Berliner Lesezeichen 1998

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Ein aussichtsloser Fall

Peter Schrenk: Sangers Fluch

Das Neue Berlin, Berlin 1998, DIE 210, 192 S.

Schlimmer geht's nicht! Die Neugestaltung der DIE-Krimis im allgemeinen und die Aufmachung von Sangers Fluch im besonderen sind ein ungeheuerlicher Anschlag auf den guten Geschmack. Der Verlag scheint das Häuflein standhafter Fans seiner Krimi-Reihe unnachgiebig in die Flucht schlagen zu wollen. Der grell-plakative Umschlag zeigt das deformierte Abbild eines ehemaligen DDR-Promis. Tote können sich nicht wehren, doch da wäre ja noch der Autor des äußerlich so verunstalteten Romans ...

Da Inhalt und Form nicht zwangsläufig adäquat sind, konnte ich mich schließlich zur Lektüre überreden.

Hauptkommissar Benedict, der wie sein geistiger Vater in Düsseldorf zu Hause ist, muß in einem nahezu aussichtslosen Fall recherchieren, seinem fünften immerhin. Die anderen vier hat er bei Goldmann und Ammann gelöst. Weshalb er seinen Spürsinn diesmal in den Dienst eines ostdeutschen Verlages gestellt hat, ist offensichtlich: Er geht dem authentischen Schicksal eines einst in der DDR prominenten Künstlers nach, der für Leser in westdeutschen Gefilden ein Niemand ist, was nicht unbedingt als Bildungslücke beklagt werden muß. Inzwischen sieht es so aus, als ob im Osten des wiedervereinigten Landes das Interesse für ihn auch erloschen ist, und ich halte es für wenig wahrscheinlich, daß es mit Sangers Fluch von neuem entfacht werden kann.

Die Geschichte versetzt den Leser zurück in eine wirre Zeit: in das Jahr 1989. "The Wall in Berlin is open!" Von dieser spektakulären Nachricht wird Kommissar Benedict während seines Urlaubs in Los Angeles überrascht. Noch ehe er das recht begreifen kann, bedrängt ihn eine junge Frau, er müsse den Tod ihres Vaters, des Schauspielers und Sängers Dean Sanger, aufklären, jetzt, wo die Mauer offen ist. "Mein Vater wurde ermordet ... von der Stasi. In einem See bei Ost-Berlin." Benedict hat nicht die leiseste Ahnung, wovon die Rede ist, und den Vorfall schon bald vergessen. Bis ihn Monate später die Ermittlungen in dem Mordfall an einem Übersiedler nach Berlin und dort in die Archive der Stasi führen, wo er auf den Namen des Künstlers stößt. Daß der Mann aus den USA ausgerechnet in der DDR Karriere gemacht hatte, findet er ungewöhnlich genug, um sich nun doch für die mysteriösen Umstände seines Todes zu interessieren, nicht ahnend, daß er sich dadurch bei einigen Leuten außerordentlich unbeliebt macht.

Die fiktive Zuspitzung der weitgehend authentisch dargestellten Affäre bereitete dem Autor offenkundig Probleme. Originell sind seine Einfälle wirklich nicht. Wieder einmal werden fremdgesteuerte Vorgesetzte, ehemalige Stasi-Leute und konkurrierende Geheimdienstler aufgeboten, um das Geschehen mit Wende-Atmosphäre, Konfliktstoff und Action anzureichern. Als gäbe es nicht auch noch andere Wende- und Wiedervereinigungsprobleme, die sich in eine packende Krimihandlung umsetzen ließen.

Mit der literarischen Gestaltung der Lebensverhältnisse und Todesumstände des einstigen DDR-Stars Dean Reed kann Schrenk trotz sorgfältiger Recherche, Erzählvermögen und handwerklicher Routine einen Liebhaber spannender Unterhaltung nicht um den Schlaf bringen. Es fehlt der Story an fast allem, was einen guten Krimi ausmacht: einem rätselhaften Fall (der Mord an dem Umsiedler ist nicht mehr als eine Fallattrappe), einer spannend verwickelten Handlung, einer ebenso glaubhaften wie überraschenden Lösung.

Wann immer dieser Krimi geschrieben worden ist, er ist belastet mit mehr als nur einem Hauch Patina. Man muß nicht Kassandra sein, um den Autor in Anlehnung an ein berühmtes Wende-Zitat zu warnen: Was zu spät kommt, wird verramscht. Den Umschlag aber hat der Roman trotz allem nicht verdient.

Eine Rezension von Melissa Buschmann

Rezension Berliner Lesezeichen
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Letzte Änderung: 2010-11-15