Jairo Gómez

Genug ist genug

Jairo Gómez

Die Jugend der Vereinigten Staaten wacht auf und erhebt ihre Stimme im ganzen Land. Sie will endlich ein schärferes Waffengesetz. Das Maß ist voll. Es hat zu viele Tote  durch Schusswaffengebrauch gegeben. Könnte dieses Aufbegehren das Potential für etwas größeres in sich bergen?

Enough is enough – Bild von Jairo Gomez mit freundlicher Genehmigung des Autors

Es scheint so, als ob  sich in den USA die Jahrhunderte währende Unbekümmertheit mit der man mit Waffen umgegangen ist, nun rächt. Die USA haben im Unterschied zu anderen Ländern, eine umstrittene Gesetzgebung, was den Erwerb und den Besitz von Waffen angeht. Der 2. Verfassungszusatz von 1791 garantiert den Besitz und das Tragen von Waffen auf Bundesebene. Darauf berufen sich die mächtige NRA und einige andere Lobbygruppen.

Während dieser Verfassungszusatz aus der Pionierzeit stammt, ist die Entwicklung der Waffen nicht stehen geblieben. Waffen, die nur in Hände des Militärs gehörten (wenn sie denn überhaupt jemand in die Hände bekommen sollte), haben das Land förmlich überschwemmt. Es ist keine Seltenheit, dass sich Straßengangs mit AK-47, M-16 oder AR-15 Sturmgewehren bekämpfen. Die sture Weigerung der NRA eine Verschärfung des Waffenrechts zuzulassen, erweist sich als ein permanenter Rohrkrepierer, der einen immer höheren Blutzoll fordert.
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„ENOUGH IS ENOUGH!“

Laut Statistik sind die Vorfälle von Schusswaffengebrauch und dadurch getötete Menschen in den USA, von 2014 bis 2017 stetig gestiegen. Dieses Jahr sind bisher schon 2997 Todesopfer zu verzeichnen. Das Massaker von Parkland im Februar diesen Jahres hat bei der Jugend der USA das Fass zum überlaufen gebracht. Sie hat sich in kürzester Zeit organisiert und am 24.03. war der Ruf:“ Enough is enough! – Genug ist genug!“ in ganzen Land zu hören. Zu viele Menschen sind durch Schusswaffen gestorben, an Orten an denen sie sich sicher wähnten. Schulen, Gotteshäuser, Kinos und Supermärkte. Auf dem Weg von oder zur Arbeit, an Bushaltestellen und auf dem Weg zur Schule.

Waffenladen in Colorado – „Darf’s ein bischen mehr sein?“

Die Jugend fühlt sich von den Erwachsenen verraten und verkauft. Es ist die Generation der Eltern, die in Interessengemeinschaften wie der NRA (National Rifle Association of America) zusammengeschlossen sind und seit Jahrzehnten eine Verschärfung des Waffenrechts in den USA verhindern. Es ist auch die Generation der Eltern, die als Politiker im Kongress der USA stets die Forderungen und Interessen der Waffenlobby und der Rüstungsindustrie durchsetzen. Die Profitgier macht nicht einmal Halt vor der eigenen Jugend. Abstruse Vorschläge wie die Lehrerschaft im Waffengebrauch zu unterweisen oder bewaffnete Security Leute in Schulen einzuquartieren, versteht die US-amerikanische Jugend als Zeichen dafür, dass den Erwachsenen in Wirtschaft und Politik, Profit und Karriere wichtiger ist als die Zukunft des Landes, die Jugend.

In den USA fallen keine Bomben und es sind auch keine fliegenden Standgerichte am Himmel zu sehen, der Krieg den sie in andere Länder über Jahrzehnte hinweg getragen haben, ist meines Erachtens, als Bumerang in die USA zurückgelangt. Armut, fehlende Zukunftsperspektiven, Arbeitslosigkeit und ein mehr als mangelhaftes Gesundheitssystem, ist die Hinterlassenschaft der Generation, die aktuell am Ruder ist. So ist es kein Wunder, dass von eben diesen jungen Menschen die klare Ansage kommt: “Vote them out! – Wählt sie ab!“. Ein starkes Signal, denn ethnische oder religiöse Unterschiede spielten keine Rolle.
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EUROPAS BUMERANG

In Europa spielt sich (noch) nicht das gleiche Szenario ab wie in den USA, das Potential dafür ist jedoch vorhanden. Auch Europa hat seine eigenen Bumerangs geworfen in Form von Kolonialismus, Waffenhandel, Unterstützung von Despoten und Zerstörung von Märkten mittels Knebelverträgen wie das Freihandelsabkommen mit afrikanischen Staaten EPA geworfen, die jetzt in Form von Flüchtlingen und Terroranschlägen zurück kommen.

