Western Mail, August 2007

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Stars and Stories: Dean Reed

Eher treffend mit "der einzige Cowboy, den die DDR je hatte", oder eher anmaßend mit "der rote Elvis", so wurde Dean Reed schon zu Lebzeiten bezeichnet. Auf manch einen wirkte er irgendwie unnatürlich. Ein gutaussehender US-Amerikaner in der DDR, der Filme drehte und Schallplatten aufnahm? Ob dies alles mit rechten Dingen zuging? Als Ausländer mit einem Pass, der ihm zu jeder beliebigen Zeit eine problemlose Ausreise aus der DDR ermöglichte, konnte man doch sicher leichten Herzens Loblieder auf den ihn hofierenden Staat singen, oder? Viele DDR-Bürger stuften ihn daher als unglaubwürdig ein, andere jubelten ihm bei seinen Auftritten zu. Der plötzliche Tod des solcherart Kritisierten/Gefeierten gab seinerzeit zusätzlich Anlass zu wilden Spekulationen. Ob es denn wirklich Selbstmord war, oder ob möglicherweise die Stasi dahintersteckte?

Ein wenig Licht ins Dunkel brachte kürzlich das Buch von Stefan Ernsting "Der rote Elvis" (s. Western Mail April 2007), worin die gesamte Lebensgeschichte des ungewöhnlichen US-Amerikaners ausgebreitet wird. Der 1938 in Denver, Colorado geborene Dean Reed begann bei Capitol Records in Hollywood seine Schallplattenkariere. Ein bescheidener Platz 99 in den Billboard Pop-Charts für eine Single mit dem seichten Rock'n'Roller "Our Summer Romance" (Capitol 4273) dürfte wohl weder seine eigenen Hoffnungen, noch die seiner Plattenfirma erfüllt haben. Trotzdem standen Capitol Records zu ihrem Vertrag, und gaben insgesamt sechs Singles heraus. In den USA passierte trotz der üblichen Promotionsaktivitäten wie zum Beispiel ein Auftritt in Dick Clarks bekannter TV-Show "American Bandstand" nichts irgendwie Erwähnenswertes. Dafür schlug "Our Summer Romance" im Nachbarland Mexiko wie eine Bombe ein und entwickelte sich zu einem echten Hit. Reeds damaliger Weg nach Süden hatte also einen ganz einfachen Grund: er ging dahin, wo er gefragt war. Und nicht nur als Sänger, sondern auch als Schauspieler begann er, sich dort einen Namen zu machen. In Mexiko und auch noch weiter sülich in Argentinien gab es Filmrollen für ihn, sowie TV-Shows. Reeds weiterer Weg führte ihn aus politischen Gründen wieder weg von Südamerika. Er erhielt Filmrollen in Italien, wo er sich als Darsteller in Spaghette-Western wie "Buckaroo" oder "Saranda" einen Namen machte. Dean Reeds bekanntester Film aus jener Zeit dürfte wohl "Adios Sabata" sein, wo er an der Seite von Yul Brynner spielen durfte. Ab Mitte der siebziger Jahre zog es ihn in den Ostblock, wo er als US-Amerikaner natürlich als Aushängeschild in den Propagandaschlachten des "Kalten Krieges" hochwillkommen war. Schließlich ließ sich Reed in der DDR nieder, da ihm hier alles geboten wurde, wonach er sich sehnte, nämlich ein Plattenvertrag sowie Filmrollen. Für mehrere seiner LPs nahm er Country-Titel und Rock'n'Roll-Songs auf, wie 1980 bei "Rock'n'Roll, Country & Romantik", oder 1982 bei "Country, oder zuletzt noch 1986 bei "Country-Songs". Private Gründe, also die damalige Hochzeit mit Wiebke aus Leipzig, dürften sicherlich ebenfalls eine bedeutende Rolle bei seinem Entschluss zu einem Verbleib in der DDR gespielt haben. Seine letzte Ehe schloss er mit der bekannten Schauspielerin Renate Blume, die mit ihm zusammen bei "Kit & Co." vor der Kamera stand. Als Privilegierter mit Reisepass fehlte es ihm in der DDR natürlich an nichts. Doch in den achtziger Jahren ließ seine Popularität allerdings merklich nach. Aber während 1986 endlich wieder konkrete Abmachungen für einen weiteren Film bestanden, schlug die Nachricht über den plötzlichen Tod des Stars wie eine Bombe ein. Es gibt zwar Hinweise auf Selbstmord, jedoch steckt der ganze Fall voller Ungereimtheiten. Die Vermutungen über Fremdeinwirkungen verstummten bis zum heutigen Tage nicht.

