Progress Pressebulletin Kino DDR Sonderheft II/1981

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XX. Sommerfilmtage in der DDR

Sing, Cowboy, sing

Progress Pressebulletin

Die beiden Cowboys Joe und Beny tingeln so schlecht und recht durch den "Wilden Westen". Ihr permanent leerer Geldbeutel gestattet ihnen keine große Wahl bei ihren Gelegenheitsjobs. Allerdings reicht ihr beachtliches Repertoire von Rodeokunststücken bis zu Musik- und Clownsnummern. Von der Erfüllung ihrer Träume - Joe sieht sich darin als strahlender Held, Beny als ein erfolgreicher Clown - sind sie mehr als entfernt. Ihre Wünsche scheitern an der rauen Wirklichkeit. Eines Tages schmuggelt sich das Mädchen Susan in den Wagen der Cowboys. Sie ist fasziniert von Joes Rodeokunststücken und möchte ihn gern als Vater haben. Susans Mutter Maria steht vor der Eheschließung mit dem reichen, aber verschlagenen Farmer Dave, und das kleine Mädchen will diese Verbindung, komme, was wolle, verhindern. So sieht sich Joe nicht nur plötzlich in eine völlig ungewohnte Vaterrolle gedrängt, sondern hat vor allem mit den strapaziösen und oft auch gefährlichen Aktivitäten Susans fertig zu werden. Sie zwingt ihn, immer dann einzugreifen, wenn andere Unrecht erleiden müssen. Unterdessen hat Dave die beiden Cowboys zu Kindesentführern abstempeln lassen. Inzwischen weiß Maria um die dunklen Machenschaften von Dave und reitet los, die beiden Cowboys zu warnen. Diese sind bei ehemals deutschen Siedlern gelandet, die von Daves Leuten unter Druck gesetzt werden. Joe ergreift die Initiative und mit Hilfe aller gelingt es, Dave und seine Männer in die Flucht zu schlagen.

Zum Film:

Autor, Regisseur und Hauptdarsteller: Dean Reed

Zwar hat inzwischen die DEFA den Filmkontinent "Wilder Westen" für sich entdeckt und dort Fuß gefasst, doch unsere bewährten historischen Indianerfilme haben nur wenig gemein mit dieser neuartigen Form der Westernkomödie, wie sie uns nun das Babelsberger Studio mit "Sing, Cowboy, sing" beschert hat.

Geschrieben, inszeniert und gespielt wurde sie von einem Mann, der Land und Leute dort aus eigenem Erleben kennt, sie freundlich, vertraut und kritisch sieht, ihren eigentümlichen, mitunter kindlichen wie auch makaberen Humor versteht und davon etliches in seinen Film einbringt. Dean Reed, der Mann aus Colorado, der sich als Kind sein Reitpferd ersparte wie hierzulande die Jungs ihr Fahrrad, der Rodeos ritt und als Cowboy auf einer Ranch lebte, will hier auch ein Kapitel aus seinem Leben erzählen. Nicht mit dem Anspruch auf realistische Widerspiegelung, sondern mit dem Gefühl für Lebensweise und Milieu dieser anderen Welt. Und die Geschichte der zwei Cowboys, die singend und tingelnd durchs Land ziehen, an ihrer vogelfreien Existenz hängen und schließlich doch sesshaft werden, deklariert er auch als ein Stück von sich selbst.

Hinzu kommt, dass er genreerfahren ist; die Mehrzahl der 16 Filme, in denen er Hauptrollen spielte, bewegte sich auf diesem Terrain. So ist ein Film entstanden, der sich mit hiesigen Produktionen zu solchem Thema nicht vergleichen lässt, auch wenn das von Reed postulierte humanistische Anliegen ein gleiches ist und auch hierbei der Kampf zwischen Macht und Unabhängigkeit in "Gottes freiestem Land" eine Rolle spielt. Doch für die Rezeption und Publikumswirkung sind noch keine Kennziffern und Beurteilungsmaßstäbe parat. Es sei denn, man misst an ähnlichen Gebautem wie "Zwiebeljack" und "Der kleine und der müde Joe", Vorbilder, die auch Dean Reed im Auge hatte und deren Erfolg ihn in der Annahme bestärkte, dass auch dieser Streifen bei uns sein Publikum finden wird. Dem gemäß scheute er sich nicht, den Humor bis auf den Mont Klamott zu treiben. Seine Helden wälzen sich im Schlammbad, beißen in Schweineschwänze, schlagen zünftige Saalschlachten zwischen Ziegen und Hühnern in einem Super-Saloon und schießen den Sheriffs die Hosen vom Leib. An Gags ist kein Mangel: eine Pythonschlange in Deans Hosenbein, eine bierspeiende Fliege - überhaupt wirkt eine Menagerie von rund einem Dutzend Tiere mit. Es darf gelacht werden, laut und deftig. Und es darf geweint werden. Denn auch dem Gemüt wird gegeben, was sein ist: Sentimental beispielsweise, als die kleine Susan sich Cowboy Joe zum Papa erobert. Dieses kleine Mädchen, gespielt von der Berliner Schülerin Kerstin Beyer, ist Dean Reeds Entdeckung. "Ich wollte ein Mädchen, das aufgeschlossen, emotionell und auch aggressiv sein kann", sagte er und befürchtete schon, dass er seine Darstellerin hier nicht finden kann. Denn bereits bei seinem vorherigen Film "El Cantor" musste er feststellen, dass sich die disziplinierten deutschen Kinder schwer in eine andere nationale Mentalität hineinversetzen lassen. Kerstin, die - wie er meint - zum Beispiel die Tränenszene besser als manche Professionelle zuwege brachte, entsprach seinen Vorstellungen.

