Rui Filipe Gutschmidt

Kein zweites Syrien? Neuer Premierminister in Jordanien nimmt Steuererhöhung zurück
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Rui Filipe Gutschmidt

Omar al-Razaz, Jordaniens neu ernannter Premierminister, hat die geplante Steuererhöhung zurückgenommen und ist bemüht, weitere Proteste zu vermeiden. Insgeheim hatte man die Befürchtung, dass hier ein neues Syrien entsteht.

Jordaniens Premierminister gab bekannt, dass er nach einer Woche Demonstrationen gegen die Gesetzesvorschläge, den strittigen Vorschlag für eine Steuererhöhung zurückgezogen habe. So sagte al-Razaz bei einer Pressekonferenz: „Nach Gesprächen mit dem Parlament und dem Senat […] wurde eine Einigung erzielt, um das vorgeschlagene Steuergesetz zurückzuziehen.“

Omar al-Razaz wurde am Dienstag, nach dem Rücktritt von Hani Mulqi und auf Druck der Proteste, zum Premierminister ernannt. Der Jordanische König, Abdullah II, hatte ein Dejávu! Die Proteste auf den Strassen von Amman und in anderen Städten des Landes erinnerten nicht nur den König an die Proteste, die in Syrien zum Krieg und dadurch zum jetzigen Desaster führten. Man kann davon Ausgehen, dass die regionalen Mächte schon auf eine Gelegenheit warten, um einen weiteren “Pufferstaat” ins Chaos zu stürzen. Oder?
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Proteste in Amman, Jordanien – screenshot YouTube

Al-Razaz, der noch eine Regierung bilden muss, hat bereits Verhandlungen mit Repräsentanten der Opposition aufgenommen. Über eine Woche lang haben sich Tausende jeden Nachmittag in Amman versammelt, um die Rücknahme der vorgesehenen Erhöhung der individuellen Einkommenssteuern um 5% bis 25% und die Absenkung des Mindesteinkommens zu fordern. Diese Maßnahmen wurden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Verringerung des Defizits verlangt. Nur so, hieß es seitens des neoliberalen Machtinstruments, könne Jordanien langfristig einen Bankrott vermeiden.

Nichts, was man nicht schon oft gehört hat. Doch das Land, das sich in Mitten eines extrem kriegerischen Gebiets befindet und sich dennoch aus den regionalen, religiösen und geopolitischen Konflikten weitestgehend heraushalten konnte, wird zur Zeit von Flüchtlingen überschwemmt. Die internationale Gemeinschaft lässt Jordanien aber im Stich. Es scheint fast so, als wollten bestimmte Kräfte einen weiteren Kriegsschauplatz.

Außer den üblichen Verdächtigen, dem militärisch-industriellen Komplex der USA, könnte auch der Iran bemüht sein, das Land vor den Toren Israels ins Chaos zu stürzen. Saudi-Arabien andererseits hat eher ein Interesse an einem Vassallenstaat, den sie über dessen Verschuldung manipulieren können. Israel mag auch einen gewissen Einfluss auf den IWF haben – doch fernab aller “zionistischen Weltherrschafts-Verschwörungstheorien” – aber bisher ist Israel immer an einem stabilen Jordanien interessiert gewesen und die neuesten Entwicklungen in der Region verstärken den Wunsch nach einem sich neutral verhaltenen Nachbarn eher noch.

Bleibt einzig das Interesse der Islamisten, die in ihrem Fanatismus vom Chaos profitieren und natürlich die allgegenwärtige Gier der Spekulanten, die mit Hilfe des IWF die Zinsen in die Höhe treiben und ihre Gewinne oft auf Kosten katastrophaler Auswirkungen machen. Nach Griechenland, Südeuropa, dem Euroraum an sich, Süd- und Mittelamerika, haben die Spekulanten jetzt Jordaniens Staatsanleihen im Visier. Das dabei ein ansonsten stabiler Staat ins Chaos gerissen wird, ist den gierigen Bankstern weltweit egal. Ich würde aber gerne wissen, wer den IWF zurückgepfiffen hat und was Jordanien im Gegenzug liefern muss. Sicher werden wir bald mehr davon hören.

Video über die Ereignisse

Jordanien: Regierung will umstrittene Steuerreform zurückziehen

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Dieser Artikel erschien auch auf unserer Partnerseite INFO-WELT

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