Nationalgarde in Washington DC: Ein weiterer Schritt in Trumps autoritärem Staatsumbau

Sgt. Bryan Myhr, U.S. Air National Guard, CC BY-NC 2.0

Redaktion RoterMorgen – 18. August 2025
Gastautor
Otto Dersim, Erstveröffentlichung perspektive-online

Seit dem 11. August hat Trump die Kontrolle über die Hauptstadt Washington DC übernommen. Für die Menschen, die am härtesten von der Wirtschaft des reichsten Landes der Welt getroffen werden, heißt das: Räumungen, wahllose Verhaftungen und Schikane durch hochmilitarisierte Bundesbeamt:innen. Die schrittweise Vorbereitung offenbart einen durchdachten Plan.

„Einer der aufregendsten Zeiten meiner Karriere“, sagte Damon Hininger im Februar. Hininger ist der CEO von CoreCivic, dem größten amerikanischen Dienstleister in der Gefängnisindustrie. Das sei „vielleicht das bedeutendste Wachstum unseres Unternehmens in der jüngeren Geschichte“, fügte er in Reaktion auf den „Laken-Riley-Act“ hinzu.

Das Gesetz, das durch große Mehrheiten auf beiden Seiten des Senats unterstützt wurde, schreibt die Inhaftierung von Nicht-Staatsbürgern bei selbst begangenen Verbrechen vor. Hunderttausende neue Betten durch Trumps jagt auf Migrant:innen und potentielle Milliarden an Profiten sind ein profitables Investment für die „Gefängnisindustrie“. Trumps massenhafte Deportation von Millionen Menschen würde die Industrie „aufladen“.

Während in den maroden und unterbesetzten Gefängnissen Menschen sterben, stieg die Aktie von CoreCivic auf den höchsten Stand seit 2017. Mehr als eine Millionen Dollar hatten kommerzielle Gefängnisunternehmen in den zweiten Wahlkampf von Donald Trump gesteckt.

Die neusten Handlungen des Trump-Kabinetts sind keinesfalls neu für eine US-amerikanische Regierung. Sie zeigen allerdings eindrucksvoll, in welche Richtung die Reise im Land mit der größten stehenden Armee geht, aus welchem Holz diese Regierung geschnitzt ist, wie sie funktioniert – aber vor allem, was uns in der Zukunft erwarten könnte.
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Kampf um Selbstbestimmung der Hauptstadt

Im späten 19. Jahrhundert bekam die Hauptstadt Washington DC erstmalig das Recht über die eigenen Geschicke zu entscheiden, einen Repräsentanten zu wählen und eine lokale Regierung aufzustellen. Nachdem allerdings die aus dem Süden geflüchtete ehemaligen Sklaven mehr politische Kraft erlangten, wurde der District of Columbia unter die Entscheidungsgewalt des Kongresses gestellt.

So blieb es bis 1973, als durch lange politische Kämpfe ein Stück Selbstbestimmung gewonnen werden konnte. Allerdings geht der Kampf bis heute weiter.

In einem Interview auf der Airforce am 19. Februar 2025 wird Trump eine scheinbar ungewöhnliche Frage gestellt: „Finden sie, Washington DC sollte sich selber regieren dürfen, oder finden sie, die Regierung sollte es übernehmen?“

Trumps Antwort auf die Frage war fast deckungsgleich mit den Begründungen, die er später für die Übernahme von DC aufbringen würde: „Ich finde wir sollten es führen. (…) Ich finde wir sollten es stark führen, ich finde wir sollten es mit Recht und Ordnung führen“.

