Lausitzer Rundschau, 06.09.2007

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LR-KULTUR

Regisseur Leopold Grün über seinen Film "Der Rote Elvis", der heute in Cottbus startet

"Ich erzähle keine Heldengeschichten"

lr-online.de

Wenn heute Abend der Dokumentarfilm "Der Rote Elvis" über einen US-amerikanischen Schlagerstar und Agitprop-Sänger, der sein Herz an die DDR verlor, im KinOh in der Stadthalle seinen Cottbuser Filmstart hat, wird auch der 38-jährige, in Dresden geborene Regisseur Leopold Grün, der heute in Berlin lebt, dabei sein. Im RUNDSCHAU-Gespräch spricht er über den einsamen Cowboy, den er für keinen Taugenichts hält.

Wie kamen Sie ausgerechnet auf Dean Reed?

Ich habe in den letzten Jahren schon öfter Menschen in Kurzfilmen porträtiert, die weniger bekannt waren, aber auch ihre Geschichten waren spannend: Eine Frau vom Prenzlauer Berg beispielsweise, die 65 Jahre in ein und derselben Wohnung lebte, oder eine Dresdnerin, die in Chicago ihr Glück versuchte. Aber nie zuvor habe ich mich so lange mit einem Stoff beschäftigt, fünf Jahre folgten wir Deans Spuren nicht nur hierzulande, sondern auch in Nordamerika, Chile, Russland. Isabel Allende, Armin Mueller-Stahl, Egon Krenz und viele andere schilderten ihre Begegnungen mit ihm. Und so ist mein erster langer Film entstanden. Auf Dean Reed brachte mich ein Freund aus dem Westen, Stefan Ernsting, der mich im Biergarten fragte, wer denn dieser Ost-Cowboy gewesen sei. Er hat später ein Buch über ihn gemacht. "Der rote Elvis" ist bei Kiepenheuer erschienen, und wir haben gegenseitig von unseren Recherchen profitiert.

Warum nennen Sie ihn den roten Elvis?

Ganz einfach: Als er nach Chile kam, Anfang der Sechziger, machte er genau die Musik, die man von Elvis kannte. Elvis kam aber nie nach Südamerika. Dean war quasi der Elvis zum Anfassen, und in Chile entwickelte er seine linke Gesinnung - deshalb "Der Rote Elvis". Später in der DDR hatte seine Musik natürlich nichts mehr mit Elvis zu tun. Abgesehen davon sehe ich auch ein paar seelische Parallelen, was den Anfang und das Ende der Karrieren betrifft.

Als der einsame Cowboy des Ostens im Zeuthener See auf mysteriöse Weise ums Leben kam, waren Sie gerade mal 18 Jahre alt. Was wussten Sie damals über ihn und wie hat sich Ihre Sicht heute verändert?

Ich hatte nur ein blasses Bild von ihm. Es war nicht meine Musik. In meiner Jugend war er für mich eher eine skurrile Figur, die lächelnd im "Kessel Buntes" mit dem Pferd auftrat und seine Faust hochreckte, was ich mit einer gewissen Skepsis betrachtet habe. Aber ich war weder Fan, noch hasste ich ihn. Gemeinsam mit meinem Freund nun entdeckten wir, was doch für eine verrückte Geschichte hinter Dean Reeds Leben verborgen war. Schon die ersten Recherchen hatten ergeben, dass es ein Lebensweg in starken Kurven war. Seine Präsenz in Chile überraschte mich, seine ganze Biografie und sein stiller Abgang. Ich merkte, es ist eine brüchige Figur, und brüchige Figuren mit all ihren Widersprüchen interessieren mich. Ich erzähle keine Heldengeschichten.

Wenn Sie Dean Reed in wenigen Sätzen charakterisieren sollten: Wer war er?

Einerseits ein Mensch mit einem sehr offenen, aufrichtigen Charakter, der ihm viele Sympathien einbrachte, andererseits mit einer unglaublichen Sehnsucht nach Anerkennung. Gleichzeitig war er auch mit einer relativ starken Naivität ausgestattet, die ihn zu politisch außergewöhnlichen Aktionen hinriss und eine tragische Figur, die äußeres Tun und inneres Fühlen nicht unterscheiden konnte. Das ist das, was mich an ihm bewegt. Dass ich ihn bis heute nicht in ein, zwei Sätzen beschreiben kann. Es bleibt eine offene Figur, das macht sein Leben so erzählenswert, weil man nicht einfach sagen kann: "Er hat Amerika verraten" oder "Er wurde in der DDR nur benutzt". Keiner der Sätze stimmt, ich muss immer andere hinzufügen. Das macht die Differenziertheit aus.

Sie zeigen auch Ausschnitte aus Filmen mit Dean Reed. War er ein Taugenichts wie sein Filmheld, sehnsüchtig und naiv, eine traurige Gestalt oft im Kampf gegen Windmühlen oder mehr ein Wanderer zwischen den Welten?

Für mich war er kein Taugenichts. Eher ein großer Junge, der einsam durch die Welt trieb. Der Zuschauer kann sich sein eigenes heutiges Bild machen über das Auf und Ab. Wir haben nicht nur Dean-Reed-Musik verwendet, sondern mit einer eigenen Band gearbeitet, die den Transport in die Jetzt-Zeit ermöglicht. Es ging ja nicht um seine musikalische Karriere, sondern um seine Persönlichkeit. Es ist ja häufig so, ab einem bestimmten Alter werden die Wurzeln wieder wichtiger. Seine Revolution hat er immer mit den Methoden seines Heimatlandes geführt. Es musste immer eine Show sein. Auch wenn Dean Reed dazu stets gelächelt hat, für mich war er nicht lächerlich, auch kein Idiot, wie ihn Manfred Krug genannt hat. Genausowenig war er nur der strahlende Friedenskämpfer. Von diesen beiden Polen, die täuschen, will ich die Zuschauer weglotsen.

