F.-B. Habel

Unheiliges Konkordat

Rolf Hochhuths „Stellvertreter“ in Berlin zurück auf der Bühne

F.-B. Habel

Die Funktion der großen hauptstädtischen Theater hat sich gewandelt. Grob gesagt herrscht eine strenge Trennung zwischen Unterhaltungs- und Experimentaltheater. Wer intelligent unterhalten, gebildet und vielleicht auch erschüttert werden will, hat grade mit dem Schlosspark Theater ein Haus, das meist erfolgreich ausprobiert, dies alles in seinem Spielplan zu verbinden.

Vor 55 Jahren erlebte eins der heiß umstrittensten Stücke seine Uraufführung am Kurfürstendamm. Rolf Hochhuths Dokumentardrama „Der Stellvertreter“ über das unheilige Konkordat des Heiligen Stuhls mit Hitlerdeutschland war 1963 einer der letzten Erfolge des aus dem US-amerikanischen Exil verdrängten Erwin Piscator, dem Theaterrevolutionär der Weimarer Republik. Das Dokumentardrama, das Hochhuth nach verbrieften Ereignissen und in Anlehnung an reale Charaktere geschrieben hatte, wurde ein Welterfolg, vielerorts heiß diskutiert, Hochhuth gefeiert und verteufelt. „Denunziationsdramatik mit moralischem Feuer“ war das mildeste, was sich Hochhuth vom Westberliner Kritikerpapst Friedrich Luft vorwerfen lassen musste. Das Stück, 1965 im Volkstheater Rostock für die DDR erstaufgeführt, nahm seinen Weg durch 25 Länder und wurde 2002 von Costa-Gavras verfilmt.

So, wie Piscator aus dem umfangreichen Textkonvolut eine eigene Spielfassung herstellte, hat auch Philip Tiedemann, der das Stück vor Jahren bereits im Berliner Ensemble inszeniert hatte, für das Schlosspark Theater eine eigene, mit zwei Stunden recht kurze Fassung erarbeitet. Sie endet mit dem Entschluss des jungen Paters Fontana nach der Zurechtweisung durch Papst Pius XII. mit den Verfolgten zu gehen. Der fünfte Akt, bei dem in Auschwitz ein zynischer KZ-Arzt (den Namen Mengele durfte Hochhuth bei der Uraufführung nicht verwenden) eine wesentliche Rolle spielt, ist gestrichen. Doch auch jetzt kann man durchaus die Explosivkraft des Stückes nachvollziehen. Das liegt in Szenen, die als Schattenspiel einige Kernaussagen der ach so biederen deutschen Täter wiedergeben.

Mittelpunktsfigur ist die literarische Figur Pater Ricardo Fontana aus dem Umfeld des Papstes, der Züge zweier katholischer Antifaschisten, des Paters Maximilian Kolbe und des Prälaten Bernhard Lichtenberg in sich vereint. Fontana lernt 1942 beim päpstlichen Nuntius in Berlin des SS-Mann Gerstein (eine historische Figur) kennen, der von den Nazi-Greueltaten zur Vernichtung der Juden und anderer Gegner berichtet und der den Vatikan aufrütteln will. Fontana beschließt, Papst Pius davon zu unterrichten und zum Einschreiten zu bewegen. Nach Rom zurückgekehrt, stößt er jedoch beim Stellvertreter Gottes auf taube Ohren. Letztlich fürchtet die Amtskirche um ihren auch von der deutschen Industrie gemehrten Reichtum und möchte auf keinen Fall, dass Europa unter sowjetischen Einfluss gerät. Fontana sagt sich vom Vatikan los und will sich als Stellvertreter von Gottes Stellvertreter für Menschlichkeit einsetzen.

Trailer, DER STELLVERTRETER von Rolf Hochhuth
Fassungfür das Schlosspark Theater Berlin von Philip Tiedemann Mit Georg Preusse als Papst Pius XII.

DER STELLVERTRETER am Schlosspark Theater - Trailer

Dem Regisseur, der in einem funktionellen Bühnenbild von Stephan von Wedel spielen läßt, stehen erstklassige Darsteller zur Verfügung, die fast alle mehrere Rollen spielen. Tilmar Kuhn überzeugt in der Rolle des Paters Fontana, Joachim Bliese als dessen Vater Graf Fontana, der sich im Konflikt zwischen Heiligem Stuhl und seinem Sohn schließlich auf dessen Seite schlägt, und Martin Seifert. Sein Kardinal, der weinselig seine Borniertheit und zugleich seine Gefährlichkeit überdeckt, war auch in komischen Momenten nie überzogen. Überrascht von der feinen Charakterisierung, die Georg Preuße in der großen Schlüsselszene dem Papst verlieh, dürften die Zuschauer sein, die nur seine Kunstfigur Mary kennen. In Stücken wie „Draußen vor der Tür“ oder „Jedermann“ hatte er bereits bewiesen, welch differenzierter Charakterdarsteller er ist und überzeugte auch im Schlosspark Theater mit Brillanz und Schärfe. Gemeinsam mit dem Ensemble konnte der Autor Rolf Hochhuth die Ovationen des Premierenpublikums entgegennehmen.

Nächste Vorstellungen: Berlin, Schlosspark Theater, 1.-7. Oktober, jeweils 20 Uhr
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Bilder und Bildunterschriften wurden von der Redaktion AmericanRebel hinzugefügt.
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