Nico Diener

Was die »Tagesshow« verschweigt

Die DDR schrieb bis zum 12. April 1990 schwarze Zahlen
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Nico Diener

1990: Von wegen katastrophale Lage! Die DDR-Regierung entwickelte eine solide Wirtschaftspolitik und präsentierte im April schwarze Zahlen. Fakt ist, dass das Volksvermögen in der DDR ca. 1,2 Billionen DM betrug. Da sind die Schulden schon abgerechnet die ein Witz waren. Die Treuhand hat daraus in vier Jahren 480 Millionen Minus gemacht. Die haben, da es ja Volksvermögen war, uns alle um mindestens 1.7 Billionen DM beschissen. Das sind grobe Schätzungen, die jedoch von der UNO herausgegeben wurden.
Professor Dr. Jörg Roesler veröffentlichte am 11. April 2015 in der Onlinezeitung »monopoli« einen Artikel, der die ganzen Ausmaße des größten Volksbetruges nach dem Zweiten Weltkrieg aufdeckt. Er schreibt u. a.:

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Proteste gegen die Treuhand 1990

„Am 9. April 1990 hielt Ministerpräsident Hans Modrow vor führenden Wirtschaftsvertretern der Bundesrepublik im Wirtschaftsclub Rhein/Main in Frankfurt einen Vortrag über die ökonomische Entwicklung in der DDR zwischen November 1989 und April 1990.
Mehr als 400 Manager hatten sich eingefunden, um dem nach den Wahlen vom 18. März 1990 lediglich noch für wenige Tage amtierenden DDR-Ministerpräsidenten zuzuhören. Was er sagte, dürfte nur jene Manager verwundert haben, die nicht im »Ostgeschäft« aktiv waren und dort keine Jointventures  betrieben. Denn Modrow präsentierte eine positive Bilanz der ostdeutschen Wirtschaftsentwicklung in den zurückliegenden Monaten, die Nettoverschuldung der DDR eingeschlossen.

Die Bonner Politiker und alle jene Bundesbürger, die auf Berichte in den Medien angewiesen waren, musste dagegen das, was sie am nächsten Tag auch in knappen Worten in der Zeitung lesen konnten, verblüffen. Denn bereits am 24. Januar – bei einem »deutschlandpolitischen Gespräch« bei Helmut Seiters, an dem außer dem »Chef des Bundeskanzlers und Bundesministers für besondere Aufgaben« und der »Ministerin für innerdeutsche Beziehungen«, Dorothee Wilms, weitere acht hochrangige Bundesbeamte teilgenommen hatten – war man sich mehrheitlich darüber einig gewesen, dass die DDR-Wirtschaft nicht mehr lange funktionieren werde.

Heide Pfarr, ihres Zeichens Senatorin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte Berlins beim Bund, wollte sogar in Erfahrung gebracht haben, dass »nach den in West-Berlin vorliegenden Informationen« in der DDR seit November »die Produktion auf ein Drittel zurückgegangen sei«. Klaus Kinkel, Staatssekretär im Bundesjustizministerium meinte am Ende des Gedankenaustauschs, man solle sich »jetzt schon eine Eventualfall-Planung überlegen für den Fall eines Zusammenbruchs in der DDR«. (Der selbe Kinkel sagte nur 6 Monate später als Justizminister zum Richtertag, das man die DDR mit allen Mitteln zum Unrechtsstaat definieren müsse.)

Zwischen den Einschätzungen der Runde der Staatssekretäre von Ende Januar und Modrows Beurteilung seiner Amtszeit von Anfang April liegen Welten, was die wirtschaftliche Entwicklung der DDR im ersten Quartal 1990 betrifft.
Als Historiker stets auf der Suche nach der Wahrheit befragte ich die Daten der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR bzw., wie es 1990 hieß, des Statistischen Amtes der DDR.
Das mag verwundern. Denn, dass diese Statistiken die ostdeutsche Wirtschaft zu rosig malen würden, ja gefälscht seien, war in der bundesdeutschen Presse im Jahr 1990 Tag für Tag zu lesen und ist heute Gemeingut eines jeden Bürgers sowohl in den alten als auch den neuen Bundesländern.

