Filmspiegel 12/1973,06.06.1973

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Filmkritik "Romantisches ohne Höhepunkte"

"Aus dem Leben eines Taugenichts"

Ihm war's "wie ein ewiger Sonntag im Gemüte", kennzeichnet der romantische Dichter Joseph von Eichendorff den Titelhelden seiner Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts". Dieser Taugenichts ist auch in dem gleichnamigen DEFA-Film in Wahrheit ein Habenichts, der zu seiner Zeit die Hoffnungen des Volkes nach menschlichem Leben verkörpert. Er wehrt sich gegen das Einordnen in seine Umwelt. Sie raubt ihm die Persönlichkeitsentfaltung, verschüttet seine musische Begabung.

Die Eigenart der Eichendorffschen Dichtung - ihr realistischer Kern - liegt darin, die geschilderte konkrete Umwelt mit volkspoesiehaften Wünschen des Helden nach Glück mittels märchenhafter Situationen zu verknüpfen. Hält der Film von Celino Bleiweiß (Buch: Wera und Claus Küchenmeister) diesem Anspruch stand, verdeutlicht er Eichendorffs romantische Position mit ihren gesellschaftsbezogenen Akzenten?

Wenn Filmautoren eine literarische Vorlage bearbeiten, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie halten sich streng an die Vorgabe und versuchen, Literatur in Filmsprache zu übertragen und dem Filmwerk das zu geben, was es vor allem in der bildhaften Gestaltung unterscheidet, oder sie greifen die Grundidee der Vorlage auf und bearbeiten "frei". Der Eichendorffsche "Taugenichts" bot sich für beide Möglichkeiten an: Eine vom Charakter her interessante Titelfigur, deren Einordnung in das damalige Gesellschaftssystem, die Erlebnisse des Taugenichts, seine persönliche Entwicklung (so man davon sprechen kann) und eine gerade für den Farbfilm geeignete Kulisse. Da sich die Autoren vornahmen, den Taugenichts aus heutiger Sicht zu gestalten, durfte man gespannt sein, wie das "Duell" der Drehbuchverfasser mit dem Autor der Novelle im Hinblick auf den zu erwartenden Film ausgehen würde. Um das Ergebnis mit einem Ausdruck aus dem Sportbereich zu vergleichen: Es endete unentschieden und wurde zu einem Licht-"Spiel" ohne Höhepunkte. Der Taugenichts ist bei Eichendorff ein durch Phantasie und Träumerei von Erlebnis zu Erlebnis Getriebener, einer, der seinen Platz im Leben sucht. So gesehen und unter dem Aspekt, dass Romantik (sofern man darunter Träumerei und Phantasie als progressive Bestandteile sozialistischer Gedankenwelt versteht) auch zu unserem Leben gehört, sollte man die Maßstäbe an diesen Film anlegen.

Auszudrücken, dass Phantasie wie Träume einen Menschen in seinen Taten beflügeln - dazu bietet sich die Figur des Taugenichts an, können andere Personen der Handlung aktivierend oder hemmend beitragen. Doch ist jene Entwicklung erkennbar, die diesen Anspruch der Autoren rechtfertigt und die dem unbefangenen Filmzuschauer solche Anregungen vermittelt, die man von einem DEFA-Film erwartet, auch wenn diesem das Werk eines Schriftstellers der Spätromantik zugrunde liegt?

Für uns bleibt all das bei einer Betrachtung vom heutigen Standpunkt aus nur in Ansätzen erkennbar. Da fehlt eine bestimmbare soziale Zuordnung der Taugenichts-Figur. Da erscheinen viele seiner Entscheidungen weniger gedanklich als vielmehr emotional oder gar erlebnishungrig bestimmt. Zu sehr orientieren sich die Schöpfer auf die Wirkung des (schönen) Bilds, auf die - erwartete - Ausstrahlung eines Dean Reed, ohne eine tiefergehende Charakteristik des Taugenichts durch dessen eigene Handlungsmotive oder durch Einflüsse aus seiner Umgebung anzustreben.

Das sozialkritische Genre-Bild, das uns die Novelle bietet, wird nur in manchen Sequenzen, so beim Aufenthalt des Taugenichts auf dem Schloss, vermittelt. Hier spürt man etwas von den fortschrittlichen Ideen, die von der Poesie Eichendorfs - im weitesten Sinne natürlich - berührt werden. Auch in den Passagen, die von den Abenteuern des Titelhelden bei der Räuberbande Rinaldinis handeln, wird die kritische Haltung zu gesellschaftlichen Ereignissen spürbar. Deutlich wird das romantische Erlebnis der Landschaft, des Reizes der schönen Natur überhaupt (Kamera: Günter Jaeute). Den Geist Eichendorffscher Poesie erfährt man schließlich in den Liedern (Kompositionen: Reiner Hornig), die auf die romantische Wiederentdeckung des Volkslieds, auf die aus der Volksdichtung geschaffene Lyrik hindeuten.

Dean Reed, der lieben, reiten, singen und "naiv-schön" aussehen darf, merkt man an, dass seiner Taugenichts-Figur vom Buch und (oder) von der Regie her Fesseln angelegt sind. Dann gibt es noch eine "Schöne" in Gestalt der polnischen Schauspielerin Anna Dziadyk und eine Gruppe hervorragender DDR- und rumänischer Darsteller zu besichtigen, von denen man Monika Woytowicz, Christel Bodenstein, Gerry Wolff und Arno Wyzniewski erwähnen sollte.

Bei allem erkennbaren Bemühen der Schöpfer schimmert in der Eichendorff-Verfilmung sozusagen nur etwas vom Wesen des romantischen Helden, vom Versuch der Romantik überhaupt hindurch, Harmonie in eine im Grunde nicht harmonisierbare Welt zu bringen.

Bert Kirfel

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Letzte Änderung: 2007-03-07