Will Roberts

Was bedeutet Marxismus für dich?

Dokumentarfilmer Will Roberts über Deen Reed
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Will Roberts

Als ich den Film „AMERICAN REBEL“ machte, nahm ich viele Interviews mit Dean auf. Der folgende Auszug stammt aus einem Interview, das ich am 1. Juli 1981 mit Dean führte.

Will Roberts: „Das Wort Marxismus ist natürlich für Amerikaner mit negativen Konnotationen verknüpft. Sie hören das Wort und verbinden es mit Kommunismus, Radikalismus oder womit auch immer. Was bedeutet Marxismus für dich?“

Dean Reed 1938 bis 1986

Dean Reed: „Marxismus ist eine politische Philosophie, eine ökonomische Philosophie, die uns daran glauben lässt, dass wir die Gesellschaft verändern können, um sie für die Menschen besser zu machen. Dass wir nicht durch metaphysische Bande in einer Gesellschaft gefangen sind und warten müssen, bis die Gesellschaft sich selbst verändert. Wir müssen diese Bedingungen nicht wie in einem Gefängnis erdulden, sondern gegen sie kämpfen. Die Kirche in Südamerika z. B. glaubt nicht vom marxistischen Standpunkt aus, sondern vom metaphysischen Standpunkt aus. Sie meint, die Welt wurde erschaffen und wenn du arm bist, musst du das akzeptieren. Und wenn du gut bist und das akzeptierst, wirst du am Ende in den Himmel kommen. Ein Marxist aber sagt: ‚Nein, wir können die Bedingungen verändern, wir können den Zustand der Welt verbessern. Wir brauchen nicht darauf zu warten, dass Gott das tut. Wir können es selbst tun. Die Menschen können es gemeinsam schaffen, die arbeitenden Menschen als Masse.‘

Ich bezeichne mich nicht als Kommunisten. Jeder definiert dieses Wort anders. Ich denke, ein Kommunist ist jemand, der Mitglied einer Partei ist. Ich bin in keiner Partei Mitglied, deshalb nenne ich mich einen Marxisten oder Sozialisten, weil ich eine bestimmte Lebensphilosophie habe. Manche Leute haben gesagt: ‚Dean ist eine Marionette des Kremls.‘ Ich mag keine solchen Etiketten. Ich kann ein Schwert nehmen und es 360 Grad um mich herum führen und doch keine Schnur durchtrennen. Ich bin ich selbst und folge seit 20 Jahren meinem eigenen Bewusstsein. Das hat mir Probleme mit allen Regierungen eingebracht. Und das hauptsächlich, weil ich meinem eigenen Bewusstsein folge und nicht einer Parteilinie. Ich befolge auch keinerlei Befehle, egal ob sie von meinem Vater, von meiner Kirche oder von einer Regierung sind.“

Gestatten Sie mir zu sagen, dass Dean ein unabhängiger Sozialist war. Er hielt den Kommunismus für ein Ideal, der nicht wirklich existierte. Er war auch ein Internationalist und das, was ich eine multikulturelle Persönlichkeit nennen würde.

Seine Philosophie veränderte sich mit den Jahren. Nach unserem Besuch in Nikaragua 1984 und den Treffen mit einigen Vertretern der Befreiungstheologie begann er, einige seiner Haltungen zur Kirche in Südamerika zu überdenken und zu ändern.

Was seine Aktivitäten im Ostblock betraf, so versuchte er durchaus dafür zu kämpfen, den Sozialismus besser zu machen. Aber darüber wurde in der Presse nichts geschrieben. Sonst hätten die Schlagzeilen in Moskau wohl so gelautet: „Dean Reed droht, alle seine Auftritte in der UdSSR abzusagen, wenn er in den Konzerten nicht »My Yiddisha Mama« und »Hawa Nagila« singen darf.“ Und er gewann diese Schlacht. Oder in Prag hätte man folgende Schlagzeile lesen können: „Dean Reed legt die Zahlungen und Bestechungsgelder offen, die tschechoslowakische Musiker zahlen müssen, damit sie reisen dürfen.“ Diesen Kampf verlor er und durfte drei Jahre lang nicht in der Tschechoslowakei auftreten. In seinen letzten Jahren in der DDR rüttelte er an den Stühlen einiger sehr hoher Funktionäre.

Will Roberts, 26. September 2003
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