Leipziger Volkszeitung 22.09.2018

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Bunter, fremder Vogel in der engen DDR-Welt

Leipziger Volkszeitung 22.09.2018

Am 22. September wäre Dean Reed 80 geworden

Von Norbert Wehrstedt

Er fiel in die DDR wie einer vom anderen Stern. Ein Poster-Amerikaner. Ein Bilderbuch-Sonnyboy, der auch noch links war. Alle Türen öffneten sich - und Dean Reed spazierte hindurch. 1971 kam er zur Dokwoche nach Leipzig, sang im vollen "Capitol", zeigte einen Film über Allendes Chile, traf Wiebke Dorndeck, ließ sich von Patricia Hobbs scheiden, heiratete im Mai 1973 auf Schloss Rammenau die ebenfalls geschiedene Fotografen-Frau aus Grimma und zog nach Rauchfangwerder, in ein Wassergrundstück am Zeuthener See.

Ein Idealist von Mitte 30, der das Herz offen auf der Zunge trug. Ein Träumer, der meinte, was er sagte, wenn er von Solidarität, antiimperialistischem Kampf, Sozialismus sprach. Immer begeistert und pathetisch, überzeugt und überzeugend. Er war unverfälscht. Falschheit kannte er gar nicht. Er blieb immer echt - mit diesem sanften, eindringlichen Blick. Nicht jeder wollte ihm so viel unbegrenzte Ehrlichkeit glauben. Seine lebenslange Krux.

Bis er die DDR fand, hatte er schon einige Länder unter die Füße genommen. Als Sohn eines konservativen Lehrers mit einer Hühnerfarm in Denver geboren, musste er mit zehn in eine ihm verhasste Kadettenanstalt, aus der ihn die Mutter befreite, lernte mit zwölf Gitarre, studierte vier Semester Meterologie und Geologie - und versuchte, gerade erst 19, sein Glück als Sänger von Country-Rock in Los Angeles. Mit Sieben-Jahres-Vertrag von Capitol Records landete er allerdings nur mit "The Search" in den Charts. Auf Platz 96. Doch ein Wunder passierte. Der Song räumte in Südamerika ab. Dean Reed wurde in Argentinien, Chile, Brasilien, Peru zum Star - und fand angesichts des Elends in den Slums seine politische Ader. 1966 wirft ihn Junta-Chef General Onganias aus Argentinien raus. Er zieht nach Italien, tourt im Herbst zwei Monate gefeiert durch die Sowjetunion, demonstriert gegen den Vietnamkrieg, unterstützt in Chile monatelang den Wahlkampf der Unidad Popular von Allende, wäscht vor der US-Botschaft in Santiago die US-Flagge und wird Mitglied im Weltfriedensrat.

In Italien versucht er, mit Italo-Western Geld zu verdienen. Doch trotz Hauptrollen ("Bleigericht", "Buccaroo", "Adios, Sabata") bleibt der ganz große Erfolg aus. Da wird die DDR zum Glücksfall für Dean Reed: TV-Shows, Bestbezahlung für Konzerte, trotz geringer Darsteller-Begabung Höchstgagen bei der DEFA ("Aus dem Leben eines Taugenichts", "Kit & Co.", "Blutsbrüder"), Drehbuch, Regie und Hauptrolle bei "El Cantor", dem Drama, für das der ermordete Victor Jara das Vorbild war, von 1976 bis 1985 fünf Alben bei Supraphon in Prag (Gage in Dollar).

Doch zu Beginn der 80er drehte sich der Wind: Trennung von Wiebke und Heirat mit Renate Blume (1981), Blamage mit der Klamotte "Sing, Cowboy, sing". Mit dem Nachlassen der Nachfrage steigt die Sehnsucht nach der Heimat. Dean Reed denkt an US-Rückkehr, plant eine Tour und verbaut sich alle Chancen mit einem Auftritt in "60 Minutes" bei CBS 1986: Er lobt DDR-Sozialismus und Mauer, obwohl er offenbar selbst zusehends die drückende kleinbürgerliche Enge der DDR spürt.

Der Junge aus Colorado, der fleißig, diszipliniert, ohne Allüren, hochprofessionell im Job und immer für andere da war, verliert seine Zuversicht. Sein Herzensprojekt "Bloody Heart" stockt (Co-Regisseur Günter Reisch hat das Dilemma beschrieben), ein Ehestreit am Abend des 12. Juni 1986 endet mit knallenden Türen. Dean Reed verschwindet - und wird fünf Tage später tot im Zeuthener See gefunden, ertrunken, mit einer Überdosis Beruhigungsmittel im Blut. In einem 15-seitigen Abschiedsbrief, den Erich Honecker verschwinden lässt, gibt er nur private Gründe (Eifersucht der Ehefrau) für den Selbstmord an - und bekennt sich zum Sozialismus. Seine Urne liegt heute in Boulder (Colerado). Am 22. September wäre Dean Reed 80 Jahre alt geworden.

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Letzte Änderung: 2018-09-28