Rationalgalerie 03.02.2007

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BERLINALE: DEAN REED - DER ROTE ELVIS

Was nützt die größte politische Wahrheit in einem leeren Saal?

Ein Protoamerikaner, ein Star, ein Rocksänger, ein Womanizer, der aus einem internationalen, ziemlich großartigen, bewegten Leben aussteigt und seinen Wohnsitz in der DDR nimmt? Das war Dean Reed, ein Mann, der in den USA seine Karriere begann und sie, noch keine fünfzig, in einem See bei Berlin beendete. Diesem Menschen widmet Leopold Grün einen neunzig Minuten währenden Dokumentarfilm, von dem zu hoffen ist, dass er bald einen Weg in die Kinos findet und der im Februar auf der Berlinale seine Weltpremiere haben wird. Der Rote Elvis ist Westdeutschen kaum bekannt, obwohl Reed in einer Reihe von Western mitgespielt hat, unter anderem in "Adios Sabata" mit Yul Brynner. Auch der DDR-Generation, die im Todesjahr des Sängers, 1986, noch zu jung war, um sich für reitende Filmhelden und singende Marxisten zu interessieren, sagt der Name Reed nur wenig. Und beides hat kaum damit zu tun, dass Dean Reed schon lange tot ist, das ist der weiße Elvis auch, sondern mit der Zeitenwende.

Denn Reed kommt aus einer Zeit, in der die kleinen Leute keine mystischen Hobbits waren, sondern solche, deren soziale Lage gebessert werden musste und denen man ganz große, die Welt verändernde Dinge zutraute. Der junge Popsänger Reed hatte, wie nicht wenige seiner Generation, sein politisches Coming out im Protest gegen den Krieg, mit dem die große USA das kleine Vietnam überzog. Ungerechtigkeiten, sagen seine Freunde und Wegbegleiter im Film, waren ihm sein ganzes Leben lang verhasst. Der Sänger, der Anfang der sechziger Jahre in Lateinamerika lebte, wird zu Beginn der sorgfältig recherchierten Arbeit von Leopold Grün mit einer scharfen Verurteilung der USA zitiert, der er vorwirft jede beliebige Diktatur in Lateinamerika zu unterstützen. Nur konsequent ist es deshalb für Reed, dass er den Wahlkampf des chilenischen Sozialisten Allende unterstützte. In den alten Aufnahmen, die ihn spanisch singend in Chile zeigen, wenn ihn die Massen seiner Zuhörer ergreifen und er diese Ergriffenheit in Musik und Text zurück gibt, hat der Film seine stärksten Szenen. Jahre nach Reeds Tod kehrt der Filmemacher zurück zu dessen damaligem chilenischen Publikum und die sozialistische Sache, die so einfach und so schwer zu machen ist, wird für Momente wieder lebendig, wenn sich die Bergarbeiter erinnern: "Er hat sich für unser Leben interessiert, er hat mit uns zusammengesessen." Immer noch mit ein wenig Kopfschütteln über den Star, der sich Zeit für sie nahm, immer noch dem Nachhall der damaligen Hoffnung auf Revolution lauschend.

Klug und umsichtig begleitet Grün eine junge Russin an das Grab des Sängers, weiß auf schwarz zeichnet der Schnee die Bilder und sie erzählt, wie sie die Lieder des Sängers als Kind gehört hat, wie sie - die den Lügen der sowjetischen Zeitungen nicht traute und die sich an den sowjetischen Staats- und Parteichef Breshnew erinnert wie an erstarrtes Blei - den Visionen einer besseren, sozialistischen Zukunft des Dean Reed glaubte und wie sie heute noch, immer noch, an ihm und den Ideen, die er vortrug hängt. In dieser Szene wird das Dilemma des politischen Poeten und der Zwiespalt einer ganzen, weltweiten Bewegung jener Zeit sichtbar: Die Solidarität mit den Unterdrückten, ob in Lateinamerika, in Asien oder in ihren eigenen Ländern zwang sie, angesichts der zweigeteilten Welt, an die Seite von Staaten, die ihre eigenen Leute unterdrückten. Denn der Gegner unserer Gegner, so dachte man zu Zeiten, der muss ja wohl unser Freund sein.

