F. – B. Habel

War da nicht noch was?

Die große Buntheit der Markenwerbung vor faschistischem Hintergrund: Eine Berliner Ausstellung zum UFA-Jubiläum
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F.-B. Habel

Der dritte Ausstellungsraum im Filmhaus am Potsdamer Platz bietet einen Blick in die Zukunft des Kinos. Dafür muss man allerdings unförmige Brillen aufsetzen. Man kann sich damit an einem 20er-Jahre-Filmset in Florida umschauen, 360 Grad, Herbert Knaup spielt in dem volumetrischen Dreiminüter einen Regisseur alten Stils. Die Universum-Film AG (UFA) ist in den hundert Jahren seit ihrer Gründung Ende 1917 jung geblieben, will die Schau zum Jubiläum in Berlin einem mitgeben.

Als die UFA zu ihrem 75. mit einer großen Ausstellung im Berliner Zeughaus gefeiert wurde, kamen Stars früherer Jahrzehnte, Dolly Haas aus den USA, in die sie in den 30ern emigriert war, und ich erinnere mich an die ungleichen Schwestern Camilla und Steffie Spira. Zum 100. ist alles eine Nummer kleiner, von der Ausstellungsfläche im Museum für Film und Fernsehen bis zur Zahl der Promis bei der Eröffnungsfeier am vergangenen Freitag. Nicht einmal als heutige UFA-Stars in der Ausstellung herausgehobene Schauspieler wie Dieter Hallervorden, Heino Ferch oder Claudia Michelsen ließen sich blicken. Wenigstens die Regisseure Philipp Stölzl (»Der Medicus«), Roland Suso Richter (»Ein starkes Team«) und Nico Hofmann erschienen, letzterer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der UFA GmbH.

Genauer genommen besteht die UFA noch keine 100 Jahre, denn 1945 wurde sie von den Alliierten liquidiert und kam erst mehr als zehn Jahre später als Neugründung wieder mehr schlecht als recht auf die Beine. Warum wird überhaupt gefeiert? Das sagt der Untertitel der Schau, »Geschichte einer Marke«. Der heutigen UFA, Hauptsponsor der Ausstellung, geht es um Steigerung ihres Markenwertes, wobei ihr an der eigenen Geschichte nicht alles gefällt. Das historische Logo mit der Raute sollte möglichst selten vorkommen, keine leichte Aufgabe für Kuratorin Klaudia Wick bei ihrer ersten Ausstellung an diesem Haus!

Sie hat das im ersten, teils schlauchartigen Raum so gelöst, dass an einer Wand Objekte der alten UFA zu sehen sind, beginnend mit der Stummfilmzeit: Originalplakate, Fotos, Preistrophäen, Briefe und Tagebücher in Vitrinen, originale Kostüme der in ihren politischen Ansichten grundverschiedenen Diven Marlene Dietrich und Zarah Leander. An der gegenüberliegenden Wand wird die UFA der vergangenen sechs Jahrzehnte mit der Betonung auf Fernsehfilme und -shows präsentiert. So mancher wird bei Hinweisen auf TV-Serien wie »Danni Lowinski« oder »Verbotene Liebe« erstaunt sein, dass auch dies UFA-Produktionen sind. Erst recht gilt das wohl für TV-Shows wie »Das Supertalent« oder »Deutschland sucht den Superstar«.

Zwischendurch wird stolz darauf verwiesen, dass die UFA gewissermaßen verkappte DEFA-Filme produziert hat. Tatsächlich konnte sie ehemalige DDR-Künstler wie Manfred Krug, Frank Beyer und Jurek Becker verpflichten.

Aber war da nicht noch was? Wurde die UFA nicht mitten im Ersten Weltkrieg von Reichswehr und Deutscher Bank gegründet und mitten im Zweiten Weltkrieg in Reichseigentum überführt? War nicht auch bei der Reprivatisierung durch den Rechtsnachfolger BRD 1956 die Deutsche Bank führend? Und welche Gründe hatte der Verkauf ihrer Anteile acht Jahre später – nunmehr im Kalten Krieg – an die Familie Mohn (Bertelsmann)?

Die Unternehmensgeschichte der 20er bis 40er Jahre wird von den heutigen UFA-Besitzern nicht ohne Grund als schmuddelig empfunden. Tatsächlich produzierte die UFA nicht nur formal und technisch Beispielhaftes wie Fritz Langs »Metropolis« (mit einer fatalen Botschaft), sondern bereitete mit den Fridericus-Rex-Filmen schon in den 20er Jahren das geistige Klima für den Faschismus vor. Später waren die perfiden großen Propagandaschinken der Nazis von »Jud Süß« bis »Kolberg« UFA-Produktionen. Sie werden in der Ausstellung nicht unterschlagen, sind Teil der großen Buntheit, mit der die UFA zwischen Tonfilmoperette und Melodram aufwartet. Die eine oder andere Auskunft über die politischen Dimensionen erhält, wer sich an Monitoren durch Menüs klickt. Im zweiten Raum gibt es eine Reihe von Sichtungsplätzen, an denen man ganze Filme einschließlich ausführlicher Dokumentationen sehen kann. Die Zeit nimmt sich nicht jeder Besucher.

Aufschlussreicher als die Ausstellung sind zwei Bücher, die aus ihrem Anlass erschienen sind. Der offizielle, reich bebilderte Katalog geht der UFA-Geschichte akribisch nach, wenngleich auch hier einige Themen, wie etwa die filmische Preußen-Beweihräucherung in der Weimarer Republik zu kurz kommen. Der Film der Weimarer Republik werde in der Berlinale-Retrospektive im Februar eine Rolle spielen, so Kinemathek-Chef Rainer Rother auf der Pressekonferenz vorige Woche.

Die Zeit des Faschismus wird im Sammelband »Linientreu und populär« eingehend behandelt. Rother kommentiert Dokumente des Konzerns, Friedemann Beyer erörtert die Vorbereitung auf den NS-Film in der Ära Hugenberg, Kay Hoffman lässt dem unterschätzten »Kulturfilm« aus dem Vorprogramm Gerechtigkeit widerfahren. Was den Leser aufrüttelt, sind die Beiträge von Almuth Püschel und Jens Westemeier zu einem unterbelichteten Kapitel der UFA-Geschichte, dem Einsatz von Zwangsarbeitern. Menschen aus den besetzten Gebieten, oft Frauen und Kinder, wurden in Deutschland von der Filmgesellschaft ausgebeutet. Die Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion lebten als rassisch minderwertig eingestuft unter besonders unmenschlichen Umständen. Püschel schildert das Beispiel einer Frau, deren zwei Kinder das Arbeitslager nicht überlebten. Westemeier stellt detailliert den Weg eines niederländischen Zwangsarbeiters bei der UFA-Propagandaabteilung dar. Dieses Thema kommt in der Ausstellung zu kurz.

 

Noch bis 22. April 2018, tgl. außer montags, 10–18 Uhr, Filmhaus am Potsdamer Platz, Berlin

Peter Mänz/Rainer Rother/Klaudia Wick (Hg.): Die UFA – Geschichte einer Marke. Kerber-Verlag, Bielefeld 2017, 200 S., zahlr. Abb., 36 Euro

Rainer Rother/Vera Thomas: Linientreu und Populär – Das UFA-Imperium 1933–1945. Bertz + Fischer, Berlin 2017, 224 S., 48 Abb., 17,90 Euro

 

.Aus Junge Welt vom 2. Dezember 2017, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors
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