwörtliche DDR-Christenverfolgung bis in die Zwangspromotion mit Zwangsauslandsstudium und Zwangsstipendium und Zwangsfrauenförderung. Wie viele Brd-Proleten und -innen sich die Finger geleckt hätten nach solchen Zwängen – und dann auch noch so viel davon! – und wie viele sich den DDR-Arbeitsbedingungen gern unterworfen hätten, darf auch nirgendwo sendend gefragt werden. Normalerweise. Eine der wenigen Ausnahmen war Inge Viett, die RAF-Aussteigerin, von der sie einmal berichteten, wie gern sie sich, inzwischen DDR-Bürgerin, diesen Zwängen unterwarf. Mit der unüberhörbaren Tendenz, sie dafür für plemmplemm zu erzählen.

Um diese Liedlaudatio ein wenig aus dem Abstrakten ins für mich Persönliche zu holen: Ich hatte einen Westberliner Großvater. Den ich auch nie verleugnet habe. Auch wenn ich in jungen Jahren wenigstens ahnen mußte, es könne nachteilig sein, da uns DDR-Bürgern allgemein bekannt war, daß aus Sicherheits- und Geheimhaltungsgründen solche Familienbande dazu führen konnten, daß man für diese oder jene Aufgabe oder Anstellung nicht infrage kam. Ich mußte diesen Opa also nicht wie so viele andere aus dem sprichwörtlichen Hut ziehen, als man dann ab Anfang der 1980er zu hohen runden Geburtstagen naher Verwandter auch als jüngerer DDR-Bürger in die Brd und nach West-Berlin reisen durfte. Nicht immer, aber immer mehr und öfter. Und dazu waren diese Verwandten nun plötzlich von Vorteil. Und viele erinnerten sich ihrer, da sie sie bis dahin so erfolgreich „vergessen“ hatten.

So kam es, daß mein Vater in Westberlin nicht nur seinen Vater hatte, sondern auch einen Halbbruder. Der hieß Wolfgang; in den Geburtsjahrgängen meines Vaters und seines Halbbruders waren ja noch deutsche Namen üblich, und auch als ich geboren wurde, waren noch nicht Fernsehfiguren oder Schlagerfuzzis für die Namensgebung der Neugeborenen durch die jungen Mütter zuständig. Jedenfalls lernte ich meinen Onkel in den 1980ern kennen. Ein normales Proletenleben in der Westberliner Platte, von der wir DDR-Bürger auch nichts wissen sollten, weitab von politischem Wissen und politischem Engagement. Ein untersetzter, kräftiger Mann mit Tochter und Hausfrau. Die nicht offiziell arbeitete und nicht offiziell versichert war. Der in jungen Jahren nur ans Geld gedacht hatte, und niemand und nichts waren da gewesen, ihm andere Gedanken zu machen. Im einstmals roten Wedding.

