Deutschlandfunk, Corso, 31.07.2007

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Corso - Kultur nach 3

"Der Rote Elvis"

Der Dokumentarfilmer Leopold Grün im Gespräch mit Thomas Heyer über seinen Film "Der Rote Elvis"

"I Can Hear History Calling" von Dean Reed. Er war der "Rote Elvis": Dean Reed, Sänger, Schauspieler, Regisseur und vor allem Friedenskämpfer. Von 1972 bis zu seinem Tod 1986 lebte er in der DDR, galt hier als Weltstar und Sänger des anderen Amerika. Dean Reed - diesen politischen Rock'n'Roller zeigt uns Leopold Grün in seiner Dokumentation, die in dieser Woche in die deutschen Kinos kommt. Als Dean Reed in die DDR übersiedelte, Leopold Grün, da waren Sie gerade mal 4 Jahre alt. Was hat Sie an diesem Mann als ehemaligem DDR-Bürger so fasziniert? Waren die Grüns, war Ihre Familie aus Dresden, waren das alles Reed-Fans?

Ganz und gar nicht, also von Dean Reed wusste ich eigentlich gar nicht so wirklich viel. Weil, er hatte ja Musik gemacht in der DDR, die mich nicht wirklich interessierte. Ich war damals ja Jugendlicher dann später in den 80iger Jahren. Und Dean Reed machte ja dann später Schlager. Also die Musik, die er in den 60igern gemacht hat, die hat er ja nicht bis in die 80iger getragen. Das waren ja am Anfang eher die Elvis-Songs und später kannten wir eigentlich nur seine Schlager und Country-Songs. Das interessierte mich eigentlich nicht so. Aber ich habe ihn natürlich schon wahrgenommen, als einen Mann mit Zahnpastalächeln im DDR-Fernsehen. Das etwas Ungewöhnliches und dann hatte ich ihn eigentlich vergessen. Und auf die Geschichte bin ich dann eigentlich viele, viele Jahre später wieder gestoßen, als mich ein Freund aus dem Westen gefragt hat, er kam aus Bremen, der auch später dann dieses Buch geschrieben hat "Der Rote Elvis": Stefan Ernsting, der sagte zu mir: "Sag mal wer ist denn dieser Ostcowboy gewesen bei euch?" Und dann habe ich ein bisschen gekramt, bisschen recherchiert. Und dann begann für mich die Faszination einer Entdeckungsreise, einen Menschen zu finden, der so ambivalent, so widersprüchlich war, durch die Geschichte, durch die Weltgeschichte eigentlich getingelt ist, und da beschloss ich dann eben einen Film darüber zu machen.

Ist dieser Film, ist diese Dokumentation eine Art filmisches Denkmal für Dean Reed geworden?

Ganz und gar nicht. Also es geht darum, nicht darum eine Heldengeschichte zu erzählen: eher die Faszination einer widersprüchlichen, ambivalenten Figur, als verschiedene Seiten zu aufzuzeigen. Und dieser Perspektivwechsel, dass da einer vom Westen in den Osten geht, das war natürlich ein ganz wichtiges Moment dieser Geschichte. Und ich fand in ihm natürlich auch den Spiegel der Zeit, des kalten Krieges und vor allem auch die Rückkopplung in die heutige Zeit. Denn wenn man sich diesen Film genauer betrachtet: die politischen Themen, die dort eine Rolle spielen, die sind sehr aktuell: ob das nun die Palästinensergebiete sind, die eine Rolle spielen, ob das Südamerika ist oder generell die Frage des Wettrüstens - auch heute immer noch ein großes Thema. Und diese Weltpolitik trifft nun wiederum auf ein ganz ambivalentes auch persönliches Drama. Und dieses Aufeinanderprallen, das fand ich sehr interessant.

Was war so widersprüchlich an ihm?

Ich denke, die Widersprüche zeigen sich einerseits darin, dass ein Mann, der so aussah wie er, ja, den verbindet man ja nicht mit einer Ostkarriere, ja, da denkt man nicht, der geht in den Osten, sondern das ist einer, der könnte ein großes Showbusiness machen auch im Westen, auch in den USA, wo auch immer.

Also Dean Reed, das muss man sagen, sah sehr gut aus: Zahnpastalächeln, haben Sie eben schon angesprochen, sehr gut, sehr amerikanisch.

