NBI 21/1972, Mai 1972

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Gespräch über einen Taugenichts

Hinter dem 32jährigen Mann aus Colorado (USA) liegt schon ein bewegtes Leben, eine Entwicklung, in der es an Kontrasten nicht gefehlt hat. Langstreckenläufer, Student der Mineralogie, Schlagersänger, Darsteller in Abenteuerfilmen, Sohn einer konservativen Familie, der sich eines Tages in Santiago de Chile mit einem Eimer Wasser vor seine Botschaft stellt, das Sternenbanner eintaucht und erklärt, warum der die Flagge der USA für beschmutzt hält und wer sie beschmutzt hat. Dean Reed ist sicherlich das einzige Mitglied des Weltfriedensrates, das in seiner Vergangenheit ein Rock'n'Roll-Star war.

Nun gibt es bei der DEFA Gespräche mit Dean Reed. Es geht um die Möglichkeit einer Zusammenarbeit bei einem Film, dem Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" zugrunde liegt; es geht um die Hauptrolle. Der Sänger aktueller politischer Lieder und ein 1826 geschriebenes Werk der deutschen Romantik - wieder ein Kontrast? Diese Frage stand unausgesprochen über unserem Interview.

NBI: Wäre diese Rolle für Sie ungewöhnlich?

DEAN REED: Ja, denn ich habe bisher in allen Filmen einen Helden gespielt, ob ich Pirat oder sonst was war. Der Mann in Eichendorffs Novelle ist in der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes kein Held. Aber er ist sehr menschlich, echt, naiv, offen.

Meine Filme waren alles Western und andere Abenteuergeschichten. Dieser DEFA-Film wäre bestimmt die bisher größte Aufgabe für mich. Er würde mir die beste Möglichkeit geben, meine Entwicklung als Schauspieler zu beweisen.

NBI: Hier soll ein Werk der deutschen Romantik verfilmt werden. Ist dessen Atmosphäre Ihnen fremd?

DEAN REED: Die Novelle war mir unbekannt, aber fremd erschien sie mir nicht. Vera und Claus Küchenmeister, die Drehbuchautoren, haben sie mir in vielen langen Gesprächen erzählt und erläutert, und ich bemerkte immer wieder, dass der Taugenichts und ich Wichtiges gemeinsam haben. Das ist vor allem die Liebe zur Natur. Ich bin mit Hunden und Pferden aufgewachsen. Wenn ich mich ausgelaugt fühle, gehe ich, wenn schon nicht im Wald, wenigstens in einem Park spazieren. Ich denke, Menschen mit einem guten Verhältnis zur Natur leben gesünder. Der neue Mensch, der in den sozialistischen Staaten heranwächst, ist ein vielseitiger Mensch, mit vielen Interessen. Manchmal haben mich Radikalisten gefragt: Warum singst du nicht ausschließlich politische Lieder, warum singst du Liebeslieder? Ich antworte dann: Beides ist wichtig. Nur mit revolutionären Liedern würde ich das Publikum, das ich erreichen und überzeugen will, verringern, und ich würde auch mich selbst beschränken. Kein Mensch treibt 24 Stunden am Tag Politik.

Eichendorff wollte Phantasie, Träume und Wirklichkeit miteinander vereinen. Darin unterschied er sich von anderen Romantikern die ihre Leser nur in eine imaginäre Welt führen wollten. Ich bewundere ihn dafür.

NBI: Wie weit geht diese Bewunderung? Glauben Sie, dass die Novelle gewissermaßen buchstabentreu verfilmt werden sollte?

DEAN REED: Ich denke, Vera und Claus Küchenmeister und Celino Bleiweiß, der Regisseur, streben einen Film an, für dessen Gestalten die heutigen Menschen Sympathie empfinden, von denen sie sich nicht weit entfernt fühlen werden. Ich bin davon überzeugt, dass der geplante DEFA-Film Eichendorff so getreulich wie möglich folgen wird. Aber natürlich geben die beteiligten Künstler ihre Interpretation der Novelle, indem sie sie verfilmen. Sie sind Marxisten, und sie haben marxistische Auffassungen von der Welt. Das gilt auch für mich.

NBI: Soll der Film ein bestimmtes Publikum erreichen?

DEAN REED: Er soll, wie ich weiß, ein Film für die Jugend werden, doch das habe ich wohl zu einfach gesagt. Wenn ich ein Konzert gebe, finde ich unter den Zuschauern jedesmal Menschen, die schon über 50 sind und die leuchtenden Augen, das Lächeln junger Menschen haben. Immer widme ich ihnen eines meiner Lieder. Jugendlich, das ist die Art, wie man sich zum Leben verhält. Ich kenne Zwanzigjährige, die schon alte Männer sind. Bertrand Russell aber, als er mit 97 starb, war jung.

Es gibt Filme, deren ideologisches und künstlerisches Niveau gleich hoch ist und die großen Zustrom haben. Ich hoffe, hier wird so ein Film gelingen.

NBI: Der junge Mann in Eichendorffs Werk singt gern...

DEAN REED: Natürlich wird er auch im DEFA-Film singen. Eichendorffs Junge spielt aber auch Geige. Falls ich die Rolle spiele, werde ich für die Lieder deutsch lernen, das würde bestimmt gehen, doch die Geige... Ich frage mich, wie lange ich dazu brauchen würde.


Wären der Sänger Dean Reed und die Filmrolle nach Eichendorffs Novelle Kontraste? Gleichviel, unvereinbar sind sie nicht. Das ist das Fazit unseres Gesprächs über einen "Taugenichts".

Heinz Niemann

NBI 21/1972

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Letzte Änderung: 2010-05-20