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Medien Mosaik

– Wolfgang Fischer (Regie): Styx, D/Ö 2017
– Siegfried Kühn: Die Erdorgel oder Wunderbare abgründige Welt
– Reihe – Die unglaublichen Abenteuer von Anna, Bella und Caramella: Feuerwerk und Tortenschlacht
– Alejandro Jodorowsky (Regie): „Poesía sin fin – Endless Poetry“
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Es kann einem schon kalt über den Rücken laufen – so nah ist Wolfgang Fischers Film „Styx“ (nach dem mythischen todbringenden Fluss) an unserer Realität. Die großartige Susanne Wolff spielt eine Ärztin, die in ihrem Urlaub von Gibraltar aus mit einem Motorsegler allein in See sticht und unterwegs mit einem überladenen Flüchtlingsboot in Seenot konfrontiert wird. Allein kann sie nicht helfen, aber die Küstenwache weist sie ab. Man kann oder will den Tod von hundert Schiffbrüchigen nicht verhindern. Andere, größere Schiffe fahren vorüber, haben jedoch strikte Anweisung, den Sterbenden nicht zu helfen. Als die Heldin wenigstens einen 14-jährigen Flüchtling an Bord nimmt, kehrt sich ihre Hilfsbereitschaft gegen sie. Hier wird der Film, der auf der Berlinale mit dem Heiner-Carow-Preis ausgezeichnet wurde, problematisch. Schließlich versinkt die Gerettete in Schwermut – kein konstruktiver Schluss! Bemerkenswert sind sowohl die Kameraarbeit von Benedict Neuenfels, der dem auf weite Strecken einzigen Handlungsort, dem Motorsegler, immer neue Sichten abgewinnt, als auch die Tongestaltung von Uwe Dresch, der statt Musik eine stimmige Geräuschkulisse zaubert.

Styx, D/Ö 2017. Regie Wolfgang Fischer, Zorro Filmverleih, seit 9.8. in ausgewählten Kinos.
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Wer Siegfried Kühns Meisterwerke liebt wie „Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow“ (1973), „Kindheit“ (1987) oder „Die Lügnerin“ (1992), die er bei der DEFA drehte, weiß, dass der Regisseur und Autor ein Mann der skurrilen Überhöhung ist. Als der erweist er sich auch in seinem zweiten Buch, der autobiografischen Satire „Die Erdorgel oder Wunderbare abgründige Welt“, die im Frühjahr erschien. Autobiografie und Satire gehen tatschlich bis zu einem gewissen Grade zusammen. Die meisten der Personen verfremdet Kühn, sich selbst sieht er als Friedrich in dieser „wahrheitsliebenden Lügengeschichte“. Doch wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, sieht, dass der Autor immer eng an der Wahrheit bleibt, besonders was Friedrich-Siegfrieds Jugendjahre betrifft. Tatsächlich war er bei der Oma-Mutter auf dem Dorf aufgewachsen und arbeitete als junger Mann im Bergbau. Aus dieser Sphäre stammt auch der Titel des Buches. Wer mehr über die Entstehung der meisten Kühn-Filme lesen möchte, wird allerdings enttäuscht. (Dem „Platow“-Film hatte Kühn sein erstes Buch gewidmet.) Manches kann man sich zusammenreimen, und viele Namen sind auch ironisch verfremdet. Da wird Einiges zur bösen Abrechnung. Vorgesetzte wie der DDR-Filmminister Horst Pehnert („Zweigesicht“), die Kritikerin Renate Holland-Moritz (hier „Müller-Turgau“ genannt) oder Regie-Kollege Lothar Warneke („Manne“) bekommen da schon einen großen Tiegel Fett weg, wobei aufgrund selbstverliebter Flunkereien nie so genau klar wird, was Wahrheit, was Fiktion ist. Das bezweckte Kühn auch, dem man die Freude beim Schreiben anmerkt.

Siegfried Kühn: Die Erdorgel oder Wunderbare abgründige Welt. Verlag Neues Leben, Berlin 2018, 224 Seiten, 19,99 Euro.
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Ein bisschen hat die Quotenregelung auch im Comic Einzug gehalten. Im Mosaik ergänzen seit nunmehr zehn Jahren drei Mädchen, die abenteuerlustige Anna, die belesene Bella und die hauswirtschaftlich geschickte Caramella, als weibliche Pendants die Abrafaxe in einem eigenen „Universum“. Ihre Abenteuer erscheinen jedoch vierteljährlich. Im August-Heft, der Jubiläumsausgabe, sind sie zum zweiten Mal im alten England, wo sie degenerierten Adligen Streiche spielen.
Das althergebrachte Klischee, dass sich Mädchen weniger als Jungen für Comics interessieren, scheint widerlegt. Besonders sind sie interessiert, wenn es Heldinnen sind, die die Geschichten tragen. Die entwickelt ganz wie bei den Abrafaxen Jens-U. Schubert, der die Drei nach Amerika und ins alte Rom führte, sie an die Seite von Marie Curie oder Katharina von Bora stellte. Jens Fischer, der seit zwei Jahren die Geschichten zeichnet, ist nach einigen stilistischen Übungen nun wieder eng auf den Stammvater des Mosaiks, Hannes Hegen, zurückgekommen. Da kommen Väter und Töchter auf ihre Kosten.

Feuerwerk und Tortenschlacht, Reihe: Die unglaublichen Abenteuer von Anna, Bella und Caramella, Heft 37, Steinchen für Steinchen Verlag, Berlin 2018, 54 Seiten, 3,40 Euro, + 3,70 Euro Versand bei Bestellung direkt beim Verlag.
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Comic-Zeichner war einer der vielen künstlerischen Berufe, die der Chilene Alejandro Jodorowsky ausübte. Weltberühmt wurde er als phantasievoller Filmemacher, avantgardistisch und surrealistisch. Seinen ersten Spielfilm drehte er 1968 mit Ende dreißig. Er erhielt Auszeichnungen und hatte immer Probleme, seine ungewöhnlichen Stoffe zu finanzieren, so dass der Regisseur einer der großen Geheimtipps blieb. Vor drei Jahren begann er eine autobiografische Trilogie, deren erster Teil bei uns keinen Verleih fand. Um so verdienstvoller, dass der zweite Teil nun in unsere Programmkinos gekommen ist. In „Poesía sin fin“ (Endlose Poesie) erzählt er den Vater-Sohn-Konflikt des jungen Alejandro, der sich nur langsam zum Künstler mausert. Den 15-jährigen Alejandro spielt ein Jungmime, den 20-25jährigen dann Adan Jodorowsky. Allerdings ist der Sohn des Regisseurs mit Mitte 30 doch etwas alt besetzt. Aber vielleicht gehört auch das zu den vielen Irritationen, an denen Jodorowsky seine offensichtliche Freude hat? Es huschen schwarz gekleidete „unsichtbare“ Komparsen durchs Bild und tragen Dekorationsteile umher, kleinwüchsige Darsteller zeigen, dass sie vollwertige Menschen sind. Alejandros Mutter als einzige im Ensemble singt jeden Dialogsatz mit Inbrunst.
Jodorowsky wird gern mit Fellini verglichen: Dessen meiste Filme sind jedoch ein frischer Sommerwind. Der neue Jodorowsky bläst als vertrackter Herbststurm!

„Poesía sin fin – Endless Poetry“, Regie: Alejandro Jodorowsky, 130 Minuten, OmU, Verleih Steppenwolf, in ausgewählten Kinos.
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Dieser Artikel erschien vor ein paar Tagen in  Das Blättchen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Bilder, Videos und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
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