Volkskorrespondent

Fritz Theisen

Wieder brutale, nächtliche Abschiebung in Stuttgart-Wangen

Fritz Theisen

Früh am 27. September 2019, um 3:11 Uhr(!) nachts wurde ich durch einen Anruf von Qemal I.*, 15, Schüler der Wangener Wilhelm-Schule in Stuttgart, aus dem Schlaf gerissen. Qemal berichtete, hörbar in Angst, dass die Polizei bei ihnen in der Wohnung (Stuttgart-Wangen, Renzwiesen) steht und die Familie (Roma, geflüchtet aus Mazedonien, laut Gesetz „sicheres Herkunftsland“) abschieben will. Die Familie war um 3:00 Uhr nachts unvermittelt aus dem Schlaf gerissen worden.

Ich bin sofort hingefahren und habe auch Frau N. angerufen, die die Familie ebenfalls unterstützt.

Ich habe vor Ort, in der Wohnungstür, die Polizei aufgefordert, die Aktion zu unterlassen, da Herr Haxhi I. (Qemals Vater) vor Kurzem mit einer Herzattacke im Krankenhaus war. Antwort der Polizei: „Wenn Herr I. nicht reisefähig ist, werden die anderen trotzdem abgeschoben.“

Die vier Polizisten haben sich auf nichts eingelassen, haben erklärt, dass sie den Auftrag hätten, die Familie zur „Abschiebegruppe“ nach Ludwigsburg (LB) zu bringen.

Auch Frau N. kam nun hinzu. Sie wurde zur Familie gelassen. Sie hat geholfen, dass einige wichtigste Dinge (Papiere, Medizin, Kleidung) bei der Familie sind. Sie konnten aber nur sehr wenig mitnehmen.

Frau Sukra I. (die Mutter) war am Boden zerstört und völlig aufgelöst! Die kleine Tochter Gylten (9) weinte bitterlich. Sie hat seit wenigen Tagen eine kleine Katze, die sie zurücklassen musste. Da die Katze andernfalls ins Tierheim gebracht wird, hat Frau M. sie zunächst zu sich genommen. Das Kätzchen braucht einen neuen Menschen. Gylten war es ganz wichtig, dass es das Kätzchen gut hat! Qemal und Haxhi versuchten mit großer Mühe, einigermaßen die Fassung zu behalten.

Weil ich mich sehr empört habe, da ich die Familie I. seit Jahren betreut habe, wurde ich von der Polizei gar nicht in die Wohnung gelassen, und mehrfach wurde vom Einsatzleiter gedroht, mich entfernen zu lassen.

Die Polizei behauptete mir gegenüber, sie habe für die Familie I. bei der „Abschiebegruppe“ in LB angerufen, dass da der Arzt (Es scheint einer zu so einer Gruppe dazu zu gehören!) sich um die Familie kümmern soll.

Alles Diskutieren half nichts. Gegen 4:15 Uhr mussten alle 4 in die Polizeiwagen und werden weggebracht.

Qemal I. ist ein aktiver und schöpferischer Rapper in Stuttgart. Sein vom Munde abgespartes Keybord, zwei Bildschirme Laptop, und allerhand Zubehör, praktisch ein kleines Tonstudio für seinen Rap – alles musste er zurücklassen. Das gilt natürlich auch für Schulsachen, für Kleidung, für Haushaltsgeräte und viele Lebensmittel. Wir konnten die Wohnungsschlüssel an uns nehmen.
Frau N. und ich haben morgens beim Arbeitgeber der Eltern(einem türkischen Supermarkt in Stuttgart-Wangen) und der Wilhelm-Schule Bescheid gesagt, was geschehen ist.

Familie I. hatten eine Wohnung, Haxhi und Sukra I. hatten seit über einem Jahr Arbeit, sind also Arbeiterin und Arbeiter, zahlen Steuern und Sozialbeiträge, haben 0,00 Euro Sozialhilfe bekommen, die Kinder gehen zur Schule. Die Familie ist gut integriert und bekannt bei zahlreichen Freund/innen und Unterstützer/innen.

Auf einem internationalen Kulturfest in Stuttgart Wangen vor einigen Monaten trat Qemal I. mit seiner Rap-Gruppe auf. Er berührte tief die mehr als hundert Anwesenden mit einem Rap auf seine Eltern.

All das interessiert das Regierungspräsidium Karlsruhe, das all diese empörenden Abschiebungen zentral für Baden-Württemberg organisiert, überhaupt nicht!

Die Familie hat am 8. Oktober 2019 einen Termin bei der Ausländerbehörde Stuttgart, zu dem sie umfangreiche Unterlagen mitbringen soll. Das Regierungspräsidium hatte in letzter Zeit nach Jahren relativer Ruhe und Funkstille eine zunehmend feindselige Haltung gegenüber der Familie eingenommen. Aber dass sie diesen Termin hatte, ließ uns annehmen, dass man sich wennigstens darauf verlassen kann. Menschen wie die Familie I. und die Unterstützer/innen können diesen Behörden offenbar nicht vertrauen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe, bzw. die für die Abschiebungen zuständige Abteilung ist bekannt für völlig unzugängliches Gebahren und in ihren Entscheidungen oft für unmenschlich hartes Vorgehen.

Inzwischen ist es gelungen, mit Qemal über WhatsApp Kontakt zu bekommen. Er berichtet, dass sie entgegen den Aussagen der Polizei keinerlei ärztlichen Kontakt mehr bekommen hatten. In dem Flugzeug nach Mazedonien seien zahlreiche langjährig in Deutschland ansässige, teils gut integrierte, arbeitende Menschen abgeschoben worden.

Qemal fordert für seine Familie, dass Ausweisung und Abschiebung rückgängig gemacht werden. Die Familie ist zur Zeit notdürftigst bei Verwandten in einem mazedonischen Dorf untergekommen. Sie ist arm. Sie besitzt weder nennenswerte Geldmittel noch irgendein Haus oder Wohnung und kann wieder dort landen, von wo sie vor mehreren Jahren mit ihren damals noch kleinen Kindern floh, auf der Straße in Mazedonien. Mazedonien ist – wie auch das benachbarte Albanien – alles , nur kein sicheres Herkunftsland für Roma. Sie sind stets von rassistischer und Behörden-Willkür beroht.

Integration life in Deutschland, im Grün-Schwarz regierten Baden-Württemberg immer wieder ein Fremdwort!

* Namen geändert
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