Mit 50 war sein Rücken vom Akkordschleppen hinüber, mit Mitte 50 war er tot. Das war nicht lange nach dem Endsieg Adolfs und Helmuts über die DDR. Mein Vater, der den allergrößten Teil seines Arbeitslebens als Maurer in sozialistischen Betrieben zugebracht hat, wo man ordentliche Pausen gemacht hat und ordentlich den 1. Mai gefeiert hat und den Frauentag sowieso und auch den 7. Oktober, erfreut sich heute bester Gesundheit im 87. Lebensjahr und ist, wie man so sagt: Fit wie ein Turnschuh. Und ich teile seinen Stolz auf sein gelebtes Arbeiterleben in der DDR. Und auch deshalb ist die DDR eben unser Glück gewesen, jedenfalls das der meisten ihrer Bewohner. Wie auch Deans. Und ist es DER Unterschied, ob Arbeitsunfälle geschehen, OBWOHL alles getan wird, sie zu vermeiden, oder WEIL NICHTS dergleichen getan wird. Und genau deshalb kommen diese Realitäten weder im Programm des mdr noch irgend eines anderen Rechtsextremistensenders vor. Und wie die Anschlußsieger nicht nur in Sachen Sero, Kindergärten, Polikliniken, Hausgemeinschaften, Genossenschaften, Volksbildung, Diabetis-Prävention und -Betreuung, EOS, Sozialversicherung, Plastictütenverzicht von der DDR lernen wollten, so wollten sie es vom zentralen Untersuchungsorgan MfS schon gar nicht. Und geben wir es zu: Sie konnten und können es auch nicht. Jesus oder Vernunft? Beides zusammen geht eben nicht. Und was für Arbeitsschutz und -unfälle zutrifft, gilt erst recht und noch dringender für Kriege, Autobahnraserei, sonstigen Mord und Totschlag, Puffsklavinnen, Aufklärung, Bildung, Kultur, Ehrlichkeit. Also dafür, wie ein Staat konstruiert ist und wozu. Kapitalismus und seine höchste Stufe, der Imperialismus sind eben kein Unfall. Sondern ein tagtägliches Verbrechen an der Menschheit. Davon, daß dieses Verbrechen schon so lange währt, wird es nicht besser, die Abschaffung des Verbrechens wird nur Tag für Tag dringlicher, auch wenn sie uns womöglich immer unmöglicher erscheint. Und genau das erzählt dieses Lied. Denn die Wahrheit ist konkret wie auch die Poesie. Auch wenn sie traurige Geschichten erzählt. Und sowieso wenn die traurigen Geschichten nicht um des Erzählens willen erzählt werden, sondern um die Welt erkennen zu machen und zu ändern…

Glaub mir mein Freund dir kann das gleiche passiern.
Auch an deinem Grabe, werden sie sich nicht genieren
Sie halten Trauerreden und denken nur ans Geld
Weil ein Arbeiterleben für sie gar nicht zählt.

Erzählst Du von der Anders Mærsk
Dann nenne sie nie Unglückschiff
Weil der Tod von 28 Kollegen
Kein unglücklicher Zufall ist.

Die Kollegen stehn an meinem Grab
Sie bringen kein Wort heraus
Nur die hohen Herrn können das Maul aufsperrn
Das macht ihnen selbst hier nichts aus.

Meine Frau bekommt für meinen Tod
Vom Werk ein paar tausend Mark
So wird das Verbrechen von Bloom und Voss
Mit einem Kopfgeld abbezahlt.
.

Jürgen Eger, geboren 1954 in Berlin, Hauptstadt der DDR. Von der Einschulung bis zum Abschluss des Diplomstudiengangs Elektronik/Technologie an der TU Dresden durchlief er einen normalen DDR-Lebensbeschreitungsweg. Er nahm Gesangsunterricht, war Nachhilfelehrer, erhielt 1981 einen Sängerpreis bei den DDR-nationalen Chansontagen in Frankfurt/ Oder. Berufsausweis als staatlich anerkannter DDR-Chansonsänger, arbeitete als Publizist und Regisseur, bezeichnete sich selbst gern als einziger „staatlich-anerkannt freischaffender Agitator“ der DDR. Studierte 7 Jahre lang selbstbestimmt und privat an der Berliner Musikhochschule und an der Humboldt Universität Berlin, textete auch für andere, machte Theater, hatte in DDR-Endzeiten eine Band, mit der er DDR-Rock- und Pop-Lieder präsentierte, die nicht über den Rundfunk gesendet wurden.
Im Herbst 1989 war er an diversen Kollektivunternehmungen zur Verteidigung und Verbesserung der DDR aktiv, bekam als FDJ-Kunstpreisträger auch (noch) den DDR-Kunstpreis. Anfang Dezember 1989 wurde er nach eigenen Worten „von Biermann & Co. abgestraft und in die Volksverhetzungssuppe gehackt… Der Biermann war sozusagen vorgeschickt, die kohlsche Neuauflage des hitlerschen Kommissarbefehls durch- und auszugeben.“ Es folgten mehrere Berufsverbote, Degradierungen, Plattmachen, Strafverfolgungen usw. So verliert sich, nach seinen Angaben, seine künstlerische Spur in der Totalzensur der Anschlussdiktatoren.

