Andreas Habicht, Málaga

Die alltägliche Relativierung des Faschismus

Andreas Habicht

Eine schonungslose Analyse der bürgerlichen Medien, wie genau diese dazu beitragen, dass „rechtspopulistisches“ und faschistisches Gedankengut in der „Mitte der Gesellschaft“ nach und nach wieder Fuß fassen kann.

Es ist ja bekannt, beim Thema Fußball, ja Sportveranstaltungen überhaupt, wird vieles hingenommen, relativiert aber, wenn es aus dem „falschen Lager“ kommt, wird ein Politikum daraus gemacht.

Hier fällt mir nun in erster Linie die Fußballweltmeisterschaft von 1978 in Argentinien ein, die es dem faschistischen General Jorge Videla, der sich zwei Jahre zuvor gewaltsam an die Macht geputscht hat, eine Bühne bot, um sein menschenverachtendes Regime der Weltöffentlichkeit als „erfolgreiches Modell“ zu präsentieren. Was viele nicht wissen, nicht einmal ein Kilometer vom Stadion entfernt, war eines der berüchtigten Konzentrationslager des Regimes, in dem Menschen gefoltert wurden.

Fahne de NoNameBoys, Fussballfans von Benfica Lissabon – Screenshot YouTube

Anders sah es allerdings bei den Olympischen Spielen in Moskau im Jahr 1980 aus. Hier waren ja die „bösen“ Kommunisten an der Macht, die ein Jahr zuvor auf Ersuchen der Regierung der Demokratischen Republik Afghanistan, militärische Einheiten dorthin verlegte. Ich möchte hier an dieser Stelle keine Wertung über Sinn oder Unsinn der Hilfeleistung an die damalige afghanische Regierung vornehmen. Ich persönlich bin der Ansicht, dass jedes Volk ein Recht darauf hat, seine Geschicke ohne Fremdbestimmung selbst in die Hand zu nehmen. An dieser Stelle möchte ich eigentlich nur erwähnen, dass eben auch beim ach so unpolitischen Sport, Politik sehr wohl eine Rolle spielt und wenn es sich um faschistische Ideologien handelt, wurde es in den 1970er Jahren genauso, wie heute immer wieder heruntergespielt.
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Verharmlosung der kroatischen Ustascha

Auch die Fußballweltmeisterschaft 2018 war nicht so unpolitisch, wie es nach außen hin für die meisten den Anschein hatte. Das man darüber in den bürgerlichen Medien kaum etwas hörte, bzw. las, hatte sicherlich seinen Grund.

Die kroatische Fußballmannschaft, die ja bekanntlich Vizeweltmeister wurde, machte allerdings durch recht „unschöne“ (recht vorsichtig ausgedrückt) Aktionen auf sich aufmerksam. So sangen sie nach dem Sieg über die argentinische Fußballnationalmannschaft in der Kabine das aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg (berüchtigte) Lied Bojna Čavoglave (1), von der kroatischen (Rechts-) Rockband, Thompson (2) in dem der Hass gegenüber Serben unverblümt zum Ausdruck gebracht wird.

Ich möchte hier keine Stellung darauf beziehen, wer nun im Jugoslavienkrieg im Recht war und wer nicht. Allerdings mehr als 20 Jahre nach Beendigung dieses Krieges, sollte zumindest bei internationalen Auftritten offizieller Vertreter (wozu ich auch eine Fußballmannschaft zähle) eines Staates, eine gewisse Zurückhaltung angebracht sein.

Nachdem die kroatische Nationalmannschaft in ihr Heimatland zurückkehrte, fuhr sie mit dem Gründer und Kopf der Musikgruppe Thompson, Marko Perković (2) durch Zagreb. Das es sich hier nicht um eine „normale“ Band handelt, sehen wir zumindest an einem Teil der Lieder, wobei „Bojna Čavoglave“ noch „harmlos“ sein dürfte gegen ein offen faschistisches Lied der Ustascha Bewegung, Jasenovac i Gradiška Stara, das die Tötung von Juden und Serben in den Konzentrationslagern Jasenovac und Stara Gradiška verherrlicht. Auch hier steht man offenbar, wie so oft, wenn offen faschistisches Gedankengut zum Tragen kommt, nicht dazu, diese Ideologie zu vertreten. So bestritt Perković, bis ihm ein entsprechender Konzertmitschnitt vorgelegt wurde, überhaupt ein solches Lied gespielt zu haben, anschließend distanzierte er sich von der Ustascha Ideologie und Rechtsextremismus. Er sehe sich selbst als Patriot, allerdings ordnen ihn Beobachter als eindeutig nationalistisch ein (3).

Ich wies in mehreren Artikeln in diversen Facebookgruppen auf diese Vorfälle hin. Leider musste ich anhand von Kommentaren immer wieder feststellen, dass hier genau die zuvor beschriebenen „Umstände“ relativiert, heruntergespielt, verharmlost, ja sogar gerechtfertigt wurden. Dies leider nicht nur von Leuten, die man gemeinhin dem rechten politischen Spektrum zuordnet, sondern sogar bis zu denjenigen, die sich selbst als „links“ und Antifaschisten sehen.