So sieht's aus. Und den verbindet man nicht mit einer Ostkarriere, ja. Das ist schon mal ein Punkt: um dann festzustellen, dass dieser Mann doch auch relativ zerrissen, sehr widersprüchlich, auch mit vielen Depressionen verbunden war. Das sind so Dinge, die man dann entdeckt. Und da fand ich sozusagen die Geschichte richtig interessant, weil es eben alles so nicht zueinander passt. Und insofern ist das weder ein Heldenepos, aber auch keine Geschichte eines Antihelden. Es ist eine faszinierende Geschichte einer widersprüchlichen Figur.

Sie haben nicht mit allen Zeitzeugen sprechen können, leider muss man sagen. Einige stehen bei Tom Hanks, so heißt es, unter Vertrag. Taugt diese Geschichte zum großen Hollywoodkino?

Das muss man sehen, keine Ahnung, dass muss man abwarten. Ich denke, dass die Geschichte auf jeden Fall taugt auch für das große Kino, auch für den Spielfilm. Ich denke aber auch schon mal, unser Dokumentarfilm taugt für das große Kino, weil wir versuchen ja, diese Geschichte nicht chronologisch, auch nicht... keine reine Biografie zu erzählen. Sondern wir versuchen, bestimmte Elemente dieser Biografie aufzuzeigen, machen das auch ohne Kommentar. Der Zuschauer kann sich seine eigene Meinung bilden. Wir haben ganz viel mit der Musik gearbeitet. Es gibt ja auch einen Soundtrack dann zum Film, haben eigene Musik komponiert, haben eben aber auch seine Lieder verändert, verfremdet, und dadurch gibt es also auch eine ganz interessante Rückkopplung auf die heutige Zeit.

Sie erzählen und lassen erzählen. Zum Beispiel Armin Mueller-Stahl, der taucht auch im "Roten Elvis" auf. Was sagt der zu Dean Reed?

Ja, das ist ja das Besondere. Warum ist Armin Mueller-Stahl in diesem Film? Nicht nur weil er Armin Mueller-Stahl heißt, sondern weil es doch interessant ist, dass er, der er den anderen Weg gewählt hat, relativ loyal ihm gegenüber ist. Also er stellt eben fest, dass Dean Reed ein Mann ist, der mit relativ naiven Träumen in diese Welt hineingekommen ist und dann doch von diesen Träumen relativ stark enttäuscht wird. Und diese Geschichte hat ihn auch interessiert. Und dadurch, dass Armin Mueller-Stahl auch einerseits mit ihm gedreht hat, es gab also einen gemeinsamen Spielfilm, an dem sie gearbeitet haben in der DDR. Und dann eben noch mal eine besondere Begegnung, wo Armin Mueller-Stahl versucht, Dean Reed bei der Ausbürgerung von Biermann zur Unterschrift, zur Unterschriftenaktion zu gewinnen. Und da stößt ja Dean Reed zum ersten Mal auf die Widersprüche in diesem Land. Und diesen Moment, den wollte ich aufzeigen.

Nahezu alle, die Sie gesprochen haben, die sollen sich im übrigen nicht für seine Musik wirklich interessiert haben. Welchen Stellenwert hatte Reed tatsächlich als Künstler in der DDR? Seine Songs aus DDR-Zeiten die klingen ja wie... so... ja durch eine Art Propagandafilter getrieben.

Na ja, man muss sagen: Propaganda ist die eine Sache. Es war ja, es war ja ganz notwendig, ihn von bestimmten Dingen zu überzeugen. Er kam ja mit voller, voller Wucht in dieses Land und hat gesagt: Ja, ich stehe euch zur Verfügung, ich mache Konzerte, Solidaritätskonzerte. Aber er konnte eben auch seine, seine Countrylieder singen. Er war sehr beliebt natürlich bei... vor allem bei der jungen Bevölkerung. Weil da endlich mal einer kam der ein bisschen Stimmung, ein bisschen Lockerheit hineinbrachte in diesen manchmal doch bisschen tristen Showalltag der DDR. Und die Künstler haben ihn natürlich mit Argusaugen betrachtet: wer kommt da eigentlich, worum darf der alles? Der kann ja auch wieder rüber! Und er hatte alle Möglichkeiten Filme zu drehen, Musik zu machen. Und das veränderte sich natürlich irgendwann. Also er war nicht immer wirklich so beliebt. Irgendwann musste er auch seine Platten in Tschechien machen, in der Tschechoslowakei. Weil die Amiga ja nicht so begeistert war.

