Rui Filipe Gutschmidt

Großbritannien setzt Portugal auf die Rote Liste der Urlaubsziele

Rui Filipe Gutschmidt

Portugals Wirtschaft lebt zu einem großen Teil vom Tourismus. Die Pandemie hat einen schweren Schlag gegen die Branche bewirkt, durch den Tausende ihre Jobs, ihr Einkommen verloren. Jetzt kommen die Touristen langsam wieder, aber die britische Regierung lässt ihre Bürger nur nach Portugal, wenn sie auf dem Heimweg in Quarantäne gehen.

Laut Euronews wird Portugal von der britischen Regierung in naher Zukunft nicht als sicheres Reiseziel eingestuft. Für britische Touristen, zumindest für diejenigen, die auf dem Heimweg die Quarantäne vermeiden wollen, ist Portugal also dieses Jahr Tabu.

Laut BBC und The Telegraph werden Portugal und Schweden von der Liste der sicheren Länder ausgeschlossen, die heute von der britischen Regierung vorgelegt wird. Besagte Liste enthält die Länder die in Bezug auf Covid-19 als sicher gelten, damit die Briten ab Montag, 6. Juli in den Urlaub reisen können.

Portugal mit Warnhinweis auf der Sicherheitsliste der Reiseziele für britische Urlauber

Die Liste wird in drei Ebenen unterteilt: Grün für sichere Länder, Gelb für Risikoländer und Rot für verbotene Länder, abhängig von der Verbreitung des Virus in ihrem Hoheitsgebiet.

Für Sean Tipton von der Association of British Travel Agencies ist es „gut“, eine Liste sicherer Ziele zu haben, damit Unternehmen wieder arbeiten können. „Aber es wäre besser gewesen, wenn wir etwas früher informiert worden wären, weil Unternehmen vorausplanen müssen. Das ist nicht so, als würde man einen Wasserhahn aufdrehen“, kritisierte Tipton.
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Dabei kommen erste Fragen auf…

Eines der Ziele, das von den Briten als sicher angesehen wird, ist Spanien, das dritte von der Pandemie am stärksten betroffene europäische Land nach dem Vereinigten Königreich selbst und Russland. Die Infektionsdaten zeigen jedoch, dass sie sich in Spanien jetzt weniger verbreitet als in Portugal, zumindest nach offiziellen Angaben beider Regierungen. Doch das ist nur richtig, wenn man den alten Spruch „Lissabon ist Portugal und der Rest ist für die Aussicht“ als wahr ansieht. Denn nur der Großraum Lissabon ist von steigenden Neuinfektionen betroffen.

Der BBC-Journalist Mark Lowen, der derzeit in Rom (Italien) stationiert ist, aber eine enge Verbindung zu Portugal hat, unterstreicht die Frustration über die Abwesenheit Portugals von der Liste der sicheren Länder Großbritanniens. Griechenland wird ein weiteres Urlaubsziel sein, das für die Briten als sicher gilt und stark nachgefragt wird.

Frankreich, Italien, Belgien und sogar die Türkei, Länder, in denen das neue Coronavirus seit März sehr aktiv ist, werden voraussichtlich ebenfalls auf der Liste der sicheren Länder stehen, die von der Regierung Boris Johnson bekannt gegeben wird.

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Wieder läuten die Alarmglocken bei mir…

Der portugiesische Innenminister kritisiert die britische Regierung scharf. In Portugal, wo der britische Tourismus ein Gewicht von fast 20% an an den Buchungen hat, ist die Verärgerung klar zu spüren. Innenminister Eduardo Cabrita wird von der spanischen Zeitung El País zitiert:

„Es ist nicht Portugal, das gefährdet ist. Es gibt keinen Grund. Portugal hat bessere Indikatoren für die öffentliche Gesundheit und die Reaktion auf die Pandemie als das Vereinigte Königreich“, betonte der portugiesische Minister.

Die Staatssekretärin für Tourismus sprach mit dem BBC-Frühstücksprogramm und unterstrich die Tatsache, dass Portugal vom World Tourism and Travel Council zum sichersten Reiseziel in Europa gewählt wurde, und lobte das Land auch als „sauberes und sicheres Reiseziel“ zu sein. „Einige Länder stehen auf dieser Liste, und Portugal kämpft um einen Platz“, sagte Rita Baptista Marques und garantierte, dass die Situation durch massive Tests „vollständig unter Kontrolle“ ist.

In der Aktualisierung des epidemiologischen Bulletins dieses Samstags berichteten die Gesundheitsbehörden von 323 weiteren Infektionen und sechs Todesfällen im Rahmen von Covid-19. Unter den Neuinfektionen wurden 255 in der Region Lissabon und Vale do Tejo diagnostiziert, die derzeit am stärksten betroffen ist.

Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (ECDC) war Portugal an diesem Samstag das zweitschlechteste europäische Land in Bezug auf aktive Fälle pro 100.000 Einwohner, die in den letzten zwei Wochen mit 45,6 weit über dem Vereinigten Königreich mit 24.62 und nur hinter Schweden mit 151.01 eingestuft wurden. Dies ist das willkürliche Kriterium, dass von den Ländern berücksichtigt wird, die Portugal auf die Risikoliste gesetzt haben.

Ein britischer Regierungssprecher, der nicht von der BBC identifiziert wurde, hätte immer noch vorgeschlagen, dass britische Touristen, die wirklich in Portugal Urlaub machen möchten, die Quarantäne vermeiden können, wenn sie über Spanien reisen und den Rest der Reise mit dem Auto unternehmen.
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Großbritannien befürchtet einen erneuten Ausbruch von Infektionen

Seit dem 8. Juni hat das Vereinigte Königreich alle aus dem Ausland ankommenden Personen verpflichtet, eine 14-tägige Quarantäne einzuhalten, um mögliche neue Ansteckungsausbrüche zu verringern. Nichtbeachtung kann eine Geldstrafe von bis zu tausend Euro kosten.

Aber in einem Land mit mehr als 310.000 bestätigten Fällen, fast 44.000 Todesfällen in Covid-19 und einer Rate neuer täglicher Fälle über 800 scheint das größte Problem im Inneren zu liegen.
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Cui bono? Wer verdient damit und auf wessen Kosten?

Es gibt einige Urlaubsländer, die ohne dem regelmäßigen Zustrom von Touristen abhängig sind. In ganz Europa hängen Millionen direkte und indirekte Arbeitsplätze davon ab, dass Menschen aus aller Welt sich von ihrer alltäglichen Arbeit erholen und somit auch für eine Umschichtung des Geldes aus Nord- nach Südeuropa sorgen.

In der aktuellen Notlage ist der „Wettbewerb“ eher ein Kampf ums Überleben. Ein Kampf, der vom Kapital ohne Rücksicht auf Regeln, internationales Recht oder, hoffentlich keinesfalls so etwas trivialem wie Moral, geführt wird. Ist angesichts der Tatsachen also gar nicht mal so abwegig, dass die britische Regierung Länder aus Gründen auf die rote Liste gestellt hat, die nicht mit der Pandemie zu tun haben. Wie üblich wird Portugal, der seit dem 14. Jahrhundert mit Großbritannien verbündet ist, von der britischen Regierung übergangen. Inwieweit Reiseveranstalter und Tourismus-Lobbys aus Spanien, Frankreich oder Italien ihre Finger im Spiel haben ist unklar, aber wenn man sich die Fakten ansieht, kann man die Möglichkeit nicht ausschließen.


Erstveröffentlichung heute oder vor ein paar Tagen in unserer Partnerzeitung INFO-WELT.

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