Welt Studenten Nachrichten 11/1983

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Er singt für die Freiheit

Bis auf den letzten Platz gefüllt ist das Bergarbeitertheater in Rancagua, rund 100 Kilometer südlich von Santiago entfernt. 600 Kupferkumpel und ihre Angehörigen sind gekommen, um einem im Volk sehr beliebten Sänger zuzuhören. Er ist Tausende von Kilometern weit gereist, um dem kämpfenden chilenischen Volk seine Solidarität und seine Unterstützung zu bezeugen. Es ist Dean Reed - ein Sänger aus den USA, der in der Deutschen Demokratischen Republik lebt. Er konnte seinem Wunsch nicht widerstehen, nach Chile zu fahren, wo er viele Jahre lebte. Er wollte seiner Unterstützung für den Kampf des Volkes, der an den Grundfesten des Faschismus rüttelt, hörbar Ausdruck verleihen.

Ohne sich um das von der Polizei verhängte Rede- und Auftrittsverbot zu kümmern, geht Dean Reed auf die Bühne und spricht zu den Bergarbeitern: "Man hat mir verboten zu singen, weil ich nur eine Aufenthaltsgenehmigung als Tourist habe. Aber das Singen ist für mich hier vor Euch keine Arbeit. Ich singe für meine Freunde, und meine Freunde seid ihr und das ganze Volk von Chile."

Eine spürbare Erschütterung ergreift die Zuhörer, als Dean Reed die Kampfeshymne des chilenischen Volkes "Venceremos" zu singen beginnt. Zum ersten Mal seit zehn Jahren wird dieses Lied öffentlich angestimmt, das in der Vergangenheit Tausende mobilisierte, und auch heute wirkt es in der gleichen Weise. "Tausend Ketten gilt es noch zu zerbrechen", heißt es darin. "Dean Faschismus werden wir zu besiegen wissen." Das Lied ist eine Waffe gegen die Pinochet-Diktatur.

Nach seiner Rückkehr sprach ich in Berlin mit Dean Reed. Sein jungenhaftes Gesicht mit dem immer herzlichen Lächeln macht die Zeit vergessen. Er ist immer noch derselbe wie damals, als ihn das Volk von Chile kennenlernte.

"Als ich im Fernsehen die Meldungen über die Protesttage in Chile sah, fühlte ich, dass ich nicht fernbleiben konnte. Ich wollte meine Solidarität dem tapferen Andenvolk direkt bekunden. Chile ist meine zweite Heimat. Ich kann sagen, dass ich dort zu einem bewusst denkenden Menschen geworden bin."

Dean Reed war ein Rocksänger ersten Ranges, der in den Hitlisten der Welt ganz oben stand. Bekannt und beliebt bei den Fans. Doch er war nicht einer unter vielen Sängern in den Vereinigten Staaten. Es gab etwas in seinem Inneren, das ihn nach den Ursachen der Geschehnisse fragen ließ, nach dem Warum aller Dinge. Er entsinnt sich, dass seine erste Aktion auf gesellschaftlicher Ebene gegen die Todesstrafe und gegen das von Gangstern gemanagte Berufsboxen gerichtet war.

Den ersten Schock über die bestehenden Ungerechtigkeiten erlitt Dean Reed, als die Schallplattenfirma, für die er sang, eine Lateinamerika-Reise für ihn organisierte. Klar und deutlich sah er dort den Hunger, das Elend, die Angst, die sich in den Augen so vieler Kinder widerspiegelte, und in ihm begann sich etwas zu wandeln.

"Mein Vater pflegte immer zu sagen", so erzählt Dean Reed, "dass mein Land ein 'gutes Land' sei. Wir wären es doch, die den armen Ländern helfen und Hunderte von Institutionen hätten, die sich um die Verschickung von Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten kümmerten. Das war eine Vorstellung, die mir als Kind sehr gut gefiel. Aber in Lateinamerika lernte ich die andere Seite der Medaille kennen. Und wenn einer nicht ganz und gar mit Blindheit geschlagen ist, muss er Stellung beziehen gegenüber dieser Ungerechtigkeit."

