Perspektive online – 7. Oktober 2025
In den USA versucht die Regierung auch gegen die ausdrücklichen Urteile von Gerichten den Einsatz von Bundestruppen in Bundesstaaten durchzusetzen. Präsident Trump erwägt nun auch öffentlich die Anwendung des sogenannten Aufstandsgesetz.
Auch nach mehreren Urteilen einer US-amerikanischen Bundesrichterin gibt die Trump-Regierung ihre Pläne, Bundestruppen in weitere Bundesstaaten der USA zu entsenden offenbar nicht auf.
Donald Trump mobilisierte den Einsatz der Nationalgarde bereits in Washington DC. Die US-Hauptstadt ist nicht Teil eines Bundesstaats, sondern steht unter direkter Verwaltung der US-Regierung. Trump will nun auch ähnliche Schritte in anderen US-Großstädten wie Chicago und Portland gehen. Da diese Städte aber in Bundesstaaten liegen trifft der US-Präsident hier auf größeren gesetzlichen Widerstand.
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Das „Aufstandsgesetz“ in den USA
Die Gesetze der USA gestehen auf Grundlage verschiedener Passagen dem US-Präsidenten das Recht zu, Bundestruppen in einzelne Bundesstaaten zu entsenden. Dabei kann es sich entweder um Angehörige des Militärs unter direkter Kontrolle der US-Bundesregierung handeln oder um die Angehörigen der Nationalgarde des betroffenen Bundesstaates oder eines anderen. Letztere stellt ebenfalls eine Reserve der US-Streitkräfte da, ist aber offiziell eine Miliz, deren Mitglieder nur Teilzeit als Nationalgardisten arbeiten. Sie sind entsprechend der Gliederung der einzelnen Bundesstaaten organisiert.
Während der Einsatz des Militärs im Inneren in den USA grundsätzlich illegal ist, gibt es einige Ausnahmeregelungen. Die bekannteste ist der sogenannte „Insurrection Act“ (Aufstandsgesetz). Seine wohl berühmtesten Anwendungen wurden von den Präsidenten Dwight Eisenhower und John F. Kennedy in den 50er bzw. 60er-Jahren vollzogen, um Bundesgerichtsurteile durchzusetzen, die schwarzen Jugendlichen das Recht zugestanden, an Universitäten zu studieren und Schulen zu besuchen, die zuvor Weißen vorbehalten waren.
Damals brach die Bundesregierung jeweils mit der Mobilisierung von Bundestruppen den Widerstand der lokalen Gouverneure, die in rechtskonservativen Bundesstaaten den Status Quo verteidigen wollten (zum Teil ebenfalls unter Einsatz der Nationalgarde ihres eigenen Staates). Es gibt also grundsätzlich eine Tradition den Insurrection Act als Mittel in internen Machtkämpfen der verschiedenen staatlichen Institutionen der USA einzusetzen.
Zugleich bleibt aber wichtig zu erwähnen, dass er auch immer gegen echte von der Bevölkerung oder Bevölkerungsteilen getragenen Aufständen zum Beispiel gegen rassistische Diskriminierung und Repression zum Einsatz kam, etwa 1992 bei Riots in Los Angeles oder Ende der 1960er-Jahre unter anderem nach der Ermordung von Martin Luther King.
Wie Trump seine Politik mit dem Militär durchsetzen will
Bisher ist die Trump-Regierung diesen Schritt allerdings noch nicht gegangen, sondern kokettiert öffentlich damit. So sagte Trump gegenüber Reportern am Montag, er könne sich gut vorstellen besagten Insurrection Act zur Anwendung zu bringen, wenn sich Gerichte weiterhin der von ihm geplanten Entsendung von Bundestruppen in bestimmte Bundesstaaten entgegenstellen würden. Passend dazu bezeichnet er auch in den letzten Tagen vermehrt die andauernden Proteste gegen die Razzien und Abschiebungen durch Beamte der Einwanderungsbehörde ICE als „criminal insurrections“ (kriminelle Aufstände).
Bisher hat die Regierung erfolgreich Bundestruppen zur „Unterstützung“ der Polizeiarbeit in die Stadt Memphis im republikanisch regierten Bundesstaat Tennessee und nach Washington D.C. entsendet. Momentan versucht sie darüber hinaus Truppen der Nationalgarde aus anderen Bundesstaaten nach Portland in Oregon und Chicago in Illinois zu entsenden. Beide Bundesstaaten werden von demokratischen Gouverneuren regiert. Insbesondere die in Oregon regierende und offen lesbisch lebende Gouverneurin Tina Kotek dürfte eine geeignete Hassfigur für die Hardliner im Trump-Lager sein.
Während Washington D.C. als Regierungssitz eine Ausnahme darstellt, da es direkt den Bundesinstitutionen untersteht, hat der republikanische Gouverneur von Tennessee offenbar sein Einverständnis für den Einsatz von Bundesbehörden in Memphis gegeben. Unter diesen Bedingungen ist dies nämlich auch legal, ohne dass der US-Präsident sich auf den Insurrection Act beruft, um seinen Willen gegen die Gouverneure der Bundesstaaten durchzusetzen. Die Gouverneure in Illinois und Oregon hingegen widersetzen sich offenbar weiterhin diesen Plänen. Offiziell wird die Entsendung von Bundestruppen nämlich bisher mit der Notwendigkeit Bundeseigentum, gemeint sind die Einrichtungen der ICE-Behörde, zu schützen, begründet.