Das ist aber noch nicht alles, laut Statistik gab es im Januar diesen Jahres in der EU 17.931.000 Arbeitslose, davon sind ca. 20% Jugendliche. Das ist ein gewaltiges Potential an sozialem Sprengstoff. Und es brodelt schon seit geraumer Zeit. Indikatoren dafür sind Zonen wie die Banlieues in Frankreich, wo es schon mehrere Male zu Gewaltausbrüchen gekommen ist.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist auch in Europa stark gestiegen. Besonders hoch ist sie in Ländern wie Spanien

Natürlich kann man die Proteste in den USA isoliert sehen, weil es abgesehen von den Kriegsgebieten in der Welt kaum Orte gibt, wo so viele Menschen durch Schusswaffengebrauch verletzt oder getötet werden wie in den Vereinigten Staaten. Ein Land dass zerrissen ist, weil es sich  zur gleichen Zeit in der Vergangenheit und in der Gegenwart befindet und die Zukunft auch schon an es zerrt. Es wird an maßgeblichen Stellen anscheinend nicht erkannt, dass die Pionierzeiten im eigenen Land vorbei sind. Es gibt keine Natives, die man von ihrem Land vertreiben kann, die meisten leben in Reservaten und viele vegetieren dahin. Büffelherden gibt es nur noch in Naturparks und die großen Eisenbahnverbindungen zwischen Ost und-Westküste sind längst fertiggestellt. „Wild wild West“ ist längst tot und die Gesetzgebung dazu ist ein Anachronismus, der nur dazu dient Profit auf Kosten von Menschenleben zu machen.
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TÖDLICHE HINTERLASSENSCHAFTEN

Es brodelt auf unserem Planeten überall und wenn man genauer hinsieht, ist es die junge Generation die aufbegehrt. Sie leidet über ethnische, religiöse oder ideologische Grenzen hinweg, an den Auswirkungen einer Pandemie die seit Urzeiten grassiert und nicht wirklich als eine solche wahrgenommen wird: Gier nach Profit und damit auch nach Macht. Das ist nicht neu, es existiert meines Erachtens, seit der Mensch aufhörte in überschaubaren Clans zu leben und damit begann in Städten zu leben. In seinem Expansionsdrang hat er den Planeten mehrmals umrundet, hat erobert, kultiviert, ausgebeutet, unterdrückt und weiter ausgebeutet. Nun ist der Planet zum größten Teil vernetzt und es gibt keine weißen Flecken auf unseren Landkarten. Die Ressourcen gehen zur Neige und alles was ab jetzt passiert geht unmittelbar zu Lasten kommender Generationen.

Frankreich ist Europas Atomstaat Nummer eins – und will diese Position weiter ausbauen. Das Atomkraftwerk in Tricastin ist nach Angaben der Betreiber die größte solcher Anlagen weltweit und erstreckt sich über 600 Hektar. Doch immer wieder gibt es Probleme in Tricastin: 2008 gab es zahlreiche Zwischenfälle. Mal gelangte radioaktives Uran durch ein defektes Ventil in einen unterirdischen Abwasserkanal, mal wurden bei der Inspektion etwa 100 Menschen leicht kontaminiert.

Nukleare Energiepolitik ohne eine wirkliche Lösung des Endlagerungproblems, riesige schwimmende Inseln aus Kunststoffmüll, auf Hunderttausende von Jahren radioaktiv verseuchte Landstriche in Kriegsgebieten, in denen man Munition mit abgereichertem Uran benutzt hat, Zerstörung von Regenwäldern, die für die Sauerstoffproduktion wichtig sind, einen zunehmende Totalüberwachung von Bürgern in der ganzen Welt, die Liste der Hinterlassenschaften ist noch viel länger. Für all das wird schon die nächste Generation damit beginnen die Zeche zu zahlen.

Nein, die vielen Toten in den USA kann man nicht isoliert betrachten, es ist ein Auswuchs einer Kamikaze Mentalität, die sich über den gesamten Globus ausgebreitet hat und sich den Umständen entsprechend manifestiert. Es bleibt zu hoffen, dass der „Marsch für ihre Leben“, der sich am 24.03. in Gang gesetzt hat, nicht auf halbem Weg zum stehen kommt. Idealerweise sollte es als ein Startsignal für die Jugend auf der ganzen Welt sein, damit sie sich in einer homogenen Bewegung Gehör verschafft und sich nicht ihrer Zukunft berauben lässt.

Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
Dieser Artikel erschien auch vor ein paar Tagen auf unserem Partnerblog „Graswurzel Post – Stimmen von unten„. Wir danken Jairo Gómez für die Genehmigung der Veröffentlichung.
Dieser Artikel erschien auch vor ein paar Tagen auf unserer Partnerseite  INFO-WELT
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Über den Autor: Seit 1967 lebt der im spanischen Granada geborene Bernardo Jairo Gomez Garcia in Deutschland. Schon vor seinen Ausbildungen zum Trockenbaumonteur und Kfz-Lackierer entdeckte Gomez seine Leidenschaft für die Kunst. Er studierte an einer privaten Kunsthochschule Airbrushdesign und wechselte aus der Fabrikhalle ans Lehrerpult. 14 Jahre war Gomez als Spanischlehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Interessen gelten der Politik, Geschichte, Literatur und Malerei. Für Neue Debatte schreibt Jairo Gomez über die politischen Entwicklungen in Spanien und Lateinamerika und wirft einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa, seit kurzem betreibt er seinen eigenen Blog, „Graswurzel Post – Stimmen von unten„.
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