└ Schlagwörter: Unternehmerwillkür
1 Kommentar
Jan.08
on 8. Januar 2018
Veröffentlicht in: Rui Filipe Gutschmidt

Rui Filipe Gutschmidt

Trump, Feuer, Korruption, Misere, Kriege und Katastrophen – 2017 das neoliberale Zeitalter – Teil  1
..

Rui Filipe Gutschmidt

Das neoliberale Zeitalter ist schon vor einigen Jahren angebrochen. Es hat viele Fassetten, doch was hat 2017 seinen Stempel aufgedrückt?
.

Trump twittert uns in den III. Weltkrieg

Donald Trump verfolgt die neoliberale Politik wie alle US-Präsidenten vor ihm auch, aber er folgt einer ultrakonservativen, aggressiven Linie. Man könnte fast an der Demokratie zweifeln, aber auch nur an der US-Amerikanischen Version. Wie auch immer dieses Unglück geschehen konnte, die US-Amerikaner hätten keinen schlechteren zu ihren Präsidenten wählen können. Nicht für die internationale Gemeinschaft und auch nicht für sich selbst. Nur die Rohstofflobby und die Kriegsmaschinerie der USA, gemeinsam mit all ihren Verbündeten und Trittbrettfahrern, profitieren von dem hasserfüllten Kriegsgeschrei und den blumigen Twitts des „Mächtigsten Mannes der Welt“.

Neoliberalismus – Proteste in Chile CC BY 2.0

Der Brandstifter des Jahres 2017 hat fast jeden Tag einen neuen Aufreger für uns „Gutmenschen“ parat. Sei es für die Millionen von Amerikanern, die ihre Gesundheitsversicherung verlieren, oder die „Dreamer“ die in den USA als Kinder von illegalen Einwanderern geboren wurden, aber nicht die Staatsbürgerschaft bekommen, die sozialen Verbesserungen Obamas werden nach und nach zurückgenommen und Millionäre bekommen im Gegenzug Steuererleichterungen.

International legte er sich gleich mit China an, die viel mehr in die USA exportieren, wie sie importieren. Obamas Annäherung an Kuba läuft Gefahr umsonst gewesen zu sein und Venezuela, seit langem von den USA ins Chaos gestürzt und jetzt von der eigenen Regierung noch weiter gespalten, drohte der twitternde Trump mit einer Intervention. Dem Iran, Syrien, Türkei, Philippinen, selbst Mexiko, Kanada und der EU drohte er entweder militärisch oder wirtschaftlich. Sein Verhältnis zu Russland ist zwiespältig. Seine Sympathien gegenüber Vladimir Putin stehen aber der geopolitischen Rivalität nicht im Weg. Doch mit Nordkorea hat Trump die meisten Probleme. Ein ebenso verrückter Diktator, bei dem man fast schon von einer Art Monarchen sprechen kann, baut dort seine Atombomben, seine Interkontinentalraketen und… antwortet Trump in einer genauso aggressiven Sprache. Krieg ist vorprogrammiert.

Kurz vor Jahresende der vorläufige Höhepunkt von Trumps diplomatischer Spitzfindigkeit. Die Ankündigung der Verlegung der US-Amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, bedeutet die Anerkennung der „Heiligen Stadt“ als Israels Hauptstadt. Nicht nur die Palästinenser gehen auf die Barrikaden, sondern der Großteil der Arabischen Welt. In der UN verurteilte eine überwältigende Mehrheit das Vorgehen der USA. Trump drohte daraufhin den fast 190 Staaten der UNO damit, den Geldhahn zuzudrehen.

Dem Planeten an sich droht Trump zwar nicht, aber seine Politik unterstützt den Raubbau an der Natur, ignoriert die Folgen der Umweltverschmutzung und er verabschiedete sich von 2017 mit einem ironischen Spruch, der zeigt wie ignorant, menschenverachtend und skrupellos der Donald ist: „Silvester wird es kalt, aber die Klimaerwärmung wird uns schon warm halten.“ Das Pariser Abkommen ist Trump „zu teuer“, denn er will seine Milliardärsfreunde nicht zur Kasse bitten. Der Emissionshandel erinnert zwar an den Ablasshandel, aber Generalsekretär António Guterres ist nicht der Papst und Donald Trump ist kein Martin Luther.

