Freie Welt 25/1974

zurück/back

Dean Reed: "Wenn mich der Teufel reitet"

Alle schüttelten verständnislos den Kopf. "Der Junge muss verrückt geworden sein", meinte Rock-Star Elvis Presley. "Wir müssen ihn zu einem Psychiater schicken", forderte Plattenzar Woyle Gilmore. Die beiden verstanden ihre Welt nicht mehr. Rock-'n'-Roll-Star Dean Reed, zurückgekehrt von einer gemeinsamen Südamerika-Tournee mit Elvis Presley, hatte den Showrummel "Made in USA" endgültig satt. Zurückgekehrt war ein anderer Dean Reed. Der, den wir heute kennen. FREIE WELT-Reporter Bernd Siegmund (Text) und Jo Gerbeth (Fotos), die über Dean Reed und die Dreharbeiten zu "Kit & Co." in der Karelischen ASSR (Heft 16 und 17) berichteten, besuchten jetzt Dean Reed und Frau in ihrem Haus in der Nähe Berlins.

Es ist ein Freitag, als wir bei ihm "aufkreuzen". "Ein schwarzer Freitag..." Mit diesen Worten begrüßt uns seine Frau Wiebke. "Irgendjemand muss Dean das schöne deutsche Sprichwort von der Axt im Haus erzählt haben, die den Zimmermann erspart", sagt sie. Das Ergebnis, eine tiefe Fleischwunde am Handgelenk. Dean Reed musste sofort chirurgisch versorgt werden. Das allerdings hindert ihn Stunden später nicht daran, Wasserski zu laufen. "Dean bringt sich noch mal um Kopf und Kragen", sagt Wiebke Reed mit leiser Verzweiflung in der Stimme. "Aber woher denn", entgegnet beruhigend der Gatte, "die wilden Jahre sind vorbei, die Jahre, wo mich der Teufel ritt..." Doch sind sie deshalb vergessen? Dean Reed, 1938 auf einer kleinen Ranch im Staate Colorado geboren, erzählt:

"Es war im Jahre 1959 [56], da habe ich mich auf eine Wette eingelassen, die irrsinnig war. Damals ritt mich wirklich der Teufel. Ich wettete mit einem gewissen William Smith, dass ich ihn in einem Marathonlauf über 180 Kilometer schlagen würde. Ich sollte laufen, er auf einem Maultier reiten. So lautete die Abmachung. Diese komische Wette, es ging um 25 Cent, ist doch tatsächlich in die Sportgeschichte Amerikas eingegangen. Die Regeln waren so, dass alle vier Stunden der Wettkampf unterbrochen wurde, damit wir uns erholen konnten. Der Abstand zwischen dem Maultier und mir wurde dann genau ermittelt und das Rennen nach der Pause an dieser Stelle wieder aufgenommen. Die amerikanischen Rundfunksender berichteten ständig über den Stand des Rennens, und auch die Zeitungen schickten uns ihre Reporter auf den Hals. Im Schlussdrittel waren wir beide am Ende unserer Kräfte. Auf den letzten Kilometern war das Maultier vorn. Doch es gelang mir, dem Langohr mit einem mörderischen Finish auf dem letzten Teilstück der Strecke noch drei Minuten abzunehmen. Ich lief die letzten achtzehn Kilometer auf einen Streich herunter. Das wurde dem Maultier schließlich doch zuviel. Als ich an ihm vorbeizog, bekam es einen Schwächeanfall. Ich hatte meinen Kollaps erst im Ziel. 22 Stunden habe ich für den Lauf gebraucht. Im Ziel bekam ich den Lohn, meine 25 Cent. Das war doch ein guter Preis, oder...?"

"Der Teufel muss dich geritten haben", sagt Wiebke Reed, und ihr Tonfall bezeugt, dass es ein endgültiges Urteil ist.

Seit seiner Heirat mit Wiebke, einer Lehrerin, wohnt der Schauspieler und Sänger Dean Reed in der DDR. Doch er ist genauso zu Hause in der Sowjetunion, in Südamerika, Polen, der Tschechoslowakei... Dean Reed ist ein Weltreisender in Sachen Frieden, der über den Ruhm folgendes zu sagen weiß: "Der einzige Wert, den Berühmtheit hat, ist, dass man sich mit dem Gewicht seines Ruhms für eine gute Sache einsetzen kann." - Ruhm als Pflicht. Vielleicht ist diese Haltung mit eine Erklärung für die Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit, mit der Dean Reed anderen Menschen gegenüber auftritt.

Diese Liebenswürdigkeit, gepaart mit großer Leistung, beschert ihm jährlich viele Tausende Briefe von Verehrerinnen. Also frage ich Wiebke Reed, wie es sich neben einem Star lebt, dem während der X. Weltfestspiele jeden Morgen von unbekannter schöner Hand ein dezent duftendes Liebesbriefchen zugeschoben wurde, der freigiebig Küsschen verteilt und gern welche entgegennimmt.

"Gut" sagt sie und erklärt dann: "Ich bin weder neidisch noch eifersüchtig. Deans Ruhm belastet mich nicht, das Leben mit ihm beflügelt."

Flügel schien Dean Reed schon Ende der fünfziger Jahre zu haben, als er mit seinem Titel "Our summer romance" die Hitparaden der westlichen Welt durcheinanderwirbelte. Sein programmierter Flug in den siebten Showhimmel schien unaufhaltsam. Und er wäre es auch gewesen, hätte es im Leben von Dean Reed nicht einen Mann namens Paton Price gegeben.