Von einem Kommentator wurde mir sogar vorgeworfen, es sei rassistisch, gegen eine ausländische Fußballmannschaft zu „hetzen“. Nur scheint dieser Herr hier zu verwechseln, dass die Erwähnung von Tatsachen, ohne dies „auszuschmücken“ oder gar Verallgemeinerungen gegen das ganze (kroatische) Volk auszudrücken, wohl alles andere als Hetze ist. Ich unterstelle noch nicht einmal der gesamten Fußballnationalmannschaft Kroatiens „rechte Tendenzen“, allerdings anhand von dem, was man zu sehen und zu hören bekam, finde ich schon, dass es grade Leute, die sich selbst als ANTIFASCHISTEN sehen, eben nicht „kalt lassen“ sollte – ja es müsste sogar die Pflicht sein, dies zu erwähnen und verurteilen.
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Desinformation durch die bürgerliche Presse

Woran mag das nun liegen, dass Leute, die im allgemeinen „gegen Rechts“ sind, sich als „Antifaschisten“ oder sogar selbst als „links“ sehen, hier relativieren, ja sogar den Spieß einfach umkehren und mir Rassismus vorwerfen? Mit Sicherheit kann man hier durchaus einen Zusammenhang herzustellen, mit der bürgerlichen Presse, die ja bekanntlich in Sachen Rechtsextremismus bis heute recht zurückhaltend ist und eher „nach links“ schießt.

Genau diese „Linken“, bzw. sich selbst als „Antifaschisten“ bezeichnenden Leute beziehen ihre „Informationen“ (eigentlich eher Desinformationen) über revolutionäre Befreiungsbewegungen, ausschließlich aus den bürgerlichen Medien (die ja bekanntlich ein Instrument der Machtsicherung sind) und verinnerlichen sich teilweise äußerst reaktionäre Ansichten, indem sie zum Beispiel bis heute die kubanischen Revolutionäre Ernesto „Che“ Guevara und die Castro- Brüder, als „Massenmörder“ bezeichnen. Kurioserweise sind es genau diese Leute, von denen man absolut keine Kritik an Diktatoren, wie Batista (Cuba), Stroessner (Paraguay), Pinochet (Chile), Videla (Argentinien) zu hören bekam. Nun…, wie konnte man auch? Die bürgerliche Presse hielt sich ja immer schon mit Informationen über Diktaturen von „Amerikas Gnaden“ auffällig zurück, während „die Kommunisten“, bzw. was sie dafür halten, die „ganz Bösen“ sind.

Genau dies ist sicherlich auch einer der Gründe, dass rechtsradikales Gedankengut nie ausgerottet wurde und inzwischen offenbar wieder in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist und die Gesellschaft inzwischen ziemlich polarisiert.

Wie man in der Geschichte schon des öfteren sah, bediente sich das Großkapital immer dann, wenn es sich „in die Enge getrieben“ sah, gerne dem Faschismus als Instrument des Machterhalts. Dies war in Italien der zwanziger Jahre nicht anders, als in Deutschland oder Spanien der 1930er Jahre und auch in Chile in den 1970er Jahren…

Dass Guevara und Castro bis zum heutigen Tag einen besonderen Hass der Reaktion auf sich ziehen, kann ich sogar nachvollziehen- konnte sich doch die kubanische Revolution immer verteidigen und die Aggressoren führten sich im Prinzip selbst vor, indem sie sich trotz aller Bestrebungen Kuba zu „befreien“ (wie man gerne einen Regimechange im Sinne des Großkapitals bezeichnet) kläglich scheiterten. Genau dies beweist auch, dass die bürgerliche Demokratie nur eine Farce ist und immer dann, wenn das Kapital ein entsprechendes Interesse hat, zur Disposition steht.
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Rechtspopulistische Parteien und Organisationen

Wenn man die bürgerlichen Medien genau und kritisch verfolgt, kann man in den letzten Jahren im allgemeinen einen Trend feststellen, dass es genau diese Medien rechtspopulistischen Parteien und Organisationen ermöglichen, in der (sogenannten) Mitte der Gesellschaft Fuss zu fassen.

Wurde zum Beispiel in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der (sogenannten) AfD, immer der Zusatz „rechtspopulistisch“ verwendet, verschwindet dies bei den meisten Medien zunehmend, während man allerdings im Umkehrschluss, wenn es darum geht, gegen Linke „zu schießen“, an Polemik nicht spart. Hier ist dann von Steinewerfern, Linksextremisten, Linksfaschisten die Rede- ja es geht sogar schon fast soweit, dass man linkes Gedankengut gerne in die Nähe von Terrorismus stellt.

Weiterhin stellt man bei einigen Medien auch fest, dass dort zum Beispiel Geflüchteten, recht verallgemeinernd unterstellt wird, den deutschen Sozialstaat „ausplündern“ zu wollen, in dem sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ diffamiert werden. Damit wir uns richtig verstehen, ich möchte hier nicht behaupten, dass alle Flüchtlinge in „ehrlicher Absicht“ nach Deutschland und Europa kommen. Aber wir sollten uns schon vor Augen halten, dass es für Viele eben nicht einfach ist, eine teilweise jahrelange, gefährliche und beschwerliche Reise auf sich zu nehmen. Auch darf man nicht außer Acht lassen, dass die Reise nach Europa, eine Reise ins Ungewisse ist und sicherlich sehr Viele eben nicht wissen, ob sie ihre Familien oder ihr Land jemals wieder sehen werden.
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(1) Bojna Čavoglave: https://youtu.be/PZruLp_2VA0
(2) Thompson: https://de.wikipedia.org/wiki/Thompson_(Band)
(3) Jasenovac i Gradiška Stara: https://de.wikipedia.org/wiki/Thompson_(Band)#Konzerte_und_Auftritte
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Weitete Beiträge von Andreas Habicht aus Malaga
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