Filmspiegel 17, 13. August 1975

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filmkritik

Der neue Bruder

"Blutsbrüder"

Immer wieder ermuntert durch die unverdrossene Anhängerschar vorwiegend jugendlichen Publikums ist die DEFA ihren Indianerfilmvorhaben mit bewundernswerter Ausdauer treu geblieben. Alljährlich schickt sie neue Streifen dieses Genres ins Rennen, die Gefahr, sich zu wiederholen, wächst, zusätzliche Filmimporte tun ein übriges. Zu den Sommerfilmtagen '75 nun wurden die "BLUTSBRÜDER" offeriert, entstanden nach einem Buch von Dean Reed - unter Mitarbeit von Wolfgang Ebeling -; Regie Werner W. Wallroth.

Fungierte bislang Gojko Mitić als   d e r   Chefindianer von Babelsberg, so wurde ihm nunmehr Dean Reed als werdender Bruder "Harmonika" an die Seite (genauer gesagt: vor-) gegeben. Neun Filme, angefangen mit den "Söhnen der großen Bärin", bei aller Unterschiedlichkeit der Handschriften ihrer Macher, so doch nach einem bestimmten Muster gefertigt, ergeben wohl oder übel sowas wie eine Serie, die ihre eigenen Gesetze hat. Sie nun zu verlassen, enttäuscht allemal bestimmte Hoffnungen und gewohnte Erwartungen. Ein elfjähriger "Experte" für indianisch-abenteuerliche DEFA-Streifen zu seinem jüngeren Nachbarn: "Jetzt kommt Gojko, da geht's endlich rund, der macht's!"

Zu voreilig. Er hatte erstmal nichts zu machen "Harmonika" (Dean Reed) wird als Mann der feindlichen Seite vorgestellt, ein fahnetragender Freiwilliger in einer amerikanischen Reiterschwadron, Junge mit der Mundharmonika, ahnungslos, ein bisschen sehr naiv auch. Einer, der - wie sich später zeigt - nicht auf Menschen schießen kann und mag, alles schön und gut, aber was ihn da als Freiwilligen in so eine Schwadron getrieben habe könnte, bleibt dem Zuschauer leider verschlossen.

An einem Wintermorgen des Jahres 1864 wird "Harmonika" Zeuge eines Überfalls seiner Schwadron auf ein Dorf der Cheyenne. Vor seinen Augen werden wehrlose Männer, Frauen und Kinder erbarmungslos niedergemetzelt. Entsetzt und empört über das Massaker, zerbricht "Harmonika" die Stange seines Sternenbanners und vollzieht damit für sich - symbolisch - die Trennung von der Truppe. Er gelangt hinter Gitter, entgeht dem Prozess durch eine - wenn auch nicht von ihm initiierte - Flucht, wird von den Indianern aufgegriffen, genauer von "Harter Felsen" (Gojko Mitić), entkommt auch hier den auf ihn lauernden Todesgefahren, um schließlich in den liebesbereiten Armen von "Felsen"-Schwester "Rehkitz" (Gisela Freudenberg) zu landen. Zum Freund der Indianer geworden (wodurch genau, bleibt unklar), nimmt er "Rehkitz" zur Frau und genießt ein kurzes Glück (nicht ohne Sentimentalität in Szene gesetzt, ein bisschen "Love-Story-Tollerei" durch hohes Gras in schöner Landschaft, für so schön befunden, dass sie später nochmal als Rückblenden und in Zeitlupe abgespult werden.)

Bei einem erneuten Überfall auf die Cheyenne - trotz feierlich abgegebener Schutzerklärung der amerikanischen Regierung - werden "Rehkitz" und das ungeborene Kind getötet. "Harmonika" verabschiedet sich von "Harter Felsen", zu einem Alleingang hat er sich entschlossen, will den Tod seiner Frau rächen. Macht er anfangs noch (endlich) einen recht entschlossenen Eindruck, so vermag er dann doch nicht - als er den Mörder gefunden hat - den rächenden Schuss abzufeuern, denn er erlebt den Mörder als einen treusorgenden Mann und Vater. Schließlich ergibt er sich dem Alkohol. Erst der Anblick des gefesselten und geschundenen Freundes "Harter Felsen", mit anderen Gefangenen auf einem Transport ins Reservat, lässt ihn seine Entscheidung fällen. "Harmonika" befreit ihn und die anderen, sie werden (am Schluss) Blutsbrüder und nehmen den gemeinsamen Kampf gegen die Unterdrückung, für die Freiheit auf.

Im Programmheft wird an historischem Hintergrund nachgeliefert, was der Film (z.T. notwendig zum besseren Verständnis bestimmter geschichtlicher Zusammenhänge) vermissen lässt. Er beschränkt sich auf eine einfache und gradlinige, wenn auch recht reprivatisierte Geschichte. Aber dazu mangelt es den Charakteren an prägnanter Zeichnung und psychologischer Genauigkeit. Vordergründiges dominiert allemal, Konflikte und durchaus trächtige Konfrontationen werden nicht bedient, Haltungen und Handlungen fehlt es nicht selten an glaubwürdiger Motivierung; so bewegen sich dann die Dialoge auch vorwiegend an der Oberfläche, wirken teilweise banal und unfreiwillig komisch. Viele Lacher der Zuschauer kamen an den falschen Stellen.

Bestechend die optische Attraktivität (Kamera: Hans Heinrich) der Landschaft Rumäniens, viele Motive erweisen sich als überwätigender als die Aktionen und ihre Akteure. Dean Reed, physisch in bester Verfassung, reitet, läuft, klettert, jagt, tanzt, liebt, tat sich dann doch schwer, wenn es um die Darstellung innerer Vorgänge ging. Er war durchweg schön, selbst an seinem moralischen Tiefpunkt hinter der Whiskyflasche.

Gojko Mitić boten sich - schon vom Buch her - kaum Entfaltungsmöglichkeiten, zumeist nur Zulieferer für "Harmonika", erschien er trotzdem glaubwürdiger und geschlossener. Ansonsten konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als sei es ihm - wie auch vielen Zuschauern - fast zu mühselig, noch einmal alles von vorn anzufangen und dem derart schwankenden und begriffsstutzigen und naiven Blutsbruder Nachhilfeunterricht in Sachen Indianertragödie und Kampf umd Selbstbehauptung zu geben.

Seine Verurteilung zur weitgehenden Inaktivität enttäuschte, musste enttäuschen, denn vom neuen Bruder gingen Aktivitäten auch nicht aus. Diese Unentschiedenheit scheint mir das Handicap des zehnten Indianerfilms zu sein.

Karla Anders

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Letzte Änderung: 2012-07-09