"Er war es, der mich lehrte, dass ich meinen Kopf nicht nur zum Haareschneiden habe", erzählt Dean Reed. - Paton Price, damals ein in Hollywood bekannter Schauspiellehrer, hielt eine Menge von dem jungen Mann, den er die Schauspielkunst lehren sollte, und den er unterrichtete in der Kunst zu leben. Price hatte den Wehrdienst verweigert, war dafür im Gefängnis, und Dean Reed sagt heute von ihm: "Paton brachte mich dazu, über Krieg und Frieden nachzudenken."

Als die "Capitol-Schallplattengesellschaft" Anfang der sechziger Jahre ihren Star Dean Reed auf eine ausgedehnte Südamerikatournee schickte, keimte die Saat schon. "Ich habe in Südamerika gesehen, in welchem Prunk die Reichen leben, und wie die Mehrheit der Bevölkerung in tiefstem Elend dahinvegetiert. Mir waren die Augen geöffnet. Selbst wenn ich sie schloss, sah ich deutlicher als zuvor. Man kann im Leben auf einer schönen und geraden Straße gehen, auf der Verkehrszeichen angeben, wo man zu stoppen hat und wann man weitergehen darf. Damals, auf der Tournee in Südamerika, habe ich diese Straße verlassen, einen anderen Weg gewählt. Den ohne Verkehrszeichen, den holprigen, wo man sich an Steinen die Knie aufstößt."

Wie sehr er für seine Bosse auf dem Weg ins Abseits war, erlebte Dean Reed besonders deutlich 1962 zur Fußball-Weltmeisterschaft in Chile. Auf dem Höhepunkt der Tournee, auf dem Höhepunkt seines fragwürdigen Ruhms, bekam er erstmals die gelbe Karte gezeigt.

"Schuld daran war Lew Jaschin", erzählt Dean Reed lachend. "Er war der erste Russe, den ich in meinem Leben kennenlernte, der erste Sowjetbürger. Ich wohnte in einem Hotel, in dem auch die Fußball-Nationalmannschaft abgestiegen war. Eines Tages saß ich auf dem Hoteldach, trank einen Whisky und sah, wie im Swimmingpool die sowjetischen Fußballer ihre Kreise zogen, um sich fit zu halten. Plötzlich trat Lew Jaschin auf mich zu, umarmte mich und bat, ich möchte mich doch zur sowjetischen Mannschaft setzen. Natürlich waren Fotografen zur Stelle. Für den nächsten Tag hatten sie ihre Sensation. Und ich hatte sie auch, denn gegen Mittag klingelte das Telefon, und der amerikanische Botschafter bat mich schlicht zur Audienz. 'Dean, alter Junge', sagte er, 'Sie werden doch nicht für diese Kommunisten Reklame laufen...' Ich tat erstaunt, redete einige Worte über Freiheit und machte ihm schließlich klar, dass es mich nicht interessiert, was er denkt. 'Mister Botschafter', sagte ich, 'die sowjetische Mannschaft hat mich zu ihrem Spiel eingeladen und ich sie zu meinem Konzert. Hiermit erlaube ich mir, auch Sie einzuladen.' - Nun, um es kurz zu machen, ich hatte großen Ärger, war aber beim Fußballspiel der sowjetischen Nationalmannschaft. Leider kam die Mannschaft nicht zu meinem Konzert. - Im Jahre 1967 hatte ich einige Auftritte in der Sowjetunion. An einem Nachmittag stand ich vor dem Hotel und wartete auf ein Taxi. Da kam ein großer Bus vorbei, stoppte plötzlich, und heraus sprang Lew Jaschin. Wir fielen uns in die Arme und ich sagte: 'Ihr seid mir vielleicht Freunde, ich war bei eurem Spiel, aber ihr...' Darauf Lew Jaschin: 'Dean, sei nicht böse, aber wir wussten, welche Schwierigkeiten du hattest. Wir wollten die Sache nicht noch schlimmer machen.' Lew Jaschin ist seit diesen Tagen einer meiner besten Freunde."

Dean Reed, der lange Jahre in Südamerika lebte, wurde 1965 vom Jugendverband der fortschrittlichen Arbeiter Argentiniens zum Weltfriedenskongress nach Helsinki delegiert. Dort lud ihn die sowjetische Delegation zu einem Besuch ihres Landes ein. Seither ist er ständiger Gast in der Sowjetunion. Als Sänger und Schauspieler gefeiert und umjubelt, als Mensch geachtet und verehrt...

"Am tiefsten beeindruckt aber hat mich die erste Reise in die Sowjetunion", sagt Dean Reed. "Ich bin nie zuvor in einem sozialistischen Land gewesen, und die in den kapitalistischen Ländern verbreitete antikommunistische und antisowjetische Propaganda hatte auch bei mir die Vorstellung hinterlassen, dass man in Russland auf unterentwickelte Menschen treffen würde, die in Lehmhütten hausen und in Hunger und Armut ihr Leben fristen. Ich aber sah ein blühendes Land voller Liebe zum Frieden. Ich war fasziniert und erkannte: Das ist der Weg, den die Menschheit gehen muss, um in Glück leben zu können." - Vom Rock-Star zum Ordentlichen Mitglied des Weltfriedensrates, Dean Reed ist seinen Weg gegangen.

We would formally like to point out that the articles, reports and contributions are presented independently of their truth content. They do not reflect the opinions of the Dean Reed Website team (see detailed declaration).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir alle Artikel unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt präsentieren. Sie spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Dean-Reed-Websiteteams wider (siehe auch die einleitende Erklärung).

Recalcamos expresamente que presentamos los artículos independientemente de su veracidad. No en todos los casos reflejan la opinión del equipo de esta página WEB (léanse las líneas aclaratorias principales).

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2014-02-05