Books and films about Dean/Bücher und Filme über Dean

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Alles Achim oder was?

Alles Achim oder was?

Achim Mentzel

Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999. ISBN 3896023012

Ein Cowboy aus dem Wilden Westen

S. 212 ff.

Wenn ich auch darauf verzichten musste, Siggi Krause in Paris musikalisch beizustehen, so erhielt ich doch die Chance, einen anderen Künstler mit dem Berlin-Sextett auf einer Auslandstournee in ein sozialistisches "Bruderland", in die CSSR, zu begleiten. Der Mann hatte in der DDR einen wundersamen Aufstieg zum Superstar vollzogen, obwohl er nicht in unserem Ländchen aufgewachsen war. Dean Reed war über den Großen Teich gekommen, direkt aus dem Wilden Westen, aus Denver im US-Staat Colorado. Der Schauspieler und Sänger war ein Globetrotter und von Chile, Argentinien, Mexiko über Italien und die Sowjetunion fast um die ganze Welt gereist, bevor er 1971 anlässlich der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche erstmals in der DDR zu Gast war. Hier heiratete er 1973 und hatte im gleichen Jahr, vor allem zum Pfingsttreffen der FDJ sowie zu den X. Weltfestspielen, seinen Durchbruch als Showgröße. Zweifellos war Dean Reed damals ein Ereignis. Der Mann sah toll aus, konnte sich auf der Bühne bewegen und sang als waschechter Amerikaner sowohl Country- und Rock'n'Roll-Songs als auch internationale Kampf- und Solidaritätslieder. Vor allem sein öffentlich wirksames Auftreten für die chilenische Unidad Popular, gegen den Vietnam-Krieg oder für die PLO im Nahen Osten führte dazu, dass er bei der Partei- und Staatsführung der DDR hoch im Kurs stand und als Mitglied des Weltfriedensrates hofiert wurde. Welcher Künstler aus der DDR konnte so etwas schon aufweisen?

Mit dieser Berühmtheit waren wir vom Berlin-Sextett, ich glaube es war 1979, also auf Tournee durch die CSSR. Wir gastierten u.a. in Brno, Usti nad Labem und gaben unser Abschlusskonzert in der Luzerna-Bar in Prag. Wenn man so viele Tage gemeinsam unterwegs ist, bleibt es natürlich nicht aus, dass man sich näher kennenlernt. Ich fand Dean Reed nett und sympathisch, ein freundlicher und offenherziger Kumpeltyp. Er markierte nie den großen Macker, verhehlte aber auch nicht seine Weltläufigkeit. Womit ich und die anderen allerdings anfangs schwer zurechtkamen, war seine typisch amerikanische Leutseligkeit. Wenn er beispielsweise einem freundschaftlich auf die Schulter klopfte und fragte "Wie geht's?" oder sich nach der Familie erkundigte, wollte man logischerweise loslegen und erzählen. Aber meist interessierte das den Guten schon gar nicht mehr. Es dauerte ziemlich lange - und wurde mir dann nach der Wende bei Begegnungen mit Westdeutschen nochmals bestätigt - bis ich begriff, dass das höchstens der Anfang eines small talks war und die schlichte Bedeutung von "Guten Tag" hatte. Was uns Dean Reed gleichfalls voraus hatte, war ein hohes Maß an Eitelkeit. Sicher, jeder Künstler - ich eingeschlossen - ist kokett und Ich-verliebt. Und so hatte ich auch durchaus Verständnis, dass Dean Reed zur Imageförderung und für PR-Zwecke an der Kasse des Kinos "Capitol" in Leipzig Autogrammkarten zum Verteilen abgab, obwohl wir dort gar nicht auftraten. Aber während unserer Tournee durch die Tschechoslowakei übertrieb er es meines Erachtens doch etwas. Fast jeden Tag stellte er nämlich den Programmablauf um. Einmal wollte er als krönender Abschluss auftreten, ein anders Mal gleich zu Beginn und schließlich mittendrin. Der Grund: Entweder hatte Stefan Diestelmann, der andere Solist des Programms, mit seinen tollen Blues-Songs zuviel Beifall vom Publikum eingeheimst, oder ich hatte mit meinen Parodien und Stimmungsliedern schon mehrere Zugaben abgeräumt. Das schmeckte unserem Cowboy gar nicht. Als Stargast wollte er nicht nur eine Nummer unter anderen, sondern der Höhepunkt des Programms sein, dem auch der Löwenanteil des Applauses zusteht.

