Berliner Zeitung 22.05.1973

zurück/back

Auf der Leinwand

Mit Dean Reed nach Italien und retour

"Aus dem Leben eines Taugenichts" im DEFA-Farbfilm

Von Günter Sobe

Wenn allenthalben in der Welt das Romantische zu Buche und Kinokasse schlägt, dann wäre wahrlich nicht einzusehen, warum hierzulande die doch ermäßig uns zustehende deutsche Romanik nicht DEFA-filmdrehbuchmäßige Verwertung finden sollte. E.T.A. Hoffmann hatten wir gerade, und schon gibt es einen neuen Versuch mit des Freiherrn von Eichendorffs "Taugenichts" von anno 1826.

Aus dem Leben dieses Taugenichts erzählen - frei - Wera und Claus Küchenmeister. Celino Bleiweiß inszenierte. Nun ist die zur Vorlage dienende romantische Novelle nicht eben straff gestaltet. Der Taugenichts kommt ein bisschen herum - ist so eine Art Hansdampf in mancher Herren Länder und Hans-im-Glück gleichzeitig -, und kriegt ohne großes Zutun zu guter Letzt Schlossherrin und Schloss dazu. Dazwischen aber liegen stimmungsreiche Landschaftsschilderungen, von denen das Büchlein zum guten Teil lebt. Gleichviel mit welcher Konzeption oder Antikonzeption man an des alten Freiherrn kleines Meisterstück herangehen wollte, um diesen Stimmungsreichtum der stillen, oft ein bisschen wehmutsvoll-schönen Landschaften würde man nicht herumkommen.

"Wem Gott will rechte Gunst erweisen, denn schickt er" bekanntlich "in die weite Welt", sagt Eichendorff. Die Kamera (Günter Jaeuthe) lässt dann auch die Sonne hübsch durchs Gezweig blinzeln, schwelgt in blumenbunter Überfülle und kann doch nicht ganz diese Poesie der o Täler weit, o Höhen und des schönen grünen Waldes einfangen, wie's bei Eichendorff schwebt und webt. Man muss immer ein bisschen draußen bleiben, fühlt sich als Zu-Schauer, während man doch von Eichendorff so emotional eingesponnen wird. Doch muss das schließlich nichts heißen, wird man stattdessen reichlich entschädigt. Wird man?

Taugenichts Dean Reed macht sich nach den Melodien einer ausgesprochen angenehm-eingängigen und pointiert eingesetzten Musik (Leitmotiv, Räuberchorus) von Reiner Hornig auf die Reise, übersteht idyllische Abenteuer, gerät schließlich gar unter die Räuber, um letztendlich an seine geliebte Schöne zu geraten. Und siehe da: die von den Autoren ganz und gar hinzugedichtete zehnminütige Räuberpistole macht eigentlich den meisten Spaß. Hier wird nämlich der Dialog spürbar ironisch-intelligent, die Sache bekommt distanzierten Pfiff, und ich wünsche mir, so wäre das Ganze. Jetzt aber frage ich mich: Wohinaus sollte der Weg denn führen? In die schlicht-einfache Unterhaltung? Nichts dagegen einzuwenden, aber ich meine, man kam nicht an am Ziel. Und nicht genutzt scheinen mir die sich aus dem Stoff anbietenden Möglichkeiten einer Kontrastierung simpler Menschlichkeit gegenüber seelenloser Geschäftigkeit oder auch, dass der Mensch in alle Situationen sein Ideal (hier in Gestalt der Schönen) hineinzuinterpretieren in der Lage ist.

Dean Reed: ein romantisch-deutscher Taugenichts aus den USA? Die Praxis zeigt, dass solide Unorthodoxie möglich ist, wenngleich der anglo-amerikanische Akzent im (gescheit modernisierten) deutschen Volkslied an keiner Stelle überhörbar ist. Auch ließ sich beim Heimritt von Italien aufkommende Western-Prärieromantik nicht völlig unterdrücken.

Keineswegs lässt sich nun sagen, Regisseur Bleiweiß habe ein romantisch blaugeblümtes fadenscheinig-durchsichtiges Filmchen zusammengewebt. Nein. Aber die wohl angestrebte ruhige Innigkeit Eichendorffscher Poesie gelang ihm nicht. Zu feiner ironischer Distanzierung aber über die ganze Filmdistanz fehlte wohl die Entschlusskraft. Und so kann man doch recht abstandsvoll unberührt in seinem Kinoklappsessel sitzen. Was zu verhindern war.

We would formally like to point out that the articles, reports and contributions are presented independently of their truth content. They do not reflect the opinions of the Dean Reed Website team (see detailed declaration).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir alle Artikel unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt präsentieren. Sie spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Dean-Reed-Websiteteams wider (siehe auch die einleitende Erklärung).

Recalcamos expresamente que presentamos los artículos independientemente de su veracidad. No en todos los casos reflejan la opinión del equipo de esta página WEB (léanse las líneas aclaratorias principales).

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2012-06-04