Süddeutsche Zeitung 04.08.2007

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"Der Rote Elvis" - ein linker Taugenichts

Ein Film über Dean Reed, der gegen die USA sang und in DDR-Cowboyfilmen endete

Verwirrt steht er da, der junge Kavallerist, fassungslos schaut er dem Treiben seines Trupps zu. Wie sie das Indianerdorf zerstören, die Zelte in Brand stecken, Krieger und Frauen massakrieren. In der Hand hat der Junge die amerikanische Flagge, die er, erschüttert, schließlich zerbricht: "Blutsbrüder", 1975, ein Indianer-Western der Defa, mit Gojko Mitic als edler Rothaut.

Der Kavallerist, der seine amerikanischen Träume so beschmutzt sieht, ist Dean Reed, ein blonder Junge aus einem Städtchen bei Denver, Colorado, der in seinen Liedern wie der junge Elvis klingt, der drei Jahre vor ihm geboren ist, ein maßvoller, bescheidener, züchtiger Elvis, mehr Beach Boy als Rocker - das wilde Charisma des Originals erreicht er in keiner Sekunde. "Elvis hätte ihn verklagen können", fasst ein Filmhistoriker das zusammen. Eine rätselhafte Nebengestalt der unergründlichen Siebziger, und auch der Film von Leopold Grün kann das Rätsel nicht lösen. Tom Hanks bemüht sich seit Jahren, ein Projekt über diesen Jungen auf die Beine zu stellen.

Ein paar Jahre vor den "Blutsbrüdern" hatte Dean schon einmal die amerikanische Flagge in der Hand gehalten, in einer spektakulären Reinigungs- und Sühneaktion. "Diese Flagge ist beschmutzt", hatte er am 31. August 1970 vor der amerikanischen Botschaft in Santiago de Chile erklärt, "mit dem Blut und den Tränen Tausender vietnamesischer Frauen und Kinder, die in Frieden und Freiheit, in Selbstbestimmung leben wollten. Sie ist beschmutzt mit dem Blut und den Tränen von Millionen Menschen der meisten Länder Südamerikas, Asiens, Afrikas. Ich wasche symbolisch diese Flagge meines Landes, der Vereinigten Staaten von Amerika..." Eine provozierende Demut, er sprach in einem behutsamen Spanisch, bemüht, jede Spur eines amerikanischen Akzents zu vermeiden, jeden Eindruck einer Siegerpose.

In Südamerika war Dean Reed in den Sechzigern zum Star geworden, auch deshalb weil er sich für Frieden und Freiheit, gegen Imperialismus und Ausbeutung engagierte. Ein Gringo, der seinem Land den Rücken zukehrte, der mit seinen Zuschauern "Venceremos" sang und Wahlkampf machte für Allende. 1972 zog er in die DDR, heiratete und wurde ein Idol der Jugend dort - und von den Funktionären mehr oder wenig subtil für Propagandazwecke benutzt: "8.000 Frauen waren außer sich..."

Das ist das Verblüffende, das Berührende, wenn man all die Film- und Konzert- und Talkshow-Ausschnitte von damals sieht, wenn man die Geschichten hört, die Freunde, Kollegen, Funktionäre, Fans erzählen, von Armin Mueller-Stahl bis Egon Krenz - wie kurz der Weg ist, der von den großen amerikanischen Idealen direkt in den Sozialismus führen kann. Und wie gewaltig die Naivität war, die damals mit politischem Bewusstsein und Engagement einher ging. Ja, es ging um Emotionen mehr als um Inhalte, um Emphase mehr als um Erkenntnisse - so hörte sich das auch an, auf einer anderen Schiene, bei Rudi Dutschke, an den Dean Reed manchmal erinnert, der gleiche beschwörende, einlullende Singsang.

Immer wieder rebellierte er gegen den Heile-Welt-Sozialismus, für den er sich entschieden hatte, gegen den Stempel des Friedenssängers, den man ihm aufgedrückt hatte. Der Lieder singt für die Jugend, aber die Jugend ist schon an ihm vorbeigezogen, hat ganz andere Ideale, und eine andere Musik. Der Gipfel war 1973, als der amerikanische Sonnyboy den Eichendorffschen Taugenichts verkörperte, neben Hannelore Elsner - das war bizarrer noch als die deutschen Indianerfilme in Ost wie in West.

Es hatte aber auch dunkle Momente gegeben an der Figur Dean Reed, Momente der Irritation, der Absurdität. Hat er das wirklich ernst gemeint, als er erklärte, er wolle in die USA zurück, würde gern Senator von Colorado werden? Dann nannte er in einer Talkshow Reagans Star-Wars-Programm eine Form von Staatsterrorismus, und wurde endgültig persona non grata in den USA. Die Petition gegen den Biermann-Rausschmiss, für den Jurek Becker und Mueller-Stahl vorsprachen, hat er nicht unterschreiben wollen. Irgendwann will er Kämpfer werden, er lässt sich einen Bart stehen, busselt Arafat ab und tanzt, die Kalaschnikow in der Hand, mit den Palästinensern. Die Zeichen werden diffus, und die Person dahinter. Einmal sieht man eine Frau, Fan und Freundin, über den Friedhof stolpern und mit der Hand den Schnee vom Namen auf seinem Grabstein wischen. Es wirkt wie die einzige wahrhafte Geste dieses Films.

Autor: Fritz Göttler

DER ROTE ELVIS, D 2007 - Regie, Buch: Leopold Grün. Kamera: Thomas Janze. Schnitt: Dirk Uhlig. Mit: Chucho Fernandez, Isabel Allende, Peter Boyles, Armin Mueller-Stahl, Celino Bleiweiß, Egon Krenz, Wiebke Reed, Maren Zeidler. Neue Visionen, 90 Minuten.

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Letzte Änderung: 2009-07-28