Eine Sonderbehandlung beanspruchte er auch hinsichtlich seiner Gage. Wir anderen wurden bezahlt, wie es bei einem solchen Gastspiel laut Vertrag gebräuchlich war: Es gab einen Vorschuss und nach getaner Arbeit die Restauszahlung, selbstverständlich in DDR-Währung, ein kleiner Teil in Kronen, abzüglich der Provision für die Künstleragentur und der Steuern. Dean Reed dagegen - wir wussten das von Rudi Richter, der als Protagonist der Tournee auch die Verträge ausgehandelt hatte - bestand darauf, dass ihm sein Honorar in Dollar ausgezahlt wurde. Schließlich benötige er Devisen, weil er für seine Tochter aus erster Ehe, die in den USA lebte, den Unterhalt ebenfalls in Dollar begleichen müsse. Da er außerdem verlangt hatte, dass ihm das Honorar täglich nach Vorstellungsschluss in bar ausgezahlt wurde, beobachteten wir jeden Abend, wie der mitreisende Betreuer der Künstleragentur mit seinem Geldköfferchen in Dean Reeds Garderobe schlich. Verständlicherweise waren wir verstimmt. Dass der Star entsprechend seiner "Sondereinstufung" mehr Honorar kassieren konnte als wir, das akzeptierten wir. Dass er in harter Westwährung bezahlt, wir jedoch mit Alu-Chips abgespeist wurden, das fanden wir ungerecht. Und dass unverzüglich nach Veranstaltungsschluss cash auf die Hand bezahlt wurde, diese Praxis kannten wir bislang nicht. Auch ich begriff erst nach der Wende, nachdem ich unfreiwillig viel Lehrgeld zahlen musste, dass diese sofortige Bezahlung im westlichen Showgeschäft üblich ist. Damals freilich ließen Ungleichbehandlung und Geheimniskrämerei Neid und Missstimmung aufkommen. Aber kaum jemand redete offen darüber.

Das betraf auch, ich muss es selbstkritisch eingestehen, die Haltung zu Dean Reed insgesamt, wie auch zu seiner politischen Einstellung im besonderen. Oft kam er uns in dieser Beziehung völlig überdreht vor. Zugespitzt - wie ein Scharlatan, der hehre Ziele lediglich als Mittel zum Zweck, als Tünche für das eigene Geschäft benutzt. Schon während unserer CSSR-Tour, wenn wir mit Rudi Richters "Barkas" unterwegs waren oder in einem Restaurant zum Essen einkehrten, Dean Reed aber allein mit seinem "Lada" fuhr, machten wir unsere heimlichen Witze über den Einzelkämpfer, der sich sogar im Bruderland von irgendwelchen Geheimdiensten verfolgt fühlte. Ein hämisches Grinsen konnten wir uns ebenfalls im Spätherbst 1978 nicht verkneifen. Unser Star, der sich mit seinem US-Pass ungehinderter Reisefreiheit erfreute, weilte wieder mal in seiner Heimat, um dort den DEFA-Film "El Cantor" vorzustellen, in dem er die Rolle des chilenischen Sängers Victor Jara spielte, der von der Militärjunta ermordet worden war. In Minnesota beteiligte sich Dean auch an einer Protestdemonstration von Farmern, wurde verhaftet und stand nach ein paar Tagen Knast vor Gericht. Es hagelte internationale Proteste, angeführt von der DDR und der Sowjetunion, die Jury sprach Reed frei, und der Star kehrte wohlbehalten nach Ostberlin zurück. In der Aktion zu seiner Freilassung war natürlich viel von den "politischen Gefangenen" der amerikanischen "Klassenjustiz" und der "Kraft der internationalen Solidarität" die Rede, wobei Dean Reed nicht verabsäumte, im Gefängnis von Buffalo für ein paar Tage in den Hungerstreik zu treten. In fast jeder DDR-Zeitung war daraufhin auch ein Foto veröffentlicht, das den leidenden und kämpfenden Helden in einer Märtyrerpose darstellte, eine gelungene Mischung aus Jesus Christus und Che Guevara. Uns kam es damals so vor, als ob eine alltägliche Begebenheit in den USA künstlich zur internationalen Staatsaktion aufgeblasen wurde, von Dean Reed instinktsicher als PR-Kampagne für die eigene Imageförderung inszeniert. In diesem Licht sahen wir seine Erfolge insgesamt: Auf der einen Seite seine Sonderstellung in Rundfunk und Fernsehen, wo er in unzähligen Sendungen auftrat und zahlreiche eigene Shows machen durfte, mehrere Schallplatten bei AMIGA oder die Mitwirkung in einigen DEFA-Filmen. Auf der anderen Seite nutzte er mit größter Selbstverständlichkeit seine Beziehungen nach ganz "oben". Ob bei Honecker oder Krenz, bei Werner Lamberz bis zu dessen tödlichem Unfall 1978, bei Eberhard Fensch, dem Abteilungsleiter Agitation, oder bei Ursula Ragwitz, der einflussreichen Chefin der Kulturabteilung des ZK der SED - überall standen ihm die Türen weit offen.

