LVZ 13.06.1987 (Leizpiger Volkszeitung)

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Gedenken an Dean Reed zum 1. Todestag

1971, im November, sah ich, wie ein schöner junger Mann mit einem Gitarrenkasten aus dem Fahrstuhl des Leipziger Hotels am Ring kam. Er fiel auf. Eine Stunde später stand er auf der Bühne des "Capitol", umarmte den sowjetischen Kameramann Roman Karmen, und zum ersten Mal bei uns sang er sein "revolution", so enthusiastisch und so beschwörend, als könne er kraft seiner Persönlichkeit die Dinge in der Welt zum Guten wenden.

Dean Reed war Künstler und Missionar, öfter gewann das Missionarische die Oberhand über das Artistische. Seine Botschaft hieß Liebe, hieß Frieden. Die Form, in der er sie vermittelte, war einfach, sogar kindlich. Nicht jedermanns Sache, doch die vieler Menschen in vielen Ländern. Seine Popularität in der Sowjetunion, in der Tschechoslowakei, in Lateinamerika ist enorm gewesen. Ich habe in Moskau miterlebt, wie Leute auf der Straße jede Einzelheit seiner Biographie kannten, die Namen seiner Kinder, die Worte seiner Lieder. Er wurde geliebt, davon lebte er, bis er nicht mehr davon leben konnte. Er war eine Symbolfigur für "das andere Amerika" und sah doch aus, wie man sich den Bilderbuch-Amerikaner vorstellt, schlank, sportlich, mit einem blauen Blick aus Denver/Colorado, von wo er ja kam. Dieser Widerspruch bestimmte die Wirkung seiner Erscheinung. Er war der Parlamentär mit der weißen Fahne zwischen den Völkern, keiner hatte ihn ausgeschickt, niemand ihn aufgerufen, nur sein eigenes Gewissen.

Aus dem Cowboy von der Ranch, dem Rock'n'Roll-Singer amerikanischer Hitparaden wurde der Protestsänger, das Mitglied des Weltfriedensrats. Dean Reed lebte ein romantisches und zugleich utopisches Ideal: das aufrichtige Angebot der Vereinigten Staaten, Frieden zu halten, mit Vietnam, dem Nahen Osten, mit Lateinamerika, mit der Sowjetunion. Ein amerikanischer Traum anderer Art. Dean, wie ihn alle nannten - niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn mit "Herr Reed" anzusprechen -, Dean war bemerkenswert hilfsbereit. Ich habe ihn während des Filmfestivals in Karlovy-Vary morgens um acht aus dem Bett geklingelt und gefragt, ob er mir ein Interview mit dem Regisseur Mario Camus übersetzen könne, er machte das.

Er, ein Star, stellte sich als Dolmetscher zur Verfügung. Daß er entgegenkommend war, im tiefen Sinne des Wortes, gehörte zu seiner Botschaft und wurde, meine ich, von uns öfter nicht so verstanden, wie er es meinte: als sein Ausdruck einer inneren Überzeugung, nicht als Äußerlichkeit. Das Keep-Smiling, der Sonnyboy-Touch waren ebenso seiner Herkunft geschuldet wie das Schwärmerische und Sentimentale seiner künstlerischen Präsentation. Etwas Tröstliches hat Dean Reeds früher Tod: Das Bild, das von ihm bleibt, ist unvollendet, aber auch unzerstört. Er hat nicht alles erreicht, aber er hat auch nichts aufgegeben, schon gar nichts verraten. Vom Moskauer Filmfestival im letzten Jahr flogen wir in derselben Maschine zurück nach Berlin. Er bemerkte meine Angst vorm Fliegen und fragte: "Soll ich für Dich singen? Dann brauchst Du keine Angst mehr zu haben."

Jutta Voigt

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Letzte Änderung: 2007-05-23