Nur einer der auf jener Sitzung anwesenden Staatssekretäre, Franz Bertele, ließ sich von den in rascher Folge in die Welt gesetzten Tatarenmeldungen nicht beeindrucken.
Der Leiter der »Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR« schätzte ein, dass die Wirtschaftslage in der DDR »zur Zeit nicht schlechter geworden sei. Die Situation sei zweifellos prekär, aber er sehe auch die Möglichkeit, dass sie sich stabilisieren könnte«.
Für ihn war unbestritten, dass man den im DDR-Publikationsorgan Die Wirtschaft, die nach jahrelanger Zensur, in der »Wende« als »Unabhängige Wochenzeitung« wieder auferstanden war, veröffentlichten Daten des Statistikamtes vertrauen könne.
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US-Ökonomen bestätigen Modrow

Ganz genau wusste man das allerdings erst im Frühjahr 1991, als der Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, Egon Hölder, auf der Messe in Hannover eine Erklärung verlas, der eine monatelange Überprüfung des Datenmaterials des Statistischen Amtes in Ostberlin zugrunde lag.

In dem Statement von Hölder, dem der Ergebnisbericht »Untersuchung zur Validität der statistischen Ergebnisse für das Gebiet der ehemaligen DDR« zugrunde lag, hieß es: »Die von uns durchgeführte Studie untersuchte konkret die Statistik im produzierenden Gewerbe, im Einzelhandel und in der Landwirtschaft. (…) Welchen Einfluss hatte nach unserer Erkenntnis die zentrale Planung auf die Ergebnisse? Das Ist-Ergebnis wurde streng kontrolliert und war weitestgehend richtig. (…)
Mit anderen Worten: Die Statistik zeichnete im wesentlichen die Realität nach
Hölders Erkenntnisse war der bundesdeutschen Presse nur eine kurze Notiz wert und ist bis heute weitgehend unbekannt geblieben.

Zu den wenigen aus dem Westen, die sich nicht von dem hatten beeindrucken lassen, was in der bundesdeutschen Presse über die DDR-Statistik und den Zustand der ostdeutschen Wirtschaft stand, gehörte 1990 auch eine Gruppe von vier US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern von der angesehenen University of California in Berkeley – darunter der spätere Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, George A. Akerlof, und Janet L. Yellen, die heutige Präsidentin der US-Notenbank.
Die Gruppe reiste 1990 in beide Teile Deutschlands, sah die nicht mehr geheimen ostdeutschen Wirtschaftsdaten ein, befragte dort tätige Ökonomen und veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Forschungen 1991 in den angesehenen Brookings Papers on Economic Activity.
Nach den ermittelten Wirtschaftsdaten war die Industrieproduktion der DDR, die in den Jahren 1986 bis 1989 noch Jahr für Jahr moderat gestiegen war, erstmals im November 1989 um 1,4 Prozent gesunken und im Dezember noch einmal um einen weiteren Punkt. Gemessen an den Rückgängen der beiden Vormonate fiel der Januar 1990 mit einem weiteren und kräftigeren Rückgang – um 3,2 Prozent – tatsächlich auf.
Doch stieg die Industrieproduktion im Februar (+ 2,2 Prozent) und März (+1,2 Prozent) wieder an. So erreichte die Industrie in der DDR wieder den Dezemberwert von 1989 bzw. das 1988 monatsdurchschnittlich Niveau.

Lothar de Maizière und Kohl – Ringelpitz mit anfassen

Modrow hatte also, als er am 9. April im Wirtschaftsklub Rhein/Main sprach, nicht geblufft. Die Industrie war das Rückgrat der sozialistischen Wirtschaft, und dem weiteren Rückgang der Industrieproduktion war Einhalt geboten worden. Die in seinem Kabinett für die Entwicklung der Ökonomie verantwortlichen Regierungsmitglieder, allen voran die Wirtschaftsministerin Christa Luft, hatten gute Arbeit geleistet und moderate Erfolge erzielt – ungeachtet der Schwierigkeiten, denen sich die ostdeutsche Wirtschaft im ersten Quartal 1990 gegenüber sah.

Modrow-Nachfolger Lothar de Maizière (Mitte) strebte nur noch die von Bundeskanzler Helmut Kohl geforderte Wirtschafts- und Währungsunion an – ohne die Reformen des Vorgängers abzuschließen. Der Kanzer übernahm die erste Geige willig, denn wo sonst hatte man die Gelegenheit 16 Mio Menschen ihres Eigentums zu berauben.“  weiter >>>>
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