Rui Filipe Gutschmidt

Regionalwahlen auf Madeira –
kein Test für die Parlamentswahl Portugals in zwei Wochen

Rui Filipe Gutschmidt

Die autonome Region Madeira hat gewählt und zum ersten mal seit 43 Jahren kann die Mitte-Rechtspartei PSD/PPD nicht die absolute Mehrheit erringen. Doch viel wird sich nicht ändern, da sich eine Mehrheit nur mit dem „natürlichen“ Koalitionspartner der PSD, der christlich konservativen CDS verwirklichen lässt. Die Wahlergebnisse lassen dabei auch kaum Tendenzen für die Parlamentswahlen erkennen.

Die Wahlergebnisse für das Regionalparlament des Madeiraarchipels lassen kaum Rückschlüsse auf die nationalen Parlamentswahlen zu, die am 6. Oktober stattfinden werden. Die Mitte-Rechtspartei PSD regiert seit Einführung der Demokratie auf dem Atlantikarchipel. Seit 43 Jahren haben Alberto João Jardim (den man schon als „König von Madeira“ bezeichnet hat) und seine „Gang“ die Blumeninsel fest in ihrer Hand. Das System aus Unternehmern, Angestellten, Beamten und Steuerflüchtlingen, die ihre Privilegien den aufeinanderfolgenden absoluten Mehrheiten zu verdanken haben, bröckelt aber schon seit einiger Zeit.

Atlantikinsel Madeira – Bild von Florian Meißner, Flickr.com CC BY 2.0

Der Nachfolger von „König Jardim“, Miguel Albuquerque, verlor zwar nur 121 Stimmen im Vergleich zu 2015, aber er verliert 3 Abgeordnete, da die Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent auf 55,5 Prozent anstieg. Es hat nicht viel gefehlt und die selbstherrliche PSD wäre hinter der in Lissabon regierenden PS auf den zweiten Platz verwiesen worden. Nur 5241 Stimmen gaben der PSD den Sieg über die PS von Paulo Cafôfo.

Parteien Prozentsatz Abgeordnete
PSD: 39,40 21
PS: 35,70 19
JPP: 5,70 3
CDS: 5,47 3
CDU: 5,50 1
BE, PAN, MPT… 0
Wahlbeteiligung 55,50

Alle Parteien verloren Stimmen und Abgeordnete an die PS. Die Regierung in Lissabon hat aber eher weniger damit zu tun. Es ist eher so, dass den PSD-Stammwählern durch die Krise 2009 und entsprechende Troikaregierung PSD/CDS 2011-2015 die oben genanten Privilegien entzogen wurden und die Steueroase durch internationale Abkommen inzwischen fast völlig versandet ist.

Die PSD – Partido Socialdemocrata – ist im Gegensatz zu dem was der Name der Partei verheißen mag, alles andere als eine sozialdemokratische Partei. Geschichtlich war es in den 70er Jahren in Portugal „Mode“ links zu sein. Somit haben Parteien Bezeichnungen angenommen, die vorgeben weiter links zu sein wie dies im jeweiligen Parteiprogramm der Fall ist.

Die CDS Centro Democrático e Social – Partido Popular ist weder Zentristisch, noch sozialdemokratisch. Die Partei, die den Beinahmen PP (Partido Popular), also Volkspartei angenommen hat, ist konservativ, christdemokratisch veranlagt und hat immer wieder mal populistische Tendenzen. Keinen großen Unterschied hat die eher im Norden Portugals und in ländlichen Gebieten heimische Partei zur PSD.

Die PSD auf dem Kontinent ist ebenfalls konservativ, christdemokratisch, wirtschaftsliberal mit starken neoliberalen Tendenzen. Viele ehemalige Unterstützer der Faschisten des Estado Novo (Diktator Salazar) nannten sich nach der Revolution vom 25. April 1974 plötzlich „Sozialdemokraten“. Die Politik der Partei, die schon in den 70ern mit der PPD (Partido Popular Democrático) zusammenging, ist natürlich weder sozial, noch wirklich demokratisch. Das haben sie aber inzwischen auch mit der SPD und vielen anderen „Mitterechts- und Mittelinksparteien“ Europas und der Welt gemeinsam.

Die PS ist die eigentliche sozialdemokratische Partei in Portugal und auch wenn es klare Tendenzen gibt, die das Parteiprogramm nach Rechts ziehen wollen, so ist die aktuelle – linksgestützte – Minderheitsregierung in Lissabon eine der Ausnahmen in der Welt der Sozialdemokratie. Die Partei strebt einen Wahlsieg bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober an, konnte aber die PSD auf Madeira nicht vom Thron stürzen. Das beste Wahlergebnis aller Zeiten auf dem Atlantikarchipel wurde auf Kosten der kleineren Parteien erzielt und die 19 Abgeordneten können das Mitte-Rechtslager aus PSD und CDS auch dann nicht überbieten, wenn der Abgeordnete der Kommunisten (CDU) und die drei der „Gemeinsam für das Volk“ (auch eher Mitte-Rechts) mit ihnen eine Koalition eingehen. Der Linke Block, BE (Bloco Esquerda), der in den Umfragen für den 6. Oktober auf Platz 3 liegt und als möglichen Koalitionspartner für die PS gilt, verlor seine Präsenz im Regionalparlament auf Madeira.

Die wahrscheinlichste Variante wird wohl eine Koalition aus PSD und CDS oder eine durch die CDS gestützte PSD-Minderheitsregierung. Eine „GroKo“ ist in der portugiesischen Parteienlandschaft ausgeschlossen, da hier die Unterschiede zwischen Links und Rechts noch deutlich erkennbar sind. Erfreulich ist das Abschneiden der rechtsextremen PNR. Die radikalen Nationalisten bekamen 0,1 Prozent der Stimmen. Doch eine neoliberale, konservativ-erzkapitalistische Politik wird auch weiterhin auf Madeira den Ton angeben, was zumindest von einigen Privilegierten begrüßt wird. Das Leben der Armen auf den reichen Inseln wird sich aber kaum bessern, selbst wenn in Lissabon eine eher linke Politik auch für die nächsten Jahre zu erwarten ist.

Erstveröffentlichung heute oder vor ein paar Tagen in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.
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