Leipziger Volkszeitung 23.01.1986

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Eine Schallplatte aus Chile - Solidarität mit den Verfolgten

Im Interview mit Dean Reed, dem "Mann aus Colorado"

Dieser Tage gibt Edition Peters die Neuauflage des autobiographischen Buches "Dean Reed. Aus meinem Leben" heraus. LVZ hatte Gelegenheit, mit dem in der DDR lebenden amerikanischen Sänger-Schauspieler, Mitglied des Weltfriedensrates, zu sprechen.

Die Neuauflage Ihres Buches ist zugleich eine Neubearbeitung und Erweiterung. Warum dies?

Die Erstausgabe, damals im Verlag "Neues Leben", ist lange vergriffen, und in fünf Jahren gab es vieles in meinem Leben, womit sich ein solches Buch ergänzen lässt: Aktivitäten in der Weltfriedensbewegung, zum Beispiel in Chile, Nikaragua und Uruguay, auch Persönliches. Und ein Wechsel des Verlages hat sich erforderlich gemacht, weil jetzt Notenbeispiele hinzugekommen sind - deshalb die Herausgabe in dem Leipziger Musikverlag.

Welche Ereignisse waren für Sie im vorigen Jahr besonders bedeutsam?

Dazu zähle ich unbedingt eine Schallplatte, die das progressive "Alerce"-Unternehmen in Santiago de Chile herausgebracht hat. Lieder dafür wurden aus meinen Einspielungen bei "Supraphon" ausgewählt, einige mit politischen, andere mit sehr persönlichen Texten: die Prager Freunde stellten die Bänder honorarfrei zur Verfügung. Eine Solidaritätsaktion. Der Erlös ist in Chile einer Organisation zugute gekommen, die sich um die Unterstützung von Familien kümmert, die vom Pinochet-Regime verfolgt werden.

Dann die Weltfestspiele in Moskau. Ich war als Ehrengast eingeladen und konnte bei mehreren Meetings mitwirken. Sehr eindrucksvoll waren damals die Solidaritäts-Veranstaltungen für Chile und Nikaragua, die wohl jedem, der dabei war, viel Kraft gegeben haben. Ich hatte eine Fülle unvergesslicher Begegnungen mit Persönlichkeiten der Weltfriedensbewegung, so mit Angela Davis, der mutigen amerikanischen Bürgerrechtskämpferin. Unvergesslich auch die große Herzlichkeit der sowjetischen Freunde, bei denen ich mich immer wie zu Hause fühle.

Im Oktober gingen besorgniserregende Meldungen durch die Presse, die mit Ihrer Teilnahme am internationalen Filmfest in Denver im USA-Staat Colorado zusammenhingen...

Ich war dorthin eingeladen worden, weil ein 90-Minuten-Dokumentarfilm über mein Leben unter dem Titel "Der amerikanische Rebell" aufgeführt wurde. Will Roberts, ein engagierter Dokumentarist, hatte ihn in viereinhalbjähriger Arbeit produziert. Für mich war das natürlich eine Freude - zum einen der Film, und dann zum ersten Mal nach 20 Jahren eine Rückkehr in meine Heimatstadt.

Aber diese Rückkehr war nicht ungefährlich. Die Festival-Leitung hatte zuvor Morddrohungen von Neonazigruppen gegen mich bekommen, die man ernst nehmen musste. Ein Jahr zuvor hatten diese Gruppen Alan Burg, einen bekannten Showman, umgebracht, der sich offen gegen sie gestellt hatte.

Ihre Teilnahme am Festival war also bekannt?

Ja, in den Zeitungen waren entsprechende Artikel erschienen - über die Teilnahme des "Abtrünnigen", der heimkehrt, des "politischen Außenseiters", des "Johnny Cash des Kommunismus" (Cash ist ein amerikanischer Sänger-Star, I.S.). Auch Funk und Fernsehen meldeten sich zu Wort. Ein Radioreporter machte live kurz vor der Premiere ein Interview mit mir, das unfair und provokativ war, verbunden mit Hetzereien gegen die Sowjetunion und üblen Kommentaren beispielsweise zu Nikaragua. Das hatte telefonische Beschimpfungen durch Hörer zur Folge.

Als offizieller Gast bekamen Sie dann wohl Schutz...

Der Gouverneur setzte ständigen Polizeischutz für mich ein; er musste ja die Sicherheit des USA-Bürgers garantieren. Die Polizisten begleiteten mich Tag und Nacht, bei allen Meetings, auch beim Treffen mit meiner Mutter. Zum Schluss meinten zwei von ihnen, dass sie nie zuvor einen Marxisten gesehen und sich nie vorgestellt hätten, dass "so einer" so normal menschlich sei.

Und wie war die Reaktion auf den Film?

Die offizielle Kritik kommentierte ihn, wie zu erwarten, als "kommunistische Propaganda", denn er zeigt ja alle meine politischen Einsätze der letzten Jahre. Das Publikum reagierte weitaus impulsiver, auch herzlich. Die beste Aufnahme fand der Film bei Veranstaltungen der Friedensbewegung an den Universitäten Minnesota und Ohio. In Minnesota wurde der Erlös der Veranstaltung einer Organisation übergeben, die ständig gegen den Honeywell-Rüstungskonzern auftritt. Der ist an der Cruise Missiles- und Pershing-II-Produktion beteiligt und hatte schon im Vietnamkrieg unvorstellbare Gewinne.

Die Friedensbewegung in den USA wächst und es gibt viele, die große Hoffnungen in die sowjetischen Friedensinitiativen setzen.

Was wird Ihnen das Jahr '86 bringen?

Von "Supraphon" wurde ich für die fünfte Langspielplatte verpflichtet, diesmal mit zwölf eigenen Titeln. Das Fernsehen plant für den Mai eine neue Country-Show "Der Mann aus Colorado". Daneben laufen weitere Vorarbeiten auf die DEFA-Koproduktion mit sowjetischen Filmschaffenden "Bloody Heart". Ich habe diesen Spielfilm zusammen mit Günter Reisch geschrieben. Vorerst wird's ein Wiedersehen in Leipzig bei einer Messeveranstaltung des Peters-Musikverlages geben.

(Mit dem Sänger und Schauspieler sprach Ingeborg Stiehler)

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Letzte Änderung: 2009-01-28