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Ein Star bin ich so schnell nicht geworden. Das hatte viele Gründe. Und überhaupt: Was für ein Star wollte ich denn werden?

Der Hauptgrund, warum ich die Titelrolle in dem DEFA-Film "Aus dem Leben eines Taugenichts" gespielt habe, war wohl, dass ich selber einmal solch ein junger Mann war, solch ein "Good-for-nothing", wie jenes Wort englisch übersetzt heißt, solch ein Mensch "gut für nichts". Dass ich so einer war, wusste ich im Sommer 1958 natürlich nicht. Ich war stolzer Besitzer eines Schallplattenvertrages - was wollte ich mehr. Ade, Meteorologie.

Ich war sehr naiv und dachte reinen Herzens, dass eigentlich alle Leute nett zueinander seien. Ich jedenfalls hatte bis dahin wenig böse Menschen kennengelernt. Selbst der Vater des Mädchens, der mir meine erste Jugendliebe nicht gegönnt hatte, war ja nur voller Sorge gewesen, dass ich nicht zu seiner Tochter passe.

Die Welt sah für mich rosig aus, und ich glaubte, mein ganzes Leben würde immer so sein. Gerade damals, als ich das, was mir am liebsten war, zu meinem Beruf machen konnte.

Doch sehr bald merkte ich, dass das Leben in Hollywood kein Zuckerlecken war. Meine erste Schallplatte war kein sonderlicher Erfolg geworden. Meine zweite wurde auch keiner. Einen Blitzstart hatte ich wirklich nicht. Immerhin musste ich der Schallplattengesellschaft so viel eingebracht haben, dass mir der Vertrag nicht gekündigt wurde. Vielleicht war es auch so, dass man kühl einkalkuliert hatte, dass sich eine Investition auch im Show-Business nicht sofort amortisiert. Denn das wusste ich immerhin schon, ich war ein Investitionsobjekt.

Später dann habe ich die Geschäftspraktiken im Show-Business von ihrer übelsten Seite kennengelernt. Es kam nämlich der Tag, an dem man mir vorzuschreiben begann, was ich in meinem Privatleben zu tun und zu lassen hatte.

Ein Song ist in den kapitalistischen Ländern zuallererst nicht ein künstlerisches Produkt, sondern eine Ware wie eine Seifenmarke oder eine Whiskysorte. Und die muss, wenn man leben will, verkauft werden. Ein Künstler braucht deshalb einen Manager, der sich um alles kümmert, einen Agenten, der Verbindungen anknüpft, einen Public-Relations-Mann, der die Werbung betreibt, und schließlich einen sogenannten Businessmanager, der die Gagen aushandelt. Ein Vertrag mit einer Schallplattenfirma ist kein Ruhekissen. Man kann nicht darauf warten, dass einem gute Lieder angeboten werden. Die muss man sich selbst suchen. Außerdem kann man, wenn man kein Hitstar ist, nicht von Schallplatten allein leben. Man muss auch öffentlich auftreten: in Klubs, Bars, Tanzrestaurants.

Meinem Manager, einem gewissen Mister Eberhard, standen vertraglich fünfundzwanzig Prozent meiner Gage zu. Das war nicht einmal viel. Elvis Presley hat an seinen Manager sogar die Hälfte seiner Einnahmen abführen müssen. Zehn weitere Prozent kassierte mein Agent, je fünf der Public-Relations-Mann und der Businessmanager. Dreißig Prozent schließlich vereinnahmte der Staat an Steuern. Mir blieben ganze fünfundzwanzig Prozent. Nun gut, das war normal, und daran hatte ich mich gewöhnt. Doch eines Tages verkaufte Mister Eberhard den mit mir abgeschlossenen Vertrag. Käufer war die Organisation, die in Hollywood mit allem, was es im Show-Business gibt, handelt und die man getrost als Syndikat, als eine Art Mafia bezeichnen kann. Und so erschienen eines Tages zwei Männer bei mir, die mir eröffneten, Aus meinem Leben was ich nach Ansicht der Organisation alles falsch machen würde. Sie schrieben mir vor, was ich für Hemden anziehen sollte, welche Krawatten ich tragen müsste, mit welchen Frauen ich mich in den von Fotoreportern wimmelnden Restaurants am Sunset Strip sehen lassen sollte, und meinten, dass es übrigens sehr gut wäre, wenn ich mit Miss Sowieso einen kleinen Skandal inszenieren würde.

Ich habe das abgelehnt. Ich wollte kein Sklave sein. Lieber blieb ich ohne Manager.

Dean Reed, Aus meinem Leben. Aufgeschrieben von Hans-Dieter Bräuer; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage; Edition Peters, Leipzig/Dresden 1984; S. 17f.

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Letzte Änderung: 2014-04-30