Überhaupt schätzt sich Dean Reed glücklich, einen Film geschaffen zu haben, in dem zwölf Hauptdarsteller aufzutreten, dass heißt, jeder Mitspieler ist ein Typ mit origineller Physiognomie und unverwechselbarem Habitus. Er kalkulierte das bereits während der einjährigen Arbeit am Buch und schnitt die Rollen auf die Schauspieler zu, wie die des komisch-sensiblen Beny auf Václav Neckář zum Beispiel. Und auch solchen Randfiguren wie Stefan Diestelmanns Saloon-Schlagzeuger maß er gleiches Gewicht bei. Es entspricht gewiss den Intentionen des Urhebers, dass sein Werk sich so multinational darbietet. Aus fünf Ländern holte er sich die Schauspieler zusammen: aus der DDR, der ČSSR und Rumänien; der Koch ist tatsächlich original chinesisch und aus den USA kam mit Sohn sein alter Lehrer und Adoptivvater Paton Price, einer der berühmtesten Schauspielausbilder. Er übernahm die Fachberatung und erfüllte seinem ehemaligen Schüler und sich den langgehegten Traum, einmal zusammenzuarbeiten.

Dazu Dean Reed: "Alle waren meine persönlichen Freunde, und das lag in meiner Absicht. Denn ich kann besser arbeiten mit Leuten, die ich kenne und die ich als Menschen und Künstler schätze. So waren wir nicht schlechthin ein Arbeitskollektiv, sondern eine Familie. Nur so habe ich es geschafft, und das sage ich nicht aus Höflichkeit."

Dean Reed ist bekannt dafür, dass er seine Unternehmungen stets mit vollem Einsatz durchführt. Für einen früheren Film sprang er mit dem Fallschirm vom Flugzeug ab, Motorrad fährt er beim Motocross. Sein Drehbuch schrieb er trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen selbst - nicht aus Überschätzung seiner Fähigkeiten, sondern weil er keinen Partner fand, der ähnliche Authentizität in diesem Bereich liefern könnte. Und doubeln ließ er sich auch nicht bei den Dreharbeiten, obwohl er in höchste Gefahr geriet, als sein Pferd durch die Wand ging im Saloon oder er ein wildgewordenes Kutschengespann bändigte.

Engagement und Emotion, das sind für ihn zwei wesentliche Prinzipien, persönlich wie in der Arbeit, und bei einem thematisch schwerwiegenden Film wie seinem "El Cantor" ebenso wie in diesem Streifen, der in der Kategorie Unterhaltung rangieren wird. "Unverständlich ist mir Gleichgültigkeit. Ich selbst bin sehr emotional. Ich liebe tief und hart, und ich kann auch sehr hassen. Und gleichstarke Emotionen - Lachen und Weinen, Freude und Hass - wünsche ich mir von einem Publikum."

M.Li.

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Dean Reed: "Ich möchte, dass die Menschen lachen"

Nach "El Cantor" erlebt dich das Publikum nun zum zweiten Mal mit einem Film, den du selbst geschrieben und inszeniert hast und in dem Du die Hauptrolle spielst. Was hat der Regisseur und Schauspieler Dean Reed dazu zu sagen?

Manche Leute werden meinen, dieser Dean hält sich für ein Genie, er ist Autor, führt Regie, spielt die Hauptrolle. Natürlich weiß ich, dass ich keines bin. Ich hätte gern mit einem Partner gearbeitet, der mir das Drehbuch schreibt, schon deshalb, weil ich auf diese Weise ein ganzes Jahr verpasst habe und keine Zeit für Konzertourneen und andere Arbeiten hatte. Aber einen solchen Partner, den ich als Mensch und vom Talent her mag, fand ich nicht. Abgesehen davon war ich der Meinung, einen solchen Film kann ich besser machen als jemand, der sich in dieser Thematik und Lebensweise nicht so direkt auskennt. Ich habe diese Art von Filmen bereits in Italien gemacht, und ich habe auch als Cowboy gelebt. Die Geschichte des Papa Joe ist auch ein bisschen meine Geschichte, ebenso - wie in einer ganz anderen Art - die Geschichte El Cantors mit meiner verknüpft ist. Aus diesen Gründen habe ich die dreifache Funktion übernommen.