War er nicht mehr so beliebt - Entschuldigung, wenn ich unterbreche - weil er sich auch systemkritisch äußerte?

Ja, davon hat man natürlich nichts wahrgenommen. Also ich habe in diesem Film ja auch durchaus solche Elemente mit eingebaut, wo er anfängt etwas kritischer die Sache in der DDR zu betrachten. Also er kommt mit seiner Rolle, dass er nur als Friedenskampfsänger eingeordnet wird, auch nicht mehr klar. Er versuchte dann ja dann auch Filme, die eher unterhaltenden Charakter haben, zu machen. Und ja, insofern entdeckte er so langsam die Widersprüche, wehrt sich. Und von diesem Sich-Wehren habe ich eben auch einiges in diesen Film eingebaut: Dinge von denen wir hier eben nichts wissen.

Was haben Sie eigentlich über die Todesumstände von Dean Reed erfahren? Die Stasi hat ermittelt, hieß es. Die Rede war von ungeklärten Umständen. Sie scheinen aber mittlerweile deutlich geklärt, diese Umstände. Auch für Sie?

Für mich ist das eigentlich eine relativ klare Sache. Ich habe die Mosaiksteinchen ja gesammelt und wenn ich mir dann dieses Bild betrachtet habe, war mir klar: dieser Mann ist in ganz verschiedene Sackgassen geraten. Einerseits konnte er nicht zurück in die USA, war unzufrieden in der DDR, das private Verhältnis zu seiner Ehefrau war zerrüttet. Und so gab es für ihn einfach kein Entkommen mehr. Er war verzweifelt und hatte letztendlich Heimweh, konnte aber in die USA eigentlich nicht zurück, weil das hätte so das Ende seiner Karriere bedeutet. Insofern zeigt für mich der Film eigentlich relativ eindeutig in welcher verzweifelten Situation er war. Und natürlich gibt's diese Spekulationen CIA, Stasi, KGB. Das sind Mythen, die bilden sich und daran labt sich natürlich auch die Bevölkerung sozusagen. Aber ich denke, es ist relativ klar, wie Dean Reed ums Leben gekommen ist.

Nach Dean Reed, welchen anderen, ich sag mal Heroen aus DDR-Zeiten würden Sie gerne einmal filmisch, dokumentarisch näher auf die Pelle rücken?

Das ist immer so eine Frage, bin ich gestern auch schon gefragt worden: "Was ist denn die nächste Geschichte einer vergessenen Heldenfigur?" Ja für mich ist es ja gar nicht der Punkt. Es geht ja gar nicht nur um Dean Reed, sondern es geht eben auch um, um die Frage: wie widersprüchlich sind wir manchmal, was zeigen wir außen und was passiert bei uns innen? Und welche politischen Verhältnisse treiben uns eigentlich, über das Leben nachzudenken? Und das hat mich eigentlich wiederum animiert daran zu arbeiten. Insofern werde ich jetzt kein Biograf vergessener Helden, auch nicht vergessener Helden der DDR, sondern ich werde mich möglicherweise ganz anderen Stoffen widmen.

Also mit dem Anspruch, den wir gerade von Ihnen formuliert zu hören bekommen haben: Was kann man aus diesem Film lernen, aus dieser Dokumentation "Der Rote Elvis"?

Ja, es geht mir nicht unbedingt darum etwas zu lernen. Sozusagen, mir ist eigentlich wichtiger einerseits ein bisschen diese Zeit des kalten Krieges mal anders zu reflektieren aus der anderen Perspektive, denn es findet ja ein Perspektivwechsel statt. Wir kennen viele Filme, Dokumentationen oder Berichte über Menschen, die in den Westen gegangen sind. Aber wir kennen eigentlich den umgekehrten Weg eher weniger. Und gleichzeitig festzustellen, dass diese politischen Themen, aber auch diese persönlichen Dramen eigentlich etwas sind, was in der heutigen Zeit genauso aktuell sind.

Danke, Leopold Grün. In dieser Woche läuft seine Dokumentation über Dean Reed an: "Der Rote Elvis". Was von diesem Film zu halten ist, wirklich zu halten ist, das erfahren Sie im übrigen auch morgen hier bei Corso in der Filmkritik.

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Letzte Änderung: 2008-10-23