Trump drückte 2017 seinen Stempel auf. Doch das Neoliberale Zeitalter zeigte uns noch andere Fassetten seiner hässlichen Fratze. Davon mehr im nächsten Teil…

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 Comment 
Jan.07
on 7. Januar 2018
Veröffentlicht in: Allgemein, Rolf Geffken

 

Rolf Geffken

Rolf Geffken

Goethe und das Recht

»Der Kampf ums Recht ist nicht gemütlich«

„Wer das Recht auf seiner Seite fühlt muss derb aufreten!“ Hier zeige ich auf, wie aktuell diese Forderung Goethes auch bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten ist.

Rolf Geffken: Goethe und das Recht - Der Kampf ums Recht ist nicht gemütlich

.
Die Anwaltskanzlei RAT & TAT wurde von mir 1977 gegründet. Seit 1992 befindet sie sich in Hamburg-Harburg mit einer Niederlassung im niedersächsischen Cadenberge (Landkreis Cuxhaven). Schwerpunkt meiner anwaltlichen Tätigkeit ist das Arbeitsrecht in allen seinen Ausprägungen, sowie das

  • Kündigungsschutzrecht
  • Betriebsverfassungsrecht
  • Sozialrecht
  • Seearbeitsrecht
  • Schifffahrtsrecht
  • Wirtschaftsrecht
  • Familienrecht
  • Allgemeine Zivilrecht.

Ferner das Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich des Niederlassungsrechts und des Asylrechts.

Ich bin Fachanwalt für Arbeitsrecht aber auch Autor auf diversen Gebieten, nicht nur des Arbeitsrechts. Zugleich bin ich Referent auf arbeitsrechtlichen Fortbildungsveranstaltungen unterschiedlicher Bildungsträger und Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg.

Kontakt: ratundtat@drgeffken.de – Website: www.drgeffken.de – Telefon: 040 7906125 oder 0172 7418179 – Meine Buchveröffentlichungen

 

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└ Schlagwörter: Allgemein
 Comment 
Jan.06
on 6. Januar 2018
Veröffentlicht in: Allgemein

Noel Nascimento

Skandal und Schande des Prozesses gegen Ex-Präsident Lula da Silva in Brasilien
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Noel Nascimento

Der ehemalige Präsident Brasiliens, Lula da Silva, steht vor Gericht. Sein Prozess wird als erster vom Höchsten Bundesgericht in Porto Alegre zu einem endgültigen Urteil kommen, um seine Wiederwahl zu verhindern.

Noch nie wurde ein Verfahren in Brasilien so schnell eingeleitet wie der Prozess gegen den ehemaligen Gewerkschafter Ignacio Lula da Silva. Der Mann der aus dem Nichts kam und Präsident des fünften größten Landes und immerhin acht größte Ökonomie der Welt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, eine Wohnung und einen kleinen Bauernhof illegal besessen zu haben. Beide Besitztümer sollten ihm als Bestechung geschenkt worden sein. Die Bestechung soll von dem Großunternehmen „Odebrecht“ für die Bevorzugung bei verschiedenen Bauvorhaben während seiner Präsidentschaft stattgefunden haben. Die zwei Etagen-Wohnung mit 160 m² wurde nie auf seinen Namen übertragen.

Mündliche „Zeugen“ und andere zweifelhafte Papiere sollen beweisen, dass die Wohnung an seine verstorbene Frau Marisa vergeben werden sollte, was nie geschah. In erster Instanz hat der für die Untersuchungen gegen Korruption zuständige Richter Moro in der konservativen Stadt Curitiba, Lula da Silva schon zu dreißig Jahre Haft verurteilt. Das Gericht in Porto Alegre soll das Urteil nur noch bestätigen und bekräftigen.

