Frank Burkhard

Vom Versuch, eine Stelle zu ergattern

Das 28. Schweriner Filmkunstfest verlieh am Wochenende seine Preise

Frank Burkhard

Volle Säle im Kino Capitol: Das Schweriner Filmkunstfest mit mehreren Jurys zeigte einen Dokumentarfilm-, einen Kinderfilm- und einen Kurzfilmwettbewerb sowie interessante Nebenreihen. Der Schwerpunkt war dem georgischen Film gewidmet und bot sowohl Klassiker wie Giorgi Schengelajas „Pirosmani“ (1969), der sich ästhetisch eng an die Bilderwelt des Malers Niko Pirosmanaschwili (1862-1918) anlehnte, als auch aktuelle Filme. Herzstück des Programms war der Spielfilmwettbewerb, und da hat es das Team um Festivalchef Volker Kufahl gut! Die Kriterien für den Leistungsvergleich sind nicht so streng wie beispielsweise bei der Berlinale, weshalb hier auch Filme laufen können, die bereits auf anderen Festivals gezeigt wurden. In der FIPRESCI-Jury beispielweise verliehen die internationalen Filmjournalisten ihren Preis Thomas Stubers Großmarkt-Film „In den Gängen“, der im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb der einzige Beitrag war, der sich ausdrücklich mit der Arbeitswelt befasst hatte – hier in einem (weitgehend in Bitterfeld gedrehten) Großmarkt.

In Schwerin kam die Realität häufiger zum Zuge. So verknüpfte der Hauptpreisträger „Styx“ des Österreichers Wolfgang Fischer das Berufsethos einer Notärztin (Susanne Wolff), die im Atlantik segelt, mit der Flüchtlingsproblematik. Sie wird Zeugin der Tragödie von Bootsflüchtlingen und kann nichts tun. Die Küstenwache verbietet es ihr per Funk, greift aber auch nicht ein. Als die Ärztin einen Flüchtlingsjungen rettet, wendet sich diese gute Tat gegen sie. Neben dem Fliegenden Ochsen gewann der Film auch den Preis für die beste Tongestaltung sowie den Zuschauerpreis. Im August kommt er in die Kinos.

Mit dem nach einem Spiel benannten Streifen „Reise nach Jerusalem“ stellt die italienische Debütantin Lucia Chiarla die vergebliche Suche nach Arbeit in den Mittelpunkt. Eva Löbau spielt eine Frau am Beginn der mittleren Jahre, die verzweifelt versucht, eine Stelle zu ergattern. Vor Freunden und Familie schämt sie sich, gibt vor, als Freiberuflerin von ihren Aufträgen leben zu können. Dabei wird sie bestenfalls in Benzingutscheinen bezahlt, die sie nicht loswird. Ungeschick und Pech kommen zusammen. Die Filmemacherin hat viele typische Situationen zusammengestellt, besonders das Spiel der Löbau hat Witz und Charme, aber ohne wirkliche Fabel löst sich die anfängliche Spannung auf.
Obwohl Schwerin traditionell deutschsprachige Filme im Wettbewerb zeigt, kommen auch Koproduktionen, die in anderen Sprachen gedreht wurden, zum Zuge. Der in Erinnerung an Robert Flahertys Stummfilmmeisterwerk „Nanouk“ genannte Streifen des bulgarischen Regisseurs Milko Lazarov erhielt den Regiepreis. Er nimmt sich viel Zeit, vom Leben eines im eisigen Jakutien traditionell in einer Jurte lebenden alten Ehepaars zu erzählen. Der Rentierjäger muss inzwischen froh sein, wenn er einen mageren Schneehasen nach Hause bringen kann. Industrialisierung und Umweltfrevel haben das Leben verändert. In Schwerin stritten sich Puristen und Realos, ob es richtig war, den Film synchronisiert zu zeigen. Angemessen wäre es jedenfalls gewesen, die den Film prägenden Synchronsprecher im Abspann zu nennen, was wie so oft unterblieb.
Eine internationale Premiere hatte Schwerin mit einem ungewohnt turbulenten Film aus der Schweiz. „Lasst die Alten sterben“ von Juri Steinhart erzählt anhand des Konflikts zwischen einem einst rebellischen Vater (Christoph Gaugler) und seinem kiffenden Sohn Kev, der auch rebellieren will, aber nicht die rechten Inhalte findet. Mit seinem besten Freund gründet er in Bern eine Kommune, die mangels revolutionärer Ideen kläglich scheitert. Als Kev überzeugt Max Hubacher, der kürzlich in „Der Hauptmann“ auf sich aufmerksam machte.

Eine weitere Weltpremiere gab es für den Fernsehfilm „Spätwerk“ (der schon am 16. Mai im Ersten gesendet wird). Im Mittelpunkt des Films von Andreas Kleinert und Karl-Heinz Käfer steht Henry Hübchen als alternder Schriftsteller, für den eine selbst verschuldete Katastrophe ihr Gutes hat: er kann wieder schreiben. Hübchen erhielt in Schwerin den diesjährigen Ehrenpreis, den Goldenen Ochsen, und natürlich war ihm auch eine Retrospektive mit Lücken gewidmet. Als einziger DEFA-Film in der Werkschau lief Frank Beyers „Jakob der Lügner“ mit dem Star in einer größeren Nebenrolle. „Die Zeit vor 89 wird stark unterbelichtet“, sagte DEFA-Fan Hübchen der Schweriner Volkszeitung. Unverständlicherweise wurde der Film als Koproduktion DDR/CSSR angekündigt. Dabei hat der Film mit Vlastimil Brodský einfach nur einen tschechischen Hauptdarsteller. Wird der DDR nicht gegönnt, dass sie dieses Meisterwerk allein stemmte?

In anderen Reihen sah man einige DEFA-Filme von Angelika Andrees, Jürgen Böttcher, Roland Gräf, Siegfried Kühn und Hans-Eberhard Leupold, an denen Traditionslinien zum Heute erkennbar waren. Das vielleicht am deutlichsten in „Whatever Happens Next“ von Julian Pörksen u.a. mit den aus der DDR bekannten Schauspielern Peter-René Lüdicke, Christine Hoppe und Monika Lennartz, dem die „große Jury“ (der die DEFA-Cutterin Monika Schindler angehörte) den Preis der DEFA-Stiftung verlieh.

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Bilder, Videos und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.

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