Märkische Allgemeine Zeitung 08.02.2003

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Sing, Cowboy, sing!

Späte Rückkehr nach Hollywood. Victor Grossman über Tom Hanks und die Zeit mit Dean Reed

Tom Hanks auf den Spuren von Dean Reed: Der Hollywoodstar plant einen Film über das Leben des singenden Cowboys und Friedenskämpfers aus Colorado, der 1971 in die DDR kam. Am Rande der Berliner "Catch Me If You Can"- Premiere traf Hanks nicht nur Ex-SED-Chef Egon Krenz, sondern auch weitere Angehörige und Freunde des 1986 Verstorbenen. Darunter den in New York geborenen Journalisten Victor Grossman, seit den 50er Jahren in Ostberlin zu Hause, der für Dean Reed einige Zeit als Dolmetscher arbeitete. Mit dem 74-Jährigen sprach Frank Starke.

Wo trifft man sich mit Tom Hanks?

Grossman: Einer seiner Mitarbeiter fragte an, ob ich es lieber bei mir zu Hause hätte oder im "Adlon". Ich habe mich für das Hotel entschieden.

Wie lange saßen Sie zusammen?

Grossman: Drei Stunden, und das Gespräch war sehr interessant. Mein Eindruck: Hanks will nicht einen Horrorfilm über einen Amerikaner in einem untergegangenen Land machen, sondern einen wirklich seriösen Film. Auch wenn er wohl die Tragödie von Dean Reed stärker betonen wird, als ich es getan hätte.

Und worin bestand die?

Grossman: Zuerst, als Dean Reed in die DDR kam, war alles bestens. Er hatte Konzerte, Fernsehauftritte, er bekam Filmangebote. Er war ein Star. Aber mit der Zeit ließ das Interesse des Publikums nach. Das ist schwer zu verkraften.

Hat man ihm nicht auch seine Nähe zu den DDR-Oberen übelgenommen?

Grossman: Viele konnten vor allem sein andauerndes Hurra nicht mehr hören. Dabei war er nicht blind für die Probleme im Land, und zuweilen hat er auch Ärger gehabt. So wurde er nicht mehr zum Festival des Politischen Liedes eingeladen, weil er mal ein Lied von Bettina Wegner singen wollte, die dem Kreis um Wolf Biermann nahe stand. Dean Reed war kein Hundertfünfzigprozentiger. Er war wie viele Leute in der DDR zerrissen, er fragte, ob man nicht etliches besser machen könnte.

Wann haben Sie Dean Reed kennen gelernt?

Grossman: Im Herbst 1971, als er seinen Chile-Film auf der Leipziger Dok-Film-Woche vorstellte. Er kam auf Einladung des Friedensrates der DDR, und da er kein Wort Deutsch konnte, bat man mich, zu dolmetschen. Und ich fragte mich die ganze Zeit, ob der Bursche echt ist. Ich kannte ja viele amerikanische Linke, aber einen, der so hübsch ist, ein langhaariger Rock'n'Roll singender Colorado-Cowboy, so einen hatte ich noch nicht getroffen. Aber er war echt, wir verstanden uns gut. Ich habe mit ihm gearbeitet, bis er genug Deutsch konnte.

Warum hat sich der Mann, der die Welt kannte, ausgerechnet für die DDR entschieden?

Grossman: Er hatte sich in Leipzig in ein hübsches blondes Mädchen verliebt, und er bekam einige gute Angebote.

Darunter auch aus Babelsberg.

Grossman: Bei seinen ersten beiden Defa-Filmen war ich dabei, "Aus dem Leben eines Taugenichts" und "Kit & Co".

Beides wurden keine Hits.

Grossman: Beim Publikum schon. Wobei ich glaube, die Kritik hat die Filme schlechter gemacht, als sie waren. Auch bei "Sing, Cowboy, sing". Ich habe immer gesagt, wenn man die "Olsenbande" einkauft und die Filme von Louis de Funes, die sind doch auch vor allem Klamauk. Warum soll die Defa das nicht selbst versuchen.

Was war das Besondere an Reed?

Grossman: Er war schon ein toller Typ. Er kannte sich im Showbusiness gut aus, und er war stolz auf seine Bizeps, wollte immer zeigen, was er drauf hat. Beim Drehen hat er sich nie doubeln lassen. Im "Taugenichts" war so ein Seilabstieg, sehr lang und nicht ungefährlich. Doch er wollte es selbst machen. Nur leider hat es der Kameramann nicht in einer Einstellung geschafft. Es musste geschnitten werden. Da war Dean sehr wütend. Weil so ein Schnitt ja immer nach Double aussieht.

Aber sonst alles topp?

Grossman: Na ja, er stand gerne im Mittelpunkt. Deshalb hatte er auch ab und zu Ärger, zum Beispiel mit Manfred Krug, weil der genau so war. Beide in einem Film, "Kit und Co", das hat gar nicht funktioniert.

Und er hatte auch seine Tricks.

Grossman: Bei einem der ersten DDR-Konzerte saß ich mit meiner Familie ganz vorn, falls ich ihm als Übersetzer beispringen muss. Da holte er meinen kleinen Sohn auf die Bühne, schüttelte ihm die Hand und drehte sich dann so, dass es aussah, als ob ihn der Junge aufs Kreuz gelegt hätte. Diese Nummer baute er oft bei Auftritten ein.

Erzählte er viel von sich? Seine Vorgeschichte kannte man ja in der DDR kaum.