Es wäre nichts besonderes, wenn Richter Moro während seiner Untersuchungen nicht mehrmals in die USA und nach Deutschland (Heidelberg) verreist wäre um dort Vorträge über seine Vorgehensweise zu halten. In den USA weiß kein Mensch was der ehrwürdige Richter auf seinen Routinereisen macht. Noch skandalöser ist es, dass die Korruptionsuntersuchungen nur in die Richtung einer einzigen Partei erfolgen oder von den Parteien die mal mit Lula zusammen regierten, aber keinesfalls in Richtung der neoliberalen PSDB, die in Brasilien die Fäden der Privatisierungen und des Verkaufs großer staatlichen wie auch privaten einheimischen Unternehmen durchzieht.

Es lässt sich in Brasilien wie in den meisten Ländern Südamerikas nicht ohne den Kauf von Politikern anderer Parteien regieren. Dazu zählt ausgerechnet die Partei vom ehemaligen Vizepräsidenten von Lulas Nachfolgerin, Dilma Rousseff. Dem durch Impeachment der Dilmas eingesetzten Präsidenten Michel Temer, gegen den etliche Beweise für Korruption vorliegen. Diese Verfahren werden durch Milliardengeschenke an Parlamentarier per Gesetzeserlass blockiert.

Mit Senator Aécio Neves, der in mehrere Skandale verwickelt ist, darunter die Beschlagnahmung eines mit 500 Kg Kokain beladenen Hubschraubers bei der Landung auf der Fazenda seines Schwagers, wo Aécio extra eine Landepiste bauen ließ und dessen Geschäftspartner er auch in mehreren Angelegenheiten ist, passiert nichts. Auch dem Gouverneur des südlichen Bundeslandes Paraná, der in der Hauptstadt Curitiba an einem nächtlichen Wettrennen mit einem Landesabgeordneten teilnahm, bei dem zwei junge Menschen durch einen fürchterlichen Unfall das Leben verloren, passiert nichts. Die Autos rasten mit einer Geschwindigkeit von fast 200 Km/h mitten durch die Stadt. Das Verfahren verschwand.

Die Eile im Prozess gegen Lula, hat nur die Absicht, ihm bei den kommenden Wahlen an der Kandidatur zu hindern, da seine Popularität trotz allem wieder rasant steigt und der Mann der sicher ein Stopp für den Ausverkauf des Landes bedeuten kann, aufgehalten werden muss.

Kafka_Der_Prozess_1925-Foto H.-P. Haack Wickimedia CC BY 3.0

Es kann möglicherweise sein, dass Lula da Silva in der Tat insofern auch ein Problem für wahrlich demokratische, progressive Parteien sein kann, wenn seine Abwesenheit dazu führen könnte, dass alle Hoffnungen auf eine Kursänderung der aktuellen neoliberalen Politik des unbeliebten, unpopulären und schon von einer enormen Mehrheit gehassten Michel Temer, sich nur auf Lula da Silva beschränken und er somit zum Hindernis für die Entstehung neuer politischer Kräfte würde.

Nichts daran lässt sich aber rechtfertigen wenn Richter Moro, der während der Untersuchungen mehrere „Indizien“ wie das Vorzeigen eines lächerlichen Schemas auf Power Point im Fernsehen an die Öffentlichkeit gelingen ließ, jetzt ebenfalls keine wahren und handfesten Beweise den Menschen zeigen kann. Es ist ein unmoralisches Verfahren, dass nur beweist dass in Brasilien und in Südamerika allgemein, „die richtigen“ Korrupt sein müssen und dürfen wenn sie nur den richtigen Paten haben. Andere sind sowieso verdächtig und von vornherein schuldig, ob Beweise vorliegen oder nicht.

Ex-Präsident Lulas Prozess ist eine der Schanden und Skandale dieses Jahrhunderts, die sich nur an die Fälle von Sacco und Vanzetti und an die Rosenbergs in den USA, wie auch an den Brand des Reichstags messen lassen. Dagegen schweigt die heutige internationale Presse, da Sensationalismus den Richtern und Henkern alles andere als Sympathien bescheren würde. Franz Kafka würde gegenwärtig auch in Brasilien unermessliche Inspiration für seinen Bestseller Der Prozess finden.

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Erstveröffentlichung am 28.12.2017 in INFO-WELT, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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