Trump-Regierung will sich über Gerichtsbeschluss hinwegsetzen
Zuletzt hatte eine selbst republikanische Bundesrichterin auch mehrfach geurteilt, dass es keine sachliche Grundlage für die Entsendung von Bundestruppen nach Portland, Oregon gäbe. Jedoch musste sie kurz darauf auch offensichtlich frustriert öffentlich einräumen, dass die US-Regierung sich über ihr Urteil hinwegzusetzen scheine. Denn der frischgebackene Kriegsminister Pete Hegseth gab kurz darauf bekannt, er habe die kalifornische Nationalgarde nach Oregon entsandt. Zugleich habe er eine Einigung mit dem republikanisch regierten Texas erzielt, um seine Nationalgarde nach Chicago in Illinois zu entsenden.
Offenbar hat die Trump-Regierung auch bereits ähnliche Pläne für Städte in weiteren Bundesstaaten. Unter anderem New York City, Oakland in Kalifornien, Baltimore in Maryland und New Orleans in Louisiana wurden schon öffentlich in diesem Zusammenhang genannt. Auch hier werden außer Louisiana alle Bundesstaaten demokratisch regiert, was im aktuell zugespitzten Machtkampf vermuten lässt, dass es einen gewissen Widerstand von den jeweiligen Regierungen der Bundesstaaten geben würde.
Wie auch in Tennessee dürfte Louisiana in dieser Aufzählung auch die Funktion erfüllen, den Vorwurf zu kontern, es handele sich hier um einen rein parteipolitisch motivierten Machtkampf.
Auch wenn in den Medien aktuell das Tauziehen zwischen republikanischen und demokratischen Politiker:innen sowie Gerichten im Zentrum steht, geht es auch tatsächlich nicht nur darum. Dieser Machtkampf und Trumps Versuche, die Macht im Staat stärker auf sich selbst zu zentralisieren, vollziehen sich hier vor dem konkreten Hintergrund, dass seine Regierung eine härtere Gangart gegen die anhaltenden, von breiten Teilen der Bevölkerung getragenen, Widerstandsformen gegen seine großangelegte Abschiebepolitik durchsetzen will.
Für einen besonderen Aufschrei hat hierbei unter den liberaleren Medien in den USA gesorgt, dass der Präsident kürzlich bei einer Versammlung mit ca. 800 US-Generälen in einer Rede die Bemerkung fallen ließe, die USA befänden sich bereits in einem „inneren Krieg“ (war within) und verschiedene US-amerikanische Großstädte könnten schon bald als Trainingsgebiet für die US-Streitkräfte genutzt werden.
Shutdown der Regierungsbehörden
Ergänzt wird die geschilderte Situation aktuell durch einen sogenannten Shutdown in den Bundesbehörden. Dieser kommt zustande, wenn es den US-Parlamenten nicht rechtzeitig gelingt, sich auf einen neuen Bundeshaushalt zu einigen. Da für diese Beschlüsse nicht nur eine absolute Mehrheit, sondern 60 von 100 Stimmen im Senat notwendig sind, ist hier regelmäßig auch die Zustimmung der Oppositionspartei notwendig.
Diese Situation wurde in den letzten Jahren immer wieder als politisches Druckmittel genutzt, um Elemente der eigenen Politik durchzusetzen oder die Politik der Regierungspartei abzuschwächen. Bisher verweigert nun die demokratische Minderheit die Zustimmung zum Haushaltsentwurf der Republikaner und fordert unter anderem die Entschärfung von Kürzungen im Sozialstaat.
Das Ergebnis dieser Blockadesituation ist jedoch zunächst, dass die Bundesbehörden ihren Betrieb auf einen noch näher zu definierenden Notbetrieb umstellen müssen und ein Teil der Beschäftigten in den Zwangsurlaub geschickt wird.
Während sich im Senat Republikaner und Demokraten gegenseitig wegen mangelnder Kompromissbereitschaft die Schuld hierfür in die Schuhe schieben, hat das Weiße Haus unter Trump bereits die Anweisung an alle Ministerien herausgegeben, in ihren Notfallplänen auch die Möglichkeit von Massenentlassungen zu berücksichtigen.
Die Regierung liebäugelt hier also offenbar damit, die Situation dazu auszunutzen, ihre Pläne unliebsame Staatsausgaben zusammenzustreichen schneller und radikaler umzusetzen, als es bisher möglich schien.
Dieser Artikel erschien erstmals am 07.10.2025 auf PERSPEKTIVE online. Wir danken den Redaktionsgenossen für ihre Gute Arbeit. Eine Weiterveröffentlichung des Textes ist gemäß einer Creative Commons 4.0 International Lizenz ausdrücklich erwünscht. (Unter gleichen Bedingungen: unkommerziell, Nennung der verlinkten Quelle (»PERSPEKTIVE«) mit Erscheinungsdatum).
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