Der Film schließt mit dem Foto des toten Sängers aus den Stasi-Akten. Hofften Sie, Licht in das noch immer nicht ganz geklärte Ende zu bringen?

Sicher war das ein Motiv, aber es hat mich immer weniger interessiert, weil im Verlauf der Recherche, etwa nach zwei Jahren, für mich ziemlich klar war: Der Mann hat sich selbst das Leben genommen. Vielleicht gibt es ja noch jemanden, der das Gegenteil erzählt, aber mich hat davon vor allem eine Frau im Film überzeugt, wo jeder zunächst das Gefühl hat: Die passt da gar nicht rein, die kennt niemand, obwohl sie in Zeitungen, die über den Film berichteten, schon als seine Geliebte bezeichnet wurde. Maren Zeidler aber war wohl mehr seine Seelsorgerin, die mit ihm die Depressionen teilte. Auch Deans Abschiedsbrief an seine Frau Renate Blume lässt für mich keinen anderen Schluss zu.

Hört sich an, als wären Sie während Ihrer Recherchen auf viele offene Türen gestoßen.

In den USA haben wir viele Unterlagen entdeckt. Das war ja auch wichtig, dass sich der Film üffnete aus dem DDR-Focus heraus. Ich wollte einfach dorthin, wo er herkommt. Es gab offene und verschlossene Türen. Renate Blume zum Beispiel kommt im Film nur second hand vor. Sie war jetzt nicht zum Interview bereit, weil sie sich von Tom Hanks hat sperren lassen, der ja auch einen Film über Dean Reed machen will. Aber das Projekt scheint seit Jahren zu ruhen.

Wie zufrieden waren Sie mit der Resonanz auf der Berlinale?

Es war das absolute Schlüsselerlebnis. Ich wollte ja immer da hin. Seit ich vor vierzehn Jahren zum ersten Mal in einer Berlinale-Vorstellung saß, wusste ich, ich will Dokumentarfilme machen. Und für die diesjährige Berlinale habe ich mich nun zum ersten Mal mit einem Film beworben, ja, es war das erste Mal für unser ganzes Team. Die Zuschauerresonanz war großartig. Alle drei Vorstellungen waren voll, ich war glücklich und hatte das Gefühl: Du hast den Leuten etwas zu erzählen, worüber sie streiten und diskutieren können. Das ist vorher nicht planbar in der Kunst.

Und wie kommt der Streifen jetzt in den Kinos an?

Na gut, das war ja nicht so klar, wo der Film doch mitten im Sommer gestartet ist. Ich habe keine Massen erwartet, aber die Vorstellungen sind gefragt, etwa 12.000 haben den Film schon gesehen. Und er hat wirklich eine gute Presse bekommen, das ist auch eine schöne Anerkennung. Und nun hoffe ich auf das Lausitzer Kinopublikum.

Werden Sie sich den Film noch einmal in Cottbus ansehen?

Nicht vollständig. Ich kann die Sequenzen ja schon mitsprechen. Vollständig habe ich ihn bestimmt schon 100 Mal gesehen. Aber ich werde zumindest am Anfang der Vorstellung dabei sein und bin gespannt auf die Reaktionen. Es ist die Chance für mich zu spüren, was da rüber kommt. Wie gehen die Menschen aus diesem Film? Wie still, wie laut ist es? Sie werfen ja nicht nur einen Blick in die Vergangenheit, die politischen Themen sind ja alle noch da, ob es nun die Probleme in Palästina sind oder in Südamerika. Und die persönlichen Dinge betreffen ohnehin viele Menschen. Übrigens wird in Cottbus auch ein Musiker der Gruppe Monomango dabei sein, ohne die Deans Geschichte die Zuschauer nicht so berühren würde.

Welche neuen Ideen treiben Sie um?

Erstmal beschäftigt mich ja noch der "Rote Elvis", wir haben viel für ihn riskiert, mit ganz viel Idealismus kostenlos für ihn gearbeitet, reisen jetzt mit ihm umher und hoffen, dass sich ein bisschen was einspielt. Nicht nur nebenbei gibt es meinen Job als Medienpädagoge, der hat mich und die Familie ernährt. Zuhause hatten wir in letzter Zeit die traditionelle Rollenverteilung, da soll jetzt meine Frau, die Architektin ist, auch wieder mehr zum Zuge kommen. Bei mir muss der Kopf frei und der Schwamm ja auch erst mal wieder voll werden. Ohnehin soll man nicht so viel über ungelegte Eier reden. Aber so viel sei verraten: Politisch und persönlich wird der nächste Film auch.

Mit LEOPOLD GRÜN sprach Ida Kretzschmar

Service: Dean Reed in der Lausitz

Im KinOH in der Cottbuser Stadthalle ist der Film "Der Rote Elvis" heute sowie am 9.,10. und 12. September 18 und 20 Uhr zu sehen, morgen und am 11. September 17, 19 und 21 Uhr sowie am 8. September 19 und 21 Uhr. Tel.: 0355/7542444.

In Hoyerswerda wird der Film ab 13. September im Blow-up-Kino der Kulturfabrik gezeigt. Tel.: (03571) 405940.

In Görlitz steht er am 13. Oktober auf dem Spielplan in der Camillo Kino Kneipe. Tel.: (03581) 661920

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Letzte Änderung: 2012-07-11