mephisto 97.6 03.08.2007

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Der Rote Elvis - Amerikaner in der DDR

Cowboy, Rockstar, Sozialist - all das soll er gewesen sein: Dean Reed. Geboren 1938 in Denver/Colorado zog der US-Amerikaner 1972 in die DDR. In das Land, das seinen Idealen von Freiheit entsprach und ihm zugleich eine atemberaubende Karriere ermöglichte. Der "Rote Elvis" wurde er genannt. Leopold Grün hat über den "Roten Elvis" einen Film gedreht. Und Michael Bartel hat sich "Der Rote Elvis" angeschaut.

Wenn es einen Superstar des Ostblocks gab, dann war es Dean Reed. Er war nicht nur Teenie-Star in Lateinamerika, wo er für die linke Revolution zur Klampfe griff, sondern sorgte auch auf dem Roten Platz während einer Tour durch die UdSSR für Massenaufläufe. 1971 lernt Dean Reed seine spätere Frau Wiebke auf der Leipziger Dokumentarfilmwoche kennen. Er zieht in die DDR und heiratet sie zwei Jahre später. In dieser Zeit liegen dem Sonnyboy auch schon die Frauenherzen in der DDR zu Füßen und die Politkader klatschen bei seinen Auftritten im Akkord. Als Schauspieler, auch dazu fühlte er sich berufen, arbeitet er unter anderem mit DEFA-Regisseur Celino Bleiweiß zusammen. Dieser erinnert sich nicht nur an das Popidol Dean Reed, sondern auch an das Aushängeschild der SED-Kulturpolitik.

"Er wurde benutzt als Beispiel des Ideals, in dem wir in der DDR zu leben hatten. Es gab keine bessere Welt als die DDR. Und schaut mal dieser Amerikaner, dem die ganze westliche Welt offen steht, entschied sich hier zu leben, weil es das bessere Deutschland ist. Weil es die bessere Welt ist. Das hat er natürlich wunderbar dargestellt, auch wenn er es nicht gesagt hat. Aber dafür wurde er benutzt."

Die Grenzen zwischen Pop und Propaganda verschwimmen bei Dean Reed. Im Ostblock wird er von den professionellen Meinungsmachern im Staatsdienst zum "berühmtesten Amerikaner der Welt" aufgebauscht - und Reed lässt es wider besseren Wissens geschehen. Der Protestsänger mit Sexappeal passt einfach zu gut ins Weltbild der sozialistischen Politstrategen. Sein Engagement gegen den Vietnamkrieg und die Ungerechtigkeiten der Welt ist aufrichtig. Und dann ist er auch noch Amerikaner, der zuerst seinem Land den Rücken kehrt, sich nach der Ermordung Salvador Allendes zunehmend radikalisiert und öffentlich die US-Flagge vom Blut imperialistischer Kriege reinwäscht. Schließlich geht er in den Libanon und schließt sich dem Kampf seiner sozialistischen Brüder an.

"Es ist ungewohnt über diese Berge zu laufen und manchmal auch rennen zu müssen. Zwischen den Olivenbäumen und Felsen. Die Kalaschnikow schussbereit in der Hand. Ich glaube wirklich, dass es viele Wege gibt revolutionär zu sein. Und die Gitarre mit der Maschinenpistole zu tauschen ist nicht so abwegig."

Dem Regisseur, Leopold Grün, ist mit seinem eindrucksvollen Dokumentarfilm ein wunderbarer Balanceakt gelungen: Auf der einen Seite lässt Grün unzählige Familienangehörige, Freunde und Wegbegleiter zu Wort kommen - hat sich tief in die Archive gegraben und etliche Original-Filmausschnitte zu Tage gefördert. So ergibt sich auch für denjenigen, der noch nie etwas vom Künstler Dean Reed gehört hat, ein wirklich tiefer Eindruck vom wohl streitbarsten Phänomen der Ostblock-Popkultur. Auf der anderen Seite - und das ist höchst lobenswert - beteiligt sich Grün nicht an Stilisierungsversuchen und Spottgesängen. Sein Film - der ganz ohne Kommentar auskommt - macht die Ambivalenz der Figur Dean Reed durch die vielen und klug aneinander montierten Interviews deutlich. Darunter Armin Mueller-Stahl:

"Wieso kommt der her? Das ist doch ein toller Typ - der kann doch eine große Karriere in Amerika machen. Was will der hier? Hier ist er doch sofort wie ein Spielauto, dass sich immer am Tisch umdreht und wieder in die andere Richtung fährt aber nie über die Kante hinaus. Hier ist er in diesem kleinen Land, was will er eigentlich hier? Was will er hier erreichen?"

Es ist also weniger der Künstler Dean Reed, für den sich Leopold Grün interessiert, sondern ihn fasziniert sein Leben. Um diese Faszination in den Film zu tragen, hat Grün mit seinen über dreißig Interviewpartnern mitunter sehr lange Interviews geführt. Immer in der Hoffnung, dass sie etwas sagen werden, was nicht vorbereitet war, wie Leopold Grün selbst erklärt.

"A. M.-Stahl ist das beste Beispiel: Der sagt Dinge, die man von ihm nicht erwartet. Man hätte vielleicht auch erwartet, dass er ein bisschen belächelnd über ihn redet. Tut er aber nicht. Er hat die Größe, einschätzen zu können, dass aus Dean Reed etwas hätte werden können. Er sagt ja nicht, dass er das ist. Sondern dass es ein Star hätte werden können."

Bei einem biografischen Dokumentarfilm über einen Musiker stellt sich selbstverständlich auch die Frage nach der Filmmusik. Und auch hier ist dem Team um Leopold Grün eine elegante Lösung gelungen. Dass die Dean-Reed-Originale alles andere als zeitgemäß sind, war allen Beteiligten schnell klar. Eine andere Lösung musste her. Wie diese gefunden wurde, beschreibt Olivier Fröhlich von der Band "Monomango", die den Soundtrack zum Film produziert hat.

"Wir haben uns einfach über den Film unterhalten gemeinsam und dann kamen wir einfach auf die Idee, dass man dem Film ja eine besondere Note geben könnte, indem man einfach neue Versionen von Dean-Reed-Stücken macht oder eben Sachen sampelt."

Neben Reeds späten Schlagerschnulzen gesellen sich so seine musikalischen Aufrufe zur sozialistischen Revolution und einer vermeintlich besseren Welt. Neu produziert kommen diese Revolutionslieder in einem ganz frischen Mantel daher: Gesungen auf Spanisch und Englisch untermalen sie die Filmsequenzen absolut treffsicher.

mephisto976.uni-leipzig.de

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Letzte Änderung: 2011-11-14