Seit kurzem gibt es mehrere exzellente Möglichkeiten, sich mit Dean Reed künstlerischem Vermächtnis auseinanderzusetzen. Bear Family Records beispielsweise veröffentlichten eine CD mit dem etwas hochtrabenden Titel "The Red Elvis" (BCD 16829), im Untertitel "The Very Strange Story of Dean Reed" genannt. Sämtliche Aufnahmen seiner Ära bei Capitol Records fanden hier wie bei Bear Family gewohnt in bestmöglicher Klangqualität Eingang, natürlich auch der häufig zitierte Hit "Our Summer Romance". Zusätzlich gibt es für die Fans von Dean Reed sogar ein paar bislang unveröffentlichte Titel zu hören, wie "I'll Be There". Das Booklet beschreibt in deutsch und englisch in übersichtlicher Form die Lebensgeschichte des Stars und bietet zahlreiche teils seltene Fotos. Natürlich fehlen auch keineswegs die ausführlichen diskografischen Informationen zu den einzelnen Titeln. Icestorm Entertainment brachte kürzlich unter dem ebenfalls etwas überzogen wirkenden Titel "Dean Reed - Der amerikanische Rebell" (Katalog-Nr. 19475) eine nichtsdestotrotz hervorragend konzipierte Box auf den Markt. Sie enthält vier DVDs sowie eine CD. Drei der DVDs enthalten Western aus DEFA-Produktion, nämlich "Sing Cowboy Sing", "Blutsbrüder, sowie "Kit & Co.". Die vierte DVD bietet mit "Soviel Lieder, soviel Worte" einen eher harmlosen Unterhaltungsstreifen vor dem Hintergrund der Weltjugendspiele im Ost-Berlin des Jahres 1973, worin Reed sich selbst darstellt. Nebenbei bemerkt: man sieht hier auch mehrere Politiker der DDR auf diversen Tribünen Beifall klatschend - ja, das war einmal. "Kit & Co." trug als Video in Westdeutschland den Zusatztitel "Lockruf des Godes", womit auf Jack London als Autor hingewiesen wurde. Als "Blutsbrüder" sah man Dean erst- und letztmalig zusammen mit Gojko Mitic vor der Kamera. Und in "Sing Cowboy Sing" durfte sich Dean nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch als Regisseur und Drehbuchautor betätigen. Das umfangreiche Bonusmaterial der Box beinhaltet u.a. Dokumentationen aus DDR-Produktion, Berichte über die Weltfestspiele von 1973 in (Ost-)Berlin, Biografien, Bilder, und vieles mehr. Ein Booklet mit Reeds Lebensgeschichte und vielen Zitaten, zahlreichen Szenenfotos, sowie einige als Postkarten gestaltete Porträts komplettieren die reichhaltige Ausstattung. Auf der ebenfalls zur Box zählenden CD "Seine Amiga-Erfolge" gibt es dann mittels zwölf ausgewählter Titel einen Überblick über Dean Reeds Aufnahmen in der DDR während der siebziger und achtziger Jahre. Die meisten sind in deutsch, und darunter natürlich auch sein erster Erfolg in der DDR "Wir sagen ja". Einen weiteren Tonträger brachte kürzlich auch Sony/BMG auf den Markt. Unter dem identischen Titel "Seine Amiga-Erfolge" präsentiert diese CD nicht nur sämtliche Titel der gleichnamigen Box-Ausgabe, sondern noch zwölf weitere Aufnahmen in deutscher Sprache, bei denen es sich um den kompletten Inhalt der 1984er LP "Es gibt eine Liebe, die bleibt" (Amiga 856030) handelt.

Man mag zu Dean Reed stehen, wie man will. Doch selbst Kritiker billigen ihm zu, sich in Zeiten des "Kalten Krieges" für seine Überzeugungen vehement eingesetzt zu haben. Ob dies auf der "richtigen" Seite geschah, darf man natürlich in Frage stellen. Unbeschadet davon bleibt die Tatsache, dass sich Dean Reed mit seinen Filmen einen Platz im Western-Genre sicherte, und mit seinen LP-Ausgaben ein wenig Country-Feeling in die DDR-Plattenfirma Amiga einbrachte.

Ulrich K. Baues

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