Redaktion ROTER MORGEN

Arme gegeneinander ausspielen, ist nicht links

In Indien sind in mehreren Regionen, Menschen auf die Straße gegangen, um sich mit zwei neuen Opfern sexueller Gewalt zu solidarisieren und gegen das Verhalten der Polizei zu demonstrieren. Die Polizei versuchte im Heimatdorf eines der Opfer die Proteste massiv einzuschränken.

Die brutale Vergewaltigung einer 19-Jährigen hat in Indien die Menschen auf die Straße gebracht, hier am Dienstag in Neu-Delhi. Bild: YouTube

Zuvor war – zum zweiten Mal innerhalb einer Woche – im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh, eine junge Frau der untersten Kaste, nach einer brutalen Gruppenvergewaltigung gestorben. Sie war eine „Dalit“, also ein Teil der untersten Gemeinschaft im Kastensystem. Auf diesem System beruht, insbesondere in den ländlichen Gegenden, die Unterdrückung von Teilen der Bevölkerungen. Doch nur selten verfolgen die Behörden Verbrechen in diesem Teil der indischen Gesellschaft

Der Bruder des Opfers erzählt, im indischen Fernsehen, dass mehrere Männer aus einer höheren Kaste seiner Schwester aufgelauert hätten. Er sei zur Polizei gerannt, die habe nichts unternommen. Später habe seine Mutter, seine Schwester gefunden – röchelnd in einer Blutlache:

„Sie konnte kaum atmen, der Nacken war verdreht, sie konnte weder ihre Hände noch ihre Beine bewegen. Ihre Zunge war zerschnitten, sie konnte kaum reden. Die haben ihr das Rückgrat gebrochen.“

Sie verstarb zwei Wochen nach der Tat an den Folgen der Misshandlung.

Die Familie des Opfers gehört zu den Dalits und betrachten sich als Nachfahren der indischen Ureinwohner. Sie bilden die unterste Kaste im System, das ursprünglich Menschen eine Wertigkeit, zugeordnet hat, je nach der Arbeit, die sie verrichteten. Dalits haben beispielsweise im Abwassersystem gearbeitet und so die Gesellschaft versorgt, galten dennoch als die „Unberührbaren“. Insbesondere in ländlichen Gegenden prägt das Kastensystem noch immer den Alltag vieler Inder. Junge Dalits nehmen die ständige Untätigkeit der Behörden, bei Verbrechen gegen sie immer häufiger zum Anlass, um selbstbewusst ihre Rechte einzufordern.

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Polizei versucht, Familie einzuschüchtern

Die Polizei versucht bis heute, die Vergewaltigung der 19-Jährigen, zu leugnen. Daraufhin sind im Wohnort des Opfers, aber auch in der Hauptstadt Neu-Delhi, heftige Proteste entbrannt. Schnell riegelte die Polizei deshalb den Wohnort der Familie ab und zerschlug die dortigen Proteste der Opposition.

Immer mehr Menschen gehen wegen den vielen Vergewaltigungen in Indien auf die Straße. Bild: YouTube

Ein nicht mehr öffentliches Video zeigt, wie der Landrat mit der Familie des Opfers zusammensitzt. Laut Übersetzung der tagesschau bedroht er den Familienvater: „Du solltest jetzt deine Glaubwürdigkeit besser nicht verlieren. Ich sage dir jetzt mal was: Die Hälfte der Journalisten sind schon jetzt weg, die andere Hälfte wird ziemlich bald hier abziehen. Wir aber bleiben immer hier. Es liegt an dir, ob du deine Aussage ändern willst oder nicht.“.

Die mutmaßlichen Täter sind Teil der sogenannten „Thakur“-Kaste. An diese Kaste der sogenannten „Verwalter“ oder „Herren“ gehen die mächtigsten Posten, viele höhere Polizeibeamte gehören ihr an. Wenn Männer eine Frau vergewaltigen und diese an den Verletzungen verstirbt, wird das Verbrechen eigentlich mit der Todesstrafe geahndet.

Auf den Druck der Proteste musste der Staat reagieren. Nun übernimmt die Bundespolizeibehörde den Fall. Roter Morgen wird mehr berichten, wenn weitere Informationen bekannt werden.

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Erstveröffentlichung heute in ROTER MORGEN. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers und des Autors.

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