So hat alles begonnen. Allmählich tastete er sich vor auf der Suche nach den Ursachen der Probleme, stellte Fragen, forschte nach Zusammenhängen.

"Einmal fragte ich in meiner grenzenlosen Naivität", so Dean Reed, "warum das Volk, wenn es zum größten Teil so schlecht dran sei, nicht einen Kandidaten wählt, der seine Probleme lösen könnte, und warum immer wieder eine privilegierte Minderheit reagiere. - Die Antwort eines Freundes darauf war: 'Weil es leider so ist, dass die Regierungen Deines Landes eben diesen Minderheiten in unseren Ländern immer wieder helfen'. So ist es. Sie helfen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, um diese Länder besser ausplündern zu können. Das Ansehen meines Landes sank immer mehr.

1962 kam ich erneut nach Chile, um eine große Show für einen örtlichen Rundfunksender zu machen. Zu jener Zeit fand dort gerade die Fußballweltmeisterschaft statt. Ich lernte einige Spieler der sowjetischen Mannschaft kennen, und wir ließen uns zusammen fotografieren. Die Fotos wurden später in der Presse veröffentlicht. Ich lud meine Freunde in meine Show ein. Die USA-Botschaft in Chile machte mich darauf aufmerksam, dass das nicht gern gesehen würde. Ich gab zur Antwort, dass die Kunst und der Sport dem Frieden dienen müssten, und dass unsere Freundschaft sie nicht ärgerlich machen, sondern erfreuen sollte."

So entwickelte sich Schritt um Schritt Dean Reeds Bewusstsein. In Argentinien hatte er eine Fernseh-Show, und seine kometenhafte Karriere fand ihre Fortsetzung. Zu dieser Zeit wurde auf seine Wohnung in Buenos Aires ein Anschlag verübt. Später fuhr er nach Chile, wo er beschloss, der mit dem Blut des Vietnamkrieges besudelten USA-Fahne wieder Ansehen zu verschaffen. Direkt vor dem Gebäude des USA-Konsulats, genau im Herzen Santiagos, vor den Augen Tausender Passanten, begann Dean Reed die Fahne der USA zu waschen.

Der unheilvolle faschistische Putsch traf ihn nicht in Chile an. Seine letzte Reise in dieses Land unternahm er 1971 auf Einladung der Einheitsgewerkschaft des Landes Central Unica de Trabajadores. Zuvor war er bereits am 4. November 1970 von Präsident Allende zur feierlichen Regierungsübernahme nach Chile eingeladen worden.

Nach seinem Auftritt bei den Kupferarbeitern trat Dean Reed auch vor chilenischen Studenten auf. Dort stimmte er, nachdem er zahlreiche Lieder von Victor Jara gesungen hatte, wiederum "Venceremos" an, begleitet vom Chor Hunderter und aber Hunderter von Studenten.

Allgemein bekannt ist Dean Reeds Odyssee: Seine Verhaftung durch die Pinochet-Polizei und seine Ausweisung aus Chile innerhalb von drei knappen Stunden. Der Ausweisungsbefehl besagt, dass ihm nie mehr die Rückkehr nach Chile gestattet ist. Als ihm der Ausweisungsbefehl, den er sich weigerte zu unterzeichnen, vorgelesen wurde, erwiderte Dean Reed der Polizei: "Dieses 'Nie mehr!' ist absurd. Schon in kurzer Zeit werdet Ihr nicht mehr hier sitzen, und das Volk von Chile wird mich wie immer als einen wahren Freund empfangen."

Eine mutige Antwort dieses Sängers, der sein Leben riskierte, um seine solidarische Verbundenheit mit dem Volk von Chile auszudrücken. Schon sehr bald wird der Augenblick kommen, wo zur Befreiung vom Faschismus ein vielstimmiger Gesang der Freude in ganz Chile erklingen wird. Und Dean Reed wird dabei sein.

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Letzte Änderung: 2007-12-07