Film und Fernsehen 1977

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El Cantor - Der Sänger

Interview mit Dean Reed

"El Cantor", der neue Film Dean Reeds, stellt Leben und Kampf Victor Jaras in den Wochen vor dem Putsch der Militärjunta in Chile dar. Reed schrieb zu diesem Film das Szenarium, führte Regie und übernahm die Hauptrolle.

Diese Funktionen gleichermaßen zu erfüllen war sicher nicht leicht?

"El Cantor" ist meine bisher größte Arbeit. Mit diesem Film habe ich große Verantwortung übernommen. Aber ich wollte ihn machen - nicht, weil ich mich für den besten Regisseur halte, sondern weil dieses Thema mir am Herzen liegt: Chile ist meine zweite Heimat. Salvador Allende und Pablo Neruda habe ich persönlich gekannt, Victor Jara war mein Freund...

Wann waren Sie in Chile?

Zum ersten Mal 1961; danach in jedem Jahr, bis zum Putsch. Am 4. November 1970 ging ich nach Chile, weil Allende mich gebeten hatte, dort für die Gewerkschaft zu arbeiten, für die Kulturkommission. Das habe ich dann auch mehrere Monate lang getan. Ohne Gehalt - danach fragten wir gar nicht. In dieser Zeit habe ich Victor Jara kennengelernt, der auch viel für die Gewerkschaft arbeitete. Wir haben oft zusammen gesungen, sind in vielen Städten gemeinsam aufgetreten.

Schildern Sie in "El Cantor" authentische Begebenheiten?

Vieles hat sich tatsächlich so zugetragen, wie der Film es erzählt. Ich möchte darin Victor Jaras Leben und seinen politischen Kampf während der letzten drei Wochen vor dem Putsch zeigen. Aber der Film heißt "El Cantor" - "Der Sänger" - und nicht "Victor Jara". Victor soll als ein Sinnbild verstanden werden, er steht für alle revolutionären Künstler der Welt.

Was für ein Mensch war Victor Jara?

Victor war ein sehr lebensfroher Mensch. War er mit seiner Familie zusammen, mit seiner Frau, mit den Kindern, so hat er gelacht und gescherzt. Unter Fremden war er recht zurückhaltend; meist saß er etwas abseits und spielte für sich auf der Gitarre. Erst, wenn er auf der Bühne stand, lebte er richtig auf.

Einmal bat man ihn, eine Rede zu halten. Zunächst sträbte er sich heftig: "Ich bin ein Sänger, kein Redner! Und was soll ich mit meinen Händen anfangen, während ich rede?" Schließlich hat er dann doch eingewilligt und ging mit seiner Gitarre aufs Podium. Während der Rede hielt er die Gitarre in den Händen.

Welche Vorarbeiten waren für diesen Film notwendig?

Ich musste alles über Victor in Erfahrung bringen. So besuchte ich Joan Jara in London und sprach mit ihr über alle Einzelheiten, die Victor betrafen. Ich musste wissen: Welche Bücher hat er gelesen? Was hat er gern gegessen? Welche Spiele hat er mit den Kindern gespielt? Viele, die wie Victor nach dem Putsch im Stadion gefangen gehalten wurden, ihn dort gesehen haben, suchte ich auf, in Kuba, in Moskau, in New York...

Wo wurde "El Cantor" gedreht?

Die Außenaufnahmen wurden in Bulgarien gemacht, denn die Architektur dort ähnelt der in Santiago. Auch die Landschaft sieht der Umgebung Santiagos ähnlich, die schneebedeckten Gipfel der Berge im Hintergrund...

Außerdem brauchten wir viele Kleindarsteller, die aussehen mussten wie Chilenen. In der DDR fanden wir sie nicht, aber die Bulgaren ähneln den Chilenen nicht nur im Aussehen, sondern auch im Temperament. Die Zusammenarbeit mit den Bulgaren war ausgezeichnet. Die Arbeit an "El Cantor" bedeutete für sie mehr als nur Mitarbeit an einem beliebigen Film: Sie bekundeten damit ihre Solidarität mit dem chilenischen Volk.

Die Dreharbeiten zur großen Kundgebungsszene wurden für mich zum schönsten Erlebnis: Für diese Szene brauchte ich etwa zehntausend Kleindarsteller, doch so viel zu engagieren brachte einige Schwierigkeiten mit sich. Aber ich wollte diese Szene nicht streichen. Der Film braucht die Kraft, die von ihr ausgeht. So wandte ich mich an den Ersten Sekretär des bulgarischen Komsomol um Hilfe, und wir machten folgendes aus: Der Komsomol organisiert eine Solidaritätskundgebung für Chile, und ich bringe Clodomiro Almeyda, Isabel und Angel Parra nach Sofia, sie nehmen an dieser Veranstaltung teil. So machten wir es dann auch, und wir filmten diese Kundgebung für "El Cantor". Das war der schönste Drehtag, den ich bisher erlebt habe. Eine Stimmung war das! Zehntausend Menschen, und alle sangen voller Begeisterung! War das ein Tag!

Wann lernten Sie Pablo Neruda kennen? Bei welcher Gelegenheit?

Am 28. Juli hatte ich die US-amerikanische Flagge vor der Botschaft der USA in Chile heruntergerissen und gewaschen. Daraufhin wurde ich verhaftet. Als ich aus der Haft entlassen wurde, erwartete mich Pablo Neruda und nahm mich dann mit in sein Haus in Isla Negra.

Welche Pläne haben Sie für die nächste Zeit?

Jetzt will ich erst mal wieder singen, auf Tournee gehen. Im August 1978 werde ich in Havanna am Weltjugendfestival teilnehmen, und dann will ich durch Amerika reisen, um dort "El Cantor" vorzuführen. Ich hoffe, dieser Film wird der Solidaritätsbewegung in der ganzen Welt dienen.

Aufgezeichnet von Anita Butter

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Letzte Änderung: 2007-04-17