Frankfurter Rundschau 17.06.2011

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Ami in der DDR

Der rote Rebell

Vor 25 Jahren nahm sich Dean Reed der agitierende Cowboy des Ostens das Leben. Bis heute fasziniert Reed die Ossis, die Hausbesetzerszene und vor allem Hollywood.

Steven Geyer

Auch Tom Hanks kommt nicht von ihm los. 25 Jahre ist es am Freitag her, dass die Ost-Berliner Polizei die Leiche des DDR-Popstars aus dem Zeuthener See zog; seitdem kam die Wende, das Internet, der 11. September, Obama und Fukushima, und doch blickt heute einer der größten Hollywoodstars beim Interview im Hotel Adlon zum Brandenburger Tor und fragt: "Erinnern Sie sich an Dean Reed?"

Nichts scheint weniger zusammen zu passen als Hanks - zweimaliger Oscar-Gewinner, Charakterdarsteller und Amerikas liebster Romantic-Comedy-Schussel - und Dean Reed: der Amerikaner aus Colorado mit der üppigen Pilzfrisur, dem sanften Lächeln und dem drahtigen Körper, der wegen seiner marxistischen Ideale eine Karriere als Elvis des Ostblocks dem Leben in Hollywood vorzog. Und doch bastelt Hanks seit Jahren an einem Film über den Superstar des Ostens, den im Westen keiner kannte. "Großartige Story", sagt Hanks. "Ich glaube, wir haben endlich den Dreh, sie zu erzählen." Es ist das letzte Rätsel im Leben Reeds: Was findet Hollywood an einem singenden Ami in der DDR?

Reed traf Arafat und Allende

Die Potsdamer Filmhistorikerin Katrin Sell hat eine vage Ahnung. Wegen des Todestags hält sie in Erkner einen Vortrag über Reed, dann läuft der Defa-Film "Blutsbrüder" (1975), den Reed sich auf den Leib schrieb: Ein Amerikaner schwört aus Gerechtigkeitsliebe seinem Staat ab und kämpft mit den Schwachen. Sein Leben, wie er es sah. "In der DDR hieß es, Reed sei in den USA ein Megastar, der aber im besseren Teil der Welt leben will", erzählt Sell, heute Mitte 30. Als Heranwachsende nervte sie der agitierende Schnulzensänger, zu dem Reed in den 80ern wurde. 1986 hörten auch Ost-Teenies Bruce Springsteen, Reed war ein Fall für Unterhaltungsshows wie "Ein Kessel Buntes".

Doch je mehr Sell nach der Wende recherchierte, desto mehr faszinierte sie das widersprüchliche Leben des roten Cowboys, der hinter der Mauer Freiheitslieder sang: "In den 70ern begeisterte er wirklich die Jugend!" Die SED nutzte das aus. Das zeigen beklemmende TV-Bilder, in denen er Tausende FDJler zu Sprechchören animiert: "Hoch! Die! Inter-natio-na-le-Soli-dari-tät!"

Andrea Witte war damals auch ein Teenie-Fan von Reed. Wenn er politisierte, klang das für sie nicht nach SED, sondern nach weiter Welt, erzählt sie heute, inzwischen Ende 40 und Macherin der größten, viersprachigen Reed-Website. Reed traf Arafat in Palästina, war Wahlkampfhelfer für Allende in Chile, sogar Che Guevara besuchte ihn. Auch Hanks wurde schwindliger, je mehr Zeitzeugen er traf: Defa-Regisseure, Reeds drei Ex-Frauen, sogar den letzten SED-Chef Egon Krenz. "Wir erfuhren immer wieder Neues und mussten von vorn anfangen", stöhnt Hanks. So ähnlich ging es auch Andrea Witte. Sie fand heraus, dass Reed in den USA kaum Platten verkauft hatte - und erst in Lateinamerika zum größten Teeniestar der 60er wurde. Die Armut und Ungerechtigkeit da machten ihn zum Aktivisten, bald sang er spanische Kampflieder vor Gewerkschaftern und Intellektuellen. 1966 ging er für Tourneen und Aufnahmen in die UdSSR. Er wurde größer als Elvis, denn er kam persönlich. 1973 blieb er dann in der DDR hängen.

Andrea Witte steht in ihrer Wohnung vor muffig-riechenden Kartons, in denen die Schätze schlummern, die sie für den "Reed-Freundeskreis" ersteigert: Mitschnitte von russischen Fernsehshows, chilenische Fotoromane, tschechische Platten. Einmal im Jahr treffen sich die vor allem weiblichen "Freunde". Und weil Reed für sie vor allem "Friedenskämpfer" war, gehen sie bis heute auf Demos gegen Krieg und Atomkraft. Dean hätte es so gewollt.

Stefan Ernsting verblüfft diese Eingeschworenheit. Der aus Bremen stammende Kreuzberger schrieb 2004 die Biografie "Der rote Elvis" - und merkte, wie Reed bis heute vereinnahmt wird: von Ossis, die einem Wessi das Thema nicht zutrauen; von SED-Anhängern, die Kritik an Reed als Diskreditierung der DDR lesen; sogar Hausbesetzer verteidigten bei Lesungen Reeds "globalisierungskritische Haltung". Und Hanks? "Vermutlich macht er einen Thriller aus all den Verschwörungstheorien, die sich um Reeds Tod ranken."

"Grüße auch an Erich"

Tatsächlich wucherten die Gerüchte vom Stasi- oder CIA-Mord, weil Honecker vertuschen ließ, dass Reed über Heimweh, Erfolglosigkeit und Ehekrise depressiv wurde und sich umbrachte. Im Abschiedsbrief sendet er "Grüße auch an Erich: Ich bin nicht mit alles einverstanden, aber Sozialismus die einzigste Lösung für die Probleme der Welt."

Armin Mueller-Stahl, Ex-DDR- und heute Hollywood-Größe, sieht genau darin den Filmstoff. Er erzählte Ernsting, wie er 1976 vergeblich um Reeds Unterschrift gegen Wolf Biermanns Ausbürgerung bat. "Ich merkte, dass er mit sich rang", erinnert er sich. Darin liege die Story: "Der Konflikt in diesem Mann, der beide Welten in sich vereinigte. Er ging in sein Traumland, weil er glaubte, da ist die Gerechtigkeit - und entdeckt: Träume sind eben nur Träume."

So sieht es auch Tom Hanks: "Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte komisch", sagt er. "Aber nein: Es ist eine große Tragödie."

Zwei Amerikaner im Osten

Dean Reed, 1938 in Colorado geboren, wurde in den 60er-Jahren als Elvis-Presley-Verschnitt zum Superstar in Lateinamerika und im Ostblock. 1971 zog er für eine DDR-Frau nach Ost-Berlin und wurde als Schauspieler, Sänger und Filmemacher gefeiert.

Tom Hanks, 1956 in Kalifornien geboren, hörte als Schüler zum ersten Mal von Reed. Der Oscar-Gewinner ("Forrest Gump", "Philadelphia") plant seit 2001, Reed zu spielen. Am Rande seines nächsten Drehs mit Tom Tykwer in Babelsberg will er in der Sache weiter recherchieren. Sein neuer Film "Larry Crowne" kommt am 30. Juni in die Kinos.



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Letzte Änderung: 2011-06-27