Die Kehrseite der Medaille: Obwohl viele darüber im Insiderkreis hinter vorgehaltener Hand tuschelten, sonnten sie sich auch im Erfolg Dean Reeds. Auch wir schwammen auf seiner Erfolgswelle mit, verdienten in seinem Sog gutes Geld. So fand ich überhaupt nichts dabei, als wir vom Berlin-Sextett Dean Reed zu seinen Auftritten Pfingsten 1979 während des Nationalen Jugendfestivals, einer propagandistischen Großveranstaltung der FDJ, begleiteten. Das Abschlusskonzert fand auf dem Bebelplatz, Unter den Linden gegenüber der Humboldt-Universität gelegen, statt. Es handelte sich um eine sogenannte Protokollveranstaltung, weil wir nicht nur vor zehntausenden Besuchern spielten, sondern auch vor Mitgliedern der Partei- und Staatsführung, was zudem vom Fernsehen aufgezeichnet und übertragen wurde. Da es von den Veranstaltern und der Regie so "gewünscht" wurde, zogen sowohl "Daddy" Rudi Richter und die anderen als auch ich ein FDJ-Blauhemd an, obwohl ich niemals Mitglied in dem Verein war. Aber wir hatten aus der alten Parteilosung "Kunst ist Waffe" längst "Kunst ist Waffel" gemacht und naschten vom verabreichten Zuckerbrot. Außerdem war nichts dagegen zu sagen, wenn wir im Background mit Dean Reed sangen: "Wir stampfen unsre Füße/im Rhythmus der Musik,/wir klatschen unsere Hände/als Vorschuss auf den Sieg/ ... Wir sagen ja, ja, ja ..."

Freilich ging es bei den Auftritten mit ihm nicht immer so klassenkämpferisch zu. Als ich beispielsweise als Solist neben Stefan Diestelmann, Phil Everly, Reeds Kumpel aus alten Hollywood-Zeiten und Kati Kovács eine Personality-Show in Karl-Marx-Stadt mit Dean Reed zu bestreiten hatte, die dann auch vom Fernsehen übertragen wurde, waren mehr Schlager und Rock'n'Roll, Folk und Country gefragt. Auf der Showtreppe sitzend, durfte ich sogar mit Dean Reed im Duett den Kultsong "Rock'n'Roll again" singen. Ich vermute, dass hier auch einige Produzenten und Fernsehleute auf mich aufmerksam wurden. Jedenfalls half mir die Mugge mit Dean Reed, dass sich für mich die Tore in Adlershof öffneten.

Nachdem ich 1986 von seinem tragischen tödlichen Unfall erfuhr, der sich später als Selbstmord herausstellte, machte mich das sehr nachdenklich. Ich glaube, viele, die mit Dean Reed zusammenarbeiteten, haben ihn auch irgendwie allein gelassen. Andererseits war er eine sehr widersprüchliche Persönlichkeit. Heute wage ich nicht zu urteilen, ob er berechnend oder naiv, ein kühler Kalkulator oder ein schwärmerischer Utopist war. Vermutlich von allem etwas. Als Künstler konnte er sicher viel, aber noch mehr traute er sich selbst zu - als Sänger und Schauspieler, Filmregisseur und Drehbuchschreiber, politischer Botschafter und Sunnyboy. So mag am Ende vieles zusammengekommen sein - geplatzte Träume und das Scheitern an eigenen Ansprüchen, private Probleme und das Fremdsein in einer Gesellschaft, die doch kein Schlaraffenland mit Liebe und Brüderlichkeit allerorten war.

S. 259

[...] Mindestens genauso erfolgreich waren die anderen mitwirkenden Kollegen: meine gute alte Bekannte Petra Kusch-Lück als Tigerdompteuse, Dean Reed am Trapez, Herbert Köfer mit einer Pferdedressur oder Karat-Sänger Herbert Dreilich als Karatekämpfer. [...]

über die Nacht der Prominenten 1982


S. 261

[...] Und um von den Gäulen nicht abgeworfen zu werden, trainierten wir tagelang auf der Pferderennbahn in Hoppegarten, weil wir ja nicht so sattelfest wie Gojko Mitic oder Dean Reed waren. [...]

über eine Fernsehshow

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Letzte Änderung: 2017-07-27