Financial Times Deutschland 05.10.2004

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Buffalo Bill des Ostens

Von Politikerbiografien bis DDR-Pop - auch bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wird die Ostalgie gepflegt

Von René Martens, Hamburg

Wer kennt sie nicht, die großen Ost-Nostalgieerfolge der letzten Jahre: Im Kino "Good Bye, Lenin" oder "Sonnenallee", Bücher wie Jana Hensels "Zonenkinder" - die östliche Antwort auf "Generation Golf". Diese Publikumshits brachten dem hiesigen Kulturbetrieb die Erkenntnis, dass sich mit dem Thema DDR-Alltag viel Geld verdienen ließ - und das mit mehr als einem Jahrzehnt Verspätung: Zuerst kamen die Ostalgie-Shows im Fernsehen, die inzwischen schon wieder vergessen sind, dann schlugen andere "Zonenkinder" in die Tasten und belegten - wie schon Hensel - dass die ostdeutschen Adepten der Golf- und Popliteratur leider auch nichts Substanzielles mitzuteilen hatten als ihre westlichen Vorturner.

Nachdem es in den Früjahrsprogrammen noch von "Zonenkindereien" ("Berliner Zeitung") gewimmelt hatte, liegen zu Beginn der heute Abend beginnenden Frankfurter Buchmesse einige Autobiografien und Anthologien vor, in denen das Leben in der DDR wesentlich reflektierter aufgearbeitet wird. Dass sich diese Neuerscheinungen jetzt ballen, ist kein Wunder: 2004 jährt sich zum 55. Mal die Gründung der DDR und zum 15. Mal der Fall der Mauer. "Alltag" gilt immer noch als verkaufsträchtiges Zauberwort.

"Wer nur den Unrechtsstaat im Spiegel sieht, sieht fast nichts", schreibt der Leipziger Militzke-Verlag zu dem Sammelband "Letzte Ausfahrt Ost. Die DDR im Rückspiegel" von Gunnar und Kerstin Decker. Jens Bisky, Autor von "Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich" (Rowohlt Berlin), betont dagegen, zwischen "der Welt der Apparatschicks und dem Leben der Ostdeutschen" könne er nicht "säuberlich trennen". Diese beiden Bücher sind - auch wenn die Positionen leicht differieren - die erhellendsten aus dem Novitätenstapel.

Wie kleinbürgerlich die Regierenden lebten, dokumentiert dagegen "Die Honeckers privat" von Thomas Grimm und Ed Stuhler (Parthas), eine Art Spinoff von "Das Politbüro privat", das im Frühjahr bei Aufbau erschien. Die Fundstücke, die die Autoren all dieser Neuerscheinungen aufgetrieben haben, animieren auch zu interessanten Vergleichen zwischen Ost und West.

Das Ehepaar Decker legt anhand von Reportagen und Porträts aus dem östlichen Hier und Jetzt letzte Spuren der DDR-Geschichte frei - sei es mit einem Besuch beim ehemaligen Präsidenten des Schriftstellerverbandes Hermann Kant oder mit einer Reise an die Originaldrehorte des Films "Halbe Treppe" in Frankfurt/Oder.

Was Jens Biskys Autobiografie auszeichnet, erläutert er selbst mit dem Satz: "Mein Verhältnis zur DDR hat sich ununterbrochen gewandelt." Erfahrungsberichte von Prominenten wie Normalbürgern sind in dem Buch "Ankunft im gelobten Land. Das erste Mal im Westen" (Ch. Links Verlag) versammelt. Die einen konnten vor dem Mauerfall legal in den Westen reisen (weil sie als Künstler oder Sportler einen Sonderstatus hatten), die anderen erst danach.

Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière schreibt über sein erstes Mal: "Ehrlich gesagt brauchte ich erst mal einen Schnaps." Aufschlussreicher dagegen die Erinnerungen einer heute 83-Jährigen aus Sachsen-Anhalt, die in den 90ern jährlich zehnmal mit dem Reisebus gen Westen fuhr: "Schön ist es überall, aber du kannst ja nicht viel sehen. Die meiste Zeit saßen wir auf Werbeveranstaltungen." Das Buch "Damals in der DDR. Der Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat" (C. Bertelsmann) basiert ausschließlich auf den Erzählungen nicht prominenter Bürger. Die Erinnerungen an Piratensender oder Ästhetik des Möbeldesigns sind zwar - anders als die Produkte der ersten DDR-Retrowelle - frei von Kitsch, wirken aber oft ziemlich dröge.

"Damals in der DDR" ist nur Teil eines multimedialen Großprojekts. Die Autoren des Buchs, Hans-Hermann Hertle und Stefan Wolle, sind Fachberater einer vierteiligen ARD-Dokureihe, die am 8. November startet. Eine Ausstellung folgt. In "Damals in der DDR" erinnert sich ein Zeitzeuge an eine Polizeikontrolle: "Dummerweise hatte ich gerade ein Foto von den Beatles in meiner Brieftasche. Das haben sie mir gleich weggenommen." Pop war in der DDR nur in einer Placebovariante gestattet, und eine dieser Episoden hat Stefan Ernsting in der Biografie "Der rote Elvis - Dean Reed oder Das kuriose Leben eines US-Rockstars in der DDR" (Gustav Kiepenheuer Verlag) aufgearbeitet.

Der "Buffalo Bill des Ostens", wie der Autor ihn nennt, kam 1972 in die DDR. Reeds von allerlei Verschwörungstheorien umnebelte Geschichte wird wahrscheinlich bald als Spielfilm zu sehen sein - produziert übrigens von Tom Hanks!

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Letzte Änderung: 2007-05-24