Das Kriminalitätsproblem sei außer Kontrolle geraten. DC müsse wieder wunderschön gemacht werden. Auch hier ist der Wortlaut identisch wie in den späteren Begründungen. Das Interview beendet Trump mit der Aussage: „Wir müssen uns um die Obdachlosen kümmern, aber wir können das einfach nicht in DC haben“. Eine fast zu genaue Beschreibung der näheren Zukunft.
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Chronologie der Zufälle

Am 28. März wird ohne größere mediale Aufmerksamkeit die Durchführungsverordnung „Den District of Columbia wieder sicherer und schöner machen“ veröffentlicht. Neben einem massiven Ausbau der Polizei, maximale Priorität für ICE (Immigration and Customs Enforcement) und die Bekämpfung der sogenannten „illegalen Migration“, wird eine gemeinsame Taskforce einberufen. Eben diese Taskforce wird auch später diejenige sein, unter deren Banner alle weiteren Aktionen stattfinden werden.

Am 24. Juli veröffentlicht das Weiße Haus eine weitere Verordnung. Die Beschlüsse in dieser neuen Verordnung beinhalten im Wesentlichen das Vereinfachen von Maßnahmen gegen obdachlose und drogenabhängige Menschen. Statt Hilfe zu bieten, werden Mittel entzogen. Budgets für Safer Use Zentren werden gestrichen. Es wird überprüft, ob man jenen, die Safer Use Zentren in Anspruch genommen haben, pauschal die Mittel streichen und die Betreiber strafrechtlich verfolgen kann.

Stattdessen sollen die Menschen in „geeignete Einrichtungen“ geleitet werden, nachdem die Behörde DOGE (Department for Government Efficiency, dt. Ministerium für Regierungseffizienz) die Gelder für eben jene Einrichtungen massenhaft gestrichen hatte. Statt Hilfe zu priorisieren, werden laut dem Dekret die „Drogen Gerichte“ im Budget priorisiert. Auch der Konsum aller Rauschmittel in der „Öffentlichkeit“ sind laut Beschluss verboten.

Housing First Programme, die Menschen wirksam und nachhaltig von der Straße holen sollen, indem sie kostengünstige, bedingungslose Wohnungen anbieten, werden gestrichen. Stattdessen soll es mehr Wettkampf zwischen Empfänger:innen von sozialer Hilfe geben.

Die Verordnung verlangt ebenfalls komplette Transparenz von allen, die auf staatliche Gelder angewiesen sind. Dabei geht es neben vereinfachten Zugang zu medizinischen Dokumenten auch um vereinfachten Zugang für Strafverfolgungsbehörden.

Einen Monat zuvor hatte der Supreme Court zudem entschieden, dass das Verbot, in der Öffentlichkeit zu schlafen, nicht unter „grausame und ungewöhnliche Bestrafung“ fällt und somit nicht verboten ist. Städte dürfen also in Zukunft Menschen strafrechtlich verfolgen, von denen sie ausgehen, dass sie dort schlafen – egal, ob im Auto, unter einer Brücke oder auf einer Toilette.

„Big Balls“

In den frühen Morgenstunden des 3. August wurde dann der 19-jährige Edward Coristine Berichten zufolge von einer großen Gruppe an Teenagern überfallen. Dabei sollen zwei 15-jährige festgenommen worden seien. „Big Balls“, wie Coristine auch bekannt war, war ein ehemaliger Mitarbeiter von Musks DOGE.

Der 19-Jährige sei um 3 Uhr morgens an einem Sonntag auf einem der beschäftigtsten und größten Kreisverkehrs der Stadt überfallen worden. Keine Kameraaufnahmen traten bis jetzt an die Öffentlichkeit. Das einzige Foto welches von der Auseinandersetzung existiert, zeigt eine Szene kurz nach dem Vorfall – geschossen von einem anderen ehemaligen DOGE Mitarbeiter. Trump verfasst am gleichen Abend einen ersten Post darüber, wie er die Kontrolle über die Polizei einnehmen wird. wenn Washington sich nicht „zusammenreißt“.

