Stillstand statt Frieden: Israels Teilrückzug aus Gaza unter US-Aufsicht

Ein scheinbarer Waffenstillstand im Gazastreifen sorgt für Schlagzeilen | Grafik RoterMorgen 2025

Redaktion RoterMorgen – 10. Oktober 2025

Ein scheinbarer Waffenstillstand im Gazastreifen sorgt für Schlagzeilen, doch die Realität bleibt von Gewalt, Kontrolle und imperialistischen Interessen geprägt. Israels Teilrückzug folgt einem US-Plan, der weniger Frieden als politische Stabilisierung verspricht. Hinter den diplomatischen Gesten verbirgt sich eine neue Form der Besatzung, die weder Freiheit noch Gerechtigkeit bringt.
Die ersten Rückkehrer | Jaber Jehad Badwan, CC BY-SA 4.0

Ein Abkommen zwischen Waffenruhe und neuer Besatzung
Israel hat mit dem teilweisen Abzug seiner Truppen aus dem Gazastreifen begonnen. Grundlage ist ein von den USA vermittelter 20-Punkte-Plan, der offiziell den Weg zu einer „stabilen Waffenruhe“ ebnen soll. Viele Familien kehren vorsichtig in ihre zerstörten Viertel zurück, während israelische Drohnen und Kampfjets weiterhin über Gaza kreisen. Von wirklichem Frieden kann keine Rede sein. Die Region bleibt unter militärischer Kontrolle, die humanitäre Lage angespannt.

Ein Plan zur Kontrolle – nicht zur Befreiung
Der sogenannte Friedensplan sieht mehrere Phasen eines Rückzugs, den Austausch von Gefangenen und Geiseln sowie die Einrichtung einer internationalen Übergangsverwaltung vor. Diese soll unter Aufsicht eines von den USA initiierten „Board of Peace“ stehen. Eine technokratische Verwaltung, in der weder gewählte Vertreter der Palästinenser noch echte Selbstbestimmung vorgesehen sind. Statt Befreiung bringt der Plan eine neue Form der Kontrolle, diesmal in ziviler Verpackung.

Die Entwaffnung als Hebel imperialistischer Macht
Besonders heikel ist der Punkt der Entwaffnung der Hamas. Israel fordert die vollständige Übergabe aller Waffen, während die Organisation nur zu einem teilweisen Verzicht bereit sein soll. Beobachter sprechen von einer erzwungenen Teilabrüstung unter internationaler Aufsicht. In Wahrheit handelt es sich um ein Druckmittel, das die israelische und westliche Vorherrschaft über Gaza sichern soll. Der „Waffenstillstand“ wird so zum Instrument politischer Erpressung.

Vorschnelle Freude vernebelt den Blick auf die Realität | RoterMorgen 2025

Waffenruhe nur auf dem Papier
Obwohl der Waffenstillstand offiziell gilt, dauern die militärischen Operationen an. Panzer und

Artillerie feuern weiterhin auf Ziele in Gaza-Stadt und Chan Yunis. Israels Armee hält strategische Positionen, vor allem entlang des sogenannten Netzarim-Korridors, der den Gazastreifen teilt. Dort warten Hunderte Menschen darauf, endlich in den Norden zurückkehren zu dürfen. Die Waffen mögen schweigen, doch die Besatzung bleibt sichtbar und spürbar.

Gefangenenaustausch ohne Klarheit
Auch der geplante Gefangenenaustausch zeigt, wie unsicher die Vereinbarungen sind. Hamas soll innerhalb von drei Tagen 20 israelische Geiseln freilassen, während Israel 250 palästinensische Häftlinge entlässt. Doch offizielle Listen fehlen. Der Austausch wird als Fortschritt verkauft, ist aber in Wahrheit ein taktisches Manöver, um das Abkommen politisch zu stützen.

US-geführte „Sicherheitsgarantie“
Ein Kernstück des Plans ist die Schaffung einer US-geführten „Task Force“ zur Überwachung der Waffenruhe. Sie wird außerhalb Gazas stationiert und soll vor allem Israels Rückzug koordinieren. Offiziell handelt es sich um eine Sicherheitsmaßnahme, tatsächlich aber um ein Instrument der Kontrolle. Die USA präsentieren sich als Friedensmacht, obwohl sie durch Waffenlieferungen und politische Rückendeckung den Krieg erst ermöglicht haben.

Humanitäre Hilfe unter Aufsicht
Täglich sollen 600 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza gelangen. Auch Rückkehrer dürfen über den Rafah-Grenzübergang einreisen – allerdings nur nach Abstimmung mit Israel und Ägypten. Hilfe gibt es also nur mit Genehmigung derer, die den Krieg führen oder dulden. Humanitäre Versorgung wird zum Mittel der Kontrolle, nicht zur Wiederherstellung des Lebens.

Reaktionen der Weltmächte
Die westlichen Regierungen begrüßen das Abkommen. Deutschland kündigt Millionenhilfen an, Frankreich ruft zum Stopp des Siedlungsbaus auf, während US-Präsident Trump seine Reise nach Israel vorbereitet, um sich als Friedensbringer feiern zu lassen. Doch hinter dieser Diplomatie steckt wenig mehr als Selbstinszenierung. Die politische und wirtschaftliche Kontrolle über die Region bleibt fest in westlicher Hand.

Zwischen Hoffnung und Illusion
Was jetzt als Fortschritt dargestellt wird, ist in Wahrheit ein Scheinfrieden. Die grundlegenden Ursachen des Konflikts – Besatzung, Blockade und Entrechtung – bleiben bestehen. Solange die palästinensische Bevölkerung nicht über ihr eigenes Land bestimmen kann, wird jeder Plan von außen nur die Herrschaftsverhältnisse festschreiben.

Fazit: Skepsis statt Hoffnung
Die Waffenruhe in Gaza mag Erleichterung bringen, aber keinen Frieden. Der US-Plan stabilisiert die imperialistische Ordnung und unterdrückt die Hoffnung auf wirkliche Befreiung. Die Völker des Nahen Ostens werden erst dann frei sein, wenn sie sich selbst befreien – unabhängig von den Interessen der Großmächte.

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1 Kommentar

  1. Hallo, vielen Dank für den Gaza-Beitrag. Ich bin vollständig der gleichen Ansicht. Endlich mal klare Worte. Die Mainstream-Infos sind kaum zu ertragen. Ergänzend zum Beitrag würde ich gern anfügen, dass das Wichtigste die zum jetzigen Zeitpunkt bestehende größenflächige Waffenruhe für die Menschen in Gaza ist und der internationale Druck, gleich, welchen Interesses, entscheidend ist und zu mehr beitragen kann, insbesondere der der arabischen Staaten. Ich denke, angesichts des Ausmaßes der Zerstörung, aber vor allem, des Völkermordes, wird es unmöglich sein, über Generationen hinweg, im Herzen der Palästinenser Frieden schließen zu können mit Israel. Dazu braucht es keine Intervention, nicht von innen, nicht von außen.

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