Redaktion RoterMorgen – 09. Oktober 2025
Israel und die Hamas haben sich auf eine Waffenruhe geeinigt. Politiker in aller Welt sprechen von einem historischen Moment – doch vor Ort gehen die Kämpfe weiter. Die Vereinbarung zeigt die ganze Widersprüchlichkeit imperialistischer Diplomatie: Während die Menschen in Gaza hungern, bleibt die Ursache ihres Leids – die Besatzung und Blockade – unangetastet.
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Regierungssitzung in Tel Aviv
Das israelische Kabinett unter Premierminister Netanjahu will am späten Nachmittag über die Einzelheiten der Einigung beraten. Bereits am Vormittag war die Unterzeichnung des Abkommens angesetzt. Die Einigung wurde nach tagelangen indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas erreicht, vermittelt durch die USA, Katar und Ägypten. Sie sieht zunächst eine befristete Waffenruhe vor, verbunden mit einem Austausch von Geiseln und Gefangenen. Noch ist unklar, ob das Kabinett die Vereinbarung vollständig ratifiziert oder Nachforderungen stellt – ein mögliches Hindernis für die Umsetzung.
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Hoffnung aus Ramallah – Skepsis in Gaza
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte, das Abkommen gebe Anlass zu vorsichtiger Hoffnung, könne aber nur dann eine Perspektive eröffnen, wenn es zu einem Ende der israelischen Besatzung führe und die Gründung eines souveränen palästinensischen Staates ermögliche. Vertreter der Hamas äußerten ähnliche Vorbehalte und forderten von den sogenannten Garantiemächten – insbesondere den USA – eine tatsächliche Durchsetzung der Vereinbarung. Denn in früheren Phasen von Waffenruhen hatten israelische Streitkräfte trotz formaler Abkommen weiter Ziele im Gazastreifen bombardiert.
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Gefangene gegen Geiseln – ein ungleicher Tausch
Laut den Bedingungen der Vereinbarung soll die Hamas drei Tage nach Beginn der Waffenruhe die letzten israelischen Geiseln freilassen. Im Gegenzug verpflichtet sich Israel, Hunderte palästinensische Gefangene freizulassen, darunter zahlreiche Minderjährige und politische Aktivisten. Außerdem soll die israelische Armee ihre Truppen auf eine vereinbarte Linie außerhalb dichter besiedelter Gebiete zurückziehen. US-Präsident Trump sprach von „ersten Schritten zu einem dauerhaften Frieden“, doch solche Ankündigungen sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil imperialistischer Politik im Nahen Osten – meist ohne greifbares Ergebnis.
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Versorgungslage im Gazastreifen
Für die notleidende Zivilbevölkerung soll sich die Lage laut den Vereinbarungen kurzfristig verbessern. In den ersten fünf Tagen sollen täglich mindestens 400 Lastwagen mit Lebensmitteln, Medikamenten, Wasser und Treibstoff in den Gazastreifen gelangen. Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe erklärten, die Lager seien voll, die Logistik vorbereitet. Dennoch bleibe die Lage dramatisch: Trinkwasser, medizinische Versorgung und Unterkünfte sind seit Monaten knapp, zehntausende Menschen leben in improvisierten Notunterkünften. Ohne Aufhebung der Blockade und Wiederaufbau der Infrastruktur bleibt jede Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
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Internationale Zustimmung und politische Inszenierung
Die Einigung wurde weltweit begrüßt. Staats- und Regierungschefs von Washington bis Berlin lobten die Vermittlung Trumps und sprachen von einem „historischen Schritt“. Israels Präsident Herzog erklärte, das Abkommen biete die Chance, „Wunden zu heilen“. Doch diese Rhetorik folgt dem altbekannten Muster westlicher Außenpolitik: an der Oberfläche Friedensappelle, darunter die Absicherung geopolitischer Interessen. Solange Israel als strategischer Vorposten der USA im Nahen Osten fungiert, wird kein Druck entstehen, die Besatzung zu beenden oder das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anzuerkennen.
Stimmen der Betroffenen
Die Angehörigen der israelischen Geiseln reagierten mit vorsichtiger Erleichterung. Das „Forum der Geisel- und Vermisstenfamilien“ betonte, erst wenn die letzte Geisel zurückgekehrt sei, könne man von Erfolg sprechen. Im Gazastreifen wiederum feierten Menschen die Nachricht auf den Straßen – Ausdruck einer erschöpften Hoffnung auf Ruhe und Versorgung. Doch viele wissen: Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass Waffenruhen brüchig sind, solange die Ursachen des Konflikts bestehen bleiben.
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Bomben trotz Waffenruhe
Kurz nach Bekanntgabe der Einigung meldeten palästinensische Quellen erneute israelische Luftangriffe. In Gaza-Stadt kam es zu Explosionen, mehrere Häuser wurden zerstört. Ein Sprecher der israelischen Armee warnte die Zivilbevölkerung, nicht in den Norden des Gazastreifens zurückzukehren – das Gebiet sei weiterhin „Kampfzone“. Damit zeigt sich erneut: Selbst während Verhandlungen über Frieden werden militärische Fakten geschaffen. Solange die imperialistische Politik Israels ungebrochen bleibt, bleibt die Waffenruhe eine Illusion – und die Bevölkerung Gazas Geisel einer Besatzung, die sich selbst Frieden nennt.
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