Am 9. August kündigt Trump dann an, dass er hunderte Bundesagenten nach DC hole. In einem Post auf Truth Social am 10. August erklärt er, alle Obdachlosen der Stadt müssen weg. Bei einer darauf folgenden Pressekonferenz am 11. August spricht er dann über die Übernahme von Washington DC durch den Einsatz der Nationalgarde.
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Die Übernahme

In dem Papier der Regierung zur Übernahme heißt es dann: „Die lokale Regierung des District of Columbia hat die Kontrolle über die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der Stadt verloren.“ Washington „sollte Ehrfurcht und Wertschätzung für die Stärke, Größe und das Erbe unserer Nation widerspiegeln und inspirieren“.

Ohne das Wissen der amtierenden Bürgermeisterin und dem Kopf des Metropolitan Police Departments erklärte Trump die Notlage in DC. Dabei berief er sich auf § 47 des Homerule Act, womit er die Nationalgarde in DC einsetzen und die Polizei unter seine Kontrolle nehmen kann.

Hunderte Bundesbeamt:innen aus allen Behörden, die in den vorherigen Tagen nach DC eingereist waren, stellten Checkpoints auf. Berichte auf TikTok, Instagram und X zeugen von Konvois und Wagen von ICE, ATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) und DE, die unter anderem vor der historischen Afro-Amerikanischen Eliteuniversität „Howard University“ Menschen festnahmen.

Über die nächsten vier Tage wurden in etwa 73 Camps von Obdachlosen geräumt und mindestens 200 Menschen verhaftet. „Obdachlose haben die Möglichkeit, ihr Lager zu verlassen und in ein Obdachlosenheim gebracht zu werden, wo ihnen Sucht- oder psychiatrische Hilfe angeboten wird. Wenn sie dies ablehnen, drohen ihnen Geldstrafen oder erneut eine Gefängnisstrafe“, erklärte die Pressesprecherin des Weißen Hauses kurz vor den Aktionen.

Dank des lose definierten Dekrets wurden Menschen sogar für das Rauchen von Cannabis auf dem eigenen Grundstück bestraft. Ein weiterer Schock für die Anwohner:innen war es, dass sich nicht nur die Polizei-Gewerkschaften hinter Trumps Aktion gestellt haben. Auch die Polizeipräsidentin, Pamela A. Smith, stimmte der Weitergabe von Informationen zu Migrant:innen an ICE zu.

Am 16. August wurde dann eine erste bundesgerichtliche Einigung erzielt, nachdem der Generalstaatsanwalt von Washington, D.C., Brian Schwalb, eine gerichtliche Verfügung beantragt hatte. Smith würde Polizeidirektorin bleiben. Dafür würde sie garantieren, dass die Polizei die eigenen Gesetze und Regeln ignoriert und bedingungslos mit der Durchsetzung der Einwanderungsbestimmungen kooperiert.
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Hochmilitarisierte Zukunft

Die Situation in DC bleibt weiter angespannt. Noch immer patrouillieren – bisher noch unbewaffnete – Soldat:innen die Stadt und noch immer wimmelt es von hochmiliarisierten Bundesbeamt:innen. Migrantische Menschen werden immer noch auf dem Weg zur Arbeit von Vermummten entführt.

Am Samstag erklärten Offizielle des Verteididungsministeriums dann, dass weitere 800 Soldat:innen der Nationalgarde aus republikanisch geführten Bundesstaaten nach DC kommen sollen. Zudem haben einige Soldat:innen Informationen bekommen, sich darauf vorzubereiten, Waffen zu tragen. Ein Sprecher der Nationalgarde bestätigte, dass Soldat:innen „bewaffnet werden könnten“.

Die Abfolge der zahlreichen Ereignisse zeigt, dass diese zu keinem besseren Zeitpunkt hätten kommen können. Sie fügen sich wie Puzzleteile zusammen und ergeben ein Bild, das nahelegt, dass es sich um einen gut durchdachten Plan handelt.

Doch ganz egal, ob nun Zufall oder nicht: Die Ereignisse der vergangenen Woche, aber auch die Situation in Los Angeles in den vergangenen Monaten, eröffnen einen beängstigenden Blick in eine hochmilitarisierte Zukunft. Und sie verdeutlichen den weiter voranschreitenden autoritären Staatsumbau in den USA.

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