Badische Zeitung 05.01.2005

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Der unbekannte Superstar

Ein Amerikaner in Berlin-Ost: Stefan Ernstings Buch "Der rote Elvis" über den bemerkenswerten Sänger Dean Reed

"Du bist der wunderschönste Mann in dieser Welt." Sagte die Frau auswendig gelernt auf Englisch zu diesem charmanten Cowboy, der tatsächlich aussah wie eine Kreuzung aus James Dean und Montgomery Cliff. Wiebke wiederum repräsentierte den real existierenden Sozialismus von seiner verheißungsvollsten Seite. Und so kam es, dass ein amerikanischer Sänger nach Berlin-Ost in die DDR zog, heiratete und hinter dem Eisernen Vorhang zum größten Popstar aller Zeiten wurde - jedenfalls vor dem Fall der Mauer. Diesen jedoch erlebte Dean Reed nicht mehr. Der Weltenbummler aus Wheat Ridge, Colorado, beging 1986 aller Wahrscheinlichkeit nach Selbstmord, seine Karriere als Sänger und Schönling war auf dem Tiefpunkt angelangt.

Die Partei vertuschte die Angelegenheit und stellte Reeds Ableben als Unfall dar. Seither ranken sich die Legenden um den Tod des braven Cowboys im Arbeiter- und Bauernstaat. Hat die Stasi nachgeholfen, oder war es gar die CIA, die den Unbeugsamen und Unliebsamen aus dem Weg geräumt hat?

Ostalgie-Welle hin oder her, das Leben dieses rätselhaften Weltverbesserers schreit geradezu nach Wiederentdeckung und medialer Verwertung: Tom Hanks hat sich die Rechte an Reeds Leben gesichert und plant, als Regisseur einen Spielfilm über ihn zu drehen, der Berliner Auto Stefan Ernsting, übrigens ein reiner Wessi, hat die erste ernstzunehmende Biografie über den im Westen so gut wie unbekannten Superstar geschrieben. Mit ironischer und manchmal (zu) schnoddriger Distanz versucht Ernsting aufzuräumen mit den Mythen und Legenden, die sich schon zu Lebzeiten um den wohl einzigen linientreuen und die Mauer verteidigenden Cowboy bildeten. Keine einfache Sache, zumal der Amerikaner im Aushalten von Widersprüchen ein Meister war: Auf der psychologischen Ebene bleibt einiges im Dunklen: Wie aus dem Sohn eines konservativen Landlehrers ein Marxist werden konnte oder aus einem trällernden Sunnyboy, der er Zeit seines Lebens blieb, ein Weggefährte Victor Jaras und Salvador Allendes. Einen Riesenhit hatte Reed 1960 unergründlicher Weise in Südamerika. Dort auf Tournee zeigte er sich geschockt vom Elend und kämpfte für eine bessere Welt, ab 1972 unter der Flagge von Hammer und Sichel.

Zwischen eigenen Filmaufnahmen - von Spagetti-Western bis zu authentischen Indianerfilmen in der DDR, zwischen "Ein Kessel Buntes", Schallplattenaufnahmen für Amiga und Supraphon, Tourneen bis nach Sibirien - tauchte Reed immer wieder in Krisenherden auf, besuchte Arafat im Libanon oder Ortega in Nicaragua: Glück und die amerikanische Staatsbürgerschaft halfen dem Politaktivisten dabei, dass ihm außer ein paar Tagen Knastaufenthalt nichts Schlimmeres widerfuhr. Medienwirksame Inszenierungen, darin war er auf der Höhe seiner Zeit - während seine Musik über ein Heile-Welt-Tralala nie hinwegkam.

Joachim Schneider


Stefan Ernsting: Der rote Elvis, Kiepenheuer, Berlin, 380 Seiten, 22,50 Euro.
Der Autor liest morgen, 20.15 Uhr, in der Freiburger Wodanhalle.

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Letzte Änderung: 2007-05-24