Einen "Brückenbauer" nennt Armin Mueller-Stahl, der einfühlsamste der Zeitzeugen im Film, Dean Reed, einen Mann, der zwischen den Ländern hätte vermitteln können. Mit Zuneigung erinnert sich Isabel Allende an ihn und der Regisseur Celino Bleiweiß, in dessen Film "Aus dem Leben eines Taugenichts" Reed die Hauptrolle spielte, weiß bis heute von Reeds unbändigem Freiheitsdrang zu berichten. Auch Egon Krenz bemüht ein ledernes Funktionärisch, um seinen Erinnerungen an den Sänger und dessen Nützlichkeit für die DDR-Politik eine Form zu geben. Doch das vielleicht echteste aller Zeugnisse wird dem Amerikaner - der wegen der Liebe und der Politik in der DDR lebte und auch weil im Chile des mörderischen Augusto Pinochet kein Platz mehr für ihn war - von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit ausgestellt: Reed habe, so wird das Protokoll im Film verlesen, nachdem er von einem Tross schwarzer, langer Staatskarossen überholt worden war, wütend einen Volkspolizeiposten angebrüllt und habe verlangt, der möge gefälligst diese Autos aufschreiben, so wie er doch sonst alle Autos, die mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen wären, aufschreiben würde.

Feinfühlig zeichnet der Film die privaten Beziehungen des Schauspielers auf: Verflossene Frauen runden das offizielle Bild ab. Nie wird die Kamera zudringlich, nie wird das Private, das ganz sicher nicht so großartig war wie das Öffentliche, benutzt, um dem Sänger posthum die Ehre abzuschneiden. Eher sucht der Regisseur in den selten glücklichen Beziehungen des Sängers nach Gründen für dessen Selbstmord. Und ohne Häme und Spekulation lässt der Regisseur Zeitzeugen über den Verfall von Reeds Popularität und dessen berufliche Schwierigkeiten erzählen. Doch vielleicht hat der empfindsame Reed, dessen Tod in die Stagnationsphase des sterbenden Sozialismus fiel, nur die Zeichen an der Wand gesehen, immerhin stammt von ihm der brillante Satz: "Was nützt die größte politische Wahrheit in einem leeren Saal?" Der Film wird in der Berlinale-Sektion "Panorama" gezeigt.

U. Gellermann

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Leserbrief vom 04.02.2007

"Wenn Sie Dean Reed im Nachhinein als singenden Freiheitskämpfer stilisiern, dann tappen Sie in die selbe Falle, in der er auch saß: An der Seite der Sowjetunion und der DDR war keine Freiheit zu erkämpfen."
Absender: Egbert Maier

Anmerkung von U. Gellermann
Wie war das denn mit Chile?


Leserbrief vom 12.02.2007

"Dean Reed Der Rote Elvis

... und mancher erinnert sich wehmütig, wie Dean "Elvis the pelvis" Reed in der allseits unbeliebten DDR-TV-Sendung "rund" auftreten durfte, d.h., er trat nicht auf, sondern - war es der geniale Moderator Bodo Freudl? - man telefonierte mit ihm, der just zu dieser Zeit in einem US-amerikanischen Gefängnis einsaß, offenbar aber doch munter telefonieren durfte vor der dann gottlob doch nicht vollzogenen Hinrichtung...
Waren das noch Zeiten!

Immerhin hatte Dean es geschafft, einen der Everly-Brothers (war es Don, war es Phil?) in die DDR zu locken."
Absender: Olaf Leitner

Anmerkung von U. Gellermann
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Letzte Änderung: 2007-02-14