Grossman: Es erschien bald eine Dean-Reed-Biografie, leider nicht besonders gut, da ging es vor allem um sein Heldentum und den Kampf gegen den Imperialismus. Mir hat er auch viel Persönliches erzählt. Zum Beispiel, dass er in Buenos Aires mal in einem Bordell lebte, weil er nichts hatte. Und von seinem ersten großen Erlebnis in Europa. Er war 1965 zum Friedenskongress in Helsinki eingeladen. Der drohte zu platzen, weil es jene Zeit war, als die Diskrepanz zwischen der Sowjetunion und China zunahm. Da hat Dean den ganzen Saal von der Bühne herunter aufgefordert, aufzustehen und zusammen "We shall overcome" zu singen. Damit hat er die Sache irgendwie gerettet. Anschließend luden ihn die Sowjets ein. Er hat eine Tournee gemacht und wurde zum führenden Rockstar in der UdSSR.

Wann sahen Sie ihn das letzte Mal?

Grossman: Das wird auf einer Dok-Filmwoche gewesen sein. Er fuhr da auch immer hin. Einmal kam er noch zu mir und bat mich, für eine Fernsehsendung etwas aus dem Amerikanischen zu übersetzen, da ging es so um Wild West und Cowboyromantik.

Ein Amerikaner, der die Welt kennt, lebte in der DDR. War er glücklich?

Grossman: Es waren ja insgesamt 15 Jahre, und da hat man schon eine Entwicklung gesehen. Zuerst war alles bestens. In den letzten Jahren aber, da ging es bergab, was die DDR betrifft, aber auch mit ihm. Die jungen Leute waren am Neuesten aus dem Westen interessiert. Deans Publikum reduzierte sich zunehmend auf junge Mädchen und ältere Damen.

Wie ging er damit um?

Grossman: Er sah das schon und dachte daran, wieder in die USA zu gehen. Dort hatte Will Roberts einen Dokumentarfilm über ihn gedreht, der 1985 beim Denver Film Festival aufgeführt wurde. Aber das Echo war mäßig. Auch sein Talkshow-Auftritt war ein Desaster. Er wurde sehr scharf nach der Mauer und dem Afghanistan-Krieg der Sowjets gefragt. Hinterher bekam der Sender Briefe, dieser Verräter gehöe an die Wand gestellt, und er könne ja nicht mal richtig singen. Das hat Dean wohl den Rest gegeben. Er hatte gehofft, sich mit dieser Talkshow in den USA einen Namen zu machen, und es kam genau anders herum.

Was sagen Sie zu den Gerüchten, die Stasi hätte bei Dean Reeds Tod ihre Hände im Spiel gehabt?

Grossman: Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Das Hauptproblem war die Art, wie die DDR-Behörden mit seinem Tod umgegangen sind. Die konnten ja nicht zugeben, dass "unser Dean Reed" sich das Leben genommen hat. Deshalb die sehr mysteriöse Todesmeldung, die nur Fragen aufwarf. Da kamen Gerüchte, dass es Mossad war, Stasi oder CIA. Alles Quatsch.

Wie war das mit dem Abschiedsbrief ?

Grossman: Dean hat auf vielen Seiten detailliert aufgeschrieben, warum er nicht weiter leben will. Alles sehr privat. Der Brief wurde aber als Staatsgeheimnis behandelt und sofort von der Stasi konfisziert. Der Freund, an den er adressiert war, hat ihn nie erhalten. Der Inhalt wurde erst nach der Wende publik.

Auch Sie haben ja als Amerikaner in Ostberlin gelebt. War da nie die Sehnsucht nach New York?

Grossman: Oh doch. Und als ich 1994 nach 43 Jahren das erste Mal wieder in die USA kam, das war schon ein tolles Gefühl. Das schönste war, dass mich wieder die Muttersprache umgab, dass ich einmal nicht der Ausländer mit dem komischen Akzent war. Seitdem war ich fünf Mal dort. Auch wenn in den USA seit dem 11. September vieles schwieriger geworden ist. Die tieferen Wurzeln sind dort, die festeren hier.

Und die aktuelle Lage?

Grossman: Es findet sich dort auch viel Hässliches, viel Dummes, gerade jetzt in der Bush-Zeit. Tröstlich ist, dass die Bewegung gegen einen Irak-Krieg erstaunliche Ausmaße angenommen hat. Sie hat inzwischen einen Umfang erreicht wie nach sechs, sieben Jahren Vietnamkrieg. Selbst in kleinen Ortschaften, wo noch nie etwas war, kommen Hunderte Menschen zusammen. Und Mitte Februar soll es in der ganzen Welt Demonstrationen geben. Ich hoffe, dass man den Krieg doch noch stoppen kann.


Rockstar und Friedenskämpfer

Dean Reed, Jahrgang 1938, spielte früh Gitarre, ritt, ging zur Schauspielschule in Hollywood. Mit "Summer Romance" kam der Sänger aus Denver/Colorado in die Charts. Er drehte Filme in Mexiko, Argentinien, Italien und der DDR. 1970 unterstützte er den Wahlkampf Allendes in Chile, ab 1973, nach dem Treffen mit PLO-Chef Arafat, die Palästinenser. Er war dreimal verheiratet, zuletzt mit der Schauspielerin Renate Blume, hatte zwei Töchter und einen Adoptivsohn. Am 12. Juni 1986 beging er Selbstmord im Zeuthener See.

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Letzte Änderung: 2008-01-09