Die Idee hatte ich schon lange. Ich wollte einen Film drehen, der die Leute unterhält, bei dem sie ihre Probleme für eineinhalb Stunden vergessen und in einer Traumwelt leben. Ja, eine Filmwelt kann und muss auch eine Traumwelt sein, was ein humanistisches Anliegen trotzdem nicht ausschließt. Diese zwei Cowboys, von denen erzählt wird, sind ein bisschen zwei Taugenichtse, nicht schlecht, nicht gut. Sie wollen einfach leben. Und der Hauptheld, Papa Joe, meint zwar: "Ich will nicht das Schlechte", aber er vertritt auch die Maxime: "Was soll i c h dagegen tun, das geht mich nichts an." Jedoch die Begegnung mit dem kleinen Mädchen und seinen schwarz-weißen Maßstäben von gerecht und ungerecht, gut und böse lässt ihn erkennen, dass er Stellung beziehen muss.

Beim Schreiben habe ich festgestellt, dass ich in all meinen bisherigen Filmen immer einen Menschen dargestellt habe, der von Anfang bis Ende ein Held war. Nun wollte ich einmal zeigen, dass nicht nur Kinder, sondern auch ein 40-jähriger Mann sich zum Positiven hin verändern kann.

So ernsthaft wie diese Worte ist doch aber dieser Film nicht?

Ganz im Gegenteil, ein Gag folgt dem anderen. Ich wollte, dass die Leute lachen. Weil Lachen genauso wichtig ist wie Essen, Spazieren gehen, Lieben und Arbeiten. Aber manchmal vergessen wir das.

Im Gefängnis habe ich erlebt, wie lebensnotwendig Lachen sein kann. Nirgendwo bin ich auf so viel Humor getroffen, jeder versuchte bewusst, auf diese Weise optimistisch zu bleiben. Auch deshalb halte ich Lachen für so wichtig.

Über den Film werden vielleicht manche Kritiker sagen, er sei eine Klamotte, und sie meinen das negativ. Ich aber sage: man kann eine Klamotte gut oder schlecht machen. Alles, was gut gemacht ist, das ist Kunst. Und wenn das Publikum Spaß hat, dann bin ich zufrieden. Denn ich meine, Aufgabe des Künstlers ist es, durch sein Wirken die Menschen auch zu verbessern. Und wenn sie einen Film lang lachen, dann macht es sie auch besser.

Einen solchen moralischen Anspruch hast du bereits in "El Cantor", dort allerdings auf sehr ernste Weise, vertreten.

Ja, und daraus werden manche einen Widerspruch ablesen. Dean Reed ist ein Friedenskämpfer, fünfmal war er im Gefängnis - und jetzt solch eine Klamotte! Diese Leute haben nicht verstanden, dass Menschen und auch Film so vielschichtig sind wie das Leben. Es gibt keine Menschen, die absolut komisch sind, während andere ausschließlich seriös sind. Und genauso schnell kippen die Situationen im Leben um. Während man gerade über einen Witz lacht, wird man im nächsten Moment durch eine schlechte Nachricht zum Weinen gebracht. Und auch für meine Person weigere ich mich, mir einen Stempel aufdrücken zu lassen - hier ist ein Protestsänger, der darf keine Schlager singen; hier ist ein Regisseur, der einen Film über Chile gemacht hat, der darf keine Komödie drehen. Ich bin ein Mensch, der Ideale hat und bereit ist, dafür zu kämpfen. Und das tue ich mit allen meinen Mitteln.

Verfolgst du mit dieser Vielfalt von Mitteln auch die Absicht, so viele Menschen wie möglich zu erreichen?

Das ist grundsätzlich mein Ziel, und genau das wollte ich auch mit diesem Film. Ich bin der Meinung, Film ist eine Massenkunst, und die Kinos müssen voll sein. Die größte Wahrheit auf der Leinwand ist sinnlos, wenn das Kino leer ist. Und weiterhin meine ich, Film ist ein emotionales Erlebnis, kein intellektuelles. Die Zuschauer sollen lachen oder weinen, lieben oder hassen. Auf jeden Fall sollen sie zunächst etwas fühlen, und danach werden sie - hoffentlich - darüber nachdenken.

Die Komik ist nun allerdings ein Gebiet, auf dem Du noch keine Erfahrungen hast.

Mein Prinzip ist, alles auszuprobieren in meinem Leben. Ob es der Sprung von einem Flugzeug ist oder die Begegnung mit einem Menschen, zu dem ich nicht den richtigen Kontakt finde. Ich muss ergründen, wie und warum etwas so ist. Für mich gibt es folgende Alternativen zu leben: Ein Mensch kann auf einer breiten, geraden Straße gehen, die gut beleuchtet ist und wenig Schlaglöcher aufweist. Er wird nicht stolpern, er wird nicht viel weinen, aber er wird auch wenig lachen. Oder der Mensch nimmt seinen Weg durch eine kleine Straße, auf der er durch tiefe Löcher stolpert, auf die Nase fällt und sich die Knie zerschlägt. Aber er steht wieder auf und geht weiter. Und er fühlt etwas. Und ich meine, ein Künstler muss durch diese kleine Straße gehen, sonst kann sein Werk keine Emotion besitzen und vermitteln. Und all jene Leute, die Angst vor dem Abenteuer haben, etwas neu zu probieren, muss er mitführen.

(Das Gespräch führte Marlis Linke)

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Letzte Änderung: 2008-03-22